Jordanien 2

7. November 2008

Die Überfahrt verläuft problemlos. Im Gegensatz zur Hinfahrt können wir in der ersten Klasse sitzen, obwohl wir nur zweite Klasse gelöst haben. Zudem ist das Speedboat ruhig, sauber und wirklich schnell. Nach der Ankunft wird unser Santi von den Zollbehörden vollständig mit einem Röntgenapparat durchleuchtet. Danach lösen wir eine Vollkaskoversicherung, lassen das Carnet abstempeln, diverse Formulare ausfüllen, abstempeln und nochmals abstempeln. Am Schluss muss der "General Manager" der Einreisebehörde ein Dokument abermals abstempeln, und dann können wir endlich einreisen. Die ganze Prozedur hat rund US-$ 50 gekostet und zwei Stunden gedauert. Im Gegensatz zu anderen Ländern sind die Beamten zuvorkommend und hilfsbereit.

Um fünf Uhr abends fahren wir während dem Eindunkeln der Küste von Al Aqabah entlang zum Campingplatz des Bedouin Garden Villages, wo wir kochen und bald einmal im Dachzelt liegen.

8. und 9. November 2008

Ausser ausgiebigem Spazieren und Kochen verbringen wir diese beiden Tage auf dem Campingplatz hinter dem Laptop. Es gibt viel zu schreiben und viele Fotos wollen hochgeladen werden. Ausserdem studieren wir den lonely planet Reiseführer von Jordanien, den wir von Andrew und Debbie Descroizilles in Dar es Salaam netterweise zum Gebrauch erhalten haben. Dass wir von der Stadt und vom Strand in Al Aqabah nicht viel mitbekommen, stört uns wenig, denn es windet während diesen Tagen enorm.

10. bis 12. November 2008

Bevor wir in Richtung Wadi Rum fahren, heisst es nach dem Frühstück einkaufen und unsere Vorräte auffüllen. Wenn man auf den richtigen Supermarkt stösst, gibt es in Al Aqabah alles zu finden, was das Herz begehrt. Auch wenn wir die schlechteste und undetaillierteste Karte von einer Stadt in den Händen halten finden wir immer, was wir suchen. Wie wir bei einer Tankstelle vorbeifahren, bietet sich eine gute Gelegenheit, die Öl- und Dieselfilter zu wechseln. Während Markus die beiden Automechaniker überwacht, bereitet Helen ein Birchermüesli vor. Danach fahren wir auf direktem Weg zum Wadi Rum. Am späten Nachmittag befinden wir uns bereits in diesem Naturschutzgebiet und freuen uns, sogar in Jordanien etwas Offroad fahren zu können.

Mit dem Wadi Rum wird ein rund 130 km langes und 2 km breites Tal bezeichnet, welches seitlich von hohen felsigen Bergen begrenzt wird. Dazwischen breitet sich eine Sand- und Steinwüste aus, die von unzähligen kleineren und grösseren Felskegeln unterbrochen wird. Am Fusse der Felsen befinden sich viele Touristencamps, und wir sind froh, einsame und ruhige Schlafplätze zu finden. Einmal schlafen wir auf einer und zweimal hinter einer hohen Sanddüne. Es macht uns grossen Spass, in der roten und weissen Sandwüste zwischen den hohen Bergflanken herumzukurven und auf den Sanddünen zu surfen. Uns imponiert am Wadi Rum insbesondere das Alter (50 Millionen Jahre) und die enorme Höhe der Bergflanken. Auch das Werk von Wind und Wetter fasziniert uns, denn oft stossen wir auf die wildesten "Erosionskunstwerke".

                                                                             Grössenvergleich mit Markus

Wir amüsieren uns oft ob der Guides, die mit höhergelegten und mit zwei bis sechs Touristen besetzten Geländefahrzeugen manchmal grösste Mühe haben, vorwärts zu kommen und oft Passagen umfahren müssen, die wir mit unserem überladenen Santi ohne Probleme meistern. Wenn wir nicht hohe Sanddünen hochfahren, machen wir uns zu Fuss auf den Weg, um enge Wadis auszukundschaften. Und wenn wir auch nicht in engen und hohen Schluchten zu finden sind, dann studieren wir irgendwo vor einer Sanddüne die beiden Reiseführer des lonely planet über Jordanien und Syrien. Da unsere Planänderung über Jordanien und Syrien nach Hause zu fahren erst im Verlauf unserer Reise gewachsen ist, sind wir sehr dankbar, diese beiden Reiseführer von Andrew und Debbie Descroizilles in Dar es Salaam erhalten zu haben. Begeistert über diese beiden Reisebücher sind wir zwar nicht besonders, doch sind wir einerseits froh, unsere Reise durch Jordanien und Syrien vorbereiten zu können, und andererseits unser Englisch aufzufrischen.

Wie wir uns einmal dem Rand des Naturschutzgebietes nähern, kreuzt eine kleine Herde Dromedare unseren Weg. Helen schafft es, zu Fuss sehr nahe an die Dromedare heran zu kommen. Danach fahren wir weiter durch eine einsame Bilderbuchlandschaft, bis wir wieder unseren ruhigen Schlafplatz hinter einer hohen Düne erreichen.

13. November 2008

Am Morgen geht es über viele Hügel bis nach Shobak. Uns fällt auf, wie der wüstenähnliche, mit Steinen übersäte Boden beackert wird. Wir sehen zwar keine Pflanzen auf den Landwirtschaftsflächen, konstatieren aber überall Furchen. Einmal beobachten wir sogar, wie ein Jordanier auf einem Traktor den Boden pflügt. Uns bleibt es ein Rätsel, welche Pflanzen in dieser ausgesprochen trockenen Erde gedeihen.

Das Schloss von Shobak wurde 1115 nChr von Kreuzrittern erbaut, fiel aber gut 70 Jahre später den Truppen von Saladin in die Hände. Die Ruine thront zuoberst auf einem Hügel und ist zum grossen Teil erstaunlich gut erhalten. Besonders angetan haben uns die Geheimgänge: Einer führt zu einer unterirdischen Quelle, ein anderer bis zum Fusse des Hügels. Aufgrund der Rückenprobleme von Markus können wir zwar nicht alle Geheimgänge auskundschaften, stiefeln dafür aber ausgiebig durch die "oberirdischen" Ruinen. So stossen wir zum Beispiel auf Steinkugeln, die früher als Munition für Katapulte genutzt wurden, und entdecken in manchen schwer zugänglichen Räumen Schiessscharten. Nur dank der mitgenommenen Taschenlampe können wir in die oft verwinkelten Räume hineingehen - sonst herrscht in den Räumen und Gängen oft finsterste Finsternis.

Zum Glück finden wir nach der Schlossbesichtigung in unmittelbarer Nähe einen Campingplatz. Leider kennt die niederländische Botschaft in Jordanien diesen Campingplatz bzw. dessen Restaurant auch, und ausgerechnet heute geniessen die Mitarbeiter dieser Botschaft im Rahmen eines Betriebsaufluges hier ein Abendessen. Aber nach nur rund eineinhalb Stunden kehrt wieder Ruhe ein, und wir können uns beruhigt im Dachzelt verkriechen.

14. November 208

Frühmorgens machen wir uns auf, um Petra zu besuchen. Bei Petra handelt es sich nicht um eine Dame, sondern um eine alte Stadt, deren Anfänge auf 7000 vChr datiert werden. Vor rund 2000 Jahren haben die Nabatäer die Stadt mit unzähligen Höhlengräbern und grosszügigen Tempelanlagen berühmt gemacht. Bekannt ist vor allem der ungewöhnliche Zugang zur Stadt: Wir spazieren durch einen rund 1'200 m langen, durch tektonische Verschiebungen entstandenen Felseinschnitt, der "Siq" genannt wird. Der Siq ist zwischen zwei und sechs Meter breit, und die senkrechten Felsflanken sind bis zu 200 m hoch.

Kaum verlassen wir den Siq, werden wir vom Al-Khazneh beinahe erschlagen. Das wohl meist fotografierte Gebäude Petras diente der Legende nach einem Pharao, der in einer Steinurne seinen Schatz vor den Israeliten in Sicherheit brachte, und wird deshalb auch "Treasury" genannt. Im Innern des Treasury befindet sich ein von zwei Kammern flankierter riesiger Raum. Leider ist das Betreten dieses Raumes wie auch des dahinter liegenden Gewölbes verboten, so dass wir nur beschränkt auf den Pfaden von Indiana Jones wandeln können. Dafür erfreuen wir uns ob der ausserordentlich gut erhaltener Kapitelle und der vor dem Treasury postierten Torwächter.

Wie das Treasury haben die Nabatäer viele Gräber in den Felsen gehauen. So auch die vier Königsgräber, von denen wir aber nur eines besichtigen. Dieses beeindruckt durch seine vier Säulen, welche früher mit vier Figuren dekoriert waren. Es ist unglaublich, mit welcher Präzision der 400 m2 grosse Innenraum mit seinen Ecken, Fenstern und Nischen mit einfachsten Werkzeugen aus dem Fels gehauen wurde.


Was uns auch sehr fasziniert an diesem Tag ist das vor über 2000 Jahren ebenfalls von den Nabatäern in den Fels gehauene und 8'500 Personen (oder 30 % der damaligen Bevölkerung von Petra) Platz bietende Amphitheater. Die Römer als Nachfolger der Nabatäer opferten für eine Vergrösserung des Amphitheaters etliche Felsengräber.

Von der byzantinischen Kirche in Petra ist leider nicht mehr viel zu sehen. Immerhin konnten wunderschöne, einen Teil des Fussbodens bedeckende Mosaike gerettet werden. Dabei sind die verschiedensten Tiere und Motive zu erkennen.

Petra ist wirklich einen Besuch wert. Traurig stimmen uns lediglich die olfaktorischen Immissionen. Einige der Felsgräber entpuppen sich nämlich als den Touristen und Einheimischen als Toilette dienende Löcher. Es ist jammerschade, wie die historische Stätte, die in mehreren Erdbeben erheblich zerstört wurde, zum Teil mangelhaft unterhalten wird.

Sky ist glücklich und froh, ganze sieben Stunden mit uns auf den Beinen gewesen zu sein. Wir sind schon etwas stolz, in den verschiedensten Sprachen Komplimente über die Schönheit unseres Hundes erhalten zu haben. Am späten Nachmittag verlassen wir hundemüde die weitläufige Anlage und fahren zurück auf den Campingplatz bei Shobak. Dort eingetroffen, fühlen wir uns so fit wie dieses Kamel...

15. November 2008

Heute geht es via At Tafila nach Karak. Die Strasse windet sich in zahlreichen Kurven bergauf und bergab. Die Natur zeigt sich uns in den verschiedensten Variationen. Uns begegnen nicht nur hohe und schroffe Gebirgszüge, sondern auch wunderschöne und interessante Wüstengegenden. Immer wieder erstaunt es uns, wie die Jordanier es doch immer wieder schaffen, aus dem kargen und trockenen Wüstensand eine fruchtbare grüne Oase zu zaubern. Mitten in der Stosszeit erreichen wir At Tafila, eine grössere Stadt mit den verschiedensten Geschäften. Natürlich dürfen auch Metzgereien hier nicht fehlen. Wir haben nichts dagegen, wenn das Fleisch sehr frisch ist und der Metzger für dessen Qualität bürgt, sind aber froh, dass in der Schweiz keine Kuh- und Rindsköpfe vor den Geschäften hängen... 

Langsam nähern wir uns Karak. Schon von weitem sticht uns das Schloss mit seinen hohen Mauern ins Auge. Wir parkieren unseren Santi und stehen nach einem kurzen Spaziergang durch das Städtchen mit dem Lonley Planet bewaffnet mitten im Schloss. Dieses Schloss soll im Krieg der Kreuzritter bzw. der Franken gegen die islamische Armee von Saladin eine grosse Rolle gespielt haben. Uns wird bald einmal klar, weshalb das Schloss genau an diesem Ort erbaut worden ist: Der Aus- bzw. Fernblick ist einfach grandios! Wir besichtigen das ganze Schloss, stellen aber leider fest, dass sich unser Reiseführer lediglich zu den wenig übrig gebliebenen oberirdischen Ruinen äussert. Die unzähligen Gänge und vielen Gewölbe im dunklen und kühlen Keller werden keines Wortes gewürdigt. Nichts desto trotz durchstöbern wir mit Taschenlampen ausgerüstet die finsteren Gänge und stellen uns vor, was sich wo abgespielt haben könnte.


Etwas enttäuscht, nicht mehr von der "Unterwelt" erfahren zu haben, verlassen wir das Schloss Karak um vier Uhr in Richtung Totes Meer. Bevor sich uns ein herrlicher Blick auf das Tote Meer auftut, heisst es noch eine steile Passabfahrt heil zu überstehen. Wie sich später herausstellt, handelt es sich aber noch gar nicht um das Tote Meer, sondern erst um eine riesige Entsalzungsanlage.

16. November 2008

Der heutige Schlafplatz mitten auf einem Parkplatz verhilft uns zu einem herrlichen Blick auf das 65 km lange und maximal 18 km breite Tote Meer. Heute wollen wir es wagen und im Toten Meer baden gehen. Es ist für uns kaum vorstellbar, dass der Meeresspiegel des Toten Meeres innerhalb der letzten Jahre von -392 m.ü.M. auf -402 m.ü.M. gesunken und bereits 30% der Wasseroberfläche verschwunden ist. Dies ist auf den unregelmässigen Zufluss des Jordans, die hohe Verdunstung und das tägliche Abzapfen von über einer Million Tonnen Wasser, aus welchem Trinkwasser hergestellt wird, zurückzuführen.

Wir besuchen die öffentliche Badeanstalt "Amman Beach" und liegen schon bald im warmen, extrem salzigen Wasser des Toten Meeres. Es ist ein ungewohntes und komisches Gefühl im Wasser auf dem Rücken liegen zu können und ohne jegliche Bewegungen nicht unterzugehen. Aufgrund der hohen Salzkonzentration von 30% und des damit verbundenen Auftriebes ist das Brustschwimmen praktisch unmöglich. Wir geniessen dieses einmalige und spezielle Gefühl und lassen uns im Wasser amüsiert treiben.

Da wir uns heute einen neuen Schlafplatz suchen müssen, gehen wir nach dem nicht besonders erfrischenden Bad auf die Schlafplatzsuche. Das Baden im warmen Toten Meer ist unter anderem deshalb nicht sehr erfrischend, weil der Körper mit einer sich ölig anfühlenden Salzschicht überzogen ist. Heute schlafen wir nicht in einem der noblen, an der jordanischen Küste des Toten Meeres erbauten Luxushotels, sondern auf einer kleinen Plattform etwas oberhalb der Küstenstrasse. Die Schwierigkeiten des Befahrens des steilen und sehr steinigen Weges werden mit einer wirklich ruhigen und angenehmen Nacht belohnt.

Trotz dieses wunderbaren Erlebnisses darf nicht unerwähnt bleiben, dass wir am Toten Meer auf beinahe allen Rastplätzen unter einer "biblischen Fliegenplage" leiden. Tausende von Fliegen krallen sich an der Karosserie fest und bleiben dort sogar während dem Fahren sitzen. Wenn wir anhalten, fliegen beim Öffnen der Türen jeweils "lediglich" 50 Fliegen ins Innere. Dann geht das Theater erst recht los. Da Fliegen starken Wind hassen, bleibt uns nichts anderes übrig, als beim Fahren beide Türen aufzureissen, damit sie das Auto freiwillig verlassen können. Und wenn es eine wagt, das Auto nicht zu verlassen, wird gegen sie die Todesstrafe ausgesprochen...

17. November 2008

Obwohl das Baden im Toten Meer einmalig ist, dünkt es uns zuwenig spannend, als dass wir nochmals mit einer Salzschicht überzogen aus dem Wasser steigen möchten - es sei denn, wir leiden in späteren Jahren einmal an einer durch das Wasser des Toten Meeres heilbaren Krankheit! Der Küste des Toten Meeres entlang fahren wir nordwärts bis zur heiligen Stätte "Bethany-Beyond-the-Jordan". Wir besichtigen den Ort, wo Jesus Christus von Johannes getauft wurde, bevor er 40 Tage in der nahe gelegenen Wüste verbrachte. An der Taufstelle wurden drei Kirchen übereinander gebaut, und erst vor wenigen Jahren wurde es Archäologen ermöglicht, Ausgrabungen vorzunehmen und die diesbezüglichen biblischen Darstellungen bestätigt zu sehen. Wenige Meter daneben wurde im Jahr 2003 eine griechisch-orthodoxe Kirche erbaut, in welcher unter anderem eine Darstellung zu sehen ist, wie der Prophet Eliah in den Himmel geführt wird.

Dieser für das Christentum zentrale Ort kann nur mit einem Führer besichtigt werden. Wir müssen uns deshalb einer Touristengruppe anschliessen und lassen uns einen Teil der Gedenkstätte vom Führer erklären. Dieser rattert emotionslos seinen Text herunter und meint nach einer knappen halben Stunde, dass die Führung beendet sei. Wir sind anderer Ansicht, gibt es doch noch einiges mehr zu sehen. Wir machen uns deshalb zum Unmut des Führers alleine auf den Weg zu den verschiedenen Ausgrabungsstätten. Besonders hervorzuheben ist das 300 Personen Platz bietende Taufbecken, das auch für Reinigungsrituale verwendet wurde. Es verfügte sogar über eine eigene Frischwasserversorgung mit Zu- und Abfluss.

18. November 2008

Nach einer ruhigen Nacht erwachen wir bereits um sechs Uhr früh. Nicht, weil wir durch Lärm geweckt worden wären, sondern vielmehr, weil wir die kühleren Temperaturen nicht mehr gewohnt sind. Mit diesem Temperaturrückgang wird uns das erste Mal richtig bewusst, dass es langsam heimwärts geht.  

Nach dem Frühstück besichtigen wir das Qasr Kharana. Beim Anblick dieses Schlosses wird uns bald einmal klar, weshalb es zu den best restauriertesten Qasr von Jordanien zählt. Dieses Qasr ist tatsächlich sehr imposant. Mitten im 61 Zimmer umfassenden zweistöckigen Gebäude befindet sich ein Hof. Alle Zimmer sind in Selbstversorgungseinheiten gruppiert. Dabei beinhaltet jede dieser Selbstversorgungseinheiten eine zentrale Halle, welche an zwei Seiten durch zwei Zimmer flankiert wird. Wir spazieren durch das ganze Qasr, und jeder Raum wird von uns unter die Lupe genommen. Beeindruckend sind auch die schmalen Öffnungen an den Aussenwänden, welche trotz ihrer geringen Grösse den Raum genügend zu erhellen vermögen.


Nach dieser interessanten Besichtigung geht es endlich wieder einmal offroad weiter - und zwar durch die endlos erscheinende Steinwüste zum Qasr Al Tuba. Es macht richtig Spass, abseits der befestigten Strassen unterwegs zu sein. Wir sind überwältigt von der riesigen Ebene, welche abwechselnd von kleineren oder grösseren Steinen bedeckt ist. Lediglich Wind und Sonne begleiten uns auf unserem Weg. Die Stille gefällt uns sehr. Dank dem GPS finden wir das Qasr Al Tuba auf Anhieb - unsere Navigationserfahrung macht sich wieder einmal bezahlt.

Das Qasr Al Tuba wurde vom Umayyad Kaliph Walid II. um 743 nChr errichtet - jedoch wurde es nie fertig gebaut. Heute sind von der ursprünglich 140 m langen und über 70 m breiten Anlage nur noch zwei längliche Räume und ein paar eingestürzte Mauern übrig. Obwohl es eigentlich nicht viel zu besichtigen gibt, gefällt uns dieses Qasr sehr gut - nicht zuletzt deshalb, weil wir wohl seit langer Zeit die ersten Touristen sind, die diese sich mitten in der Wüste befindende Ruine besichtigen. Obwohl das Qasr in der Nacht irgendwie etwas Unheimliches ausstrahlt, übernachten wir direkt neben der Aussenmauer. Wir sind froh, dass unser Santi dank dem Dreck und dem Sand gut getarnt ist und sich farblich gut der Mauer anpasst.

19. November 2008

Nach einer erneuten Besichtigung der Ruinen fahren wir querfeldein durch die Wüste in Richtung Teerstrasse. Es führen derart viele Pisten kreuz und quer durch die Landschaft, dass wir nicht wissen, welche wir wählen sollen. Wir entscheiden uns deshalb für die GPS-Variante und geniessen das "wilde Abenteuer" einer erneuten Querfeldeinfahrt. Nach einer knappen Stunde erreichen wir die Teerstrasse und fahren bis nach Al Azraq. Diese Ortschaft ist in zwei verschiedene Ortsteile unterteilt. Im Süden befinden sich vor allem kleine Läden und günstige Restaurants, und im Norden der eigentliche Ortskern sowie das Qasr Al Azraq. Diese Festung erfreut sich eines erstaunlich guten Zustandes und wird laufend renoviert. Kein Wunder, denn TE Lawrence und seine Getreuen verbrachten hier den eisig kalten Winter 1917/1918. Kaum vorstellbar, denn die Mauern sind alles andere als dicht, und in der die Festung umgebenden Wüste dürfte kaum viel Feuerholz gelegen haben. Das aus ungeschliffenen Steinblöcken erbaute Qasr hat im Sommer zwar den Vorteil, dass dauernd ein leichter Wind durch die Räume streicht - im Winter aber auch den entsprechenden Nachteil. Nicht zuletzt deshalb dürften die Mahlzeiten im Esssaal im Winter ziemlich rasch eingenommen worden sein! Während Helen eine aus Steinen erbaute Treppe aufs Dach der Moschee erklimmt, klettert Markus in eine tiefe Zisterne.

Als nächstes steht das Qasr al Amra auf dem Programm. Diese von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestufte Ruine ist in der Tat einmalig. Erbaut um 700 nChr, können noch immer die bemalten Wände und Decken im Originalzustand bestaunt werden. Natürlich hat der Zahn der Zeit die Qualität der Bilder gemildert, aber es ist dennoch ein Erlebnis, in den Gemäuern, die früher eine Art Badeanstalt waren, den früheren Badebetrieb zu erahnen. Schade, dass vor uns so viele Touristen das Bedürfnis verspürten, sich verewigen zu müssen, und ihre Initialen und Anderes in den Sandstein ritzten. Dabei zerstörten sie leider unwiderruflich einen nicht unerheblichen Teil der Bilder.

Mittlerweile ist es Nachmittag geworden, und wir beschliessen, bis zum Qasr Kharana zurück zu fahren, um am vorgestrigen Schlafplatz noch einmal zu übernachten. Unterwegs treffen wir auf einen Saudiaraber, der sich freut, zwei Europäer mit einem derart staubigen Santana zu sehen. Er zeigt uns auf seinem Natel Filme von seinen über hundert Wüstengazellen, seinem Jagdfalken, seinem Ferienhaus in Libanon sowie von seinem Kind. Er ist derart stolz, uns getroffen zu haben, dass er Fotos von uns macht und uns beide filmt. Seine Einladung, in seinem Hotel in Amman zu übernachten, lehnen wir dankend ab, da wir doch lieber einsam in der Wüste nächtigen. Deshalb rumpeln wir bald über die staubige Piste unserem Schlafplatz entgegen und amüsieren uns noch etwas über dieses lustige Treffen. Wir parkieren unseren Santi und werden beim Kochen von einer riesigen Schafherde "überfallen". Als wir dem Chef der Herde mit den gekrümmten Hörnern anständig erklären, dass unser Kochtopf leider nicht für die ganze "Meute" reicht, ziehen sie langsam und friedlich wieder von dannen.

20. November 2008

Bald nach dem Losfahren müssen wir uns entscheiden, wohin uns der Weg führen soll. Im Irak herrscht momentan eine Bombenstimmung, und in Saudiarabien können wir wegen Sky nicht einreisen (Hunde sind dort absolut verboten). Also wählen wir den Weg nach Westen und fahren durch die Wüste bis zum Qasr al Hallabat.

Dort angekommen, werden wir von einem Archäologen begrüsst, der uns sogleich stolz das Qasr zeigt. Ursprünglich handelte es sich um eine römische Festung, die erst später zu einer Palastanlage umgebaut bzw. erweitert wurde. Wir erfahren, wie die Moschee restauriert wird und welche Mauersteine original sind bzw. welche nachträglich hergestellt wurden. Zudem erklärt er, dass die Fensteröffnungen der Moschee in ihrer Art absolut einzigartig sind. Nachher führt er uns durch den äusseren und inneren Palast und weist uns in jedem Raum auf diverse Details hin. So wissen wir jetzt zum Beispiel, wie früher Marmorplatten an den Wänden befestigt wurden, und wie rekonstruiert werden kann, welche Steine an welchem Ort gelegen haben. Des Weiteren zeigt er uns, wie im Qasr das rare Regenwasser aufgefangen und gespeichert wurde. Besonders stolz ist er auf die weitgehend unversehrten Mosaike am Boden des inneren Palastes.


Das Archäologenteam arbeitet bereits seit sechs Jahren an der Renovation des Qasr, und ein Ende ist nicht abzusehen. Als der Archäologe uns darauf hinweist, dass jeder einzelne gefundene Stein vermessen, analysiert und grob eingeordnet wird, verstehen wir, weshalb die Renovation derart viel Zeit, Geduld und Geld beansprucht. Wir merken, wie unser "Führer" seine Arbeit liebt und sich mehr als hundertprozentig für das Zusammenpassen der verschiedenen Puzzleteile einsetzt!

Danach geht es weiter - allerdings in Richtung Amman statt in Richtung Jerash. Dies stellen wir leider erst rund 10 km nach der entsprechenden Abzweigung fest. Wieder einmal wären Arabischkenntnisse von Vorteil gewesen, denn viele Strassenschilder sind - wie so oft in Jordanien - nur in arabisch beschriftet. Nach der kleinen Odyssee hilft uns ein netter Jordanier, die richtige Strasse zu finden, und schon bald geht es durch eine immer fruchtbarer werdende Hügellandschaft nach Jerash. Wir würden gerne Fotos machen von den unzähligen Bäumen und von den dunklen und grauen Wolken, die langsam aufziehen, doch leider hat der reparierte Konverter den Geist für immer aufgegeben, und wir können den Akku des Fotoapparates (wie auch die Akkus der anderen Geräte) nicht mehr im Santi aufladen. In der Dunkelheit erreichen wir den Campingplatz des Hotels Olive Branch, wo wir bald darauf im Dachzelt liegen.

21. November 2008

Wenn wir schon in Jerash sind, wollen wir natürlich die Überreste des ehemaligen römischen Stützpunktes aufsuchen. Vor rund 2000 Jahren lebten hier knapp 20'000 Personen, und wie wir durch das südliche Eingangstor hindurch schreiten, fühlen wir uns zumindest ein bisschen in die damalige Zeit zurück versetzt. Am Boden des ursprünglich doppelt so hohen Eingangstors, das auch Hadrian'scher Triumphbogen genannt wird, sind noch immer die Spuren der Streitwagen zu sehen. Auch gewisse Verzierungen sind noch erstaunlich gut erhalten.

Gespannt sind wir aber vor allem auf den 240 m langen und 50 m breiten Hippodrome. Hier wurden zum Gaudi der bis zu 15'000 Besucher unter anderem Gladiatorenkämpfe und Wagenrennen abgehalten. Und wie es der Zufall will, treffen wir auf einen Legionär, der uns auf eine Zeitreise mitnimmt. Kaum haben wir die Zuschauertribüne betreten, marschieren 40 Legionäre in voller Montur in der Arena ein. Sie paradieren an uns vorbei und demonstrieren nicht nur ihre Waffen und deren Wirksamkeit, sondern auch die verschiedenen Kampfformationen. Bereits der Kampflärm dieser 40 Legionäre läuft uns kalt den Rücken hinunter - man kann sich unschwer vorstellen, wie es getönt haben mag, als Asterix und Obelix einer Tausendschaft von Römern gegenüberstanden! Sogar Sky glaubt durch die gelungene Vorstellung, dass wir von den Legionären wirklich angegriffen werden, weshalb er uns mit Brummen und Bellen zu verteidigen versucht...


Nach dieser eindrucksvollen Demonstration der römischen Kampfkraft geht es noch archaischer zu und her: Acht Gladiatoren betreten die Arena und brüllen uns den berühmten Gruss "Morituri te salutant!" entgegen. Nachdem sich die einzelnen Gladiatoren vorgestellt haben und wir einiges über deren Waffen erfahren haben, wird es spannend, denn der erste Kampf beginnt. Dreizack gegen Schwert, heisst die Devise. Der Schwertkämpfer erweist sich als beweglicher, und schon bald verdankt der Dreizackgladiator sein Weiterleben der Gnade von uns Zuschauern, denn die Mehrheit unserer Daumen zeigt nach oben. Beim nächsten Kampf werden wir Zeuge eines spannenden und langen Schwertkampfes. Obwohl beide heldenhaft kämpfen, lassen wir diesmal keine Gnade walten, und der Sieger des Zweikampfes durchtrennt dem Verlierer kurzerhand die Kehle.

Nachdem die Leichen der Verlierer beseitigt sind und die überlebenden Gladiatoren glücklich in die Katakomben zurückgeführt wurden, ertönt Hufgetrappel. Ein Wagenrennen mit drei von jeweils zwei Pferden gezogenen Streitwagen zieht uns in seinen Bann. In ungeheurem Tempo rasen die Streitwagen über den sandigen Grund und kommen in den Kurven oft arg ins Rutschen. Dass auch die Taktik eine grosse Rolle spielt, zeigen uns mehrere erfolglose und ein erfolgreiches Überholmanöver. Nachdem der Sieger des Wagenrennens fest steht, werden wir zurück ins Jahr 2008 nChr entlassen. Wir sind ausserordentlich beeindruckt von der originalgetreuen Vorführung, den detailreichen Uniformen und der realitätsnahen Zweikämpfe. Noch lange auf dem nachfolgenden Rundgang durch die Ruinen sprechen wir vom soeben Erlebten.

Das sehr grosse und ovalförmige Forum ist ein ebenso zentraler Ort wie das ehemals 5'000 Zuschauer fassende südliche Theater. Die römische Glücksgöttin Fortuna bleibt uns weiterhin hold, und just während unseres Aufenthaltes im südlichen Theater demonstriert die Jordanian Scotish Pipe Band mit Dudelsack und Pauke die hervorragende Akustik des Theaters. Danach geht es durch die von über 500 Säulen flankierte Kolonnade zum Artemis-Tempel. Leider zerstörten die Kreuzritter einen Grossteil der Tempelanlage, aber die nicht umgestürzten Säulen wie auch die Hauptfassade weisen eindrücklich auf die ehemaligen Ausmasse des Tempels hin.

Die im sehr spärlich besuchten nordwestlichen Teil der ehemaligen Stadt liegenden Bäder wurden im 2. Jahrhundert gebaut und gelten als älteste noch erhaltene Kuppelbauten. Zwar sind die Kuppeln der drei Räume (je ein Raum für kaltes, warmes und heisses Wasser) nicht besonders gross, weisen als architektonische Meisterleistung aber ein rundes Loch in der Kuppelmitte auf. A propos Wasser: Die Stadt verfügte über ein ausgeklügeltes Wassersystem, und noch heute sind entlang der Kolonnade wie auch im Forum die Abwasserkanäle mit Dolendeckel erhalten.

Die Ausmasse der ehemaligen Stadt sind ziemlich gross, und entsprechend gross ist das heutige Ruinenfeld. Auch wenn das südliche und das nördliche Theater sowie ein paar andere Bauten rekonstruiert wurden, so harren noch unzählige Gebäude, Tempel und andere Konstruktionen der Renovierung bzw. Rekonstruierung. Es bleibt zu hoffen, dass die Archäologen ihre Arbeit ebenso ernst nehmen wie jene vom Qasr Al Hallabat!

22. November 2008

Wir übernachten ein weiteres Mal im Hotel Olive Branch, das seinen Namen den unzähligen Olivenbäumen, welche das Hotel umgeben, verdankt. Leider sind die Oliven noch nicht reif, sonst hätten wir uns gleich den Magen damit gefüllt! Der Kontrast von Jerash und Umgebung zum sonstigen Jordanien könnte nicht grösser sein: Waren wir bislang hauptsächlich in der Wüste oder in wüstenähnlichem Gebiet unterwegs, ist Jerash von sanft geschwungenen bewaldeten Hügeln umgeben. Überall wurden plantagenartig unzählige Olivenbäume angepflanzt, und der Duft von Gras und Kräutern liegt unverkennbar in der Luft. Zum ersten Mal werden wir vom Morgentau begrüsst, und wir gewöhnen uns langsam an die kühleren Nachmittagstemperaturen - mit den kalten Nächten sind wir seit unserem Abstecher in die östliche Wüste von Jordanien bereits per Du...  

23. November 2008

Vollgetankt und mit aufgefüllten Lebensmittel- und Wasservorräten brechen wir am frühen Morgen auf in Richtung Syrien. Dank der Schnellstrasse erreichen wir rasch die Grenze und freuen uns über die rasche Erledigung der Formalitäten. Nicht einmal zehn Minuten benötigen wir, bis Jordanien für uns nur noch Geschichte ist.

 

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Fotoalbum Jordanien