Von der Schweiz nach Südafrika

3. März 2008

Nach langer, intensiver und nervenaufreibender Vorbereitungszeit ist es heute endlich soweit: "Santana goes to Cape Town!" Die letzten Tage verbrachten wir mit ein- und auspacken, Kisten beschriften, Auto einräumen, letzte Schrauben anziehen und dem Befestigen der Moskitonetze. Zuletzt wurden alle Diesel- und Wassertanks gefüllt. Nachdem wir die Zusatzscheinwerfer auf einem Flugfeld eingestellt haben, fallen wir total erschöpft ins Bett. Leider klingelt der Wecker bereits nach wenigen Stunden wieder und erinnert uns daran, dass wir uns schleunigst in Richtung Basel auf den Weg machen sollten.

Gesagt, getan. Nach kurzer Anmeldung bei der Containerverladestelle "Swissterminal AG" in Basel müssen wir aufgrund der Containerhöhe den Dachträger mit Reservereifen und einer Kiste abmontieren. Anschliessend manövrieren wir ihn in den dunklen Schlund eines leeren, verrosteten und wenig Vertrauen erweckenden Containers.

Nach ein paar Stunden Wartezeit wird er dann fachgerecht im Container verzurrt. Nach der Plombierung des Containers nehmen wir schweren Herzens Abschied von unserem Santana.

Anschliessend wird der Container auf den "KV Grindelwald-Mürren" verladen und erreicht den Containerhafen von Rotterdam gemäss Fahrplan am 7. März 2008.

Drei Tage später hätte der Container in Rotterdam auf die "MOL Cullinan" verladen werden sollen. Leider zeigt die niederländische Zollbehörde ein derartiges Interesse an unserem Santana, dass sie den Container durchleuchtet und eingehend untersucht. Dies hat zur Folge, dass die MOL Cullinan ohne unseren Container ablegt, und der Container mindestens bis am 17. März 2008 in Rotterdam bleibt. Anschliessend soll er voraussichtlich mit der "DAL Kalahari" verladen und frühestens am 4. April 2008 in Cape Town ankommen. Was wir mit den Zollbeamten am liebsten anstellen würden, unterliegt der Zensur (grrrrmblfix, fauch, zeter, brüll, zack,....)!

* * *

Jetzt heisst es nur noch hoffen, dass unser Santana heil, vollständig und unbeschadet in Cape Town ankommt!

Südafrika

29. März 2008

Mit Zwischenlandung in London-Heathrow sind wir nach einem Nachtflug und insgesamt 14 Stunden Flugzeit total erschöpft, aber sehr glücklich in Capetown angekommen. Aufgrund der Schwierigkeiten mit dem neuen Terminal 5 in London-Heathrow  sind wir froh, dass wir in Capetown all unser Gepäck in Empfang nehmen können. Nach gut 1,5 Stunden stehen wir nach erledigter Zollabfertigung und Visaerteilung bereits im Flughafenrestaurant. Erstaunlicherweise hat sich bei der Einreise niemand um unser One-Way-Ticket interessiert, obwohl wir beim Check-in im Flughafen Kloten unser Carnet de Passage und die Konnossemente vorweisen mussten, damit wir überhaupt einchecken konnten.

Begleitet vom blauen Himmel und Temperaturen von 28° C fahren wir mit einem Taxi zu unserem Guesthouse Sundowner, wo wir von Cherry und Michael herzlich empfangen werden. Wir bestaunen die herrliche Aussicht dieses luxuriösen Guesthouses und freuen uns auf die wenigen Tage, die wir hier verbringen werden. Wir haben noch nie ein solch tolles Ambiente, eine derart geschmackvolle Einrichtung und eine derart traumhafte Aussicht auf die Bucht von Camps Bay erfahren. An dieser Stelle danken wir Cherry und Michael nochmals herzlichst für ihre Gastfreundschaft.

Trotz Müdigkeit nutzen wir den Nachmittag, um auf den Tafelberg zu fahren und den herrlichen Ausblick über Capetown zu bewundern. Am Abend dinieren wir dank der guten Empfehlung von Michael im Codfather und essen den besten Fisch unseres Lebens.

30. März 2008

Unser zweiter Tag beginnt mit einem hervorragenden Frühstück mit Blick auf den Atlantischen Ozean. Den Nachmittag nutzen wir mit einem langen Spaziergang entlang des Strandes, um den grossen afrikanischen Markt am Green Point zu besuchen. Hier bieten Händler vieler afrikanischer Länder jeden Sonntag ihre handgefertigten Kunstartikel an zum Verkauf an. Am Abend ist uns ein köstliches Steak im Restaurant des Bayside-Café vergönnt.

31. März 2008

Den heutigen Tag verbringen wir mit Karten- und Reiseführerstudium, GPS-Koordinaten herausschreiben, viel Rooibush-Tee trinken und relaxen. Der dringend erbetene Rückruf eines Hafenmitarbeiters stellt sich lediglich als Mitteilung der Ankunft der DAL Kalahari am 5. April 2008 in Capetown heraus. Der Hafenmitarbeiter versteht nicht, weshalb wir keine Ahnung haben, wer unser Clearing Agent in Capetown ist. Glücklicherweise haben wir noch ein paar Tage Zeit, dies herauszufinden. Trotzdem stimmen uns der Gedanke, dass unser Auto am 5. April 2008 in Capetown ankommen sollte, und das herrliche Wetter in beste Laune. Während wir uns mit den weiteren Vorbereitungen beschäftigen, geniesst unser Panther die freie Zeit auf einer Sonnenliege.

1. April 2008

Heute wandern wir von Camps Bay dem Strand entlang zur Waterfront von Capetown. Die Waterfront hat übrigens nichts mit Wasser zu tun, denn es ist eine riesige Shopping-Mall mit unzähligen Geschäften. Wir haben noch nie ein so grosses Einkaufszentrum gesehen - alle erdenklichen Artikel können gleich in mehreren Geschäften gekauft werden. Hoffentlich verirren wir uns im afrikanischen Busch weniger oft als in den Gängen dieses Einkaufszentrums...

Am Abend müssen wir leider das Guesthouse wechseln. Vom Sundowner geht es ins ebenfalls in Camps Bay befindliche Guesthouse Marta Villa, die zwar deutlich weniger luxuriös, dafür etwas ruhiger direkt unterhalb des Tafelbergs liegt. Bei der Ankunft in der Villa Marta machen wir als erstes mit einem bellenden Hund Bekanntschaft.

2. April 2008

Nach einem feinen und ausgiebigen Frühstück machen wir als erstes einen Spaziergang mit dem Hund namens Skye (sein Name wird tatsächlich so geschrieben). Wir spazieren durch die Landschaft und lernen einen anderen Teil von Camps Bay kennen. Hunde werden in Capetown vor allem wegen dem Bewachen des Hauses gehalten. Dies führt dazu, dass ein Hund sein Leben als Bewacher und nicht als Familienmitglied führen kann. Für uns ist dies unverständlich, und der Besitzer von unserem Guesthouse kann es kaum verstehen, dass wir mit dem Hund reden, ihn streicheln und mit ihm spazieren gehen.

Da wir immer noch nicht wissen, wer unser Clearing Agent ist, führt Helen am Nachmittag unzählige Telefonate mit dem Shipping Centre in Capetown und mit Mitarbeitern von Schenker AG (Schweiz) und Schenker AG in Capetown. Leider erfahren wir trotz all dieser Telefonate nichts über unseren Clearing Agent, wohl aber, dass irgendwer im Hafen von Capetown Papiere benötigt, die noch nicht vorhanden sind (und innert nützlicher Zeit wohl auch nicht mehr beigebracht werden können). Doch Helens Beharrlichkeit macht sich bezahlt, und schlussendlich löst sich am Abend das Rätsel über die nicht vorhandenen Papiere: Schenker AG (Schweiz) schickte die Konnossemente statt an Schenker AG in Capetown an uns. Trotz diesem ungewohnten Vorgehen von Schenker AG (Schweiz) zeigt sich Schenker AG in Capetown bereit, als unser Clearing Agent aufzutreten, und das Ausladen, die Untersuchung und die Verzollung unseres Santanas zu organisieren. Wir vereinbaren mit dem Branch Manager von Schenker AG in Capetown ein Treffen für den nächsten Tag, an welchem wir unsere Pässe, den Fahrzeugausweis, das Carnet de Passage, die Konnossemente (alles im Original) und 8'000.00 Rand mitnehmen müssen (es werden weder ausländische Währungen noch Kreditkarten akzeptiert).

Obwohl uns eine Vorauszahlung überhaupt nicht behagt, begeben wir uns unverzüglich zur nächsten Bank, um die nötige Menge Dollar in Rand zu tauschen. Dort erfahren wir, dass in Südafrika (und wohl auch in weiten Teilen von Ostafrika) nur Dollarnoten, die im Jahr 2003 oder später gedruckt wurden, akzeptiert werden. Zum Glück erfüllen die meisten unserer Dollarnoten dieses Kriterium. Die anderen, zu alten Dollarnoten können wir in der ABSA-Bank gegen neuere Dollarnoten tauschen. Nach diesem anstrengenden Tag gönnen wir uns eine Pizza im Col Cacchio.

3. bis 6. April 2008

Der Eigentümer unseres Guesthouses fährt uns netterweise zum Büro der Schenker AG in Capetown, Airport City. Dort empfängt uns Colin. Er prüft unsere Dokumente, erstellt davon für sich und uns Kopien und präsentiert uns eine provisorische Kostenaufstellung, welche sich wie folgt zusammensetzt:

1. Customs Value (in Rand)

 

 

 

Shipping Line Release Fee

220.00

 

Cargo Dues

1'796.07

 

Container Cleaning Fee

130.00

 

Terminal Handling Charge

855.00

 

Cartage between port and SACD

980.00

 

CTO Production Fee per Container

240.00

 

Equipment management fee

250.00

 

Customs exam at Capetown per hour

350.00

 

Multistop charges

967.00

 

Unpack

650.00

 

Total Disbursements

5'458.07

2. Agence Charges (in Rand)

 

 

 

Documentation

550.00

 

Agency 4 % of Total Disbursement (mind. 500 Rand)

500.00

 

Communication

95.00

 

Total Agence Charges

1'145.00

 

Total Invoice

6'603.07

Während unseres nächsten Morgenessens werden wir unerwartet und völlig überraschend von einem Telefonat von Colin gestört, in welchem er uns mitteilt, dass er in Kürze bei uns im Guesthouse das Carnet de Passage im Original abholen wird. Wir sind gar nicht darüber erfreut, ist das Carnet de Passage doch eines der wichtigsten Dokumente einer Afrikaquerung. Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig, als ihm das Original zu übergeben und ihm zu vertrauen. Glücklicherweise bringt uns bereits am Nachmittag ein Bote der Schenker AG in Capetown das Carnet de Passage zurück, was uns sichtlich erleichtert!

Wir geniessen es, wenn Skye sich beim ersten morgendlichen Geräusch aus unserem Zimmer an der Zimmertüre mit seinen Pfoten bemerkbar macht. Kaum geht dann die Türe auf, stürmt er hinein und begrüsst uns. Wir gewinnen diesen Hund je länger je lieber. Er hat ein samtweiches Fell, ganz treue Augen und weicht uns nicht mehr von der Seite. Sei es beim Morgenessen, bei der Siesta oder beim Vorbereiten der Reise - Skye ist immer neben uns. Er geniesst es, mit uns jeden Tag zwei Spaziergänge zu machen, und freut sich riesig, geworfenen Stöcken nachzurennen und nachzuschwimmen. Uns tut es jedes Mal leid, wenn wir wieder zurück sind, denn wir spüren seine Traurigkeit, wieder eingesperrt zu sein.

Da Skye über keinerlei Spielzeug verfügt, kaufen wir ihm drei Tennisbälle und drei Quietschentchen. Seinem Verhalten nach scheint Skye seine ganze verlorene Kindheit mit diesen Tennisbällen aufholen zu wollen. Er rennt und schwimmt ihnen nach, und wir merken, wie nicht nur wir ihn lieb haben, sondern auch er uns in sein Herz geschlossen hat. Wir sinnieren bereits darüber nach, wie wir Skye ins Auto packen können, ob er vor dem Beifahrersitz Platz hätte, oder ob er auf dem Schlafbrett liegend mitfahren könnte. Jetzt müssen wir nur noch den Besitzer überzeugen, dass auch Skye eine Afrikaquerung machen möchte.

Obwohl wir uns schon beinahe eine Woche in Capetown befinden, merken wir, wie erschöpft und ausgelaugt wir eigentlich sind. Der Ausbau des Autos und die weiteren Vorbereitungen haben mehr an Energie und Nerven als erwartet verzehrt. Nichts desto trotz bleibt uns nichts anderes übrig, als die nächsten Tage mit weiteren Vorbereitungen zu verbringen. Dies fällt uns umso leichter, weil das Wetter immer schlechter wird: kalter Wind und Regenschauer.

7. April 2008

Obwohl heute nicht alles wie geplant verläuft, können wir nach Erledigung aller Formalitäten von rund drei Stunden unseren Santana aus dem Hafen herausfahren. Von den Formalitäten bekommen wir nicht viel mit, da sich ein Mitarbeiter der Schenker AG in Capetown darum kümmert. Wir sind erleichtert und sehr happy, dass unser Santana die Fahrt wohlbehalten und ohne Beulen überstanden hat.

8. April 2008

Unser heutiges Ziel ist es, an den südlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents (Cape Agilhas) zu gelangen. Dass Skye mitkommen darf, ist für uns mehr als klar. Er freut sich riesig, dass er einmal aus seinem "Gefängnis" ausbrechen kann, und blickt die ganze Hin- und Rückfahrt gespannt und sehr neugierig aus den Fenstern hinaus. Der Gedanke, dass wir ihn morgen zurücklassen müssen, macht uns sehr zu schaffen. Nach drei Stunden Fahrt erreichen wir zu dritt (sorry: zu viert, schliesslich zählt auch der Panther mit) den eigentlichen Startpunkt unserer Afrikaquerung.

9. April 2008

Schweren Herzens haben wir uns von Skye verabschiedet und haben die letzten Stunden damit verbracht, mit ihm am Meer zu spazieren, auf einem Hügel die Aussicht zu geniessen, und in einem kleinen Teich immer wieder nach seinem geliebten "Stock" zu tauchen. Der Abschied war sehr tränenreich. Wir freuen uns schon jetzt auf den Besuch von Skye im nächsten Jahr. Mit vollbeladenem Auto geht es nun in Richtung Botswana. Immer noch müde und sehr traurig, da der Platz von Skye im Auto leer bleibt, sind wir im neuen Guesthouse "De Vlei Country Inn" angekommen.

10. April 2008

Nach einer schlaflosen Nacht (wir beide sinnieren darüber nach, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben, ist uns doch Skye ans Herz gewachsen) stellen wir fest, dass die Zeit der üppigen Frühstückbuffets vorbei ist. Nachdem wir unsere Homepage aktualisiert haben, fahren wir weiter in Richtung Kimberley. Die Fahrt dorthin verläuft sehr ereignisarm. Die Autobahn verläuft schnurgerade bis zum Horizont, und nur ein paar wenige Kurven unterbrechen die stundenlange monotone Fahrt. Zudem denken wir immer wieder an Skye, und beschliessen erst kurz vor Kimberley, ihn zurzeit nicht mit auf die Reise zu nehmen - dies, obwohl der Besitzer von Skye bereit war, ihn uns mitzugeben. Bei strömendem Regen und eine Stunde nach Einbrechen der Dunkelheit erreichen wir Kimberley (die Investition in gute Lichter hat sich gelohnt!). Leider stellen wir fest, dass alle Guesthouses "fully booked" sind. Die lange Fahrt und die Sucherei zehren an Energie und Nerven. Rund zwei Stunden später werden wir fündig und quartieren uns im Guesthouse "Dawira" ein. Trotz der Schäbigkeit der Absteige sind wir froh, zwei Betten und einen Ort, an welchem unser Santi eine sichere Nacht hinter Gittern verbringen kann, gefunden haben.

11. April 2008

Wir füllen in Kimberley alle Dieseltanks randvoll auf. Damit wir unser Ziel, heute die Grenze zu Botswana zu passieren, erreichen, decken wir uns mit frischen Esswaren und vorgekochten Gerichten ein. Danach geht die langweilige und monotone Kilometerfresserei auf der Autobahn in Richtung Ramatlabama (Botswana) weiter. Als wir uns dann endlich dem Grenzübergang zu Botswana nähern, überkommt uns ein Gefühl der Erleichterung und Freude. Beim ersten Gebäude werden unsere Pässe sowie das Carnet kontrolliert und abgestempelt. Danach werden wir zu dem einige Meter entferntem zweitem Gebäude geschickt, wo wir unsere in Südafrika bezahlten Mehrwertsteuern zurückfordern können. Der Zollbeamte möchte jede einzelne Rechnung verifizieren, was dazu führt, dass er kopfschüttelnd zur Kenntnis nimmt, dass es tatsächlich Leute gibt, die für ein Tagebuch 250 Rand (ca. CHF 32) ausgeben. Erst bei der Kontrolle der letzten Quittung (für Helen gekauftes T-Shirt) gibt er forfait und besteht erstaunlicherweise sogar darauf, das T-Shirt nicht auf die Echtheit zu überprüfen. Theoretisch sollten wir bei unserer Rückkehr von einem von der südafrikanischen Steuerbehörde ausgestellten Postcheque erwartet werden, da die in Südafrika bezahlten Mehrwertsteuern nicht in bar zurückbezahlt werden können.

Auf der botswanischen Seite...

Botswana

11. April 2008

...Auf der botswanischer Seite erhalten wir nach Ausfüllen eines Formulars das Visum in den Pass gestempelt. Dies allerdings nicht, ohne die visumserteilende Beamtin beinahe in den Wahnsinn zu treiben, bloss weil wir kein Hotel als unseren Aufenthaltsort angeben können. Nach einigem Hin und Her dürfen wir einen Campingplatz am mutmasslichen Ausreiseort als unsere "temporäre Adresse in Botswana" angeben. Ebenfalls auf Unverständnis stossen wir, weil wir zudem weder eine klare Reiseroute noch eine bestimmte Aufenthaltsdauer angeben.

Bevor das Carnet de Passage abgestempelt werden kann, muss eine Road Tax von 60 Pula entrichtet werden. Deshalb begeben wir uns in die nahe gelegene Wechselstube, um ein paar Dollar zu tauschen. Bei der hierbei notwendigen Angabe unserer Heimadresse möchte Markus die Bankangestellte unterstützen und die Adresse auf einen Zettel schreiben. Diese jedoch besteht darauf, dass er unsere Adresse durch die Panzerglasscheibe schreien soll. Logischerweise versteht sie kein Wort und kann auch nicht Lippenlesen. Nach einiger Zeit klappt es dann doch, und wir realisieren, dass es zumindest in Botswana wichtig ist, eine Postfachadresse zu haben. Wir werden deshalb zukünftig immer nur Postleitzahl, Wohnort und Land angeben. Zurück beim "Carnet-Beamten" fragt auch er uns nach unserer Reiseroute. Als er erfährt, dass wir Botswana nur als Transitland benützen, beträgt die Road Tax plötzlich 70 Pula. Wir lassen uns auf keine Diskussion ein und bezahlen die verlangten 70 Pula.

Da die Dunkelheit hereinbricht, beschliessen wir, uns für diese Nacht in Kanye in der Motse Lodge in einem einfacheren Chalet eine Übernachtung zu gönnen. Entgegen dem Grundsatz "nomen est omen" gibt es an der Motse Lodge nicht viel zu motzen.

12. April 2008

Zwar immer noch nicht ausgeruht, aber etwas gelassener beginnen wir in Kanye die Suche nach Schmierfett für die Federn vom Santi. In einem Ersatzteilladen kaufen wir das Schmierfett und lassen es in einer Garage in die Federpakete einarbeiten. Nach Einfetten der vorderen Federpakete und etwelchen Verständigungsschwierigkeiten meint der Mechaniker, die Schmiernippel der hinteren Federpakete seien verstopft oder defekt, und schickt uns zurück zum Ersatzteilladen, um neue Schmiernippel zu kaufen. Die Garage macht uns jedoch nicht einen derart vertrauensvollen Eindruck, als dass wir hier die Schmiernippel aus- und wieder einbauen lassen möchten. Deswegen machen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes quietschvergnügt auf den Weg in Richtung Lethlakeng.

Endlich können wir die Teerstrasse verlassen und fahren auf Sandwegen via Gasese und Moshaweng im einsamen Gelände Lethlakeng entgegen. Dank der guten Vorarbeit in Camps Bay bzw. der eingegebenen GPS-Punkte erweist sich die richtige Routenwahl des sich oft verzweigenden Weges nicht als Glückssache. In Lethlakeng tanken wir nochmals voll, bevor es in Richtung Khutse Game Reserve weitergeht.

Zum ersten Mal übernachten wir heute auf unserer Afrikaquerung in der freien Natur. In der Nacht wird Markus von einer besorgten Helen geweckt – er hat weder den Wetterumschwung noch das Donnergrollen wahrgenommen. Wir schliessen sofort das Dachzelt und ziehen in die untere Etage um. Dies deshalb, damit wir bei einem allfälligen Blitzeinschlag in einem Faraday’schen Käfig sind und somit unbeschadet bleiben. Damit wir in keiner Weise mit unserem Körper die Karrosserie berühren, liegen wir wie in Schlafsäcke eingewickelte Würstchen still und regungslos nebeneinander – es wäre fatal, bei einem Blitzeinschlag die Karrosserie zu berühren!

13. April 2008

Nach dieser schlimmen Nacht freuen wir uns über die leichte Wetterbesserung und erreichen um 9 Uhr das Gate beim Khutse Game Reserve. Zuerst wird nach unserer Reservationsbestätigung gefragt. Wir erklären der Wildhüterin, dass wir keine Reservation getätigt haben, worauf sie uns mit ernster Miene mitteilt, dass der Park ausgebucht sei. Wir bestehen aber weiterhin darauf, unbedingt diesen Park besuchen zu wollen. Zehn Minuten später ist der Park nicht mehr ausgebucht, und wir bezahlen für zwei Nächte 700 Pula und tragen uns in das Besuchsregister ein.

Das Khutse Game Reserve entstand 1971 und umfasst eine Fläche von 2'500 km2. „Khutse“ bedeutet „Ort, an dem man niederkniet, um zu trinken“. Bei der Gründung dieses Reservats ging es ursprünglich darum, ein wildreiches Teilgebiet der Kalahari mit zahlreichen mineralischen Pfannen zu schützen. Die beiden Völker „Bakgdagadi“ und „San“ wurden zwangsumgesiedelt und an der Parkgrenze neu angesiedelt. Entgegen dem Bericht im Reiseführer, wonach während der Regenmonate November bis Mai das Khutse Game Reserve die grössten Wildbestände (Herden von Spring- und Spiessböcken, Löwen, brauen Hyänen, Geparde) aufweisen soll, erweist sich das Reservat zwar als sehr grün und fruchtbar, aber leider verunmöglichen das hohe Gras und die grünen Büsche jegliche Tierbeobachtungen. Wir fahren jeden Weg, den man im Khutse Game Reserve fahren darf, ab, aber ausser einigen wenigen Springböcken auf einem Pan war nichts von Wildbeständen zu bemerken. Wir sind derart frustriert und enttäuscht, dass wir uns sogar mit den diversen Vogel-, Reptilien- und Insektenarten zufrieden geben. Unser grösster Stolz dieser „Safari“ ist die Entdeckung einer wunderschönen Pantherschildkröte!

14. April 2008

Uns ist bewusst, dass die bevorstehende Querung der Kalahari in nördlicher Richtung von Lethlakeng bis Rakops mit nur einem Fahrzeug mit gewissen Risiken verbunden ist. Nicht umsonst gilt die Querung des 25'800 km2 grossen Central Kalahari Game Reserves als waghalsiges Abenteuer, besteht doch auf der gesamten Strecke keine Versorgungsmöglichkeit bezüglich Nahrung, Wasser, Treibstoff oder Ersatzteilen. Zudem ist eine Verbindung weder per Natel noch per Thuraya-Satellitentelephon möglich.

Nichts desto trotz starten wir heute guten Mutes in nördlicher Richtung. Zuerst werden wir von einer riesigen Heuschrecke begleitet. Wir sind froh, dass wir durch die Frontscheibe von ihr getrennt sind… Wir rumpeln über eine sandige Piste, die in einem derart schlechten Zustand ist, dass wir nur im 1. oder 2. Gang fahren können. Die Landschaft präsentiert sich nach der Regenzeit ziemlich grün und fruchtbar. Überall an den Bäumen hängen zahlreiche runde Vogelnester, die von weitem wie Bälle aussehen. Die Landschaft zieht ruhig an uns vorbei, während wir hoffen, dass unser Santi die andauernden extremen Bodenwellen überlebt.

Am Abend wird Markus angenehm überrascht. Helen hat nämlich nicht vergessen, dass er heute seinen 33. Geburtstag feiert. Neben farbigen Teigwaren gibt es als Überraschung Geschenke, einen Kuchen inkl. Kerzen und Champagner! Bei Sonnenuntergang geniessen wir nach der mühsamen Fahrt einen ruhigen Abend.

15. April 2008

Zum Morgenessen gibt es den Rest des Geburtstagskuchens. Plötzlich taucht ein Schmetterling auf, der direkt auf einem Finger von Markus landet. Offenbar hat er die Süssigkeit des Geburtstagskuchens geschmeckt. Er spaziert gemütlich von einem Finger zum anderen, und wechselt sogar auf die Hand von Helen. Es ist erstaunlich, wie viel es zu entdecken gibt, wenn man sich Zeit nimmt.

Weiter geht es auf der Rumpelpiste, die sich gelegentlich mit brutal hartem Wellblech abwechselt. Nun erst stellen wir den Vorteil unserer druckluftgefederten Sitze fest. Ok, sicher schlagen wir ab und zu die Köpfe am Lattenrost oder können uns kaum unterhalten, weil wir dauernd auf und ab schwingen. Aber irgendwie bringt es uns auch zum Lachen, auch wenn Material und Panther leiden.

Markus hat die Idee, die abgelegene Siedlung Kikao zu besuchen. Bei den Bewohnern handelt sich dabei um eine Gruppe von San, welche von der botswanischen Regierung zwangsumgesiedelt wurden, inzwischen aber wieder illegal in der Kalahari zurückgekehrt sind. Der Weg dorthin gestaltet sich im wahrsten Sinne des Wortes dornenreich. Links und rechts schrammen Dornenbüsche dem Auto entlang, und das über 1,5 m hohe trockene Gras droht langsam aber sicher den Kühler zu verstopfen. Nach einiger Zeit schützen wir den Kühler mit zwei vor den Kühlergrill gespannten Abtrocknungstüchlein und Helens alten Trainingshosen vor dem Eindringen der Grassamen. Nach einiger Zeit erhitzt sich der Motor so stark, dass wir ihm eine Pause gönnen. So kämpfen wir uns langsam durch die Kalahari und finden nur dank dem GPS den Weg zur gut versteckten Siedlung.

Die San freuen sich sehr über den unerwarteten Besuch. Als Gastgeschenke verteilen wir den Kindern je einen Luftballon, und der Dorfchefin ein Hemd und einen Pullover. Wir sind erstaunt, dass die Kinder nicht betteln, obwohl sie mit praktisch nichts auskommen müssen. Die Freude über unsere Geschenke ist sehr gross. Wir sind ob der Sauberkeit in der Siedlung erstaunt und unterhalten uns etwas mit einem Jungen, der ein paar Brocken Englisch spricht. Nachdem wir der Dorfchefin eine handgemachte Kette abgekauft haben, fahren wir weiter.

Helen pilotiert den Santi sicher durch das hohe Gras, was sehr schwierig ist, da man den Fahrweg praktisch nicht zu erkennen vermag. Ein paar Stunden (und etliche hitzebedingte Pausen) später gelangen wir wieder auf eine etwas bessere Piste. Da offensichtlich ist, dass seit Wochen niemand mit dem Auto unterwegs war, haben wir keine Bedenken, mitten auf der Piste zu übernachten.

16. April 2008

Nach einer anstrengenden Fahrt erreichen wir mitten in der Kalahari das Wasserloch „Xaxa“, das wir aufgrund der vielen Mücken rasch wieder verlassen. Zudem scheint es von Tieren nicht gerade oft besucht zu werden. Per Zufall entdecken wir am Abend, dass sich in einer Kiste eine Spraydose selbständig entleert hat. Statt eines gemütlichen Abends gibt es deshalb eine Reinigungsaktion des gesamten Kisteninhaltes.

17. April 2008 

Dank der morgendlichen Kontrolle des Fahrzeugs können wir den Behälter der Scheibenwischflüssigkeit, welcher sich losgerüttelt hat, ohne weiteren Schadenwieder festschrauben.

Dadurch verzögert sich jedoch die geplante Abfahrt, wasdazu führt, dass wir erst gegen Mittag in Xade eintreffen. Dort befindet sich der offizielle südliche Eingang zum Central Kalahari Game Reserve. Wir werden begrüsst, als ob wir seit Jahren rege Gäste wären. Gerne würden wir den Eintritt in USD bezahlen, was jedoch nicht geht, da niemand in der Lage ist, uns das Retourgeld von 50 Pula zu geben. Wir werden gebeten, die Eintritts- und Übernachtungskosten erst beim Verlassen des Game Reserves zu bezahlen.

Nach dem Auffüllen der Wassertanks fahren wir los – nur leider in die falsche Richtung. Hiltis sind derart begeistert, dass sie endlich grosse Tiere sehen werden, dass sie ganz vergessen haben, den Mitteilungen vom GPS Beachtung zu schenken. Sie haben offenbar derart viel Zeit, dass sie erst nach 50 km bemerken, in die falsche Richtung zu fahren… Wir ärgern uns, da diese 50 km knapp fünf Stunden Fahrt bedeuteten – wieder einmal eine mühsame Wellblechpiste! Zum Glück besteht Helen darauf, sich hinter das Steuerrad zu setzen. Mit beinahe der doppelten Geschwindigkeit wie Markus blocht sie zurück nach Xade. Markus stellt erfreut fest, dass Helen von ihm viel gelernt hat, und er sich entspannt zurücklehnen kann. Um sieben Uhr passieren wir das Gate in Xade zum zweiten Mal und schaffen es tatsächlich doch noch, in die richtige Richtung zu fahren...

Kurz bevor wir anhalten um zu schlafen, kreuzt ein Stachelschwein unseren Weg. Es rennt vor dem Santi mit 7,3 km/h den Weg entlang. Es rennt wie ein Wahnsinniger, als ob es verfolgt würde. Obwohl wir manchmal ganz anhalten und alle Lichter ausschalten, verlässt es die Piste nicht, sondern rennt nur der Fahrspur entlang. Wir beschliessen, das Stachelschwein in unserer Erinnerung zu behalten, und unser Nachtlager mitten auf der Piste aufzuschlagen.

18. April 2008

Um sieben Uhr morgens geht die Fahrt weiter. Wir begegnen während des Tages keinem einzigen Menschen, dafür etlichen Gnus, Oryxantilopen, Borstenhörnchen („Erdhörnchen“), Gelbfussmoorantilopen, Schakalen und sogar einem Dachs.

Ebenfalls sehen wir diverse Vogelarten (Strauss, Riesentrappen, schwarzerMilan, Gelbschnabeltoko) sowie überraschenderweise sogar eine Mosambikanische Speikobra. Leider verschwanden viele Tiere derart schnell, dass es unmöglich wwar, sie mit dem Photoapparat einzufangen.

Um die Mittagszeit erreichen wir das Wasserloch Letihaua. Wir beabsichtigen, auf einer Wegkreuzung die gestern vorgekochten Teigwaren aufzuwärmen. Markus packt die Stühle aus dem Auto, als er plötzlich einen Schraubstock am Oberarm spürt. Es ist die Hand von Helen, die sich festkrallt, weil wenige Meter entfernt gemütlich ein Gepard seines Weges geht. Wir bestaunen das elegante Tier durch unsere Feldstecher und hoffen, dass er auf Jagd geht, weil sich mitten auf einer Ebene als einziges Tier eine einsame Oryxantilope befindet. Tatsächlich ist der Gepard plötzlich wie von der Bildfläche verschwunden. Wir glauben, dass er sich nun im hohen Gras der Oryxantilope anschleicht und es nun bald los geht. Wie überrascht und etwas enttäuscht sind wir doch, als der Gepard wenige Meter vor der Oryxantilope wieder auftaucht und einige Zeit neben ihr herschlendert. Wir hätten nie gedacht, dass tatsächlich ein Gepard mit einer Oryxantilope spazieren geht. Aus der erhofften Action ist leider nichts geworden…

Den ganzen Tag hindurch suchen wir den Schatten von Bäumen nach Löwen ab. Nach der Gepardsichtung haben wir die Hoffnung auf Löwen aber aufgegeben und fahren in Richtung „Campingplatz“, bis Helen plötzlich „Löwe!“ schreit – und weiterfährt. Tatsächlich tummeln sich direkt neben der Piste ein Löwe und eine Löwin im Schatten eines kleinen Strauches. Markus weist Helen an, sofort anzuhalten, sich ruhig zu verhalten und abfahrtbereit zu sein. Alsdann werden Aufnahmen von diesen beiden Löwen gemacht, und Markus möchte am liebsten aussteigen, um noch bessere Nahaufnahmen schiessen zu können, wird jedoch von Helen zum vernünftigen Handeln ermahnt, ansonsten er als Fussgänger die Kalahari verlassen müsse…

Wir sind überglücklich und richtig stolz, am selben Tag in der riesigen Kalahari einen Gepard und zwei Löwen getroffen zu haben.

19. April 2008

Um halb vier Uhr in der Früh stehen wir auf und machen uns wenige Minuten später auf die „Jagd“ zum Wasserloch. Wir wollen einmal sehen, welche Tiere sich beim Sonnenaufgang beim Wasserloch befinden. Auf der Fahrt dorthin begegnen wir Hasen, einer Eule, Erdwölfen – und einem in der Ferne spazierenden Geparden. Beim Wasserloch suchen wir uns den Platz mit der besten Übersicht, schalten Motor und alle Lichter aus, nehmen Feldstecher zur Hand, und warten. Als sich doch tatsächlich nach gut eineinhalb Stunden noch kein einziges Tier zum Wasserloch begeben hat, geben wir unseren Beobachtungsposten auf. Wir glauben, dass das Wasser dieses schmutzigen Wasserlochs den Tieren wohl nicht bekommt – dies jedenfalls unsere Theorie, weshalb kein einziges Tier erschienen ist. Das frühe Aufstehen hat sich definitiv nicht gelohnt.

Auf der Weiterfahrt begegnen wir zwei Löwendamen. Während sich die eine um den Nachwuchs kümmert (drei junge Löwenkinder balgen sich), macht sich die andere auf die Jagd. Wir erleben hautnah mit, wie sie sich an ihre Beute anschleicht – und viel zu langsam rennt, als dass sie erfolgreich sein könnte. Trotzdem gibt sie nicht auf und versucht mehrmals, eine Gelbfussmoorantilope zu reissen. Irgendwie scheint die Löwin heute nicht so fit zu sein. Wir stellen den Motor ab und hoffen auf eine weitere Beutejagd, aber stattdessen legt sie sich ins Gras und beobachtet uns und den Santi. Irgendwie scheint sie uns mit ihrem Morgenessen zu verwechseln. Langsam schleicht sie sich an uns heran, bis wir uns entschliessen, den Motor zu starten und einige Meter zu fahren. Nachdem sich dieser Vorgang mehrmals wiederholt hat, fahren wir weiter.

Entgegen den Angaben von Reiseführern erweisen sich die Deception Pan und das Deception Valley als nicht sonderlich wildreich. Wir fahren deshalb direkt bis zur Sunday Pan weiter und gönnen uns auf dem Campingplatz eine erfrischende Dusche. Dass der Duschkübel flaschenweise aufgefüllt werden musste, sei hier nur am Rande erwähnt…

20. April 2008

Um vier Uhr wird Helen von Markus geweckt. Sie wird von ihm genötigt, ein weiteres Mal auf „Nachtpirsch“ zu gehen. Die Fahrt um den Leopard Pan verläuft ereignislos, und nur den Spuren im Sand können wir entnehmen, dass vor kurzem mitten auf dem Weg ein Löwe eine Antilope gerissen hat.

Langsam aber sicher verlassen wir das Central Kalahari Game Reserve. Uns hat es in der menschenleeren und unberührten Kalahari sehr gefallen. Die Kalahari ist der Inbegriff grenzenloser Weite und Freiheit und hat uns mti ihrer eigentümlichen und spröden Schönheit fasziniert.

Beim Ausgangsgate in Matswere bezahlen wirdie Gebühr, füllen sämtliche Wassertanks auf, und fahren der Ostgrenze des Game Reserves entlang in nördlicher Richtung nach Makalamabedi. Die Piste erweist sich gegenüber den anderen Pisten der letzten Woche als in einem guten Zustand.

Bei einer kurzen Rast stellen wir fest, dass der Reserveradträger gebrochen ist und sowohl Hecktüre als auch Hecktraverse leicht verbogen sind. Am liebsten hätten wir die russische Mafia auf B5 Group (Hersteller des Reserveradträgers) angesetzt, aber leider sitzen wir auf einer menschenleeren Piste, und Telefonverbindungen gibt es keine. Wir schrauben die traurigen Überreste des Reserveradträgers ab und überlegen uns, was zu tun ist.

Eine Stunde später ertönt aus der Ferne das Dröhnen eines Motors. Glücklicherweise bewegt sich dieser Wagen in unserer Richtung und hält bald darauf bei uns an. Aus diesem steigt eine ältere Dame namens Mary, welche uns das Angebot macht, das Reserverad bis nach Maun mitzunehmen. Langsam tuckern wir hinter ihrem Wagen bis nach Maun. Dort angekommen führt sie uns zu John, der sich sogleich an die Konstruktion eines neuen Reserveradträgers macht. Wir vereinbaren, uns morgen um 9 Uhr bei ihm mit Mary zu treffen.

Leider erweist sich die Wahl des heutigen Schlafplatzes als wenig glücklich: Wir verbringen die Nacht in der Maun Lodge ziemlich genau zwischen Bar und Disco, und fühlen uns bis weit in den Morgen hinein wie ein DJ.

21. bis 23. April 2008

Obwohl heute Sonntag ist, werkelt John den ganzen Tag an der neuen Reserveradhalterung, während wir nach einer besseren Übernachtungsmöglichkeit Ausschau halten. Am Westufer des Thamalakane Rivers werden wir 12 km nordöstlich von Maun in der Island Safari Lodge in Matlapaneng fündig. Es handelt sich dabei um eine Anlage mit strohgedeckten Chalets und einem grossen, schattigen Campingplatz. Die nächsten Tage verbringen wir hier mit Autoaufräumen, Essen kaufen, Wäsche waschen, Reiseroute besprechen und unzähligen Besuchen bei John. Da bei der Konstruktion des Reserveradträgers immer wieder neue Fragen auftauchen, sind wir froh, dass Mary einen handwerklich begabten Arbeitskollegen mitbringt, welcher die letzten wichtigen Fragen zu klären hilft. Als der Reserveradträger dann nach drei Tagen endlich fertig ist, können wir nur noch hoffen, dass er uns länger als der gebrochene Reserveradträger begleiten wird. Lassen wir uns mal überraschen…

24. bis 27. April 2008

Unser nächster Besuch gilt dem knapp 5'000 km2 grossen Moremi Nationalpark. Er liegt im Nordosten des Okavangodeltas. Es soll sich dabei um einen der landschaftlich abwechslungsreichsten Schutzgebiete Afrikas handeln. Laubbäume, Grassteppen, Wasserlöcher, Schilf und papyrusbewachsene Flussläufe und Kanäle sollen die Landschaft prägen. Nach der Regenzeit sind viele Wege überschwemmt und unpassierbar. Zudem können dem Besucher die TseTse-Fliegen zu schaffen machen. In der grösseren Umgebung der Campingplätze und Lodges wurden aus diesem Grunde zahlreiche Fallen aufgestellt. Damit soll der Park einerseits für die Besucher unproblematischer zu bereisen sein und andererseits soll im übrigen Okavangodelta die Natur möglichst unangetastet bleiben. Wir sind gespannt, wie uns dieser Park nach der doch so ruhigen und harmonischen Kalahari gefallen wird.

Der Park präsentiert sich uns dicht bewaldet, mit vielen Sträuchern und Büschen. Zahlreiche kleine und zum Teil verschlammte Wasserlöcher sind im Buschland verstreut. Bei diesem Anblick fragen wir uns, wie in aller Welt man hier Tiere beobachten kann. Irgendwie sehnen wir und nach der Kalahari und den guten Tierbeobachtungsmöglichkeiten zurück. Nach drei Stunden ergebnisloser Fahrt und beinahe verlorener Hoffnung überquert doch tatsächlich ein riesiger Elefant unseren Weg. Sofort schnappen wir unsere Kameras und lassen sie nicht mehr los, da wir ab diesem Zeitpunkt immer wieder von diversen Tierarten überrascht werden. In den nächsten zwei Tagen fahren wir lange vor Sonnenaufgang los und durchfahren jede kleinste Ecke des Parkes. Wir machen Bekanntschaft mit Elefanten, Nilpferden, Löwen, Zebras, Giraffen, Warzenschweinen, Affen, Kudus, diversen Antilopenarten, Greifvögeln und anderen Vogelarten. Besonders gelohnt hat sich das einstündige Warten unter einem Baum: Solange brauchte nämlich ein Leopard, um von der Baumkrone auf die Erde herunterzuklettern.

Interessant sind auch die steinzeitlich anmutenden Brücken. Äusserlich machen sie keinen zuverlässigen Eindruck, halten aber beim Überqueren dem Gewicht des vollbepackten Santis stand. Als Abwechslung gönnen wir uns an einem Vormittag eine Fahrt mit einem kleinen Boot auf der Xakanaka-Lagoon, in welche viele Flüsse wie der Okavango, die Seronga und andere fliessen. Wir geniessen die langsame Fahrt, den Blick auf das klare Wasser und die uns umgebende Stille. Der Fahrer erklärt uns, dass wir aufgrund des zu hohen Grases mit grösster Wahrscheinlichkeit auf kein Nilpferd oder Krokodil stossen werden. Dafür zeigt er uns verschiedene Wasservögel, erklärt uns den Verwendungszweck der weissen Wasserlilien und erspäht mit geübtem Auge selbst in grösster Weite sich befindende Tiere.

Nach diesen eindrücklichen Tagen machen wir uns auf den Weg in Richtung Kasane. Dabei wählen wir den Weg quer durch den Chobe Nationalpark. Unterwegs erspähen wir in einem kleinen See eine Gruppe von Nilpferden. Einige davon sind sogar auf dem Land am Grasen. Um die Tiere besser beobachten zu können, steigen wir aufs Autodach und picknicken dort oben. Die Tiere scheint's nicht sonderlich zu stören - erst als wir zu singen beginnen, tauchen sie langsam unter.

Kurz nach der Parkgrenze hört der dichte Wald plötzlich auf und macht einer riesigen Ebene Platz. Gemäss unserem Kartenmaterial ist die Strecke ab der Parkgrenze bis zum nächsten Campingplatz zwischen 70 und 120 km lang. Wir entscheiden uns deshalb zum "wilden campieren", was jedoch einem Wildhüter, der zufälligerweise direkt neben uns vorbeifährt, gar nicht gefällt. Weder hat er Freude an unserem frischen Kartoffelstock, noch findet er die Bemerkung von Helen, dass die Löwen heute vielleicht ebenfalls Lust auf Kartoffelstock haben, lustig. Im Gegenteil, er meint, wir seien an einem sehr gefährlichen Ort mit vielen Löwen, und zudem würden sich oft Phytonschlangen unter dem Auto verstecken... Da unsere Argumente auf kein offenes Ohr stossen und weitere Diskussionen aussichtslos sind, geben wir nach und fahren bis nach Einbruch der Dunkelheit zum Campingplatz in Savuti, wo wir unser Nachtlager in der hintersten Ecke aufschlagen. Interessanterweise stört es den Wildhüter nicht, dass wir in der Dunkelheit fahren, obwohl es eigentlich strikt verboten ist, in einem Nationalpark nach 18:30 Uhr zu fahren. Zum Glück fahren wir in der Dunkelheit nur sehr langsam und konzentriert. So bemerken wir einen Elefanten, der sich direkt rechts neben der Piste aufhält. Nett, wie wir sind, beachten wir die Strassenverkehrsregeln und gewähren ihm den Vortritt. Ob es Rechtsvortritt war oder das Recht des Stärkeren, sei dahingestellt....

28. bis 30. April 2008

Die heutige "Safari" in der laut Reiseführer extrem tierreichen Savutiregion verläuft enttäuschend. Statt der zehntausenden Zebras, Gnus, Antilopen, Elefanten und Giraffen, die sich hier versammeln sollen, sehen wir nur ein paar Elefanten, Strausse, Gnus und Giraffen. Wenigstens eine grössere Ansammlung von Zebras können wir erspähen. Statt der vielen Tiere freuen wir uns ob der Natur und kehren am Nachmittag etwas enttäuscht auf den Campingplatz zurück. Als Kompensation erlauben wir uns eine ausgiebige Dusche.

Am nächsten Tag brechen wir auf in Richtung Nogatsaa. Nach der Querung der Kalahari folgt also die Querung des Chobe. Jetzt sehen wir, weshalb fast keine Tiere in der Savuti-Region sind: Entlang der gesamten Strecke gibt es unzählige Wasserlöcher und dichten Wald mit grünen Büschen, welcher sich mit hohem Gras abwechselt. Die Tiere haben somit keine Veranlassung, sich in der Savutiregion zwischen den Touristen "herumzuschlängeln". Wir begegnen auf der Strecke von Savuti bis Nogatsaa lediglich einer humpelnden Giraffe, drei riesigen Büffeln, einigen Elefanten, Zebras, Warzenschweinen und sogar einer seltenen Schildkröte. Dafür entschädigt die Piste für die Enttäuschung in der Savutiregion: Auf sandigen Pisten fahren wir durch dichte Wälder und drei Meter hohes Gras. Ab und zu müssen wir überschwemmte Pisten umfahren und Flussbette queren. Ebenso stehen einige Querungen von Wasserpfützen an. Da die zum Teil dornigen Büsche unsere auf der Innenseite der Türen montierten Moskitonetze zerreissen könnten, bleibt uns nichts anderes übrig, als mit geschlossenen Fenstern zu fahren. Die Temperatur im Innenraum steigt denn auch auf knapp 45° C, so dass man sich ja vorstellen kann, warum unser ganzer Körper nur so von Schweiss trieft. Aber die spannende Strecke, die wunderbare und interessante Natur lässt dies vergessen.

Um 17 Uhr erreichen wir Nogatsaa und stellen fest, dass der Campingplatz nicht mehr existiert. Wir campieren deshalb an einer uns geeignet erscheinenden Stelle und werden kurz darauf von einer Herde Elefanten begrüsst, welche wenige Meter neben dem Auto vorbeispaziert und an Büschen und Bäumen knabbert. Wir überlegen uns, ob wir den Schlafplatz wechseln sollen, verwerfen dieses Vorhaben aber rasch, als wir feststellen, dass es sich ein Löwe zur Aufgabe gemacht hat, uns heute Nacht zu "bewachen". Immer wieder kreist er mit lautem Gebrüll und Knurren um den Santi und hofft wohl, dass daraus sein Abendessen heraussteigen wird. Irgendwie ist uns unwohl, und wir verhalten uns mucksmäuschenstill. Helen überlegt sich jegliche Varianten, wie er uns etwas antun könnte. "Steigt er auf die Motorhaube? Springt er von der Motorhaube aufs Klappdach? Könnte er dabei die Zeltwand zerstören? Oder könnte er uns gar auffressen? Springt er vom Boden direkt ins Zelt hinein?" Markus beruhigt Helen und erklärt ihr, dass die verschiedenen Varianten etwas absurd scheinen und Helen sich eher um ihren Schlaf als um den Löwen kümmern sollte.

Die Weiterfahrt zur Chobe Riverfront verläuft vom dauernden Geholper abgesehen relativ ruhig. Die sich auf dem Weg sonnende Puffotter hat auch einen ruhigen Tag erwischt; sie lässt sich von uns nämlich nicht stören und zieht erst nach einiger Zeit weiter. An der Riverfront dann stossen wir auf einen Waran, eine weitere Schlange, Warzenschweine, Antilopen, unzählige Elefanten und Nilpferde und erspähen sogar die ersten Krokodile in freier Wildbahn. Zum Teil sind die Krokodile noch ganz klein, zum Teil handelt es sich aber auch um grosse Tiere. Als Abschluss können wir eine Elefantenfamilie beim Baden beobachten. Die Jungtiere freuen sich offenbar riesig auf das Bad, denn sie rennen vergnügt voraus.

1. Mai 2008

In Kasane füllen wir Diesel- und Wassertanks auf und versorgen uns mit Esswaren. Als Übernachtungsplatz wählen wir uns einen Platz mitten auf einer breiten, unbefahrenen Piste direkt an der Grenze zum Chobe aus. Am Abend und am Morgen schlendert eine Elefantenfamilie ganz nah an uns vorbei. Ein junger Elefant ist sehr neugierig und nähert sich uns bis auf zwei Meter, was uns einerseits freut, andererseits aber auch ein etwas ungutes Gefühl hinterlässt - was würde passieren, wenn die Eltern die Situation plötzlich als gefährtlich einstufen würden? Aber was soll's, denn es heisst ja nicht umsonst: No risk, no fun!

Nachdem wir diese wunderschönen Bilder gemacht haben, möchte Helen am Abend neue Massstäbe setzen, indem sie das Klappdach ganz allein nur mit dem Kopf anheben und aufstellen möchte. Diese Absicht begründet sie damit, dass Markus gerade Flaschen mit gefiltertem Wasser füllte, und sie ihn nicht stören wollte. Nun - gesagt, getan. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das Klappdach mit einem Reifen, Felgen, Dachträger, Kiste, und gefüllter "Waschmaschine" mindestens 110 kg wiegt. Beim Anheben verzichtet sie nicht nur auf die Mithilfe von Markus, sondern lässt auch ihre Hände im Schoss ruhen. Der Kopf allein soll's richten - schliesslich ist ein "Juristenkopf" das Arbeiten gewöhnt! Leider hat sie ausser acht gelassen, dass das juristische Arbeiten nicht mit körperlicher Schwerarbeit zu vergleichen ist, und Helens Kopf machte "krrrrrrrkkk!"

Markus nötigt Helen daraufhin, ihren Schädel im nahegelegenen Spital röntgen zu lassen - man weiss ja nie. Wenn Helens Kopfarbeit einen Haarnadelriss in der Schädeldecke mit sich gezogen hat, besteht ein evidentes Risiko eines Blutgerinnsels unterhalb der Schädeldecke, was tragische Folgen nach sich ziehen kann. Da die nächste ernst zu nehmende medizinische Versorgungsmöglichkeit mindestens sechs Stunden Autofahrt entfernt ist, ist rasches Handeln angesagt. Im Spital von Kasane wird deshalb nach der Konsultation des kompetenten Notfallarztes um 22 Uhr der Röntgenspezialist aus dem Schlaf gerissen. Er erscheint in Unterhosen, T-Shirt und Schlarpen und bedient den Röntgenapparat zwar pfeifend und murmelnd, aber fachgerecht. Zum Glück ergeben die Röntgenbilder, dass Helens Schädel - von starken Kopfschmerzen abgesehen - keinen Schaden genommen hat.

2. Mai 2008

Nach einer sehr kurzen Nacht gönnen wir uns ein ausgiebiges Frühstück. Beim langsamen Zusammenräumen erscheint plötzlich ein riesiger Elefant - nota bene der grösste Elefant, den wir bisher gesehen haben. Wir lassen sofort alles stehen und verstecken uns im bzw. neben dem Santi. Der Elefant nähert sich uns bis auf rund zwei Meter und bleibt dann unschlüssig stehen. Zum losfahren ist es zu spät - es bleibt nur das Prinzip der Hoffnung. Wir zittern beide und versuchen, uns ganz ruhig zu verhalten. Nach ein paar Minuten wendet sich der Elefant ab und verschwindet langsam im Wald. Wir hatten Glück, dass er weder unseren Stühlen und dem Tisch noch dem Auto Schaden zufügte. So schnell, wie wir jetzt die restliche Ausrüstung, Kühlbox und Kisten ins Auto packen und losfahren, waren wir noch nie.

Wir beabsichtigen, heute die Grenze zu Zimbabwe zu passieren. Die Ausreise aus Botswana in Kazungula verläuft unproblematisch und sehr schnell. Bei der Einreise nach Zimbabwe...

Zimbabwe

2. bis 6. Mai 2008

...werden wir von einem Grenzbeamten überrascht, der schlicht und einfach verkündet, er gehe jetzt in die Mittagspause. Wir stehen also zusammen mit vielen anderen Einreisenden vor dem leeren Schalter und warten. Wir warten solange, bis uns "trümmlig" wird und wir sogar in Erwägung ziehen, unsere Stühle aus dem Auto zu holen. Aber irgendwie verlässt und diese Idee wieder. Als dann der Grenzbeamte wieder erscheint, geht es relativ schnell, und nach insgesamt einer Stunde passieren wir den Schlagbaum. Die Treibstoffabgabe und die Strassenbenutzungsgebühr betragen insgesamt US-$ 25.

Eine gute Teerstrasse soll uns nach Victoria Falls führen. Wie der Zufall will, quert doch tatsächlich wieder eine Elefantenfamilie unseren Weg, und zwar nur gerade 500 m nach dem Grenzübergang. Wir schmunzeln und sind der Meinung, dass die Elefanten es irgendwie auf uns abgesehen haben... Die Weiterfahrt nach Victoria Falls verläuft ereignislos. Beeindruckend jedoch ist der riesige Wald, durch welchen die Teerstrasse führt.

In Victoria Falls angekommen, wollen wir uns zuerst eine Lodge suchen, wo wir ein paar Tage verbringen möchten. Die erste Lodge ("Victoria Falls Lodge") zeigt sich in einem sterilen, unsympathischen Kleid. Einem Wegweiser folgend entdecken wir auf einem Hügel mitten in der Natur die luxuriösen Lodgeanlage "Lokuthula", was übersetzt "Ort der Ruhe" bedeutet. An der Reception erkundigen wir uns nach dem Preis einer Lodge und sind mehr als erstaunt, dass eine Übernachtung tatsächlich nur CHF 175 für zwei Personen kosten soll. Wir sind von der Lodge völlig begeistert: zweistöckig, sechs Personen Platz bietend, mit Küche und Grillplatz, und aufrollbarer Frontseite.

Wenige Kilometer nordwestlich von Victoria Falls befindet sich eine Krokodilfarm, die Markus unbedingt besuchen möchte. Wir können beide ein kleines Krokodil in die Hand nehmen und erfahren vom Guide allerlei Wissenswertes. Das grösste und älteste Krokodil der Farm ist 74 Jahre alt, 5,5 m lang und über 500 kg schwer.

Der Besuch der Viktoria Wasserfälle verläuft aufgrund des Hochwasserstandes (März bis Mai) nass, sehr nass sogar. Bei Hochwasser werden die Viktoria Wasserfälle zum tobenden Hexenkessel - kaum zu erkennen in einem unglaublichen Spektakel aus Gischt, Getöse und ungebändigter Naturgewalt. Nicht umsonst zählen die Viktoria Wasserfälle zu den besonderen Naturwundern der Welt und wurden von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuft.

Obwohl wir am Eingang zwei wasserdichte Pelerinen und einen grossen Regenschirm mieten, sind wir nach einer halben Stunde bis auf die Haut durchnässt. Es stürzen derart riesige Wassermassen die Felskante hinunter, dass sich die Gischt rund 500 m in den Himmel türmt - und als Regen wieder runterfällt. Da es zugleich noch etwas windet, kommt das Wasser nicht nur von unten und von oben, sondern auch von der Seite. Irgendwie macht es aber Spass, an den diversen Aussichtspunkten derart angespritzt zu werden, als ob man unter einer Dusche stünde. Der Nachteil von alledem ist jedoch die getrübte Sicht und der Umstand, dass wir unsere Kameras in Plastiksäcke verpacken müssen, damit sie nicht - wie wir - ganz nass die Wasserfälle verlassen müssen. Vor lauter Wasser, Regen und Gischt sieht man einen erheblichen Teil der Wasserfälle nicht oder nur stark eingeschränkt. Auch die Sicht in den Taleinschnitt des Sambesi ist wegen der Gischt nicht möglich. Trotzdem spazieren wir gerne total durchnässt durch den Regenwald und erleben den Sambesi von seiner wilden Seite.

Wer sich die vor 150 Millionen Jahren entstandenen Wasserfälle ansehen möchte, sollte sich beeilen, denn die Wasserfälle werden in ein paar Millionen Jahren aufgrund geologischer Veränderungen verschwinden und zu Stromschnellen mutieren.

Unsere letzte Nacht in der Lodge entpuppt sich als wenig luxuriös - es sei denn, man erachtet einen auf der Innenseite des Moskitonetzes sich festkrallenden, ca. 20 cm langen Skorpions als Luxus. Da wir befürchten, dass uns die Hotelleitung nicht glaubt, einen Skorpion in unserem Zimmer gesehen zu haben, machen wir ein paar Beweisfotos und holen daraufhin die Security. Zu zweit machen sie dem Skorpion den Garaus. Beide Männer teilen unsere Ansicht, dass es sich um ein sehr gefährliches Exemplar handelt. Der Lodge-Manager, der kurz darauf bei uns erscheint und sich nach unserem Befinden erkundet, stösst ein entsetztes "Oh my God!" aus, als er das Foto des Skorpions sieht. Er macht uns das Angebot, die Lodge zu wechseln, worauf wir ihm erklären, dass es für uns klar ist, dass wir die Nacht in unserem Auto verbringen werden. Obwohl er uns immer wieder versichert, dass sicher kein Skorpion mehr erscheinen wird, bleiben wir auf unserem Standpunkt, im Dachzelt schlafen zu wollen.

Nachdem wir unsere gesamte Wäsche gewaschen, das Auto aufgeräumt und geputzt, die aufgelaufenen Dokumente geordnet und verstaut, die Homepage aktualisiert und die Route für Sambia besprochen haben, geht es heute in nördlicher Richtung weiter. Bevor wir uns auf die Jagd auf ein Warzenschwein machen, gönnen wir uns ein letztes zimbabwesisches Mittagessen im Lodge-Restaurant und machen uns auf den Weg nach...

Sambia

6. Mai 2008

…Sambia. Die Grenze zwischen Zimbabwe und Sambia verläuft in der Mitte des Sambesi, und einer alten Eisenbrücke, die nur im Einbahnverkehr befahrbar ist. Diese Brücke bildet die Verbindung zwischen den beiden Ländern. Den Grenzgängern bietet sich auf der Brücke ein einmaliger Ausblick auf die Viktoriafälle. Wir lassen das Auto stehen und spazieren über die Brücke und bestaunen die riesigen Wassermassen. Der anschliessende Grenzübertritt gestaltet sich unproblematisch und geht rasch vonstatten. Das einzige Problem ist, dass wir zwar das Visum, nicht aber die Dieselsteuer in US-$ zahlen können. Die Dieselsteuer müssen wir zwingend in der sambischen Währung, also in Kwecha, bezahlen. Da es an der Grenze aber keine Wechselstube gibt, zeigt der Grenzbeamte auf einen Kollegen, welcher uns hilft, auf dem Schwarzmarkt Geld zu wechseln.

Als Übernachtungsplatz wählen wir den Campingplatz der Livingstone Safari Lodge aus und dinieren dort zu einem absolut überteuerten Preis (US-$ 15 pP). Dafür ist die laute Musik aus dem angrenzenden Dorf während der Nacht gratis…

7. und 8. Mai 2008

Wir besuchen die Viktoriafälle auf der sambischen Seite – dieses Mal ohne Regenmäntel und ohne Schirm, da wir die Viktoriafälle „noch näher“ erleben möchten. Obwohl wir bis auf die Haut durchnässt sind haben wir riesigen Spass daran, durch die Gischt und die „Regenschauer“ zu spazieren. Besonders gefällt es uns, auf einer langen schmalen Brücke, welche direkt über den Sambesi führt. Hier ist es derart nass, als ob jemand eimerweise Wasser über uns schütten würde. Wir können uns nicht erinnern, in der Schweiz jemals solche Wassermassen vom Himmel herabstürzen gesehen zu haben.

Nach dem Besuch der Viktoriafälle fahren wir nordwärts auf der Autobahn "Great North Road" in Richtung Kalomo. Kurz nach Livingstone tauchen die ersten Schlaglöcher auf, und schon bald stellen wir fest, dass wir uns auf einer fürchterlichen Schlagloch-Teerstrasse befinden. Oft weiss man kaum, wo man durchfahren soll, um der ärgsten Rumpelei auszuweichen. Jeder fährt dort, wo es ihn am besten dünkt – egal, ob auf der rechten oder linken Strassenseite (oder sogar im rechten oder linken Strassengraben).

Nach rund zwei Stunden finden wir etwas abseits der Strasse einen Schlafplatz. Ein ruhiges, kleines und friedliches Fleckchen Erde – so denken wir. Das mit dem „klein und ruhig“ ist schon richtig. Das mit dem „friedlich“ leider eher weniger. Während dem Abendessen hören wir die ersten Äste knacken. Nach dem Einpacken des Geschirrs fallen die ersten Steine aus dem Gebüsch. Wir glauben nicht, dass ein Tier nach uns mit Steinen wirft. Uns befällt ein mulmiges Gefühl. Wir scheinen hier offenbar nicht wirklich willkommen zu sein. Deshalb entscheiden wir uns für einen französischen Abgang. Zum Glück parkieren wir immer in der Abfahrtsrichtung, und so können wir einsteigen und rasch abfahren. Es ist zwar nichts Konkretes vorgefallen, aber unser Gefühl sagte uns, dass dies kein sicherer Schlafplatz ist.

Trotz unserer guten Scheinwerfer ist die Rückfahrt auf der Schlaglochstrasse nach Livingstone sehr anstrengend – zumal noch mehr Fahrzeuge unterwegs sind als beim Tageslicht. Kurz vor Livingstone werden wir durch eine Polizeikontrolle angehalten. Der Polizist hatte wohl etwas zu tief ins Glas geblickt – jedenfalls ist seine Alkoholfahne sehr deutlich riechbar. Wir sind erstaunt, dass Polizisten in Sambia stockbesoffen Kontrollen durchführen können.

Die Nacht verbringen wir im Hotel Protea in Livingstone, das gerade erst heute eröffnet hat. Wir sind tatsächlich die allerersten Gäste und werden entsprechend zuvorkommend bedient. Wir sind stolz und freuen uns, als erste Gäste die riesigen Betten einweihen zu können. Nach einem grossartigen Frühstück schlendern wir am nächsten Tag zu Fuss vom Hotel nach Livingstone, wo wir unterwegs einige typische sambische Handfertigkeiten erstehen. Der Kauf von Briefmarken gestaltet sich relativ schwierig, da der Postbeamte nicht verstehen kann, dass wir nicht nur Briefmarken für Europa, sondern auch solche für Sambia kaufen möchten. Alle Erklärungen und Beispiele stossen bei ihm auf Unverständnis. Erst als wir auf sein Briefmarkenbuch und auf die unterschiedlichen Briefmarken zeigen, gibt er uns welche.

In einer sambischen Boutique, die handgefertigte Tücher und Kleider feilbot, benötigten die Verkäuferinnen fast eine Stunde, um den gekauften Wandschmuck einzupacken. Aber in Afrika braucht es halt für alles seine Zeit… Auf unserem Rundgang entdecken wir sogar das livingstonische "Obergericht".

Zu faul und zu müde um zu Kochen begeben wir uns in eine Fastfoodpizzeria.

9. Mai 2008

Heute geht es nordwestwärts via Zimba nach Kalomo, welche von 1902 bis 1907 die erste Hauptstadt Nordwestrhodesiens war. Aufmerksam fahren wir durch Kalomo und sind erstaunt, tatsächlich eine frühkoloniale Baute zu entdecken. Weiter führt uns eine sehr gute Teerstrasse nach Choma. Hier verlassen wir diese Teerstrasse und fahren mittels eingegebener GPS-Koordinaten auf einer Piste in Richtung Mapanza. Laut dem Reiseführer soll unser nächstes Ziel – Namwala – mit Choma mit einer guten Strasse (erst Piste, ab Naiko Teer) verbunden sein. Wieder einmal stellt sich aber das Gegenteil heraus. Die Piste ist in einem fürchterlichen Zustand und von „gut“ kann überhaupt keine Rede sein. Vielmehr befinden wir uns auf einer ausgewaschenen, mit Löchern und Steinen übersäten Piste, welche uns zu einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 18 km/h zwingt. Wie überrascht und erstaunt werden wir von der einheimischen Bevölkerung angestarrt – es scheint, als ob seit sehr langer Zeit kein Weisser diese Strecke mehr befahren hat.

Angrenzend an der Piste liegen zahlreiche kleine Dörfer, so dass sich die Suche nach einem unbemerkten Schlafplatz nicht ganz als so leicht herausstellt. Nachdem wir unseren Santi mitten im Wald auf einem schmalen Fusspfad parkiert haben, machen wir uns auf die Suche nach dem Grund des „komischen“ Geräusches rechts unter dem Wagen, welches uns während des Fahrens auf dieser schrecklichen Piste aufgefallen ist. Leider stellt sich hierbei heraus, dass der vordere rechte Stossdämpfer sich aus der Aufhängung löste. Da es bereits 17.15 Uhr ist, gilt es noch vor Einbruch der Dunkelheit zu handeln. Wir nehmen die Kisten hervor und Markus schafft es mit Stirnlampe innert einer Stunde mit konzentrierter Arbeit, Hammer und Brecheisen, den Stossdämpfer abzunehmen und wieder zu montieren. Dabei stellte er fest, dass die oberen Befestigungsgummis stark beschädigt sind. Helen ist wirklich sehr stolz, dass nicht jeder Rechtsanwalt „nur“ Rechtsanwalt ist, sondern Markus daneben ausserdem noch ein begabter Buschmechaniker ist.

10. Mai 2008

Wir sind sehr froh, dass die Weiterfahrt am nächsten Morgen tatsächlich mit intaktem Stossdämpfer auf der schlechten Piste weitergehen kann. Als wir in Neiko ankommen, mutiert die Erd- und Steinpiste zu einer guten Teerstrasse. Unsere Mittagspause verbringen wir abseits dieser Strasse und beschliessen, heute nicht mehr weiterzufahren. Wir relaxen, spielen „Mühle“ und besprechen die weitere Route.

11. Mai 2008

Um die Mittagszeit erreichen wir Namwala. Unser Wunsch, in Namwala mittels Ponton über den Kafue und auf der Gravelpiste über die Bulala Hills nach Mumbwa zu gelangen, erweist sich leider schwieriger als gedacht. Die Gravelpiste führt uns nach Namwala mitten durch bepflanztes Gartenland. Hier werden diverse Gemüse und Bäume angepflanzt. Unser Winken wird mit einem Lachen und Zuwinken der Einheimischen erwidert. Unsere Fahrt wird plötzlich von einem riesigen Krater mitten auf der Piste unterbrochen. Wir steigen aus dem Auto aus und begutachten den Krater und allfällige Umfahrungsmöglichkeiten. Bald schon werden wir von herbei rennenden kleinen Kindern begrüsst. Wir machen einige Fotos und beschenken die Kinder als Dank mit einem Luftballon. Wir spüren und merken, wie sehr sie sich beim Erklären des Aufblasens über unsere Geschenke freuen! Bald darauf kommt uns ein einheimischer Fischer entgegen und erklärt uns, dass nicht nur die ganze Piste bis zum Ponton durch die starken Regenfälle des letzten Monats „totally damaged“ ist, sondern auch, dass der Ponton aus irgendeinem Grund nicht mehr funktioniert. Als Alternative empfiehlt er uns, die Musungwa-Road über Lubwe nach Itezhi-Tezhi zu nehmen. Trotz der starken Regenfälle der letzten Monate glaubt er, dass die Piste nach Itezhi-Thezi gut befahrbar ist.

Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als umzukehren und die erwähnte Piste zu suchen. Am Ende von Namwala werden wir fündig. Während wir die Karte nochmals eingehend studieren, bietet uns ein Einheimischer Hilfe an. Wir erklären ihm, dass wir keine Hilfe bräuchten, dass wir aber nicht genau wissen, ob wir über die Nanzhila-Plains, deren Sumpfregion aufgrund der Regenmonate doch erst Ende Mai durchquerbar sei, nach Itezhi-Thezi gelangen können. Er erklärt uns, dass ein Kollege ihn letzte Woche über diesen Weg habe besuchen wollen, aber leider aufgrund des Wassers beim grossen „Plains“ stecken geblieben sei und keine Chance gehabt hätte, zu ihm zu gelangen. Er meint, dass unser Vorhaben sehr schwierig sein wird und dass wir, falls wir im Sumpfland stecken bleiben, von mindestens sechs bis acht Ochsen herausgezogen werden müssten. Er fügt hinzu, dass in dieser Gegend aber nicht sehr viele Menschen leben würden und es umso schwieriger werden könnte, Hilfe zu bekommen, er als Einheimischer aber uns begleiten und – falls notwendig – Hilfe organisieren würde. Er ist uns aber überhaupt nicht sympathisch, weshalb wir alleine weiterfahren. Das erste Plain, welches eine riesige Grasebene darstellt, durchfahren wir ohne Probleme.

Laut Reiseführer soll dieser Weg auf kleinen, aber schwierigen Sandpisten durch flache und sehr schöne Palmenlandschaften führen. Die recht sandige Piste führt uns tatsächlich durch eine idyllische, fruchtbare Landschaft, welche von kleinen Dörfchen gesäumt wird. Es erstaunt uns zu sehen, wie einfach die Menschen hier leben und unser Winken mit frohem Lachen winkend erwidern. Die runden, fensterlosen Behausungen bestehen lediglich aus Lehmmauern und Strohdächern. Die Menschen leben hier von der Eigenversorgung.

Um die Mittagszeit stellen wir unseren Santi unter einen Baum und beginnen zu kochen, als wir bemerken, dass sich einige Meter weiter einige Kinder scharen. Nicht, dass sie nur stehen bleiben, nein, sie setzen sich in den Schatten eines Baumes und beobachten uns. Wir lassen uns nichts anmerken und beenden unser Essen. Als Helen ihnen nach dem Essen zu winken beginnt, nähern sie sich uns sehr zögerlich, schüchtern und langsam. Als Helen die Fotokamera hervorholt und sich ihnen ebenso langsam nähert, weichen sie zurück. Es scheint, als ob sie nicht wüssten, wozu eine Kamera dient. Sie erklärt ihnen vorsichtig, was dieses schwarze „Ding“ sei und fragt, ob sie ein Foto von ihnen machen könne. Es scheint, als ob die Kinder mehr Vertrauen fassen würden, denn sie nähern sich uns langsam wieder. Nach einigen Aufnahmen beschenken wir sie mit einigen Luftballonen und zeigen ihnen, wie diese aufzublasen sind und wie man damit spielen kann. Mit grosser Aufmerksamkeit schauen sie zu und beginnen gleich darauf selber die Ballone aufzublasen. Die Freude über unser Geschenk macht sich in ihren Gesichtern deutlich bemerkbar. Alle Kinder haben sich zu unserem Erstaunen mit einem Knicks für die Luftballone bedankt. Die zwei älteren Mädchen wünschen sich ein Souvenir von uns. Wir geben ihnen je eine Postkarte von der Schweiz, was sie sehr beeindruckt.

Auf der Weiterfahrt fällt uns zum wiederholten Male ein Baum auf, dessen Früchte wie riesige Würste aussehen. Deswegen wird er Leberwurstbaum genannt. Als wir unter diesem Baum anhalten uns seine Früchte bestaunen, gesellt sich ein Einheimischer zu uns und erklärt, dass diese langen Früchte nur von Frauen kurz nach der Niederkunft gegessen werden, um ihnen Kraft und Energie zurück zu geben. Angeblich sollen diese Früchte sehr gesund sein. Auf unsere Frage, ob auch Markus eine solche Frucht essen könne, kann er sich vor Lachen kaum mehr auf den Beinen halten. Männer essen diese Früchte tatsächlich nie - schliesslich sind es die Frauen, die gebären, und nicht die Männer. Wir nehmen eine Frucht des Baumes, der in der einheimischen Sprache "Namzungula" heisst, mit, und hoffen, dass die Frucht uns als Erinnerung noch lange begleiten kann.

Auf der Fahrt durch das grosse „Plain“ sind wir vorsichtig und steigen aus, als wir den überfluteten Weg sehen. Nach einer Erkundung zu Fuss entscheiden wir uns widerwillig zur Umkehr, da wir nicht glauben, durch die überflutete Ebene fahren zu können. Doch leider können wir keinen Millimeter rückwärts fahren – das Auto ist in der nassen Erde bereits tief bis zum Chassis eingesunken! Alle anfänglichen Versuche, das Auto aus dem Sumpf zu heben, scheitern. Das Reifenprofil ist vollständig mit lehmigem dunklem Sumpf gefüllt, und die Reifen drehen sogar auf Sandblechen trotz vorne und hinten eingeschalteten Diffsperren durch. Das Anheben des Autos mittels dem Hi-Jack funktioniert auch nicht, da dessen Mechanismus durch Sand, Staub und Dreck blockiert ist. Erst als wir dieses Problem gelöst haben, können wir das Auto anheben und Sandbleche unter die Räder legen. Zum Glück erscheint während unserer Bergungsarbeit ein Einheimischer, der tatkräftig mithilft. Wir sind froh, unser gesamtes Bergungs-Equipment dabei zu haben, wissen aber, dass wir unsere Ausrüstung gleich nach unserer Rückkehr um Schlammketten erweitern werden. Aufgrund unserer Planänderung (Süd-Nord-Querung statt Nord-Süd-Querung) konnten die Schlammketten zu unserem grossen Bedauern leider nicht mehr rechtzeitig geliefert werden. Wie stolz wären wir gewesen, wenn wir dieses Plain trotz der Überflutung mit dem Auto hätten durchqueren können!

Wir fahren rückwärts aus dem Plain und übernachten kurz darauf neben einer Piste im Gehölz.

12. Mai 2008

Etwas demotiviert machen wir uns auf den Rückweg nach Namwala – wie gerne wären wir in die umgekehrte Richtung gefahren! Je näher wir Namwala kommen, um so eher wird der Einfluss der Stadt sichtbar. Die Menschen winken kaum mehr zurück, und wenn wir für Fotos anhalten, werden wir mit unverfrorenen Forderungen im Stil von „Give me money“ konfrontiert.

Das nächste Etappenziel ist Monze. Die Piste ist zu Beginn sehr gut, wird jedoch je länger je schlechter. Bei der Mittagsrast beobachten uns ein paar Kinder, wie wir kochen und essen. Obwohl die Situation für uns immer noch ungewohnt ist, lassen wir uns nichts anmerken und verhalten uns ganz normal.

Ein älterer Mann klärt uns über die diesjährigen Regenfälle auf. Sie seien dieses Jahr derart heftig ausgefallen, dass fast die gesamte Ernte vernichtet worden sei und eine Hungersnot drohe. Dies erklärt die Unmengen von verfaultem Mais entlang der Strecke sowie die stark ausgewaschenen (und zum Teil zerstörten) Pisten. Zudem wird uns jetzt klar, weshalb sich das UNHCR in Sambia aufhält: Das UNHCR versucht die Hungersnot mit Lebensmittelhilfe abzuwenden. In grösseren Ortschaften sehen wir riesige Berge von Lebensmittelsäcken, und auch in den kleinen Dörfchen sehen wir immer wieder diese Säcke. Das UNHCR organisiert die Einfuhr der Lebensmittel und deren Transport in regionale Lager. Die Feinverteilung wird dann von der lokalen Bevölkerung vorgenommen.

A propos Essen: Wir beobachten, wie sich mehrere Frauen und Kinder in einem Tümpel aufhalten und vermeintlich Wäsche waschen. Wir fragen sie, ob wir sie fotografieren dürfen, und merken, dass sie nicht am Waschen, sondern am Fischen sind. Sie erklären bzw. zeigen uns, dass sie die im Tümpel schwimmenden Fische mit blossen Händen und Körben fangen – uns sind erstaunlich erfolgreich dabei!

Die Schlafplatzsuche gestaltet sich schwierig. Entlang der Strecke reiht sich Dörfchen an Dörfchen, und auf der Piste sind unheimlich viele Menschen unterwegs – teils zu Fuss, teils auf dem Fahrrad, und zum Teil in Sammeltaxis. Sammeltaxis sind meistens Toyota-Pickups auf denen sich viele Personen transportieren lassen. Trotz dem erheblichen „Verkehr“ können wir ungesehen von der Piste auf einen Fussweg abbiegen und unser Nachtlager aufschlagen. Das mit dem „ungesehen“ ist allerdings relativ zu verstehen: Wir stellen immer wieder fest, dass es fast unmöglich ist, ungesehen und ungehört zu bleiben. Selbst an Orten, an denen wir denken, dass niemand in der näheren Umgebung ist, taucht plötzlich jemand auf. Selbst an unserem heutigen Schlafplatz hören wir am Abend und mitten in der Nacht Menschen vor unserem Auto stehen bleiben und diskutieren. Wir stellen uns schlafend und warten, bis sie nach einer Weile wieder gehen.

13. Mai 2008

Wir erreichen Monze. Die Menschen dort erscheinen uns nicht freundlich gesinnt, und wir sind froh, die Ortschaft möglichst rasch hinter uns lassen zu können. Wir fahren über Pisten westwärts und merken ob der Reaktion der Bevölkerung, dass hier kaum jemals Touristen vorbeifahren. Zum Teil rennen Leute vor uns weg, und manchmal starren sie uns staunend an. Wenn wir ihnen zuwinken, winken sie oft zurück und lachen uns freudig zu.

Etwas ausserhalb einer Ortschaft stellen wir den Santi am Pistenrand ab und fotografieren ein Fussballplatz und ein Korbballfeld. Die Fussballtore bestehen lediglich aus drei Holzpfosten ohne Netz, und die Korbballpfosten weisen bloss einen Drahtring auf. Während wir einige originelle Fotos von uns machen, rennen viele Kinder zu uns und wollen auch im Fussballtor fotografiert werden. Sie haben unheimliche Freude, in möglichst realitätsnahen Torhüterposten fotografiert zu werden. Über Ballone freuen sie sich noch mehr, und wir sind froh, so viele Luftballone eingepackt zu haben. Als Markus noch die Videokamera hervorholt, scharen sich die Kinder um ihn. Sie interessieren sich für das unbekannte Gerät und haben grosse Freude, gefilmt zu werden und ihre Kameraden gefilmt zu sehen. Als wir uns verabschieden, winken sie uns noch lange hinterher und rennen uns zum Teil noch lange nach. Diese Episode wird uns noch sehr lange in Erinnerung bleiben.

Weiter geht die Fahrt durch Farmland entlang riesiger Felder durch eine sehr reizvolle Landschaft. Sogar Baumwolle wird hier angepflanzt! Bewaldete Hügel wechseln sich mit Grasebenen, grossen farbigen Blumenfeldern, Baobabs, kleinen Bächen und schmalen Brücken ab. Dörfchen hingegen gibt es hier fast keine. Wir geniessen die Fahrt durch diese wunderschöne idyllische Landschaft in vollen Zügen. Der Kontrast zwischen der feuerroten Erde, dem blauen Himmel und den grünen Bäumen und Sträuchern faszinieren uns immer wieder von neuem. Bei einer Pause entdecken wir auf unserem Sonnensegel eine grosse Gottesanbeterin, die offenbar ohne zu zahlen mitfahren wollte. Nett, wie wir sind, haben wir keine Gebühr verlangt und sie nach dem Fotografieren gratis mitfahren lassen.

Auf einem Hügel mitten im Farmland finden wir einen einsamen und ruhigen Schlafplatz. Da dieses Mal wirklich weit und breit niemand ist, steht am Abend eine Dusche an. Danach geniessen wir nach dem Abendessen einen wunderschönen Sonnenuntergang.

14. Mai 2008

Am frühen Vormittag finden wir nur wenige Meter neben der Piste ein altes Pistenfahrzeug. Natürlich nicht ein Pistenbully für Skipisten, sondern ein Pistenfahrzeug für afrikanische Pisten. Mit diesem Vehikel versuchte man früher, dem ärgsten Wellblech Herr zu werden und die Pisten wieder einigermassen fahrbar zu machen. Die Ortschaften in Sambia werden teilweise nicht mit Ortsschildern im herkömmlichen Sinne angeschrieben. Man merkt oft erst, wo man sich befindet, wenn man ein Schild, das zur örtlichen Schule führt, sieht. Auf dieser Steintafel ist jeweils auch das Schulmotto eingemeisselt.

Kurz vor Kafue treffen wir wieder auf die Teerstrasse und fahren nordwärts nach Lusaka. Zum Glück hat es nicht viel Verkehr, und wir lassen Lusaka und die berühmt-berüchtigte Cairo Road rasch hinter uns. Vor und nach der sambischen Hauptstadt gibt es einige Polizeikontrollen, die wir aber ohne Probleme passieren können. Wir werden praktisch immer durchgewunken, so dass wir nicht einmal anhalten müssen.

Auch die ehemalige Hauptstadt Kabwe passieren wir rasch und übernachten etwas ausserhalb direkt vor einem Königreichssaal der Zeugen Jehovas, weil wir schlicht und einfach keinen anderen Schlafplatz finden konnten.

15. Mai 2008

Kurz nach Sonnenaufgang fahren wir weiter und frühstücken etwas später direkt neben der staubigen Piste. Kurz vor dem Mulungushi-Staudamm machen wir einen Abstecher zum Mulungushi Boatclub. Dabei handelt es sich um eine Art Ferienhaussiedlung mit Übernachtungsmöglichkeit auch für Touristen. Der Boatclub liegt unglaublich malerisch direkt am tiefblauen Mulungushi-Stausee an einem kleinen Abhang und bietet Sonnen- und Schattenplätze. Schlicht gesagt: Perfekt für einen Erholungsurlaub! Baden im Stausee ist jedoch nicht unbedingt empfehlenswert, da sich hier einige Krokodile tummeln sollten. Wenige Minuten jedoch nach unserer Ankunft erscheint der „General Manager“ im Bademantel und fordert uns auf, entweder eine Eintrittsgebühr zu bezahlen oder zu verschwinden. Wir machen von der zweiten Alternative Gebrauch und passieren kurz darauf die Brücke über den Mulungushi, der erstaunlich klares Wasser führt. Im Flussbett arbeitende Männer erklären uns, dass sie aus der Ufererde mithilfe des Flusswassers die Steine aus der Erde sieben und die Steine auf die Brücke hochtragen, um anschliessend mit den Steinen eine andere Brücke zu bauen. Eine unvorstellbare  Knochenarbeit par excellance!

Wenig später erreichen wir Lunsemfwa. Ein Dorf mitten im Nirgendwo mit Strassenbeleuchtung, guten Strassen und noch besseren Häusern. Der Reichtum des Dorfes fusst auf dem sich hier befindenden Elektrizitätswerk. Alles hat jedoch zwei Seiten: Der Wohlstand der Bewohner und die mangelnden Arbeitsplätze führt zu unzähligen „Alkoholleichen“, die bereits mitten am Vormittag neben der Bar betrunken vor sich hinleben. Beim Vorbeifahren werden wir von ein paar alkoholisierten Männern angehalten und nach unserem Reiseziel befragt. Wir geben keine Antwort, sondern fahren möglichst rasch weiter, da es uns hier sehr unangenehm ist.

Am Nachmittag stehen wir vor einem Fluss, der zu tief ist, um durchzufahren. Zum Glück gibt es eine Fähre, die uns hinüber bringt. Wobei „Fähre“ zuviel gesagt ist. Es handelt sich vielmehr um eine von zwei Männern per Muskelkraft angetriebene Plattform. Ein kurzes, aber einmaliges Erlebnis!

Die Nacht verbringen wir unentdeckt hinter einem riesigen Hügel.

16. Mai 2008

Heute besichtigen wir den Mita Hills-Staudamm, der den Lunsemfwa auf einer Länger von über 60 km staut. Arbeiter erklären uns, dass sich die Turbinen zur Erzeugung der Elektrizität nicht direkt unterhalb des Stausees, sondern im ca. 80 km entfernten Lunsemfwa befinden. Das Wasser wird in einem offenen Kanal dorthin geführt – für uns eine unerklärbare Verschwendung von „Gratis-Energie“. Immerhin gibt es zum Teil unheimlich viele Starkstromleitungen.

Da sich in unseren Wassertanks nur noch etwa 25 Liter Wasser befinden, möchten wir die Tanks mit Grundwasser auffüllen. Das Wasser vom Lunsemfwa ist trüb und stinkt – nicht gerade ideal. Der nächste Fluss führt klares Wasser. Markus ist Feuer und Flamme und möchte die Tanks auffüllen. Helen dagegen ist skeptisch und möchte zuerst noch den nächsten Fluss begutachten. Einige Kilometer weiter führt uns der Weg durch ein kleines Dorf, an dessen Ende sich der nächste Bach befindet. Das Wasser hat einen Nebengeschmack, dessen Definition uns anfänglich nicht leicht fällt. Nach einigem Überlegen und nochmaligem Degustieren kommen wir zum Schluss, dass es sich um thermisches Wasser handelt. Da sich nicht jedes Thermalwasser zum unbegrenzten Trinken eignet, fällt dieses Wasser ausser Betracht. Unweit von diesem Bach gilt der nächste Versuch einer neben der Piste gelegenen Wasserpumpe in einem kleinen Dörfchen. Etwas unsicher betreten wir das Dorf und suchen nach den Bewohnern, als aus dem letzen Häuschen eine ältere Dame mit einem kleinen Jungen erscheint. Mit Händen und Füssen versuchen wir ihr klar zu machen, dass wir gerne etwas Wasser hätten. Da sie uns trotz Gebärdensprache nicht ganz versteht, holt sie die Dorfälteste. Die beiden Frauen können es nicht fassen, dass zwei Weisse in ihrem Dorf sind, fassen sich immer wieder mit beiden Händen an den Kopf und rufen fassungslos „Musungu! Musungu!“ (= Weisse). Als wir dann alle zusammen zu fünft um die Wasserpumpe stehen, stösst ein junger Nachbar dazu und betätigt sich als Übersetzer. Er erklärt uns auf Englisch, dass die Benützung der Wasserpumpe kostenlos ist und jeden Monat ein Beamter der Regionalverwaltung das Wasser auf dessen Trinkqualität überprüfe und das Grundwasser mit einer Chemikalie behandle. Wir pumpen das Wasser in drei Flaschen und bemerken dabei dessen leicht bräunliche Verfärbung. Als Dank für das Wasser schenken wir dem Jungen drei Luftballone und den Damen ein Hemd und ein T-Shirt. Die ältere der beiden Damen sinkt zu unserer baren Überraschung vor uns auf die Knie, wirft die Hände über den Kopf und bedankt sich wort- und gestenreich immer wieder. Sie bedeutet uns, dass wir vom Himmel gesandt seien und kann es kaum fassen, dass wir sie tatsächlich so reich beschenken. Uns wird es in diesem Augenblick bewusst, wie arm diese Leute sind, und wie sehr sie sich über für uns fast wertlose Sachen von ganzem Herzen freuen können. Noch lange denken wir bei der Weiterfahrt über dieses spezielle Erlebnis nach und wünschten uns, dass auch wir Europäer uns wieder mehr über Kleinigkeiten freuen könnten. Uns geht dieses Erlebnis und die Freude der Beschenkten im wahrsten Sinne des Wortes durch Mark und Knochen.

Wir nähern uns Kabwe, und wieder einmal erweist sich die Suche nach einem unbeobachteten Schlafplatz als schwierig. Die Wege sind voller Menschen, und erst nach geduldigem Suchen stellen wir den Santi hinter einen Hügel. Um neun bzw. um zehn Uhr hören wir Männer- und Frauenstimmen, die mit harter Stimme laut „Hello! Hello! Hello!“ rufen. Wir verhalten uns ganz ruhig und antworten nicht. Nachdem die letzteren verschwunden sind, beschliessen wir, unseren Schlafplatz zu verlegen. Wir befürchten nämlich, dass sie nochmals mit ungewisser Absicht kommen könnten. Nach einer halben Stunde erreichen wir einen uns geeigneter erscheinenden Ort – ein Trugschluss, wie sich erweisen wird. Mitten in der Nacht torkelt ein laut vor sich hin johlender und total betrunkener Mann vorbei, und wenig später scheint es, als ob das Militär mit einer ganzen Kompanie mitten durch den Wald rennen würde. Abgesehen vom Lärm werden wir in Ruhe gelassen.

17. Mai 2008

Bei der Abfahrt stellen wir fest, dass wir unser Nachtlager nur wenige Meter neben der Bar in Tutushe aufgestellt haben. Na ja, wenigstens wären wir nicht verdurstet...

Wir machen uns auf die Suche nach der Quelle eines weiteren Baches. In Muconchi werden wir fündig, aber auch hier ist das Wasser stark verfärbt. Muconchi scheint uns einen Art Vorzeigestadt zu sein mit guten Strassen, Strassenbeleuchtung, schönen Häusern, vielen Läden mit grossem Warenangebot, gut gekleideten Bewohnern und vielen grünen Flächen. Hier sehen wir sogar die erste weisse Person seit Livingstone!

Auf der Weiterfahrt nach Kabwe wird uns plötzlich klar, weshalb das Grundwasser überall verfärbt und nur bedingt trinkbar ist. Unweit von den Stauseen und Ortschaften befinden sich mehrere Minen, in denen unter anderem Kupfer abgebaut wird. Uns erscheint es als sehr wahrscheinlich, dass die Minen das Grundwasser mit Wissen der Regierung verschmutzen, die Regierung aber nicht möchte, dass die Bevölkerung (und Weltöffentlichkeit) dies merkt. Deshalb kontrolliert die Regierung das Grundwasser der Region regelmässig und schüttet Chemikalien in das Grundwasser mit dem Ziel, das von den Minen vergiftete Wasser wieder einigermassen trinkbar zu machen. Wir sind heilfroh, dass Helen darauf bestanden hat, die Wassertanks nicht mit Flusswasser zu füllen, denn wir sind nicht sicher, ob unser Wasserfilter alle Chemikalien hätte neutralisieren können.

Am Mittag erreichen wir Kabwe, wo Auftanken und Einkaufen angesagt ist, was fast einen halben Tag in Anspruch nimmt. Dann fahren wir in Richtung „Landless Corner“ und übernachten ausserhalb des Geländes der Lodge „Chaplin’s Barbet“ – abgesehen vom leisen Säuseln der „Great North Road“ ein absolut ruhiger Übernachtungsplatz. Eigentlich hätten wir gerne in einer Lodge der Chaplin’s Barbet übernachtet, aber da es total ausgebucht ist, bleibt uns nichts anders übrig, als aus dem Feld zu übernachten. Zum Glück, denn hier ist es ruhig, friedlich, und sehr schön.

18. Mai 2008

Aufgrund des schlechten Wetters (bewölkt und kalter Wind) beschliessen wir, heute hier zu bleiben und diverse Kleinigkeiten zu erledigen. Während Helen das Tagebuch nachführt, kocht und putzt, befreit Markus die Kühler von Grassamen, Schmetterlingen, Faltern und sonstigem Dreck und ersetzt zwei durch die Hitze des Kühlwasserschlauches verschmorte Entlüftungsschläuche. Des weiteren entdecken wir, dass der vordere rechte Stossdämpfer sich nicht nur wieder aus der Halterung löste, sondern auch noch gebrochen ist. Wir entfernen ihn und entscheiden uns widerwillig, morgen in Lusaka neue Stossdämpfer zu kaufen.

Eigentlich möchten wir Lusaka (wie alle anderen Hauptstädte) meiden. Aber die Chance, in Kabwe oder in einem anderen Ort passende Stossdämpfer zu finden, erachten wir als sehr gering. Zum Glück beschreibt unser Reiseführer genau, an welcher Strasse Ersatzteilhändler zu finden sind (Freedom Way) und wo sich die Land Rover-Garage befindet (etwas ausserhalb der Stadt an der Leopards Hill Road). Eigentlich könnten wir den Stossdämpfer selber ersetzen und die anstehenden Wartungsarbeiten selber durchführen, aber zum einen gilt es, den Rücken von Markus zu schonen, und zum anderen gehören wir nicht zu denen, die den Ölwechsel selber vornehmen und das Altöl irgendwo entsorgen.

19. Mai 2008

Nachdem wir den Preis für die beiden Übernachtungen von irrwitzigen 200'000 Kwecha auf immer noch saftige 70'000 Kwecha drücken konnten (der „Manager“ von Chaplin’s Barbet ist irgendwie etwas geldgierig…), machen wir uns in Lusaka zuerst auf die Suche nach neuen Stossdämpfern und anschliessend nach der Land Rover-Garage. Letztere wird von einem ausgewanderten Luzerner geführt. Trotz der schweizer Führung richten sich Arbeitstempo und -moral nach afrikanischen Massstäben. Ganze vier Stunden werden benötigt, um die beiden Stossdämpfer sowie Öl- und Dieselfilter zu wechseln und ein Radlager nachzuziehen. Der Werklohn hingegen richtet sich nach schweizerischen Verhältnissen – rund CHF 430 müssen wir bezahlen! Während der Wartezeit entdecken wir auf dem Hof der Garage vier von der Schweizer Armee ausgemusterte Saurer 2DM – zum Teil in elendem Zustand. Uns tut es weh, zu sehen, wie wenig die schweizerische Entwicklungshilfe im Bestimmungsland geschätzt wird.

Nach einem kurzen Versorgungsstop im nahe gelegenen Supermarkt fahren wir durch den aufkommenden Stossverkehr aus Lusaka hinaus zum Campingplatz „Eureka“.

20. bis 28. Mai 2008

Auf dem Campingplatz waschen wir Kleider, duschen und geniessen (abgesehen von einer lärmigen Nacht) die Ruhe – wir sind nämlich fast die einzigen Gäste! Neben dem Campingplatzareal leben wir unseren Jagdtrieb aus und jagen am Tag und am Abend zu Fuss hinter Giraffen, Zebras, Kudus und Antilopen her. Die Büffel haben sich leider nicht blicken lassen, dafür findet Helen Überreste einer Giraffe...  Wir durchstöbern den Wald mit so grosser Aufmerksamkeit, dass uns nicht einmal diese beiden wunderschönen Schmetterlinge entgehen.

Da sich die Diskushernie von Markus wieder verschlimmert, knetet Helen seinen Rücken durch und kann dadurch einige blockierte Wirbel wieder mobilisieren. Die restlichen blockierten Wirbel versuchen wir nach Rücksprache mit Dr. Raaflaub (Rückenspezialist von Markus) mit starken Medikamenten zu lösen. Es ist schade, dass wir nicht weiterreisen können, da wir gerne noch mehr von Sambia gesehen hätten, aber die Gesundheit hat undiskutabel Vorrang. Wir werden solange auf dem Campingplatz verbleiben, bis Markus wieder reisefähig ist.

Auf dem Campingplatz fällt uns ein grosser bunt bemalter Bus auf. Dieser "Book Bus" besucht seit zwei Wochen in Sambia diverse Spitäler, Schulen und Waisenhäuser und versucht mit Büchern, Mal- und Musikausrüstungen den Kindern die Freude an Büchern zu vermitteln. Dabei geht es nicht darum, dass die Kinder lesen lernen, sondern darum, dass die Kinder den Wert, den die Bücher in ihrem Leben haben können, kennen und schätzen lernen. Der Bus bleibt jeweils eine Woche an einem Ort und schenkt den Kindern vor der Weiterreise viele Bücher.

Da das Malariamedikament Lariam bei Helen in der letzten Zeit leider sehr starke Schlafstörungen hervorruft, möchte sie das Medikament absetzen. Dies hat zur Folge, dass wir nicht mehr genügend Malarone dabei haben. Deshalb beschliessen wir nach mehreren durchwachten Nächten, in Lusaka noch ein paar Packungen Malaronetabletten zu besorgen. Da wir aus Sicherheitsgründen nicht mit dem Santana nach Lusaka fahren möchten, quetschen wir uns gemeinsam mit 18 anderen Personen in ein blauweisses Sammeltaxi (ein kleiner VW-Bus) und lassen uns bei afrikanischer Musik nach Lusaka fahren. Es macht uns grossen Spass, auf einheimische Transportmittel zurückzugreifen.

In der grössten und bekanntesten Apotheke von Lusaka (Vikey Chemists) verkauft uns der nette und zuvorkommende Apotheker ein anderes Malariamedikament Malasone, welches Pyrimethamin und Dapson (Hauptanwendung bei Lepra) enthält. Er meint, dieses in Afrika weit verbreitete Medikament sei ebenso gut wie Malarone. Der Vorteil von Malasone, so der Apotheker, sei, dass man es im Gegensatz zu Malarone nur einmal pro Woche einnehmen müsse. Zum Glück ist Helen skeptisch, und in einem Internetcafé überprüfen wir die uns verkauften Tabletten. Es stellt sich heraus, dass Malasone gegen die in Afrika vorkommenden Malariaerreger praktisch nutzlos ist. Wohl nicht zuletzt deshalb kostet Malasone nur einen Bruchteil vom hochwirksamen Malarone. Eine neuere WHO-Studie hat zudem ergeben, dass in Gabun, Ghana, Kenia, Mali, Moçambique, Sudan und Simbabwe bis zu 90 % der im Handel angebotenen Malariamittel gefälscht oder verfälscht sind. Diese ge- oder verfälschten Medikamente können gemäss dieser Studie sogar potentiell tödlich sein! Nach diesem Bericht war für uns klar, wohin das Malasone gehört: in den nächsten Abfalleimer! Wir sind heilfroh, in einer anderen Apotheke ein paar Packungen Malarone zu finden.

Für den Fall weiterer Schlafstörungen gibt er uns milde Schlaftabletten (Piriton). Die Nachforschung bezüglich Piriton ergeben aber, dass es sich dabei nicht um ein Schlafpräparat, sondern vielmehr um Allergietabletten handelt. Demzufolge finden auch diese Tabletten den Weg in den Abfalleimer. Wieder einmal sind wir froh, Helens Skepsis nachgegangen zu sein.

Dank der Reisehinweise vom EDA und den Auswärtigen Ämtern von Deutschland und Österreich sind wir in der Cairo Road besonders vorsichtig. Zu Recht, denn es versuchen Trickdiebe, uns zu bestehlen. Während ein Mann Markus an beiden Händen festhält, versucht der andere Mann ihm von hinten in seine Hosentaschen zu greifen. Weil aber Markus seine Hände und Arme fest an den Körper presst, müssen sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dass man auch auf dem Campingplatz nicht sicher ist, erfahren wir bereits in der ersten Nacht, als jemand an allen Türen versucht, sie zu öffnen, und als Helen einmal das Shampoo in der Dusche einen Augenblick ausser Acht lässt, ist es sofort weg.

Die Rückfahrt ins Camp legen wir zum Teil in einem Sammeltaxi und zum Teil in einem privaten Taxi zurück, dessen beide Fahrer uns übers Ohr zu hauen versuchen. Aber auch wir haben bisher in Afrika erfahren, dass wir uns wie Einheimische für unser Recht einsetzen müssen. Somit gehen beide Fahrer ohne „Touristenzuschlag“ heim.

Der Campingplatz Eureka wird übrigens nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren besucht. Nicht schlecht staunen wir, als plötzlich eine Herde Zebras um den Santi schleicht, und Antilopen über die Wiesen hüpfen. Nachdem Panther die letzten Wochen vor allem mit Schlafen und Ausruhen verbracht hat, klettert er heute auch aus dem Auto heraus und bestaunt die gestreiften Tiere, welche auch an ihm grosses Interesse zeigen. Nach langen Verhandlungsgesprächen mit den Zebras beschliesst Panther glücklicherweise trotzdem, bei uns zu bleiben.

Die Nächte werden kühl, und die Verhandlungen mit den Zebras haben uns ermüdet. Wir verbringen deshalb den Abend im Auto und freuen uns, dass wir noch immer zu dritt sind. Der Rücken von Markus bessert sich langsam und wir planen die Weiterfahrt. Als wir am Planen sind, rollt plötzlich ein riesiger roter Lkw der Rotelgruppe heran. Auf dem Lkw lassen sich tagsüber 32 Touristen umherfahren, die Nächte verbringen diese Leute in kleinen und schmalen voneinander abgetrennten Kojen. Es handelt sich zumeist um ältere Menschen, welche für rund 3 Wochen zusammen durch Sambia, Botswana und Namibia reisen. Für uns ist es unvorstellbar, in drei Wochen mit so vielen Leuten mit so wenig Platz und Privatsphäre auf so kleinem Raum eine so grosse Distanz zurückzulegen.

Am 28. Mai marschieren wir frühmorgens zur Hauptstrasse, wo wir ein Sammeltaxi anhalten und bis nach Lusaka ins Zentrum fahren. Dort wechseln wir in ein Stadttaxi und lassen uns zur moçambikanischen Botschaft kutschieren. Nach 20 Minuten erreichen wir die Botschaft, in welcher eine Frau bereits seit 45 Minuten auf die Herausgabe ihres Passes bzw. auf den Visumsbeamten wartet – dies, obwohl die Botschaft offiziell um 8.00 Uhr öffnet…Während dem gemeinsamen Warten auf den Beamten erzählt die Frau, dass sie seit einer Woche auf das Visum für Moçambique warte. Mit nur rund einer Stunde Verspätung erscheint der Beamte und erklärt ihr, dass er ihr das Visum nicht ausstellen könne, weil er keine Sticker mehr habe. Er händigt ihr den Pass und das Antragsformular aus und meint, dass sie damit an der Grenze mit etwas Glück das Visum erhalte, wenn sie über Maputo einreisen würde. Uns dagegen erklärt er, dass ein Grenzübertritt beim von uns favorisierten Grenzposten „Cassacatiza“ mit dortiger Visumsausstellung nicht möglich sei. Dies deswegen, weil man für die Bearbeitung des Visumsantrages in jedem Fall 5 Arbeitstage warten müsse und das Visum auch dann nur ausgestellt werde, wenn die Sticker vorhanden seien. Er rät uns deshalb, lieber in Lusaka den Visumsantrag auszufüllen, die Pässe bei ihm zu lassen und uns nach einer Woche zu erkundigen, ob die Sticker eingetroffen seien. Irgendwie ist es uns zu dumm, nochmals eine Woche in Lusaka mit Warten zu verbringen und wir entscheiden uns, das Risiko einzugehen und zu versuchen, in Cassacatiza die Grenze nach Moçambique zu passieren.

29. Mai 2008

Bevor wir heute Richtung Osten losfahren, füllen wir unsere Vorräte im Shoprite auf. Während  Helen das Auto bewacht und Markus den Grosseinkauf im Shoprite erledigt, wirft sich neben ihm plötzlich ein Mann mit Wehklagen auf den Boden. Dies wohl in der Hoffnung, dass Markus ihm aufhelfen würde und dieser Mann ihm dabei in die Taschen greifen würde… Weil Markus sich aber nichts anmerken lässt, steht der Mann doch tatsächlich kurz darauf wieder auf. Danach geht es auf der Great East Road zuerst quer durch Lusaka in Richtung Osten. Die Fahrt geht bei klarem blauem Himmel auf einer sehr guten Teerstrasse durch hügelige, unendliche Wälder. Eine wahre Wohltat für das Auge. In Kacholola besichtigen wir an einem herrlichen Aussichtspunkt auf die hohen Berge von Moçambique ein verfallenes Hotel. Wir können nicht verstehen, warum der Besitzer dieses Hotel aufgegeben hat. Einerseits liegt es ideal an einer wichtigen Fernstrasse, und andererseits liegt dieses Hotel in der Natur eingebettet mit einer wunderbaren Aussicht. In unseren Gedanken schmieden wir schon Übernahme- und Renovierungspläne… Ein Prachtshotel würde entstehen, wenn es in unseren Händen liegen würde.

Um fünf Uhr erreichen wir das Brigde Camp. Dieses begeistert uns aufgrund seiner herrlichen Lage am Sambesi und der interessanten Reception. Wir sind froh, dass wir die Nacht in unserem Auto verbringen – die Chalet machen keinen besondern vertrauenswürdigen Eindruck auf uns. Nach einem Picknick neben dem Sambesi verkriechen wir uns in unseren Schlafsäcken und hören während der ganzen Nacht unzählige Leute quer durch den Campingplatz marschieren. Uns ist nicht klar, wohin all diese Leute so spät unterwegs sind.

30. Mai 2008

Die morgendliche kurze Besichtigung des Bridge-Markets ist interessant. Auf der einen Strassenseite stehen Korbmacherbuden, auf der anderen Strassenseite werden geräucherte Fische verkauft. Man kann sich sicher gut vorstellen, wie sich der penetrante Fischgeruch im Laufe der Zeit in den Korbmaterialien festsetzt.

Wenig später erreichen wir die Hängebrücke über den Luangwa. Wir wechseln einige Worte mit dem Brückenwächter und fahren langsam darüber. Da das Fotografieren von öffentlichen Bauten verboten ist, spazieren wir über die Brücke zurück und fragen den Brückenwächter und die dort stationierten Soldaten um Erlaubnis, dieses schöne Bauwerk fotografieren zu dürfen. Wie selbstverständlich bejahen sie unser Vorhaben. Als wir von der Schönheit und Einzigartigkeit dieser Landschaft schwärmen, erklärt uns ein Soldat, dass die Landschaft zwar wundervoll sei, die Menschen hier aber das Wasser des schmutzigen Luangwa trinken müssen. Für uns ist es unvorstellbar, diese grünbraune Brühe in die Nähe unseres Körpers zu lassen, geschweige denn zu trinken. Beim Zurücklaufen über die Brücke bemerken wir gewisse Bau- und Planungsfehler der Brücke. Sie ist zu wenig stabil für die schweren Lkws und wird in einigen Jahren bestimmt in der Mitte einstürzen. Ein zufällig darüber fahrender Lkw beweist unsere Theorie: Die Brücke vibriert und schwankt – die Interferenzen werden irgendeinmal zuviel sein. Das Luangwa-Tal ist übrigens ein sehr heisser Ort: Heute z.B. kühle 35° C!

Weiter geht es durch hügelige Wald- und Buschlandschaften. Wir freuen uns über jeden Baobab, der unseren Weg kreuzt. Am Wegesrand stehen viele handgefertigte Holztüren zum Verkauf. Wer eine neue Haustüre braucht, sollte unbedingt diese Strecke wählen!

Unterwegs sehen wir von weitem ein komisches Gefährt mit zwei Weissen: ein Tandem! Nach einem Gespräch stellt sich heraus, dass Berward Elsel von Aachen (Deutschland) nach Kapstadt fährt und unterwegs Leute mitnimmt, die gerne etwas in die Pedalen treten möchten. Wir tauschen unsere Koordinaten aus und der Niederländer, der den Deutschen begleitet, macht uns darauf aufmerksam, dass die von uns geplante Strecke zur moçambikanischen Grenze (Cassacatize) äusserst schwierig zu befahren bzw. nur mit einem Allradfahrzeug zu befahren sei, und dass dort keine Visa ausgestellt würden.

Wir passieren viele kleine Ortschaften und halten bei Nymbia an, um die kaputten Glassicherungen zu ersetzen – es haben nämlich fast alle Glassicherungen den Geist aufgegeben. Leider gab es die Glassicherungen weder in Lusaka noch unterwegs noch in Nymbia. Die Ladenbesitzer erweisen sich als sehr hilfsbereit und bedauern, uns nicht weiterhelfen zu können. Dafür gibt es dort ein Cosmetic-Center, das uns zum Schmunzeln brachte. Nachdem wir an etlichen Bananenpalmen vorbeigefahren sind, entschliessen wir uns, eine Bananenstaude zu kaufen. Die Bananen sind ganz grün, und es stellt sich heraus, dass es sich um Kochbananen handelt, die zwischen fünf und zwanzig Minuten gekocht werden müssen. Obwohl der Geschmack der Kochbananen überhaupt nicht bananig ist, sondern jenem der Kartoffeln ähnelt, freut es uns, etwas Einheimisches probiert zu haben. Seit einiger Zeit fällt uns von weitem ein kleiner Hügel auf, der aus einer grossen Ebene herausragt. Wie wir anhalten, um ihn zu fotografieren, entdecken wir einen alten Mann, der einen riesigen Korb flechtet. Leider können wir uns trotz Zuhilfenahme der Hände und Füsse kaum verständigen, aber interessant ist die Begegnung trotzdem.

31. Mai 2008

Entgegen den Ratschlägen unseres Reiseführers, des moçambikanischen Botschafters in Lusaka und des Niederländers machen wir in Katete rechts kehrt und fahren südlich in Richtung Moçambique. Die Teerstrasse ist in einem sehr guten Zustand, und schon bald stehen wir am Schlagbaum. Sicherheitshalber erkundigen wir uns an der sambischen Grenze, ob wir am moçambikanischen Grenzposten ein Visum erhalten würden, worauf der Grenzbeamte etwas verwundert meint, selbstverständlich würden dort Visa ausgestellt. Der moçambikanische Grenzwächter fragt uns dann einige Meter später,...

Moçambique

31. Mai 2008

…ob wir bereits ein Visum hätten. Auf unsere abschlägige Antwort hin meint er, er könne uns nach Ausfüllen der Formulare innert 10 Minuten ein Visum ausstellen. Während wir auf die Ausstellung der Visa warten, fordert uns der Zöllner auf, ihm unser Auto und dessen Inhalt zu zeigen. Leider blieb es nicht beim Türeöffnen – nein, er möchte sogar in unsere Kühlbox sehen. Als er unsere sechs Liter Milch und einige weitere Nahrungsmittel sieht, gibt er sich vorerst zufrieden. Alsdann möchte er aber zusätzlich in unsere grösste Schachtel sehen. Wir erklären ihm, was sich darin befindet, und damit ist die Durchsuchung fast abgeschlossen. Aber eben nur fast: er entdeckt unsere Feldstecher und fragt, was der Zweck dieser Gegenstände sei. Wir erklären ihm, dass man damit Dinge in weiter Ferne sehen kann, und er nimmt daraufhin wohl zum ersten Mal einen Feldstecher in die Hand und lacht erfreut, als er Dinge erkennen kann. Kurz darauf erhalten wir tatsächlich unsere Pässe zurück mit Visum und Sticker – zwar nicht innert 10, sondern innert 30 Minuten. Nach dem Zeigen unserer Haftpflichtversicherungsunterlagen (in Kopie) und einem ausgiebigen Gespräch mit dem Immigration Officer über dessen Arbeitssituation, seinem Verdienst und seiner Familie haben wir nach knapp eineinhalb Stunden die sambische und moçambikanische Grenze überschritten. Zum wiederholten Male hat sich unser Sambia-Reiseführer als fehlerhaft herausgestellt, und uns wird klar, dass nur selbst gemachte Erfahrungen ernst zu nehmen sind. Wir sind froh, dass sich die Grenzbeamten bisher mit einer Kopie der Haftpflichtversicherungspolice zufrieden gegeben haben – das Original haben wir nämlich so gut versteckt, dass wir es selber nicht mehr finden können...

Stundenlang fahren wir in Richtung Tete und treffen unterwegs praktisch keine Autos an. Die Behausungen der Menschen ähneln jenen in Sambia sehr stark. Es geht durch hügeliges Gelände und durch eine einsame Berglandschaft mit nur wenigen Dörfern.

Wie wir einmal anhalten, um zwei Männer zu fotografieren, die eine schwere Last auf dem Kopf tragen, schart sich sofort eine grosse Menschenmenge um uns. Alle wollen unbedingt auch fotografiert werden - und schon haben wir das erste moçambikanische Gruppenfoto, und es sind so viele Leute, dass gar nicht alle auf das Foto passen! Wir sind völlig überrascht, dass die Leute von uns fotografiert werden wollen.

Als Schlafplatz wählen wir einen Hügel, welchen wir über eine sehr steile und steinige Piste erreichen.

1. Juni 2008

Um elf Uhr erreichen wir die geschichtsträchtige Provinzhauptstadt Tete, welche seit Jahrhunderten mit der 750 m langen Sambesi-Hängebrücke eine strategische Bedeutung als Kreuzung grosser Handelsstrassen geniesst. Der Brückenzoll beträgt 20 Meticais. Da heute Sonntag ist und die Geschäfte geschlossen haben, reduzieren wir uns auf Geldbezüge und Auftanken. Bereits vor der Stadt und vor allem nach der Stadt säumen unzählige Baobabs die Strasse – Tete liegt nämlich in einer einmaligen Baobab-Ebene und wird zu Recht „Provinz der Baobabs“ genannt. Während rund 100 km reihen sich knorrige Baobabs und traditionelle Rundhütten-Dörfer aneinander. Die Natur entschädigt uns für die nervige, von Schlaglöchern durchsetzte Teerstrasse, die sich an die Baobab-Ebene anschliesst. Leider geht die Fahrt nur sehr langsam voran, da Helen am liebsten jeden Baobab fotografieren möchte.

Als wir vor einem doppelstöckigen Brunnen für ein paar Fotos anhalten, werden wir von einer grossen Menschenmenge umringt. Von einer alten Frau erhalten wir zwei Baobab-Früchte in die Hand gedrückt, und ein Junge erklärt uns, wie wir den Inhalt essen können: Man schlägt die Frucht solange auf einen Stein, bis sie zerbricht. Den weissen nahrhaften Inhalt kann man dann roh essen. Diese  Baobab-Früchte werden entlang der Strecke immer wieder feilgeboten.

Unterwegs treffen wir eine Ziege an. Allerdings nicht am Boden, sondern auf der Ladung eines Lkws. Tiere haben in Moçambique (und wohl auch im restlichen Afrika) einen ganz anderen Stellenwert als bei uns in Europa… A propos Ladung: Die Ladung eines Pkws kann ohne weiteres doppelt so hoch sein wie das Auto selbst, und wenn es noch mehr Gepäck zu transportieren gibt, wird einfach noch ein Anhänger gezogen!

Heute sehen wir, wie die überall in Sambia und Moçambique in grossen weissen Säcken am Strassenrand verkaufte Holzkohle hergestellt wird. Die Köhler graben eine längliche Grube mit zwei Belüftungsöffnungen, füllen sie mit Holz, zünden dieses an und bedecken die Grube anschliessend mit sandiger Erde. Nach einer gewissen Zeit graben sie kleine Stollen, um zu prüfen, ob die Holzkohle bereits fertig ist. Wenn ja, wird der "Deckel" abgetragen, und die Holzkohle kann verkauft werden. Da der "Deckel" und die umliegende Erde sehr heiss wird, kommt es vor, dass die Gräser und Sträucher (und manchmal sogar Bäume) in der Umgebung abbrennen oder verkohlen.

Auf der Weiterfahrt in Richtung Catandica wird in den Dörfern gefestet. Überall stehen Menschen auf der Strasse, es wird gegessen, getrunken, geredet und gelacht – ein afrikanisches Fest für alle Sinne. Da es langsam eindunkelt, beeilen wir uns umso mehr, den gewünschten Schlafplatz (Pink Papaya Forest Retreat), welcher 6 km südöstlich von Catandica liegen sollte, zu erreichen. Dort angekommen, erwarten uns leider nur verlassene Ruinen. Leider erweist sich auch der Reiseführer von Moçambique als fehlerhaft. Bald wird es dunkel, und wir wissen nicht, wo wir unser Nachtlager aufschlagen sollen. Uns überkommt die Idee, bei der umzäunten Sonnenblumenölfabrik zu übernachten, was der Wächter aber leider nicht zulässt. Uns bleibt deshalb nichts anderes übrig, als in den Dunkelheit nach Chimoio zu fahren. Unterwegs sehen wir in allen Dörfern riesige Festfeuer (leider äussert sich unser Reiseführer nicht zu diesem Festtag). Zu den üblichen Gefahren einer Fahrt durch die Nacht (unbeleuchtete Fahrzeuge, Ochsenkarren, Fahrradfahrer, Fussgänger und Tiere) kommt heute die Gefahr durch Betrunkene hinzu, die unkontrolliert den Strassenrand entlang torkeln. Weil heute unser Glückstag ist, wird die Teerstrasse durch eine ca. 40 km lange Umleitung unterbrochen.

In Chimoio angelangt steuern wir durch die nervenaufreibende Fahrt total verschwitzt direkt ins Hotel Executivo Manico.

2. Juni 2008

Die Zeiten der üppigen Morgenessen sind vorbei – wir müssen sogar um ein paar Scheiben Toast kämpfen. Den Kampf um etwas Butter und Konfitüre geben wir auf. Ach ja, wir kämpfen übrigens nicht gegen andere Gäste, sondern gegen die unbeschreibliche Faulheit des Kellners…

Nach den paar mickrigen Happen kreischt Helen los. Und zwar lange und laut. Der Grund war nicht etwa eine Anophelesmücke, die sich an ihre zarte Haut wagte, sondern der Dreck vom Santi. Besser gesagt, der nicht mehr vorhandene Dreck. Der Nachtwächter hat nämlich unser Auto geputzt, und jetzt haben wir einen glänzenden weissen Santi. Mist, Riesenmist und Doppelmist! Wir waren so stolz auf unseren Dreck von den bisher bereisten Ländern, und jetzt ist alles weg! Der Nachtwächter kann nicht verstehen, weshalb wir seine Arbeit gering schätzen. Noch lange auf dem Weg in Richtung Dombe trauern wir dem Dreck nach, doch der Dreck, der ist weg.

Da wir beide der portugiesischen Sprache (= Landessprache in Moçambique) nicht mächtig sind, versuchen wir im „Posto da Zimbe“ Briefmarken zu kaufen. Erst mit der Zeit verstehen wir dank des einige Brocken Englisch sprechenden Lehrers einer nahe gelegenen Schule, dass es sich hier nicht um eine Poststelle, sondern um die Stadtverwaltung handelt… Der Weg nach Dombe ist zumindest zu Beginn eintönig. Erst mit der Zeit schlängelt sich die Piste durch hügeliges Gelände, die Bäume werden grösser, und am Schluss kommen wir uns neben den sich in den Himmel drängenden gigantischen Urwaldriesen so richtig mickrig klein vor. Den Nachmittag verbringen wir auf einer steinigen Wiese und geniessen Sonne und Ruhe.

3. Juni 2008

Weiter geht die Fahrt durch hügelige Waldlandschaften, die durch etliche Bananenplantagen unterbrochen werden. Auch auf der nachfolgenden Ebene reiht sich Bananenplantage an Bananenplantage. Da auf der Erdpiste die Toyota-Sammeltaxis nicht mehr weiterkommen würden, werden hier Toyota-Lieferwagen als Sammeltaxis genutzt. Auf der Ladefläche drängen sich alsdann eine Unzahl von Personen mit ihrem ganzen Gepäck und lassen sich über die holprige Piste rumpeln.

Kurz vor Dombe quert ein Fluss unseren Weg. Früher gab es eine Brücke über den Fluss, doch heute stehen nur noch zwei Brückenpfeiler im Wasser – die Brücke ist eingestürzt. Da der Santi noch nicht schwimmen kann, kehren wir um und treffen kurz darauf in Dombe auf eine handbetriebene Fähre über den Rio Lucite. Wenn wir die Fähre benutzen würden, könnten wir nach Zimbabwe reisen. Doch wir möchten noch etwas in Moçambique verweilen, sitzen ans Ufer des im Dorfleben von Dombe eine wichtige Rolle spielenden Rio Lucite und beobachten eine Zeit lang die Fähre und die im schmutzigen Wasser des Rio Lucite ihre Wäsche waschenden Frauen. Neben der grossen Fähre, welche Autos und Menschen transportiert, gibt es noch flache Boote, die Fussgänger vom einen ans andere Ufer übersetzen. Diese Boote sind in ihrer Art einzigartig, denn sie bestehen nur aus der Rinde eines einzigen Baumes und bieten neben dem Fährmann noch zwei bis drei Personen Platz. Der Fährmann stakt das Kanu mit einem langen Stock gemütlich über den Fluss. Nach unserem Reiseführer soll diese traditionelle Bootsbauart heute sonst nirgends mehr zu finden sein, und im naturhistorischen Museum von Maputo wird ein solches Boot ausgestellt.

Wir verlassen Dombe auf einer breiten, gut ausgebauten Piste und fahren nach Erreichen der Teerstrasse (EN1) bis kurz nach Inchope zum Complexo Arco Iris, eine offenbar empfehlenswerte Unterkunft. Diesen Hinweis unseres Reiseführers können wir nicht bestätigen, denn während der Nacht versuchen Leute, den Santi von seiner Dachlast zu befreien, derweil sich der stockbesoffene Wächter ein Nickerchen gönnt. Markus erwacht rechtzeitig, bewaffnet sich mit der Magnum-Stablampe, zieht die Kampfstiefel an und macht sich zur Verteidigung bereit. Per Zufall erwacht jetzt auch Helen und wundert sich, wo Markus ist. Plötzlich sieht sie ihn vor der Hecktüre kauern und erkundigt sich, was los sei. Markus schildert ihr die Lage und steigt alsdann aus, um die Diebe zu verjagen. Diese haben sich jedoch zurückgezogen und besprechen wohl ihre nächsten Diebstahlversuche, denn wir hören immer wieder Menschen reden, aber zum Glück bleiben wir von weiteren Diebstahlversuchen verschont. Nach einiger Zeit des gemeinsamen Wachens versuchen wir noch etwas zu schlafen, was aber beiden nicht gelingt.

4. Juni 2008

Wir fahren deshalb bereits um viertel vor sechs Uhr los und erreichen um die Mittagszeit in Vila de Sena die ehemals längste Eisenbahnbrücke der Welt (Länge: 3'660 m). Wegen der hohen Sterberate während des Brückenbaus wurde die Brücke auch „Brücke der zum Tod Verurteilten“ genannt und 1983 von der RENAMO (Unabhängigkeitskämpfer) gesprengt. Seit ein paar Jahren wird sie wieder instand gestellt. Wir erleben gerade mit, wie der indische Bauführer ein paar einheimische Arbeiter zurechtweist, die offenbar nicht bzw. nicht genügend rasch gearbeitet haben. Wir sind derart überwältigt von den Ausmassen der Brücke, dass wir den Bauführer um eine Fotoerlaubnis bitten, die er uns gerne erteilt. Gemäss seinen Aussagen sind die Ausführungen in unserem Reiseführer, wonach man gratis oder gegen ein Entgelt mit dem Auto über die Brücke fahren könne, falsch – man kann nämlich seit vielen Jahren nicht mehr darüber fahren.

Auf der Rückfahrt nach Caia erblicken wir die Überreste der Brücke nach Mutarara und erfahren von dort anwesenden Kindern, dass die Brücke vor zwei Monaten von den Fluten des Sambesi fortgespült wurde. Das Unwetter hat mitten in der Nacht riesige Landstriche überflutet und ganze Dörfer zerstört. Es gab sogar Tote. Wir sind über diese Naturkatastrophe sehr entsetzt, können aber leider nichts anderes tun, als den Kindern eine kleine Freude zu bereiten, indem wir ihnen Luftballone schenken.

Kurz darauf halten wir neben einer „Ziegelfabrik“. Hier stellen rund 50 Personen Lehmziegel her. Der anwesende „Manager“ erklärt uns, dass die Ziegel aus Wasser, Sand und Erde hergestellt werden. Mit blossen Händen werden die Ziegelformen mit dem Matsch gefüllt. Danach trocknen die Ziegel während dreier Tage an der Sonne und werden dann zu einem grossen Haufen (einer Art Backofen) aufgeschichtet. Dieser Haufen bzw. Backofen wird nachher mit Lehm „versiegelt“ und mit Feuer aufgeheizt. Die so entstehende Hitze brennt die Ziegel rund einen Tag lang. Jetzt sind die Ziegel wasserfest und stabil und können für den Hausbau gebraucht werden. Erst durch das Brennen werden die Ziegel stabil und wasserfest. Pro Tag kann ein Arbeiter bis zu 400 Ziegel herstellen. Diese „Ziegelfabrik“ wird von der moçambikanischen Regierung gesponsert und ermöglicht den Flutopfern, die Ziegel für ihre neuen Häuser selber und kostengünstig herzustellen. Wir sind erstaunt, mit was für einfachen Utensilien es möglich ist, „Backsteine“ zu produzieren.

Nach Caia zurückgekehrt, biegen wir ein auf eine gute Teerstrasse, welche uns kurz darauf zum gemächlich dahin fliessenden Sambesi führt. Hier wird an einer 2,5 km langen Brücke gearbeitet. Bis zu deren Fertigstellung wird der gesamte Verkehr mittels einer einzigen langsamen und altersschwachen Motorfähre abgefertigt. Schon von weitem ist eine lange Lkw-Schlange zu sehen, die wir allesamt links stehen lassen. Wir ergattern uns einen guten Warteplatz. Während der Wartezeit klopfen vergebens mehrere Verkäufer an die Autoscheiben und anerbieten die verschiedensten Waren und Dienstleistungen. Die Überfahrt muss Helen ausserhalb des Fahrzeugs verbringen, da nur der Fahrer im Auto sitzen bleiben darf. Wir sehen, wie der hintere Teil der Fähre unter Wasser ist und Wasser in die Fähre hineinläuft. Die Regel, dass nur der Fahrer im Fahrzeug sitzen darf, liegt wohl darin begründet, dass im Fall des Versinkens der Fähre nicht allzu viele Personen im Fahrzeug eingeschlossen sind!

Heil am Ufer angekommen, machen wir uns auf den Weg nach Quelimane, um später die endlosen Kokospalmenpantagen zu besichtigen. Die Asphaltstrasse erlaubt bis zum Eindunkeln eine zügige Fahrt. Im Dunkeln werden wir von einem weissen Lieferwagen mit übersetzter Geschwindigkeit überholt, auf dessen Ladefläche zwei Männer sitzen. Kurz darauf bemerken wir, wie er am Strassenrand anhält. Gleichzeitig erblickt Markus etwas Komisches in unserem Scheinwerferkegel und bremst abrupt ab. Wir sehen einen Fahrradfahrer mit seinem Fahrrad am Boden liegen, und wie Blut in den Strassengraben fliesst. Ganz offensichtlich hat der Lieferwagen den Fahrradfahrer überfahren. In der Annahme, die Männer des Lieferwagens würden dem Fahrradfahrer helfen, fahren wir weiter. Der Lieferwagen setzt sich jedoch sofort wieder in Bewegung und fährt mit minimem Abstand hinter uns her. Nach einiger Zeit überholt er uns. Schockiert über dessen Verhalten diskutieren wir, was zu tun sei, und ob wir umkehren sollen. Wenige Minuten später werden wir von zwei weiteren Autos überholt, und der eine bedeutet uns, dass wir anhalten sollen. Uns ist mittlerweile klar geworden, dass der Lieferwagen einerseits hoffte, wir würden den Fahrradfahren auch überfahren, und dass er versuchen wird, uns die Schuld am Unfall in die Schuhe zu schieben. Wir halten deshalb nicht an, sondern fahren weiter bis zum Abzweig nach Quelimane. Wir halten an und erzählen den dort anwesenden Polizisten, was passiert ist. Während er unseren Bericht entgegennimmt, fährt doch tatsächlich der unfallverursachende Lieferwagen vorbei. Der Polizist versucht, seine Kollegin am Dorfende zu erreichen, damit diese den Lieferwagen aufhalte. Doch diese erscheint kurz darauf auf dem Sozius eines zivilen Motorrades sitzend an der Kreuzung. Der Fahrer des Lieferwagens weiss jetzt, dass wir ihn „verpetzt“ haben, und wir befürchten, dass er uns deswegen etwas antun könnte. Auf den Schutz der ineffizienten und unerfahrenen Polizei möchten wir uns nicht verlassen müssen, und fahren deshalb in entgegengesetzter Richtung durch die Nacht bis kurz nach Nipiodi. Bei der Polizeikontrolle in Alto Molocue salutiert der Polizist und winkt uns ohne jegliche Kontrolle durch. Ausnahmsweise sind wir froh, dass unser Reiseführer mangelhaft recherchiert ist, denn statt der angekündigten schlechten Schotterpiste mit vielen Schlaglöchern fahren wir auf einer sehr gut ausgebauten Teerstrasse.

Heute haben wir während gut 15 Stunden Fahrt insgesamt 740 km zurückgelegt, und trotz dieser Strapaze können wir kaum schlafen und schrecken beim kleinsten Geräusch hoch – immer in der Angst, der Lieferwagenfahrer habe uns aufgespürt.

5. Juni 2008

Nach nur wenigen Stunden Schlaf setzen wir unsere Flucht bzw. unsere Reise nordwärts fort. Da in Moçambique die Schulen oft bereits um sechs Uhr beginnen, treffen wir kurz nach unserer Abfahrt auf viele Schüler, die zu Fuss oder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Mit der Zeit fühlen wir uns etwas sicherer, halten vermehrt für Fotos an und verwerfen unseren Plan, nach Pemba durchzufahren. Stattdessen definieren wir Nampula als Tagesziel. Unterwegs fahren wir immer wieder an kleinen Verkaufsständen vorbei, die allerlei Früchte feilbieten. Da wir Lust auf etwas Vitamine verspüren, kaufen wir eine Staude „richtiger“ Bananen (60 Bananen für 20 Meticais) und eine riesengrosse Papaya. Die grösste Papaya, die wir bisher gesehen haben, war übrigens kleiner als die kleinste Papaya, die hier zum Verkauf angeboten wird!

Trotz der Dunkelheit gelingt es uns in Nampula erstaunlich rasch, das „Executive Hotel“ zu finden. Lange werweissen wir hin und her, ob wir in diesem Hotel übernachten sollen. Der Grund unseres Zögerns liegt darin, dass der nicht umzäunte Hotelparkplatz direkt an der Strasse liegt. Wir gehen sogar an die Reception und fragen, ob der Parkplatz sicher ist. Als der Receptionist uns mehrmals versichert, die zwei Wächter würden den Wagen gut bewachen und es werde garantiert nichts passieren, nehmen wir das Pyjama aus dem Wagen und verschwinden in unserem Hotelzimmer. Wir sind sehr froh und erleichtert, dass der Tag ohne die befürchtete Konfrontation mit dem Lieferwagenfahrer verlaufen ist!

6. und 7. Juni 2008

Nach dem Erwachen besuchen wir als erstes unseren Santi. Da er immer noch „ganz“ ist und wir keine Lust zur Weiterfahrt haben, entscheiden wir uns, es sei für uns sicherer, im Hotel zu bleiben.

Wir füllen deshalb unsere Lebensmittelvorräte auf und machen eine Stadtbesichtigung. Wobei „Besichtigung“ fast zuviel gesagt ist; es ist eine gesichtslose Stadt ohne Sehenswürdigkeiten. Wenigstens finden wir eine Glassicherung, so dass wir zumindest den 220-V-Konverter wieder ohne überbrückende Flugsicherung betreiben können.

Im Hand-und-Fuss-Gespräch mit den Parkplatzwächtern stellt sich heraus, dass diese während 48 Stunden nonstop arbeiten müssen, und dann 48 Stunden Freizeit haben. Für uns ist es fast unvorstellbar, so lange wach zu sein – insbesondere deshalb, weil Schichtanfang und –ende jeweils morgens um 4 Uhr ist… Als Dank, dass die beiden Wächter so gut auf unseren Santi aufpassen und uns sogar einen speziellen Parkplatz zugestanden haben, schenken wir ihnen allen eine Tafel Schweizer Schokolade. Die Freude über das unerwartete Geschenk ist riesig!

Noch ein Wort zum Personal: Zum Teil bemühen sich die Angestellten intensiv um das Wohl der Gäste, und zum Teil ist es ihnen absolut egal. So hat ein Kellner zum Beispiel überhaupt keine Hemmungen, eine Flasche Mineralwasser mit Leitungswasser aufzufüllen, und die Verkäuferin vom Souvenirshop schliesst den Laden einfach, um etwas früher heimzugehen. Auf der anderen Seite gibt es sehr aufmerksame Kellner und einen Hotelmanager, der sogar in seiner Freizeit alles daran setzt, unsere Wünsche zu erfüllen.

Das „Executive Hotel“ ist zwar ein 4-Sterne-Hotel, bleibt aber den Tücken der moçambikanischen Infrastruktur ausgeliefert. Mit anderen Worten: Wenn das Quartier kein Strom oder kein Wasser hat, so gilt dies auch für das Hotel. Nicht besonders angenehm, wenn man am Abend – wie Helen – eingeseift unter der Dusche steht und das Wasser erst wieder am anderen Morgen fliesst…

8. Juni 2008

Nach einem kalten Frühstück (kein Strom) und ohne zu duschen (kein Wasser) brechen wir frühmorgens auf, um die Ilha de Moçambique zu besuchen. Vorher haben wir die Hotelrechnung selbst geschrieben (die Dame an der Reception ist dazu selbst nicht in der Lage) und – da wir nicht mehr genügend Meticais haben und mangels Strom nicht mit der VISA-Karte bezahlen können – in US-$ beglichen. Zum Glück gibt es in anderen Stadtquartieren Strom, und so können wir von einem Geldautomaten Geld beziehen und den letzten Dieseltank auffüllen.

Bevor wir zur 2,5 km langen Brücke vom Festland zur Insel (Brückenzoll 10 Meticais) gelangen, durchqueren wir einen herrlichen Palmenhain.

Die kleine Insel „Ilha de Moçambique“ soll die Geschichte im südlichen Afrika mehr beeinflusst haben als irgendein anderer Ort dieses Kontinents. Die von der UNO zum Weltkulturerbe erklärte Insel ist leider dem Verfall preisgegeben. Die Bewohner krümmen nicht den kleinsten Finger, um die geschichtsträchtige Insel zu unterhalten. Lediglich einige wenige Bauten wurden aufwändig renoviert und zum Teil zu Museen umgestaltet. Wir fahren kreuz und quer durch die Insel, bis wir beim Eingangsportal des alten Zollhauses (Capetania) auf zwei Kanonen und einen 3 m hohen Anker treffen. Sofort wird er von uns in Beschlag genommen, aber leider können wir ihn nicht mitnehmen, da er etwas zu schwer ist. Als Ersatz machen wir dafür einige witzige Fotos.

Anschliessend fahren wir bis zum Fort (Fortaleza da Sebastiao). Bei der Ankunft werden wir von zahlreichen Kindern und Jugendlichen „überfallen“. Nicht dass sie uns bestehlen wollen, nein, es kämpft vielmehr jeder darum, unser Auto für etwas Geld bewachen zu dürfen. Sie schlagen sich zum Teil sogar mit Stöcken. Dem Ältesten übergeben wir nach dem Verhandeln des Preises das Auto in Gewahrsam und betreten an der Westseite den Eingang zum Fort. Vom versierten Guide erfahren wir mancherlei interessante Details aus der Geschichte des Forts und der Insel. Die zwischen 1558 und 1620 erbaute Fortanlage präsentiert sich in einem vergleichsweise guten Zustand. So funktioniert zum Beispiel noch die gesamte Wasseranlage. Auf den Dächern wird nämlich das Regenwasser aufgefangen und mittels eines ausgeklügelten Systems in einer riesigen Zisterne gespeichert. Da die Zisterne seit deren Erstellung nie austrocknete, ist das Wasser darin zum Teil mehrere hundert Jahre alt. Zum Trinken ist es deshalb ungeeignet, aber noch heute wird es von den Bewohnern zum Wäsche waschen gebraucht. Uns beeindrucken auch die unzähligen Kanonen auf den Dächern, welche teilweise immer noch auf den Gestellen platziert sind. Der Exekutionsplatz und die Geschichte der zum Tod verurteilten Gefangenen hinterlässt ein etwas mulmiges Gefühl.

Am meisten beeindruckt hat uns die am nördlichsten Ende der Insel gelegene Kapelle (Capela de Nossa Senhora de Baluarte). Sie wurde anno 1521/22 gebaut und gilt damit tatsächlich als das älteste europäische Gebäude der gesamten südlichen Hemisphäre. Sie ist zwar recht bescheiden, wirkt jedoch mit ihrer Vorhalle, den Rundbögen, Zinnen und Grabplatten trotzdem speziell.

Der riesige, rot angestrichene Gouverneurspalast (Palácio de Sao Paulo) mit integrierter St. Pauls Kapelle fällt uns sofort auf. Bis 1898 sollen hier portugiesische Gouverneure residiert haben. Wir lassen uns die Räumlichkeiten von einem anderen, ebenfalls sehr kompetenten Führer zeigen bzw. erklären. Er weiss sehr viel über die Geschichte der Insel und der ausgestellten Gegenstände zu berichten, und es macht Freude, mit über die Sandalen angezogenen Kunststoffüberziehern durch die Räume zu wandeln. Im Erdgeschoss besuchen wir das maritime Museum, welches u.a. einige alte Schiffsmodelle und –bestandteile ausstellt (so auch das Beiboot von Vasco da Gama). Zwei ausgestellte Kanonen identifiziert Markus als von den Deutschen im 1. Weltkrieg benutzte Waffen – was deren Standort in einem maritimen Museum etwas fragwürdig erscheinen lässt.

Die Insulaner nutzen die Zeit der Ebbe, um im flachen Wasser Muscheln, Krabben oder farbige Steine (für die Schmuckherstellung) zu suchen. Das Meer bzw. der schlammige Sandstrand stinkt aber gewaltig, und uns käme es uns nie in den Sinn, hier auf der Insel Fische oder Krustentiere zu essen. Irgendwie sind wir sogar froh, am Nachmittag der Insel den Rücken zukehren zu können. Das Wetter schlägt um, und auf der Fahrt nach Niacala ziehen dunkle Regenwolken auf. Den Regen hätten wir nun sicher nicht mehr gebraucht. Rund eine Stunde nach einem wunderschönen Sonnenuntergang erreichen wir den Campingplatz Bay Diving & Camping.

9. Juni 2008

Beim Aufstehen realisieren wir, wie schön der Campingplatz gelegen ist: Inmitten vieler Bäume und Palmen thront er mit Aussicht aufs Meer mitten in der Natur. Zwar ist es immer noch sehr windig und bewölkt, aber nichts desto trotz machen wir einen langen Spaziergang am Meer. Die Wellen sind aber zu gross, als dass Schnorcheln möglich bzw. sinnvoll wäre, und so verbringen wir den Rest des Tages mit dem Streicheln des Campingplatz-Hausschweines und gewissen organisatorischen Belangen…

10. Juni 2008

Eine lange Fahrt steht uns bevor, da es heute entlang von riesigen Cashew-Nuss-Plantagen, Baumwollfeldern und weiteren Plantagen nach Pemba geht. Wir sind heute etwas im Zeitdruck und kochen deshalb zum Mittagessen neben dem Auto zwar Teigwaren, essen sie aber unterwegs während dem Fahren.

Die Menschen sind etwas zurückhaltender als im südlichen Teil von Moçambique, aber sobald wir anhalten, um ein paar Fotos zu machen, überwinden sie ihre Scheu, rennen herbei und wollen unbedingt auch fotografiert werden.

Kurz vor Pemba werden wir von zwei Polizisten herausgewunken – sie sind offensichtlich auf der Suche nach etwas Geld. Aber da unsere Dokumente allesamt in Ordnung und wir sehr geduldig sind, haben sie Pech. Dafür erreichen wir Pemba erst kurz nach Einbruch der Dunkelheit… Die Nacht verbringen wir im „Pemba Beach Hotel & Spa“ und sichern den Santi auf dem hoteleigenen, bewachten Parkplatz mit Lenkradschloss und „Hiltis-Spezial-Diebstahlsicherung“. Warum? Ganz einfach: Morgen geht es mit grosser Freude per Propellerflugzeug für ein paar Tage nach Medjumbe Island.

11. bis 16. Juni 2008

Wir erholen uns auf der eine knappe Flugstunde nördlich von Pemba gelegenen Trauminsel „Ilha de Medjumbe“ und lassen es uns gut gehen. Wir haben schon viele Inseln gesehen, aber noch nie eine so traumhaft kleine und schöne – wir kommen uns in jeglicher Hinsicht vor wie im Paradies! Ein wunderschöner weisser Sandstrand umgibt die 850 m lange, 350 m breite und von Korallenriffen umgebene Insel, und nur gerade 13 Chalets stehen den Gästen zur Verfügung.

Während wir jeden Tag dem Strand entlang spazieren und dabei Unmengen von Muscheln finden bzw. zum Teil aus dem Sand ausgraben und uns dabei wie Schatzsucher vorkommen, vergnügt sich unser Panther mit dem Bauen von Sandburgen und dem Bewachen unserer Muschelschätze. Das Baden im kristallklaren und warmen Meer ist auch schön, nur das Schnorcheln ist wegen dem starken Wind und dem daraus resultierenden Wellengang nicht besonders faszinierend. Dafür lassen wir uns im privaten Whirlpool und im Restaurant verwöhnen!

Obwohl wir noch nie an einem so schönen Ort waren, beginnen wir uns nach ein paar Tagen auf die Weiterfahrt zu freuen – schliesslich lebt es sich auch im Santi hervorragend!

Nach unserem letzten Frühstück auf der wunderbaren Insel fliegen wir aufgrund der Schlechtwetterfront mit einer Stunde Verspätung nach Pemba ins Pemba Beach Hotel & Spa. Im Hotel angekommen, machen wir uns wieder an die Arbeit. Es heisst, die unzähligen gefundenen Muscheln zu verstauen, und wir fragen uns, wo diese zum Teil riesigen Muscheln Platz finden und die Reise unbeschadet überleben sollen. Wir beschliessen, uns von einigen Kleidungsstücken zu verabschieden bzw. diese Bedürftigen zu schenken. Die restlichen paar Stunden verbringen wir mit dem Umschichten des Gepäcks. Man bedenke dabei, dass das gleichzeitig auf dem Benzinkocher mitten auf dem Hotelparkplatz zubereitete Mittagessen auf etwelche Aufmerksamkeit stösst. Aber irgendwie muss man ja wieder zu sparen beginnen…

17. Juni 2008

Endlich sitzen wir wieder im Santi und nehmen den langen Weg in Richtung Heimat unter die Räder. Doch vorerst ist die Heimat in weiter Ferne. Wir verlassen Pemba auf einer Teerstrasse und begegnen einer schwarzen Frau mit weissem Gesicht. Zum Glück wissen wir, dass sie weder Lepra noch sonst ein Hautproblem hat, sondern ihr Gesicht mit einer weissen Paste "beschmiert" hat. Diese sogenannte "weisse Maske" hat keine kulturelle Bedeutung, sondern wird als Sonnenschutzmittel und zur Gesichtspflege aufgetragen. Dafür wird das Holz des Msiro-Baumes gemahlen und das Puder mit Wasser zu einer dicken Paste vermischt. Die Maske wird nur tagsüber getragen und soll die Haut weich halten.

Bei Alua zweigen wir auf eine schmale und ausgewaschene Piste, welche in Richtung Muhula führt. Mit der Zeit nerven wir uns allerdings etwas, da wir kaum vorankommen und die Strecke landschaftlich nicht besonders viel hergibt. Zudem: Wer wird beim Autofahren schon gerne von Fahrrädern überholt? Stundenlang rumpeln wir in einem trockenen Bachbett westwärts, bis wir am Abend einen neben einem Teich gelegenen Schlafplatz finden. Da uns die heutige Fahrt recht ermüdete, klettern wir bereits kurz nach sechs Uhr auf unsere Matratzen – momentan ist es noch zu warm, um in die Schlafsäcke zu kriechen.

Nach rund einer Stunde geruhsamen Schlafes werden wir unsanft geweckt. Gut zwei Dutzend Männer stehen um unseren Santi und fordern uns auf, sofort auszusteigen. Sie klopfen an die Karosserie und entfachen ein Feuer. Wir, die wir uns zuerst schlafend stellten, entscheiden uns bald einmal zur Flucht. Während Helen das Dachzelt herunterklappt, kriecht Markus zum Fahrersitz. Sowie das Dach geschlossen ist, startet er den Motor und überrascht die Männer zum ersten Mal. Als er alle Lichter anschaltet, überrascht er sie zum zweiten Mal. Zudem werden sie durch die starken Lichter (u.a. Xenon) so stark geblendet, dass sie zum Teil wegspringen. Die 120 dB-Hupe gibt den restlichen Männern den Rest, und auch sie rennen erschrocken ein paar Schritte zurück. Das gibt uns den nötigen Platz, um wegzufahren. Dann fliegen grosse Steine, aber zum Glück sind die Männer zu stark geblendet, um richtig zielen zu können, denn sie treffen statt der Fenster nur die Sandbleche, eine Seitentüre und das Heck. Mit dem Heckscheinwerfer blenden wir zudem noch den letzten, der uns hinterher rennt. Erst nach 16 km stoppen wir, um das Dachzelt besser zu schliessen (bisher war die Zeltplane eingeklemmt), und Helen, die bis jetzt auf der Matratze lag, kann auf den Beifahrersitz wechseln. Den ganzen Weg zurück auf die Teerstrasse verlieren wir trotz der abendlichen Kühle literweise Schweiss, denn die auch bei Tageslicht sehr schwer zu befahrende Piste nötigt uns alles ab. Zudem haben wir Angst, dass uns ein paar der Männer verfolgen, und tatsächlich werden wir zweimal von einem Motorrad überholt, aber glücklicherweise bleiben wir von weiteren Überfallversuchen verschont. Obwohl wir mit Nachtfahrten mittlerweile schon etwas Erfahrung sammeln konnten, strengt uns diese Fahrt an wie keine vorher. Zum einen, weil wir gerade erst vom „Paradies“ zurück in die Wirklichkeit geholt wurden, zum andern, weil die sehr unebene Piste und die Wasserstellen trotz den Scheinwerfern nur schwer zu „lesen“ sind. Zudem steht Markus „unter Drogen“, denn er hat am Abend noch Morphium zu sich genommen, um die wegen der schlechten Piste zurückgekehrten Rückenschmerzen etwas zu lindern…

Um Mitternacht entdecken wir todmüde einen Schlafplatz direkt neben der Teerstrasse und können zumindest ein paar Stunden Schlaf finden.

18. bis 20. Juni 2008

Nach der strapaziösen Nacht geniessen wir ein reichliches Frühstück und machen uns auf den Weg in Richtung Nampula. Wir lassen uns Zeit für kleine Foto-Stopps und andere Beobachtungen. So stellen wir zum Beispiel vergnügt fest, wie nicht nur wir Touristen, sondern auch einheimische Busgäste von Früchte- und Gemüseverkäufern am Strassenrand belagert werden. Beim Durchqueren eines Flusses fahren wir beinahe mitten durch einen Waschsalon...

Viele Baobabs säumen die hügelige Strecke. Am Nachmittag erreichen wir bei regnerischem und kühlem Wetter das Hotel Executivo, wo wir herzlich begrüsst werden. Bald sind wir ja Stammgäste in diesem Hotel… Aufgrund der Rückenbeschwerden von Markus ist es klar, dass wir uns hier einen kurzen Aufenthalt gönnen. Wir nutzen die Zeit, um uns nach der schlimmen Nacht etwas zu erholen und Helen legt Markus heisse Massagesteine auf und massiert seinen Rücken mit Massageöl und einer Massagekugel. Wir sind zuversichtlich, dass die Fahrt bald weitergehen kann.

Bis es soweit ist, füllen wir unsere Tanks und die Essensvorräte auf, kaufen ein paar Sachen, deren Anschaffung wir schon seit längerem planten, und geniessen das Hotelleben und verzichten dankend auf das Dessert nach dem Abendessen (vielleicht hat der Koch ein weiteres Mal Salz und Zucker verwechselt...). Leider erweist sich das Wechseln unseres sambischen Geldes in Nampula als unmöglich - nicht einmal die Nationalbank erklärt sich als hiezu zuständig.

21. Juni 2008

Auch wenn wir froh sind, Nampula verlassen zu können, fällt uns der Abschied doch etwas schwer, schliesslich kennen wir langsam fast die gesamte Belegschaft (inkl. Hotelmanager) vom Hotel, und der Abschied fällt entsprechend herzlich aus.

Bald aber fahren wir in westlicher Richtung durch eine wunderschöne Landschaft. Blanke Granitberge, die aussehen, als seien sie mit einer Zahnbürste von Bäumen, Gras und Erde befreit worden, wechseln sich ab mit weiten Ebenen sowie Wald- und Buschlandschaften. Einsam ist die Strecke aber nicht, denn kaum verlässt man ein Dorf, befindet sich man bereits in der nächsten Siedlung. Nach unserer negativen Erfahrung betreffend Campieren zwischen moçambikanischen Dörfern kommen wir zum Schluss, bis nach Cuamba zu fahren und dort nach einer geeigneten Übernachtungsgelegenheit zu suchen. Moçambique ist unter anderem nicht nur sehr reich an Bananenplantagen, sondern auch an Papayabäumen.

Unterwegs queren wir mehrmals ein Geleis, das aussieht, als ob seit Urzeiten kein Zug mehr darüber fahren würde. Trotzdem entdecken wir mit einem Male einen Zug, der von einer Menschentraube belagert wird. Offenbar handelt es sich um eine Bahnstation, und Bauern versuchen, ihre Ernte den Bahnreisenden zu verkaufen. Wir sind etwa gleich schnell (oder langsam) unterwegs wie die Eisenbahn, uns so winken wir den Reisenden mehrmals zu, was diese zum Teil mit fröhlichem Winken und Johlen quittieren.

Cuamba erreichen wir erst in der Dunkelheit, und der uns von einer Pension offerierte Schlafplatz in einem Hinterhof erscheint uns für den Fall einer Flucht nicht gerade ideal. Schliesslich landen wir bei einer indischen Familie, die uns zu ihrem von einem Wächter bewachten Ladenlokal führt und meint, dort können wir beruhigt (und bewacht) schlafen. Der Wächter hat Freude, einmal etwas anderes bewachen zu können, und wir haben das einmalige Erlebnis, mitten in einer Stadt an einem Strassenrand zu schlafen.

Noch ein paar persönliche Worte zu Moçambique: Moçambique gilt als das fünftärmste Land der Welt, und die verschiedensten Hilfswerke geben sich hier die Klinke in die Hand. Die Hilfswerke aufzuzählen, ist sinnlos - mehr Sinn machen würde es, jene zu nennen, die nicht in Moçambique aktiv sind. Wir besuchten in Moçambique die verschiedensten Regionen. Wir waren nicht nur in Grossstädten, sondern auch bei ganz kleinen, abgelegenen Häusergruppen. Auch hatten wir ein wenig ein mulmiges Gefühl bei der Einreise, weil wir unzählige Hungerbäuche erwarteten. Das Bild, welches sich uns präsentierte, war jedoch diametral anders: Überall, sogar in den höchstgelegenen Dörfchen in den abgelegensten Bergregionen trafen wir Kleiderverkäufer an. Diese Verkäufer hatten nicht nur ein paar wenige Socken im Sortiment, sondern mehr, als viele Kleiderläden in Europa im Sortiment führen. Von T-Shirts in allen Farben und Grössen zu den verschiedensten Bluejeans, Jacken, Pullovern und Tüchern gab es alles zu kaufen, was das Herz begehrt. Sogar Unterwäsche und BHs waren in den Auslagen. Zudem waren sämtliche Menschen (und zwar wirklich ausnahmslos alle) wohlgenährt. Zwar trafen wir wenig wirklich dicke Personen an, aber sogenannt Vollschlanke liefen uns nicht gerade selten über den Weg. Wir fragten uns, was hier nicht stimmt. Bald wurde uns klar, dass die Kleider zum allergrössten Teil aus Hilfslieferungen von Europa stammen. Wir sahen mehrere riesige mit Kleiderballen beladenen Lkws, und in Cuamba beobachteten wir, wie eine sehr grosse Lagerhalle bis zum Dach hin mit Kleiderballen gefüllt war. Offenbar werden noch immer Kleider gesammelt und nach Moçambique geschickt, obwohl dort ein Überfluss an Kleidern herrscht. Doch wohl aufgrund der Korruption werden die Kleider nicht gleichmässig unter der Bevölkerung verteilt. Die Kleiderverkäufer ersticken beinahe in ihren Kleidervorräten, und ein paar arme Menschen laufen trotzdem noch in zerfetzten Kleidern umher. Das mit der Nahrungshilfe muss ähnlich verlaufen. Zu Beginn unserer Reise zählten wir die Nahrungsmittelsäcke am Strassenrand. Doch bereits nach drei Tagen hörten wir auf, weil wir mit dem Zählen nicht mehr nachkamen. Wir sahen Tausende und Abertausende von Tonnen von Nahrungsmittelsäcken, die überall - zum Teil am Strassenrand, zum Teil in Dörfern, zum Teil vor Hütten, und zum Teil in riesigen Lagerhallen - herumlagen. Uns ist bewusst, dass in Moçambique durch den Bürgerkrieg, durch die Zahlungsunfähigkeit der Regierung und durch die Hungersnot vor ein paar Jahren grosse Probleme hatte. Doch sind diese Probleme im Bereich der Bekleidung und der Nahrung längst überwunden. Aufgrund des fruchtbaren Bodens, der riesigen Plantagen und der beinahe unendlich grossen, zum Ackerbau geeigneten Flächen wäre die Bevölkerung sehr wohl in der Lage, sich selbst zu ernähren. Aber solange das Land nicht nur bezüglich Kleider, sondern auch betreffend der Nahrungsmittel die Unterstützung der Weissen erhält, verharren die Moçambiquaner in ihrer Lethargie. Wenn auch nur ein Bruchteil der Leute, die den ganzen Tag in den Dörfern herumhängen, Ackerbau oder Viehzucht betreiben würden, wären sie bald nicht mehr auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Obwohl es Sambia gemäss WHO besser gehen sollte, haben wir in Sambia bedeutend grössere Not gesehen. Trotz dieses Umstandes haben wir nie einen bettelnden Sambier getroffen. In Moçambique dagegen war es das pure Gegenteil. Sehr oft wurden wir von gut genährten Menschen angebettelt, ihnen etwas zu essen zu geben. Vielleicht wäre ein Umdenken der ausländischen Regierungen, Hilfsorganisationen und Touristen angesagt!

22. Juni 2008

Nach einer etwas nicht besonders ruhigen Nacht brechen wir frühmorgens auf in Richtung Grenze (Chiponde), wo wir um die Mittagszeit eintreffen. In nur gerade einer Stunde sind wir aus Moçambique aus- ...

Malawi

22. Juni 2008

...und in Malawi eingereist. Die üblen Vorwarnungen im Internet, wonach Schweizer nicht oder nur mit grössten Problemen in Malawi einreisen können würden, haben sich nicht bewahrheitet. Tatsache ist, dass Schweizer für Malawi ein Visum benötigen, und dass dieser Grenzposten keine Visa ausstellen darf. Dafür erhalten wir innert 40 Minuten eine temporäre Aufenthaltsbewilligung, um innerhalb von zwei Tagen im Immigration Office in Lilongwe ein Visum zu beantragen. Wir freuen uns, nicht mehr in Moçambique zu sein, und tuckern glücklich und zufrieden durch Malawi.

Nach Mangochi führt uns eine gute Teerstrasse, die nachher in Richtung Monkey Bay von einer erdigen Schotterpiste abgelöst wird. Zum wiederholten Male sehen wir, dass, wenn in Afrika eine Strasse repariert wird, ein paar Meter neben der Strasse eine Piste erstellt wird, auf die dann der Verkehr umgeleitet wird. Die Strecke wird von vielen kleinen Dörfern, unzähligen Baobabs und sonstigen Bäumen gesäumt.

Kurz vor Monkey Bay übernachten wir auf dem unmittelbar am Ufer des Malawisees gelegenen Campingplatz der Nkhudzi Lodge. Ein herrlich ruhiger Campingplatz mit wunderbarer Aussicht auf den Malawisee.

23. Juni 2008

Auf schmalen Pisten geht es heute auf Sand-, Erd- und Steinpisten nach Kasinje. Immer wieder machen wir kleine Halts, um Fotos zu machen. Mit manchen Leuten kommen wir ins Gespräch, manche winken uns zu, und wiederum andere staunen bloss, hier in dieser entlegenen Ecke Malawis Weisse zu sehen. Wir können nicht verstehen, wie die Menschen alles Mögliche auf dem Kopf transportieren. Von Schulheftern über Strohballen bis zur Holzhacke wird prinzipiell alles auf dem Kopf balanciert.

Ausnahmsweise treffen wir auf einmal auf einen Baobab, der nicht mehr besonders gesund aussieht - er liegt nämlich schon lange am Boden. Trotzdem kann man noch gut seine Ausmasse erkennen. Wir sind wieder einmal baff, wie riesig diese Bäume werden können. Wir sind nicht nur durch die Grösse des Baobabs beeindruckt, sondern auch durch die riesigen Felder, welche von der Bevölkerung abgebrannt werden. Auf unserer ganzen Reise seit Sambia haben wir immer wieder solche abgebrannten Strassenränder und Felder gesehen, aber nirgends in so einem intensiven Ausmass wie hier am südlichen Ende des Malawisees.

Es gibt viele Brücken zu überqueren, die teilweise einen nicht besonders vertrauenswürdigen Eindruck erwecken. Bevor Helen über die Brücken fährt, steigt Markus jeweils aus, um im Vorfeld deren Beschaffenheit zu überprüfen. Wie er aus diesem Grund über eine etwas längere Brücke marschiert, begegnet ihm eine in Fetzen gekleidete Gestalt mit einer grossen roten Maske. In jeder Hand hält diese Gestalt eine lange Machete. Wortlos schreitet die Gestalt über die Brücke und bleibt vor dem Wagen, wo Helen auf das Fahrkommando von Markus wartet, stehen. Helen total fasziniert, aber auch vor Angst erstarrt, zückt den Fotoapparat. Leider wird aus dem Foto nichts, da der Mann mit der roten Maske mit den beiden Macheten wild in der Luft herumfuchtelt. Helen packt das Grausen, und sie ist froh, dass ihr Markus endlich das Zeichen gibt, über die Brücke zu fahren. Kaum am anderen Ufer angekommen, beschliessen wir, diese Gestalt nochmals aufzusuchen und dem Sinn und Zweck dieser „Verkleidung“ auf den Grund zu gehen. Nach einigem Suchen landen wir in einem Dorf, wo man uns erklärt, die Gestalt sei hier in der Nähe. Die Menschen verstehen nicht genau, was wir von dieser Person wollen, erklären sich aber bereit, diesen Mann per Bote holen zu lassen. Tatsächlich erscheint sie kurz darauf in Begleitung einer weiteren, ähnlich gekleideten Gestalt, und sie wetzen ihre Macheten, tanzen umher und posieren für Fotos. Wie man uns erklärt, begleiten diese „Gestalten“ die Seelen Verstorbener in die Totenwelt. Sobald jemand im Sterben liegt, werden diese Gestalten gerufen, und zwei Tage sowie eine Woche nach dem Versterben kommen sie nochmals vorbei, um sicherzustellen, dass die Seelen in die Ahnenwelt Eingang gefunden haben. Dank dieser Erklärungen wird uns klar, weshalb die Kinder Angst vor den Gestalten haben, und weshalb eine Frau die ganze Zeit laut klagte und weinte: Sie hatte wohl ein krankes Familienmitglied und war in grösster Sorge, dass die Gestalten zu ihr bzw. zu ihrem Familienmitglied kommen würden. Interessant waren auch die Erklärungen, dass die Gestalten im Eigentum von jeweils einem Mann sind, und mit ihren gelegentlichen Auftritten ihr Überleben und dasjenige ihres Eigentümers sicherstellen. Man nennt diese Gestalten und ihre Tänze "Gule Wamkulu".

Nach diesem eindrücklichen Erlebnis fahren wir über eine steile Passstrasse nördlich des Chirobwe und kaufen unterwegs ein von einem Jungen aus Holz in Handarbeit gefertigtes Landrovermodell. Kurz darauf werden wir von einer Polizeikontrolle angehalten. Insgesamt sechs Polizisten scharen sich um den Santi und wollen diverse Dokumente sehen und den Inhalt prüfen. Wir verwickeln sie in ein Gespräch und zeigen ihnen das gekaufte Landrovermodell. Rasch rückt ihre ursprüngliche Prüfungsabsicht in den Hintergrund und sie vergessen, den Inhalt unseres Autos zu kontrollieren, und sogar den einverlangten Versicherungsnachweis interessiert sie bald nicht mehr.

Amüsiert fahren wir weiter und erreichen in Lilongwe rasch den direkt auf dem Golfplatz gelegenen Campingplatz. Bereits bei der Anfahrt auf Lilongwe spüren wir den Temperaturunterschied zur Gegend um den Malawisee sehr stark - die Temperatur ist gut 10 ° C tiefer!

24. bis 27. Juni 2008

Entgegen den Angaben unseres Reiseführers ist der Campingplatz auf dem Golfplatz nicht besonders ruhig gelegen. Er eignet sich höchstens für Gehörlose oder für Leute, die gerne bis morgens um vier Uhr in der Disco abtanzen. Zudem hält sich der Nachtwächter wach, indem er den Radio in voller Lautstärke laufen lässt… Das Positive an diesem Campingplatz ist hingegen das fliessende warme Wasser und das nette und hilfsbereite Personal.

Für den Wechsel des Öl- und Dieselfilters vom Santi empfiehlt uns der Manager vom Golfclub die City-Garage, welche etwas ausserhalb des Stadtzentrums von Lilongwe gelegen ist. Am Nachmittag treffen wir dort ein und erklären unsere Wünsche. Nachdem der „Mechaniker“ einige Minuten lang den Ölfilter oberhalb und neben dem Motor suchte, erklärt er uns, wir sollen am nächsten Morgen erscheinen. Wir wundern uns, weshalb er den Ölfilter nicht unter dem Motor, dort, wo Ölfilter zu sein pflegen, suchte, erscheinen aber am nächsten Morgen pünktlich wieder in der Garage. Dort lässt uns der Manager durch den Receptionisten ausrichten, dass er die Vornahme von Arbeiten an unserem Auto ohne Angabe von Gründen verweigere. Wir fahren deshalb zur IVECO-Garage, und erfahren dort das pure Gegenteil: Die Leute sind hocherfreut, einen Santana zu sehen, und lassen alles stehen und liegen. Die gesamte Werkstattcrew schart sich um das Auto, und alle wollen beim Filter- und Ölwechsel mithelfen. Der Werkstattchef stellt fest, dass das Öl des hinteren Differentials ausgewechselt werden sollte, was wir natürlich gleich erledigen lassen, und zudem werden die Blattfedern tüchtig geschmiert. Die ganzen Arbeiten dauern insgesamt rund eineinhalb Stunden und kosten mit dem Diff-Öl nur knapp CHF 70.

In einer Wechselstube können wir zu unserer grossen Erleichterung sowohl unseren sambischen wie auch den moçambikanischen Geldvorrat in malawisches Geld umtauschen und finden nach einigem Suchen sogar noch einen Geldautomaten, der unsere VISA-Karte akzeptiert.

Direkt neben einer Hauptstrasse befindet sich ein Souvenirmarkt, wo die Einheimischen diverse Handfertigkeiten feilbieten. Wir besuchen diesen Markt mehrmals und werden bald wie Stammgäste begrüsst – wohl auch, weil wir uns ein paar Andenken erstehen und ein paar Worte Chichewa lernen. Allerdings merkt man gut, dass man sich an einem touristisch angehauchten Ort befindet, nennen doch die Verkäufer als Erstsumme jeweils fantastisch hohe Preise. Dank unserer Hartnäckigkeit und in arabischen Ländern gesammelten Erfahrungen können wir die Preise auf ein Niveau drücken, das unseres Erachtens im Ergebnis für beide Seiten als fair bezeichnet werden kann. Nicht ganz einfach wird es allerdings, die Souvenirs im und auf dem Auto zu verstauen. Während Helen auf dem Autodach sitzend mit Klebeband rüttelfeste Verpackungen herstellt, modifiziert Markus die Gurtbefestigung.

Aufgrund der zunehmenden Rückenbeschwerden von Markus suchen wir sowohl einen Allgemeinarzt aus den Niederlanden als auch zweimal einen Physiotherapeuten aus Spanien auf, wobei letzterer wahre Wunder vollbringt!

Der Campingplatz liegt nicht nur direkt auf dem Golfplatz, sondern auch direkt neben einem Tennisplatz. Dies weckt bei Helen Tennis-Gelüste, ist sie doch eine passionierte Tennisspielerin. So organisiert sie eine gesamte Tennisausrüstung und kommt um vier Uhr zu einer Tennisstunde mit einem Tennislehrer. Wobei Tennislehrer zuviel gesagt ist, denn bereits nach ein paar wenigen Ballwechseln wird klar, dass der angebliche Tennislehrer Bälle nur per Zufall trifft und vom Tennisspielen nur wenig mehr Ahnung hat als Markus. Letzterer bildet den Fanclub von Helen und quittiert gut gespielte Punkte mit Hupen, Johlen, Singen und Klatschen – ein Novum auf dem Gelände des Tennisclubs von Lilongwe! Helen macht es riesigen Spass nun sogar in Malawi Tennis gespielt zu haben - erst Recht mit einem grossen Fan an ihrer Seite.

28. Juni 2008

Frühmorgens bei nur 6 ° C (brrr!!!) machen wir uns auf in Richtung Sportgeschäft. Dort angekommen, wählen wir die an der Türe angeschlagene Telefonnummer, um mitzuteilen, dass Kunden vor dem Geschäft warten und gerne etwas kaufen würden. Entgegen der Versicherung des Ladeninhabers, dass in Kürze jemand eintreffen werde, kaufen wir die Tennisschuhe in einem anderen Laden, da auch lange nach offizieller Ladenöffnungszeit noch niemand erschienen ist. Mit einer halben Stunde Verspätung kann Helen um halb neun bei gerade 7 ° C die ersten Bälle über das Netz spielen, während Markus am Rand des Spielfeldes Kaffee kocht. Dieses Mal kann von einem echt ausgebildeten Tennislehrer gesprochen werden, und Helen wird endlich etwas gefordert.

Nach einer heissen Dusche geht es quer durch den Stossverkehr von Lilongwe nordwärts. Auf engen und ausgewaschenen Sand- und Erdpisten irren wir mit Hilfe des GPS durch die Landschaft und weichen weggespülten Brücken aus, bis wir direkt neben einem Gefängnis auf eine breitere Piste stossen und auf einer malerischen Bergstrecke bis zum Südende des Nkhotakota Wildlife Reserves fahren.

Auf einer sehr selten befahrenen, steilen und steinigen Piste, die quer durch den Wald führt, erreichen wir bei dunkelster Nacht den Campingplatz. Die Anfahrt mitten durch den dunklen Wald dünkt uns etwas unheimlich, erst recht, weil wir nicht wissen, was uns am Ende des Weges erwarten wird. Nach einer knappen Stunde rumpliger Fahrt erreichen wir eine Barriere. Kurz darauf erscheint ein kleiner Mann mit einem langen Karabiner vor uns. Er stellt sich als Wächter und Guide Namens Mikel vor und begleitet uns zum Campingplatz – wobei Campingplatz etwas zuviel gesagt ist, handelt es sich doch bloss um eine Fläche von ca. 100 m2, die zum Campieren geeignet ist, da die restliche Fläche steil abfallend ist. Mikel merkt unsere Müdigkeit und wünscht uns mit einem Händedruck eine gute Nacht.

29. Juni 2008

Mikel erklärt uns, dass der Campingplatz offiziell bereits seit 1996 geschlossen ist. Da er aber mit seiner Familie seit 20 Jahren völlig allein inmitten der Wildnis lebt, ist er froh, wieder einmal Gäste zu haben, und so bleibt er gerne etwas in unserer Nähe und weiss viel zu erzählen. Mikel strahlt trotz seiner bescheidenen Lebensweise eine enorme Zufriedenheit und Lebensfreude aus. Wir sind beeindruckt von seiner Menschlichkeit und seinem Vertrauen.

Eigentlich hätten wir heute weiterfahren wollen, aber da es uns hier so gut gefällt, beschliessen wir spontan, noch eine Nacht hier zu bleiben. Helen hängt die in Lilongwe am Morgen gewaschenen Kleider an die Wäscheleine, und gemeinsam geniessen wir die Zeit ohne jeglichen Fliegen, Mücken oder andere Insekten. Noch selten auf unserer Afrikareise waren wir von so klarer Luft und soviel Ruhe umgeben! Wer sich nicht scheut, eine Stunde im Schritttempo über eine steinige Waldpiste zu rumpeln, das Risiko, den Weg nicht auf Anhieb zu finden, nicht scheut, und bereit ist, weit und breit keinen Menschen anzutreffen und auf jegliche Infrastruktur zu verzichten, wird den wohl schönsten und ruhigsten Campingplatz ganz Afrikas finden.

30. Juni 2008

Kurz vor unserer Abfahrt erscheint der Chef von Mikel auf seinem Motorrad. Letzterer ist nämlich gestern bis nach Mbobo gelaufen und hat seinem Chef von seinen zwei Gästen erzählt. Sein Chef hat dies offenbar nicht geglaubt und wollte die ersten Gäste seit sehr langer Zeit mit eigenen Augen sehen. In unserer Anwesenheit übergibt Mikel seinem Chef die Campingplatzgebühr, welche wir ihm gestern bezahlten, und der Chef quittiert uns den Erhalt des Geldes mit grossem Stolz.

Nicht ohne Wehmut verlassen wir diesen wunderschönen Ort und machen uns auf den Weg nach Kasungu. Dort angekommen wird uns mitgeteilt, dass in der ganzen Stadt kein Diesel erhältlich sei. Für uns ist dies nicht so schlimm, haben wir doch immer noch eine Reichweite von über 1'000 km. Auf guter Teerstrasse geht es jetzt durch eine hügelige, teils mit Miombe- und Pinienwälder, teils völlig abgeholzte Landschaft. Die abgeholzten Landstriche sehen trostlos aus und werden durch grosse Aufforstungsprojekte nur teilweise ersetzt. Einerseits beeindrucken uns immer wieder die starken Männer, welche teilweise enorme Lasten auf dem Fahrrad transportieren. Dafür stimmt uns der Umstand sehr traurig, dass in Afrika sehr viele Kinder ihre Kindheit nicht richtig ausleben können, sondern schon mit wenigen Jahren zum Teil intensive körperliche Arbeiten verrichten müssen.

In Mzuzu, einer der grössten Städte von Malawi, angekommen, sind wir froh, sowohl Geld beziehen wie auch voll tanken zu können. Da es bereits später Nachmittag ist, machen wir es uns im Innenhof des "Kaka Motels" bequem. Es ist der Umstand zu bemerken, dass der Besitzer des Motels zur Sicherheit jeden Tag seinen Mercedes in den Eingang stösst. Stossen deswegen, weil der Motor nicht mehr anspringt....

1. Juli 2008

Unser heutiger Wunsch ist das Auffinden der Zuwurufu-Hängebrücke. Bei dieser Brücke handelt es sich um eine der letzten verbliebenen Bambushängebrücken. Wir sind riesig gespannt, wie eine solche "Basket-Bridge" wohl aussehen mag. Erst recht, weil die meisten dieser Hängebrücken mittlerweile durch Stahl- und Holzkonstruktionen ersetzt wurden. Die erste Brücke, die unseren Weg kreuzt, zerbrach vor nur gerade einem Tag und riss sieben Menschen mit in die Tiefe. Sechs davon überlebten, und eine Person wird noch immer vermisst. Dass sie noch lebt, ist aufgrund der Krokodile sehr unwahrscheinlich. Dies erklären uns mehrere Menschen, die wir nach dem Weg zur Brücke fragen. Bei einer Schule wird ein Schüler von seinem Lehrer beauftragt, uns zu dieser Brücke zu führen. Wir lassen unser Auto stehen und machen uns auf den Weg zum Unglücksort. Dort angekommen, treffen wir auf eine richtiggehend zerfetzte Brücke, die nicht mehr passierbar ist. Bedrückt über dieses traurige Ereignis begeben wir uns kurz darauf wieder zum Santi.

Irgendwie sind wir nicht zufrieden, da wir sehr gerne eine intakte Hängebrücke (sog. Kandewu-Brücke) sehen würden. Der Schüler erklärt uns, dass in einer Entfernung von ca. 4 km noch eine intakte Hängebrücke zu finden sei. Nach einer halben Stunde erreichen wir die Abzweigung und werden von einer grossen Kinderschar bis zur Hängebrücke begleitet. Die Hängebrücke besteht einzig aus mit Lianen zusammengebundenen Bambuszweigen. Obwohl wir meinen, die Brücke breche bereits vom blossen Ansehen zusammen, erweist sie sich als äusserst stabil. Auf allen vieren klettern wir zum grossen Gaudi von den uns begleitenden Kindern über die Brücke. Jedes Mal, wenn eine Bambusstaude unter unseren Händen oder Füssen knackt, beschleicht uns ein ungutes Gefühl - schliesslich warten im Fluss Krokodile auf ihr Morgenessen... Auch wenn das Überqueren der schwankenden und schwingenden Hängebrücke ein einmaliges Erlebnis ist, sind wir glücklich, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben.

Auf der Suche nach einem passenden Ort für unser Mittagessen stossen wir auf eine kleine mit "Wiwongw-Falls, 8 km" beschilderte Abzweigung. Die schmale und von vielen Steinen durchsetzte und ausgewaschene Erdstrasse geht steil bergauf und bergab und gibt viele wunderschöne Panoramablicke auf den Malawisee frei. Am Ende des Weges befindet sich eine kleinere Schule. Wir werden von den beiden Lehrern begrüsst. Stolz zeigen sie uns die Klassenzimmer und ihr Lehrerzimmer. Diverse Pläne, Skizzen und Tafeln hängen an den Wänden. Auf unsere Bitte hin singen die Kinder der ganzen Schule zusammen drei wunderschöne, mitreissende und begeisternde afrikanische Lieder. Sie haben so schön gesungen, dass wir ihnen stundenlang hätten zuhören können!

Auf der Weiterfahrt in Richtung Rumphi beschliessen wir spontan, die Manchewe-Wasserfälle zu besuchen. Sie befinden sich kurz vor Livingstonia und sollen mit einer Höhe von insgesamt 270 m die höchsten Wasserfälle von ganz Malawi sein. Der Weg auf das Hochplateau ist jedoch beschwerlich. Der steile Weg ist sehr schmal, steinig und teilweise mit losem Schotter belegt. An vielen Stellen ist der Weg fast fortgespült und die Erdstrasse wie ein Bachbett ausgewaschen. Zudem sind 20 Haarnadelkurven und unzählige andere enge Kurven zu durchfahren. Unsere grösste Sorge ist ein entgegenkommendes einheimisches Fahrzeug - zum Teil fahren die Einheimischen "auf Teufel komm raus" und ohne Rücksicht auf Verluste. Ein Ausweichen wäre unmöglich gewesen...  Die Wasserfälle selbst imponieren uns nicht besonders - in der Regenzeit wäre es wahrscheinlich beeindruckender gewesen.

Von Livingstonia geht es zurück an den Malawisee, der aufgrund seiner Grösse aussieht wie ein Meer. Auch der Strand und die Wellen erinnern eher an ein Meer denn an einen See. In Karonga übernachten wir wie bereits gestern im Innenhof eines Motels.

2. Juli 2008

Frühmorgens brechen wir auf in Richtung Tansania. Der Weg bis zur Grenze wird von etlichen Polizeikontrollen unterbrochen, und wiederum stellen wir fest, wie nett, höflich und zuvorkommend die malawischen Polizisten sind. Im Ergebnis interessiert sie jeweils hauptsächlich, weshalb unser Auto dermassen schmutzig ist... Sie machen uns sogar mehrere Angebote, unser Auto selber zu waschen, was wir dankend ablehnen. Für sie ist es unvorstellbar, mit solch einem schmutzigen Auto fahren zu wollen. Unser Lieblingswort in Chichewa ist "Osandandaula", was soviel bedeutet wie "kein Problem". Malawi hat uns sehr gut gefallen, und die Ausreise aus Malawi erfolgt zügig und unkompliziert - in nur gerade 15 Minuten verlassen wir Malawi und nähern uns...

Tansania

2. Juli 2008

...Tansania, wo Swahili die offizielle Amtssprache ist. Die Einreise erfolgt zügig, und nach einer knappen Stunde sind wir bereits neben Pfeffer-, Kaffee- und Bananenplantagen auf der Teerstrasse nach Mbeya, einer auf 1'700 m.ü.M gelegenen jüngeren Stadt unterwegs. Die Strasse windet sich steil und kurvenreich auf gut 2'300 m.ü.M., bis sie wieder abfällt. In Mbeya angekommen, füllen wir unsere Vorräte randvoll auf und übernachten nach einer langen Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz und nach einiger Überzeugungsarbeit des Personals im Innenhof des Grand Palm Hotels. Die Nacht ist leider sehr unruhig, da bis weit in den Morgen hinein die laute Musik aus der nahe gelegenen Disco dröhnt und uns den Schlaf raubt.

3. Juli 2008

Nach dem Essen soll man ruh’n, oder tausend Schritte tun. Deshalb machen wir uns auf den Weg in Richtung Potoro Mountains (südlich von Mbeya), wo sich der Ngozi-Kratersee befinden soll. Dabei soll es sich um den schönsten Kratersee Tansanias handeln. Bei der Eingangsschranke werden wir darauf hingewiesen, dass wir zwingend einen Führer mitnehmen müssen. Nach einem kurzen Verhandlungsgespräch einigen wir uns über den Preis des Führers. Da wir im Santi nur zwei Sitzplätze haben und der Führer auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, verbringt Helen die Anfahrt auf dem Schlafbrett liegend. Die anfänglich gute Piste ändert zu einer schmalen Piste durch richtigen Regenwald. Schon diese Anfahrt lässt unser Herz höher schlagen.

Nachdem wir den Santi am Ende des Weges parkieren, erfolgt der steile Aufstieg auf einem schmalen Pfad durch dichtes und artenreiches Regenwaldgebiet. Die Erde ist oft sehr rutschig, und nur mit Glück kommen wir ohne Sturz nach einem dreiviertelstündigen Marsch am Kraterrand an. Die Aussicht ist überwältigend. Etwa 250 m unter uns breitet sich der 2 km lange und 1 km breite Kratersee aus. Er ist umgeben von steilen bewaldeten Berghängen und soll gemäss Aussagen unseres Führers salzhaltig sein. Uns umgibt eine absolute Stille, die nicht einmal durch Vogelgezwitscher unterbrochen wird.

Nach dem glitschigen Abstieg geht die Fahrt zurück nach Mbeya und dann in südwestlicher Richtung weiter. Eigentlich sind wir auf der Suche nach einer im Reiseführer aufgeführten Lodge, aber leider verfahren wir uns und übernachten etwas ausserhalb eines Dorfes hinter ein paar Bäumen.

4. Juli 2008

Beim gemütlichen Morgenessen kommen plötzlich vier Männer auf uns zu, welche uns zu verstehen geben, dass wir bei unserer Ankunft in diesem kleinen Dörfchen doch den Officer über unsere Anwesenheit hätten benachrichtigen sollen. Angeblich soll dieser für Besucher zuständig sein und wenn wir umgebracht würden, würde dieser zur Verantwortung gezogen werden. Um diese Verantwortung zu vergüten, sollen wir doch eine Übernachtungsgebühr bezahlen. Wir übergeben ihnen ein paar leere CDs, welche wir irrtümlich eingepackt haben und seit unserer Abfahrt nutzlos durch Afrika kutschieren, worauf sie zufrieden abziehen. Uns war natürlich klar, dass es ihnen lediglich darum ging, Geld zu erhalten.

Wie wir dieselbe Piste zurückfahren, fällt uns ein für uns leicht überladenes Sammeltaxi auf. Immer wieder erstaunt es uns, wie viele Menschen und Gepäck auf einem solchen Lieferwagen untergebraucht werden können. Dass diese Lieferwagen nicht nur viele Menschen fassen können, zeigt uns auch der Lieferwagen mit den Kochbananen.

Heute besichtigen wir den im Jahre1942 entdeckten Mbozi-Meteorit, ist doch solch ein Naturereignis nicht gerade alltäglich. Der Mbozi Meteorit ist der drittgrösste Meteorit der Welt und wiegt ganze 13 Tonnen. Neben dem Gewicht zeichnet er seine Besonderheit in dessen Zusammensetzung aus, welche aus über 90 % Eisen und über 9 % Nickel besteht. Beim Meteoriten bezahlen für die Fotoerlaubnis 5'000 Shilling und fahren kurz darauf weiter in Richtung Tunduma.

Schon bald befahren wir eine knüppelharte Piste. Brutales Wellblech löst sich mit scharfkantigen Steinen und Sandkuhlen ab – alles natürlich gespickt mit unzähligen tiefen Schlaglöchern. Nach 110 gefahrenen Kilometern wird uns eines dieser Schlaglöcher leider zum Verhängnis, denn plötzlich macht es „Klonk!“, und die Blattfeder des rechten Vorderrades ist gebrochen. Es bleibt uns nichts anders übrig, als eine behelfsmässige Reparatur vorzunehmen. Mit Schnur wird die gebrochene Blattfeder an die intakte Blattfeder gebunden. Dies deshalb, damit die gebrochene Blattfeder beim Einfedern des Fahrzeuges nicht die Geometrie der Lenktange verändern kann. Frustriert und genervt fahren wir noch einige Kilometer bis zu unserm Schlafplatz auf einem kleinen Hügel.

5. Juli 2008

Heute heisst es langsam zurück nach Mbalizi (nähe Mbeya) in eine angeblich gute Werkstatt zu tuckern. Sehr langsam fahren wir über die nervtötende Piste zurück. Nach neun Stunden Fahrt, welche nur durch ganz kleine Pausen unterbrochen wird, erreichen wir in Mbalizi eine Kfz-Werkstatt. Der Chef, ein Schweizer Missionar namens Markus Lehner, teilt uns mit, dass wir am Montag vorbeikommen sollen. Dann würde ein Mechaniker sich trotz des tansanischen Nationalfeiertages unserer Blattfeder annehmen – gegen entsprechende Bezahlung natürlich. Er empfiehlt uns ein ebenfalls von der Mission geleitetes Hotel. Dort angekommen müssen wir in unserem Zimmer zuerst etliche Spinnen und andere Getiere ins Jenseits befördern – deren Gesellschaft ist uns einfach zuwenig geheuer. Wir haben ja schon einmal in Simbabwe eine sehr nette Bekanntschaft mit einem Skorpion machen dürfen…

6. Juli 2008

Während Markus sich an der Reinigung des Wasserfilters versucht und die Mittelkonsole neu aufräumt, wäscht Helen alle schmutzigen Kleider und räumt das restliche Auto auf. Zum Mittagessen gibt es auf der Terrasse zubereitete Rösti. Der Hotelkoch ist etwas traurig, dass wir nicht im Restaurant essen, sind wir doch fast die einzigen Gäste… Obwohl wir auch diesen Abend wieder auf Spinnenjagd gehen müssen, sind wir froh, in der Nähe von der Kfz-Werkstatt übernachten und duschen zu können. Dass bei der Dusche nur der Warmwasserhahn geht und trotzdem eiskaltes Wasser rauskommt, ist ja nur ein Detail. Ach ja, die Eidechse und das "Blatt-Insekt" haben wir natürlich laufen lassen...

7. Juli 2008

Da laut Aussage von Markus Lehner ein Kunde kürzlich beim Herauffahren auf die Rampe von derselben gestürzt ist und es sehr mühsam war, das Fahrzeug wieder flottzukriegen, dürfen nur noch der Werkstattchef und Markus Lehner die Autos auf die Rampe fahren. Widerwillig erklären wir uns einverstanden, dass nicht Helen oder Markus, sondern der Missionar unseren Santi auf die Rampe hochfährt. Etwas erstaunt nehmen wir zur Kenntnis, dass er am Verteilergetriebeschalthebel herumwürgt wie ein Elefant, und beim Herauffahren auf die Rampe kleine Kurven fährt. Anschliessend teilt er uns mit, dass unsere Anwesenheit von den Mechanikern nicht gewünscht werde, weshalb wir uns in eine Ecke verziehen und die Männer arbeiten lassen. Er dagegen verabschiedet sich und macht mit ein paar Bekannten einen Ausflug, wobei er uns erklärt, am Nachmittag wieder in der Garage einzutreffen.

Manchmal wäre Ungehorsam die bessere Variante, denn die Mechaniker rücken der noch erhaltenen Blattfeder mit der Trennscheibe zu Leibe. Nachdem sie diese noch intakte Blattfeder zerstört haben, stellen sie fest, dass die von ihnen angedachte Ersatzfeder (ein Blattfederpaket einer Toyota Landcruiser-Hinterachse) viel zu lang ist. Deshalb schweissen sie die gebrochene und die zerstörte Blattfeder kurzerhand wieder zusammen. Von den zur Verfügung stehenden Alternativen (Montage der geschweissten Blattfeder mit einem zusätzlichen Federblatt oder Montage eines Land Rover-Federpaketes) erscheint uns Letzteres als das Sinnvollere. Aber erst auf unser nachdrückliches Verlangen, ein Land Rover-Blattfederpaket zu montieren, sind sie bereit, ein solches zu organisieren. Sich nerven bringt nichts, aber es ist nicht immer einfach, ruhig zu bleiben! Nach vielen Stunden sind die beiden Blattfederpakete endlich montiert, und der Santi wäre abfahrbereit. Ja, richtig gelesen: Wäre. Wenn die Sache mit dem Verteilergetriebeschalthebel nicht gewesen wäre. Unser Santana hält viel aus, aber kein Herumgewürge an diesem Schalthebel. Jetzt ist er völlig blockiert. Unter der Anleitung von Markus wird der Schalthebel ausgebaut, der Mechanismus wieder gerichtet und der Schalthebel anschliessend wieder eingebaut. Leider hat Markus sich während des Einbaus kurz mit dem Missionar unterhalten, welcher anfänglich abstritt, einen Fehler gemacht zu haben. Die Folge ist ein fehlerhafter Wiedereinbau und ein Schalthebel, der wiederum blockiert ist. Mittlerweile ist es dunkel geworden, und mit Stirnlampen wird die gleiche Übung wiederholt. Der Missionar meint, wenn er gewusst hätte, dass es sich bei unserem Auto um einen Santana und nicht um einen Land Rover handle, dass ein Santana kein Herumgewürge am Verteilergetriebeschalthebel ertrage, beim Santana zwischen Zwei- und Allradantrieb gewählt werden könne und beim Allradmodus automatisch das Mitteldifferential gesperrt werde - ja dann wäre das alles nicht passiert. Bleibt anzumerken, dass unser Auto vorne, hinten und auf dem Lenkrad mit "Santana" angeschrieben ist und auf dem Verteilergetriebeschalthebel sogar für stark Sehschwache klar ersichtlich 2H - 4H - 4L steht. Markus würde diesen fachunkundigen, besserwisserischen und hochnäsigen Missionar am liebsten auf dem direkten Weg ins Paradies befördern, aber seine gute Kinderstube und Helen können ihn daran hindern. Dass kaum ein Wort des Bedauerns über seine Lippen kommt und seine Rechnung abenteuerlich hoch ausfällt, passt ins Gesamtbild dieses fragwürdigen Missionars. Empfehlen können wir diese Kfz-Werkstatt beim besten Willen niemandem!

Zufälligerweise fahren während der Blattfedermontage Andy und Edie Bartharpe, die wir in Lusaka auf dem Shoprite-Parkplatz getroffen haben und mit ihrem Land Rover 110 bis Weihnachten zu Hause (in Grossbritannien) einzutreffen gedenken, auf den Innenhof der Garage. Sie residieren momentan in der Utengule Coffee Lodge und ermuntern uns, die kommende Nacht auch dort zu verbringen. Weil der Einbau des Verteilergetriebeschalthebels insgesamt gut fünf Stunden dauert, fährt Andy um sechs Uhr extra von der Utengule-Lodge zu uns in die Garage, damit er, falls wir unser Auto dort lassen müssten, mit ihm in die Lodge mitfahren könnten. Diese Geste freut uns ausserordentlich und wir versichern ihm, dass wir, sobald der Santi wieder fahrbereit ist, zu dieser Lodge fahren würden. Dort angekommen, übernachten wir direkt auf dem Vorplatz ihres Bungalows und dürfen sogar ihr Badezimmer benützen. Nach der sehr negativ ausgefallenen Erfahrung mit dem Missionar freuen uns die Menschlichkeit, Freundlichkeit und Offenheit dieses älteren Ehepaares ausserordentlich.

8. Juli 2008

Durch den Ärger der Reparatur kommen wir kaum zum Schlaf. Umso mehr freuen wir uns, dass wir mit Andy und Edie in der Utengule Coffee Lodge hervorragend frühstücken. Daraufhin verabschieden wir uns und starten westwärts auf einer guten Teerstrasse in Richtung Tunduma, wo wir wieder auf die fürchterliche Rüttelpiste gelangen. Tunduma ist eine typische Grenzstadt - es wimmelt überall von Menschen und überall stapelt sich der Abfall. In diesem Sinne darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass Afrika nicht nur über wunderschöne Gegenden, spannende Kulturen und interessante Menschen verfügt, sondern dass auch diese traurige "Abfallbeseitigung und Abfallverwertung" dazugehört.

Nur sehr vorsichtig fahren wir auf dieser wirklich elenden Piste, welche uns dafür bis auf 2'300 m.ü.M. führt, und erreichen Sumbawanga bei tiefster Dunkelheit. Unseren ursprünglichen Plan, im Missionshotel zu übernachten verwerfen wir bald, da wir auf der Suche nach demselbigen einen guten Übernachtungsplatz im Innenhof des Forest Inn finden. Mehrmals erklären wir dem Personal unseren Wunsch, weder etwas Essen noch im Restaurant Platz nehmen zu wollen, sondern nur noch schlafen möchten. Wir sind froh, schon beim Fahren unser vorgekochtes Essen herunter geschlungen zu haben, so dass wir uns nach 12 Stunden Autofahrt müde in unseren  Schlafsack einmummeln. Schliesslich soll es morgen um sechs Uhr früh weitergehen.

9. Juli bis 11. Juli 2008

Frühmorgens tanken wir etwas Diesel und befinden uns bald darauf auf einer einsamen Piste in Richtung Norden. Unser Ziel ist es, Tansania im Westen möglichst rasch in nördlicher Richtung zu durchqueren und in Rwanda die Gorillas zu besuchen.

Unterwegas fahren wir durch riesige Ebenen, aus denen ein paar Hügel herausragen, und wir wähnen uns wie in der Prärie. Die wenigen Menschen, denen wir begegnen, sind grossteils sehr scheu und zurückhaltend. Wie in unserem Führer richtig ausgeführt wird, ist der Westen von Tansania touristisch weder erschlossen noch attraktiv. Dies erklärt wohl die Zurückhaltung der Einheimischen gegenüber weissen Touristen. Bei einem Mann jedoch ist der Stolz über seinen Schmuck grösser als seine Zurückhaltung. Am ganzen Körper trägt er Unmengen von Reifen. Sogar der Hals ist bedeckt mit farbigen Ketten.

Mehrheitlich ist die Piste schlecht bis sehr schlecht, ab und zu darf aber auch das Autobahn-Feeling aufkommen. Teilweise wird die Piste neu gebaut. Hierzu schlagen die Strassenarbeiter eine mindestens 10 Meter breite Bresche durch den Wald. Auf einer solchen Neubaustrecke machen wir einen Fotohalt. Leider merken wir zu spät, dass wir uns in einem Tsetse-Fliegen verseuchten Gebiet befinden und diese Viecher in Scharen in unser Auto eindringen. Während Markus in Ruhe die Strasse fotografiert, kämpft Helen tapfer um ihr Leben. Entsetzt springt Markus zur Hilfestellung herbei und legt vor lauter Aufregung den Fotoapparat neben das Auto auf die Erde. Als dann endlich alle Tsetse-Fliegen vertrieben sind, geht die Fahrt auch wieder weiter. Während Helen fährt, bemerkt Markus in seinem Blickwinkel etwas Schwarzes. Dass es sich bei diesem schwarzen Ding um unseren Fotoapparat handelt, bemerken wir leider erst bei unserem nächsten Fotohalt, welcher sich 7 km weiter befindet. Unser Fotoapparat bleibt also ihm wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke. Total aufgewühlt fahren wir im Tempo des vierfach gehetzten Affen (schnell wie ein ICE) zurück und beten, dass unser Fotoapparat noch von niemandem gefunden oder überfahren worden ist. Als wir in der Ferne am Strassenrand etwas Schwarzes entdecken, fällt uns ein Stein vom Herzen! Wir haben unseren geliebten Fotoapparat wieder.

Wie für den Mauerbau verwendete Lehmziegel hergestellt werden, haben wir in Moçambique erklärt. Dass auf eine ähnliche Art und Weise riesige Rohre hergestellt werden, erfahren wir erst, wie wir einen kleinen Fluss überqueren und am Flussufer eine "Rohrwerkstatt" bemerken. Im wahrsten Sinne des Wortes liegen hunderte von Rohrteilen mit einem Durchmesser von ca. einem Meter nebeneinander und werden von Sonne und Wind getrocknet.

Bald darauf geht es durch den von unzähligen Tsetse-Fliegen verseuchten Katavi Nationalpark. Die Piste wird zunehmend schlechter und wechselt sich ab und zu mit Sandpassagen ab. Der ursprünglich tierreiche Nationalpark erweist sich als wie leergefegt. Die einzigen Tiere, die wir zu sehen bekommen, sind Tsetse-Fliegen. Diese Viecher haben die überaus lästige Angewohnheit, sich an der Karosserie und den vor die Fenster gespannten Moskitonetzen festzukrallen und so mit uns durch den Park zu reisen. Obwohl wir uns beim Kochen langärmlig anziehen und alle nicht bedeckten Körperstellen mit reichlich "Daylong Sun & Pic 25" einstreichen, umschwirren uns die Tsetse-Fliegen und wollen uns stechen. Damit die Tsetse-Fliegen nicht auf uns landen können, tanzen wir um unseren Kochtopf und hüpfen regelrecht ins Auto. Dank all dieser etwas lustig anmutenden, aber überaus wirksamen Massnahmen bleiben wir frei von Stichen der Tsetse-Fliegen, und kein einziges Viech findet den Weg ins Innere des Autos. 

Nach einer knappen Tagesreise erreichen wir Mpanda. Dieser Ort dient vor allem dem Güterumschlag von der Bahn auf Lkws. Von hier aus werden tonnenweise Hilfsgüter in die im äussersten Westen von Tansania angesiedelten Flüchtlingslager gekarrt. Von Mpanda führt uns die Piste während einem knappen Tag nach Uvinza. Während der gesamten Fahrt sind wir wiederum von Tsetse-Fliegen umgeben, und uns wird klar, weshalb die Menschen das Gebiet diesen Plagegeistern überlassen haben. Viehzucht ist nicht möglich (die Schlafkrankheit wird sowohl auf den Menschen wie auch auf Vieh übertragen), und das Leben mit den Tsetse-Fliegen ist kaum möglich, zumal der Stich eines solchen Insekts ziemlich schmerzhaft sein soll (zum Glück blieb uns diese Erfahrung erspart!) und eine Infektion mit der sog. Schlafkrankheit ohne medizinische Versorgung früher oder später zum Tode führt. Unterwegs treffen wir denn auch auf mehrere verlassene Siedlungen, und die wenigen bewohnten Siedlungen kündigen sich schon von weitem aufgrund der verbrannten Erde an. Der Begriff "verbrannte Erde" ist durchaus wörtlich gemeint, denn um die Tsetse-Fliegen von den Siedlungen fern zu halten, brennen die Menschen das Gebiet um die Häuser weiträumig und immer wieder ab. Es handelt sich dabei um kontrollierte Buschfeuer, die sich langsam entlang der Piste und um die Dörfer ihren Weg durch den Mopanewald brennen.

Wir fahren über zum Teil scharfkantige Stufen an steilen und sehr steinigen Steigungen, bis wir ca. 20 km vor Uvinza auf einen mit Holz vollbeladenen Lkw treffen, der sich vor uns langsam über die Piste quält. Wie wir ihn überholen, stellen wir fest, dass es sich beileibe nicht um den einzigen Lkw handelt. Im Gegenteil, vor uns schlängelt sich eine ganze Reihe von Lkws in Richtung Uvinza, und allesamt sind bis zum Bersten mit Holz beladen. Ab und zu fällt ein Stück Holz auf die Piste, wobei es sich bei diesen "Stücken" um rund einen Meter lange Baumstammteile handelt, denen man irgendwie ausweichen sollte... Das Holz wird übrigens in das Salzwerk von Uvinza transportiert, wo seit 1904 aus dem salzhaltigen Wasser des Flusses "Malagarasi" Salz gewonnen wird. Das Flusswasser wird per Holzheizung aufgeheizt und das durch Verdunstung gewonnenen Kochsalz nach Rwanda, Burundi und Uganda exportiert. Die Grösse der mittlerweile abgeholzten Fläche kann man sich ja vorstellen... Die Bevölkerung lässt das Flusswasser auch selber verdunsten und verkauft das dergestalt gewonnene Salz in kleinen Säckchen am Strassenrand.

Die Weiterfahrt via Kasulu nach Kibondo ist wenig abwechslungsreich; die Piste bleibt mühsam und knüppelhart. Wenigstens nimmt die Population von Tsetse-Fliegen langsam aber stetig ab. In Kibondo machen wir uns auf die Suche nach einer Übernachtungsgelegenheit. Da uns die Guesthouses nicht besonders zusagen, klopfen wir beim UNHCR an und fragen, ob wir unser Auto bei ihnen im umzäunten Gelände für eine Nacht einstellen dürften. Obwohl auf dem Gelände hunderte von Fahrzeugen Platz hätten, werden wir mit fadenscheinigen Begründungen abgewiesen. Unter anderem wird vorgebracht, nur UNHCR-Mitglieder dürfen das Gelände betreten. Leider bleibt unser umgehend vorgebrachtes Begehren, UNHCR-Mitglied zu werden, unbeantwortet... Wenigstens führt uns ein Security-Mitarbeiter zu einem Guesthouse mit einem umzäunten und bewachten Parkplatz, wo wir denn auch die Nacht verbringen.

In Nyakasanza treffen wir nach knapp 1'000 km brutal harter und materialbeanspruchender Piste auf die Teerstrasse. In den vergangenen Tagen bzw. seit Sumbawanga sind wir praktisch nur noch Fahrzeugen der UNO, vom UNHCR, vom WFP oder von anderen Hilfsorganisationen begegnet. Wie bereits in Moçambique ist uns auch hier wieder aufgefallen, wie rücksichtslos die Mitarbeiter dieser Organisationen mit dem ihnen zur Verfügung gestellten Material umgehen. Egal ob per Lkw oder per luxuriösem Landcruiser (Standardfahrzeug dieser Organisationen) - wie auch die Einheimischen fahren sie auf Teufel komm raus. Mit ungeheurem Tempo flitzen sie über die Pisten und sind dabei darauf angewiesen, dass ihnen entgegenkommende Fahrzeuge ausweichen. Mehrmals beobachten wir, wie insbesondere die Landcruiser durch Kurven schlittern und nur mit grosser Mühe nicht von der Piste abkommen.

Kinderarbeit ist ein Thema, welches uns in Afrika immer wieder begegnet. Uns tun diese Kinder leid, wird ihnen doch ihre ganze Kindheit "weggenommen". Zudem ist es fraglich, ob sich die bereits in jungen Jahren verrichtete Arbeit positiv auf die körperliche Entwicklung auswirkt. Was sich sicherlich nicht positiv auswirkt, ist der Umstand, dass diesen Kindern der Schulbesuch oft verunmöglicht wird, weil den Eltern das Schulgeld fehlt bzw. sie auf die Mitarbeit der Kinder angewiesen sind. Unseres Erachtens wäre es angebracht, wenn sich die Hilfsorganisationen dieses Themas etwas verstärkt annehmen würden, statt dort "Hilfe" zu leisten, wo keine Hilfe mehr benötigt wird.

Zwar haben wir unser Ziel, Tansania im Westen auf fürchterlichen Pisten innerhalb von fünf Tagen zu durchqueren, geschafft, haben uns aber aufgrund der nervigen und aggressiven Tsetse-Fliegen fast keine Stopps und keine Mittagspausen gegönnt. Wegen dieser tagaktiven Viecher sind wir am Morgen bereits um sechs Uhr aufgestanden und bis zum Eindunkeln durchgefahren. Dies macht sich durch eine tiefe Müdigkeit bemerkbar und wir beabsichtigen, uns in Kigali etwas zu erholen.

Nach Nyakasanza sind es nur noch wenige Kilometer auf guter Teerstrasse bis zur Grenze. Die Strasse windet sich in vielen Kurven durch Berge, und in der Ferne lassen sich viele Hügel entdecken, die von weitem wie mit Samt überzogen aussehen. Die Ausreiseformalitäten gehen wie so oft zügig vonstatten, und schon bald überqueren wir den Grenzfluss Kagera, welcher sich als braune Brühe entpuppt. Von der rwandischen Schlagbaumbedienerin erhalten wir sogar die Erlaubnis,...

Rwanda

12. Juli 2008

...den Fluss und den Wasserfall zu fotografieren. Die Einreise wäre auch unproblematisch gewesen, wenn wir einen Visumsantrag per Internet oder in einer ausländischen Botschaft ausgefüllt hätten. Was wir jedoch nicht gemacht haben. Aber zum Glück haben wir mit dem Grenzbeamten von Anfang an nur und ausschliesslich französisch gesprochen. Seine Freude über unser Französisch zeigte er damit, dass er uns ohne weitere Umstände - und insbesondere ohne Visumsanträge - das Visum in den Pass stempelte. Er machte uns danach trotzdem darauf aufmerksam, dass wir anderen Reisenden mitteilen sollen, dass die Ausstellung eines Visums an der Grenze ohne vorgängigen Visumsantrag grundsätzlich nicht möglich ist.

Nach 40 Minuten ist der ganze Papierkram erledigt, und nachdem wir die Rusuma-Falls fotografiert haben, werweissen wir, ob wir nun auf der rechten oder linken Strassenseite fahren sollen. Rwanda ist tatsächlich das erste Land unserer Afrikareise, in welchem auf der rechten Strassenseite gefahren wird!

Von der enormen Fruchtbarkeit und dem satten Grün werden wir förmlich erschlagen. Es wimmelt von riesigen Bananenplantagen und tiefgrünen Feldern. Uns beeindruckt, wie auch noch die kleinste Ecke eines jeden Hügels beackert wird. Teilweise stehen die Häuser sogar mitten in den Bananenplantagen! A propos Hügel: Rwanda wird nicht zu Unrecht als das Land der tausend Hügel genannt: Die Strasse in Richtung Kigali windet sich nämlich durch unzählige Kurven, kleine Dörfer und über viele Hügel, zum Teil sogar mitten durch Bananenplantagen.

Trotz wunderbarer Landschaft bleiben wir um halb drei Uhr plötzlich auf der Strasse stehen. Nicht etwa, dass wir keinen Diesel mehr hätten oder wir etwas kaufen wollten - sondern weil sich der Hauptkeilriemen auf Wanderschaft gemacht hat! Es ist Samstagnachmittag und somit die perfekte Zeit - schliesslich hat um diese Zeit jede Garage geöffnet... Garage? Der nächste Mechaniker ist lediglich sieben Kilometer von uns entfernt. Dies erfahren wir durch einige Einheimische, welche sich rasch um unser Auto zu scharen beginnen. Sogar der Bezirksverwalter und ein Polizist sorgen sich um uns und vertreiben gelegentlich die immer wieder sich versammelnden Menschen. Wir sind froh, denn es gilt nun, kühlen Kopf zu bewahren. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Werkzeugkiste und das Santana-Handbuch hervorzuholen und sich um den Keilriemen zu kümmern. Da wir bisher noch nichts gegessen haben, kocht Helen einen grossen Topf Spaghetti. Mit der Zeit stellt Marks fest, dass das eigentliche Problem nicht der Keilriemen, sondern der Alternator ist. Hier stösst er trotz dem Handbuch mit seinem Latein bzw. seinen Mechanikerkenntnissen ans Ende. Es gilt deshalb, den Mechaniker holen zu lassen. Die Einheimischen sind sehr hilfsbereit und organisieren sofort ein Transportmittel, um den Auto- und Motorradmechaniker zu holen. Als dieser ankommt, stellen wir gemeinsam fest, dass sich eine Unterlagsscheibe in Metallstaub aufgelöst hat und sich dadurch ein Kugellager im Alternator nicht mehr richtig dreht. Nach insgesamt rund siebeneinhalb Stunden Reparaturversuche und behelfsmässiger Reparatur ist es soweit: Der Alternator lädt die Batterie wieder! Zwar macht er immer noch Geräusche, die er nicht machen sollte, aber wenigstens können wir weiterfahren. Da es bereits zehn Uhr abends ist, lädt uns der Bezirksverwalter ein, vor seinem Büro zu übernachten. Er zeigt sich auch sonst die ganze Zeit über sehr zuvorkommend und hilft, wo er nur kann. Um halb elf Uhr in der Nacht essen wir die bereits kalten Spaghetti und klettern todmüde in unsere Schlafsäcke.

13. Juli 2008

Nach dem Aufstehen bringt uns der Bezirksverwalter Duschwasser und lädt uns ein, in der Toilette seines Büros zu duschen. Da er sogar warmes Duschwasser mitbrachte, können wir nicht nein sagen und verschwinden im Räumchen. Duschen auf rwandisch heisst folgendes: Man steht in einem runden, rund 15 cm hohen Plastikbecken mit einem Durchmesser von ca. 80 cm und schüttet sich das vorher in einer Giesskanne vorbereitete Duschwasser über den Körper. Wir sind gespannt, wie dies klappen wird... Uns beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit und welchem Stolz der Bezirksverwalter uns diesen Duschvorgang erklärt. Nach einem Abschiedsfoto mit ihm machen wir uns wieder an die Arbeit, um dem seltsamen Geräusch des Alternators nachzugehen.

Markus geht der Sache nochmals auf den Grund und lockert im Ergebnis die Spannung des Keilriemens. Danach fahren wir mit möglichst geringer Drehzahl (900 U/min im dritten Gang = 30 km/h...) nach Kigali, um den Alternator nicht unnötig zu beanspruchen. Sobald es bergab geht, wird ausgekuppelt. Langsamt tuckern wir Kigali entgegen, lassen uns aber trotz der technischen Schwierigkeiten, mit denen wir momentan zu kämpfen haben, einen typisch afrikanischen Markt nicht entgehen. Hier gibt es wohl alles zu kaufen - vorausgesetzt, man findet es.

Zum Glück erreichen wir die grossflächige rwandische Hauptstadt und quartieren uns im Kigali Serena Hotel ein. Es handelt sich hierbei gemäss unserem Reiseführer um das einzige Hotel der Stadt mit bewachtem Parkplatz. Zudem ist es so zentral gelegen, dass man das Zentrum zu Fuss rasch erreichen kann.

14. bis 18. Juli 2008

Um acht Uhr stehen wir bereits vor der Akagara-Garage im Stadtzentrum. Diese Garage kann uns gemäss dem Receptionisten unseres Hotels am besten weiterhelfen. Ein Mitarbeiter verweist uns aufgrund der Marke des Alternators (Bosch) zur Garage AZ Impex (Gikondo, Box, 77 Kigali, Tel: +250-576594. 5/7624, Email:azimpex@rwanda1.com). Dort sollen wir uns an Eleftrios Mitraros, den Chef du Garage, wenden. Er soll ein erfahrener und hervorragender Mechaniker sein. Kurz darauf stehen wir auch schon in dieser Garage und schildern Eleftrios Mitraros unser Problem mit dem Alternator. Gleich beauftragt er einen Mechaniker mit dem Ausbau des Alternators. Nach rund drei Stunden ist der Alternator ausgebaut. Kurz vor dem Mittagessen wird ein Mitarbeiter namens François losgeschickt, um in der Stadt einen baugleichen Alternator zu suchen. Mitraros erklärt uns, dass es etwas schwierig sein könnte, in Afrika und insbesondere in Rwanda einen 90-A-Alternator zu finden. Üblicherweise gibt es nur Alternatoren mit einer massiv geringeren Ampère-Zahl zu kaufen. Während alle Mechaniker in den Mittag gehen, bleiben wir dort und kochen uns mit unserem Gaskocher Reis. Nach langer Warterei erscheint kurz vor fünf Uhr François wieder und bestätigt Mitraros’ Vorahnung. Während der Wartezeit begutachtet Mitraros unser Fahrwerk und erklärt uns, dass die in Mbalizi eingebauten kenianischen Vorderradfedern aufgrund des falschen Winkels der Federaufhängung gar nicht einfedern können. Er empfiehlt uns deswegen dringend einen Wechsel der Vorderradfedern. Nach genauer Abklärung der Sicherheitslage in der Garage (es gibt dort drei Wächter!) verlassen wir schweren Herzens unseren Santi und kehren am Abend etwas geknickt in unser Hotel zurück.

Nie im Leben hätten wir jemals gedacht, die nächsten drei Tage von morgens bis abends in dieser Garage verbringen zu müssen. Wir haben das Gefühl, hier in dieser Garage einen neuen Job gefunden zu haben. Frühmorgens stehen wir in der Garage und bleiben dort, bis der letzte Mechaniker gegangen ist - schliesslich wollen wir in der Probezeit nicht durch Unpünktlichkeit auffallen...

Unser Mittagessen kochen wir neben dem Santi und sitzen den ganzen Tag neben unserem Auto. Wie ein Bauer mit seinem vollbeladenen Lieferwagen vorbeikommt und den Arbeitern diverses Gemüse und Früchte verkauft, schenkt uns Mitraros ein paar Maracujas und einen ganzen Sack voll Roseil de cape. Es ist das erste Mal, dass wir typisch rwandische Früchte probieren - wir sind überrascht, wie gut sie uns munden.

Am vierten Tag werden wir von Mitraros zu sich nach Hause zu einem exzellenten Mittagessen eingeladen. Bei dieser Gelegenheit klärt er uns über die in Rwanda wachsenden Früchte auf. Wer hätte gedacht, dass es rund zwanzig verschiede Avocadossorten gibt und was Pilipili ist? Ausserdem berichtet er uns etwas von seinen spannenden Rallye-Abenteuern (er ist ein äusserst erfolgreicher Rallyefahrer und seine unzähligen Pokale könnten ein ganzes Zimmer füllen). Wir sind froh, einmal nicht in der Garage essen zu müssen, und hoffen, dass unsere Probezeit bald vorüber ist...

Aber eigentlich bezwecken wir mit unserer dauernden Anwesenheit etwas ganz Anderes. Es geht uns darum, unseren Santi nicht irgendwelchen Mechanikern zu überlassen. Wir wollen dabei sein und kontrollieren, was wie gemacht wird. Wenn wir auf Ersatzteile warten müssen, geniessen wir etwas die Sonne, studieren das Santana-Handbuch, lesen im Reiseführer, diskutieren gelegentlich mit Mechanikern und stretchen. Unsere Anwesenheit wird zwar von den Mechanikern nicht gerade besonders geschätzt, aber wenn wir nicht die ganze Zeit in der Garage gewesen wären, hätte Markus nicht gerade noch rechtzeitig eingreifen können, als ein Mechaniker mit der Brechstange versuchte, ein noch angeschraubtes Blattfederpaket vom Chassis zu reissen. Zudem hätten wir keine Erfahrungen mit dem rwandischen Arbeitstempo machen können. Für uns war es bislang unvorstellbar, dass man einen halben Tag damit verbringen kann, eine einzige Schraube zu lösen. Wir haben das Gefühl, dass sich die Mechaniker gegenseitig mit einer grösstmöglichen Lethargie zu überbieten versuchen. Oftmals betrachten sie zu dritt oder zu viert eine Schraube und diskutieren, wie sie nun vorzugehen gedenken. Nicht etwa, dass sie dann einen Schraubenschlüssel in die Hand nehmen würden – nein, nach Abschluss der Diskussionen warten sie auf das Pausen- oder Feierabendzeichen. Nach insgesamt vier Tagen haben sie den geringfügig revidierten Alternator wieder eingebaut (durch die zu grosse Spannung des Keilriemens hat sich das Kugellager im Alternator erhitzt und sich beinahe festgesetzt), einen hinteren Stossdämpfer ausgebaut und neue Vorderradfedern montiert. Wie uns das Arbeitsergebnis präsentiert wird und wir sehen, dass der Federweg der Vorderräder gerade noch einen knappen Zentimeter beträgt, platzt uns der Kragen. Nachdem die Mechaniker in den Feierabend entlassen wurden, bringen wir unseren Ärger über die Arbeitsweise und das Arbeitstempo gegenüber Mitraros deutlich zum Ausdruck. Während Helen vor lauter Verzweiflung zu weinen beginnt, strapaziert Markus seine Stimmbänder bis zur Heiserkeit. Unsere Unzufriedenheit bewirkt ein gutes Gespräch mit Mitraros und er bittet uns, am darauf folgenden Tag erst um halb elf Uhr in der Garage zu sein. Dies deswegen, weil unsere Anwesenheit die Arbeiter blockieren und bei der Arbeit behindern soll. Ausserdem erklärt er uns, dass Kunden grundsätzlich ohnehin nie im Innenhof der Garage verweilen dürfen. Offenbar haben unsere offenen Worte etwas bewirkt, denn innerhalb eines halben Tages werden alle Stossdämpfer ersetzt (die europäischen "one-way-Stossdämpfer" werden durch afrikataugliche "double-way-Stossdämpfer" ersetzt) und die Vorderradfedern so modifiziert, dass wir wieder über ein geländegängiges Fahrzeug verfügen. Wenn die Rwander wollen, können sie sehr rasch und gut arbeiten, aber das mit dem Wollen hapert leider meistens etwas…Trotz Ärger und fünf schlaflosen Nächten haben wir sehr gute Bekanntschaften schliessen können und doch einiges über die rwandische Kultur und Landwirtschaft erfahren. Nun hoffen wir auf einen gesunden und einsatzfähigen Santi und für uns wieder etwas mehr Schlaf.

Etwas Positives gilt es unserer Arbeitsstelle in Kigali dennoch abzugewinnen: Wir haben unsere Französischkenntnisse wieder aufgefrischt und können zusätzlich sämtliche Bestandteile des Fahrwerks unseres Autos auf französisch und auf englisch benennen! Im Nachhinein können wir über unseren Garagenaufenthalt lachen und sind froh, den Santi wieder bei uns zu haben.

19. Juli 2008

Heute wollen wir eigentlich relaxen, aber leider geht dies auch nach unserer Probezeit in der Garage nicht. Warum? Ganz einfach: Am Dienstag soll es zu den Gorillas gehen, und vorher wollen wir die Homepage aktualisieren und unseren Santi testen. Deshalb planen wir einen Abstecher via Kibuye zum Lac Kivu und dann weiter nach Gisenyi. Am Abend ist die Homepage aktualisiert, die Route geplant, das Gepäck verstaut, und die Lebensmittelvorräte aufgefüllt. Nun freuen wir uns, endlich bald wieder im Santi sitzen zu können.

20. Juli 2008

Nachdem Panther sein üppiges Abendessen verdaut hat (siehe Best of Panther), machen wir uns auf den Weg in Richtung Kibuye, welches aufgrud des Klimas als "la Suisse africaine" gilt. Schon bald treffen wir in Gitarama ein und suchen den Weg nach Kibuye, den wir nach einer kleinen Irrfahrt denn auch finden. Bis jetzt haben uns die Strassenkarten vom Reise Know-how-Verlag immer gute Dienste geleistet, aber im westlichen Teil von Rwanda sind insbesondere die Distanzangaben schlicht und einfach falsch. Die Strecke von Gitarama nach Rubengera ist nämlich nicht 39 km lang, sondern gute 110 km länger. Die Strasse windet sich wie eine Passstrasse in unzähligen Kurven durch die hügelige und grüne Landschaft, und wir pendeln dauernd zwischen 1'600 m.ü.M. und 2'500 m.ü.M. Wir staunen über die üppige Fruchtbarkeit Rwandas. Auch noch das kleinste Fleckchen Erde wird bepflanzt, und auch auf einer Höhe von über 2'500 m.ü.M. profitiert die Bevölkerung vom für die Landwirtschaft idealen Klima. Noch etwas fällt uns auf: In ganz Rwanda haben wir praktisch kein sauberes Wasser gesehen. Bach- und Flussläufe sind allesamt tiefbraun.

Nach Rubengera geht es auf einer Naturpiste direkt nach Gisenyi. Gisenyi liegt auf 1'480 m Höhe am Nordende des 2'650 km2 grossen Lac Kivu, der als landschaftlich schönster See des Zentralafrikanischen Grabenbruchs gilt. Leider beträgt die Distanz zwischen den beiden Ortschaften nicht 50 km, sondern knapp 100 km. Dies führt dazu, dass wir unserer zeitlichen Planung nicht nachkommen können und erst weit nach Einbruch der Dunkelheit in Gisenyi ankommen. Zum Glück finden wir das Hotel "Lake Kivu Serena" nach einem unfreiwilligen Abstecher an die Grenze zur Demokratischen Republik Kongo bald und können uns von der heutigen Passfahrt erholen. Trotz der Nachtfahrt haben sich die Strapazen dieser Strecke gelohnt. So haben wir zum Beispiel grossflächige Plantagen des berühmten Kibuye-Tees gesehen, und auch ein selbst gezimmertes Fahrrad kreuzte unseren Weg. Wie schon in anderen Ländern stellen wir fest, wie nach Einbruch der Dunkelheit viel mehr Menschen unterwegs sind als bei Tageslicht. Insbesondere in den Dörfern sind die Strassen richtiggehend vollgestopft mit Menschen! Den Weg von Rubengera nach Gisenyi legen wir übrigens nicht ganz allein zurück. Ein Überlandbus, der sich in überaus akrobatischer Manier durch die engen Kurven und über den steinigen Weg quält, überholt uns oft, und wenn er in einer Ortschaft anhält, überholen wir ihn. Die Überholmanöver entwickeln sich zum Gaudi der Buspassagiere, und beim letzten Überholmanöver werden wir zum beliebten Fotosujet der Buspassagiere. Dass wir uns jeweils per Hupkonzert verabschieden, versteht sich wohl von selbst...

21. Juli 2008

Trotz dem Blick auf den riesigen Lac Kivu beginnt der Tag für uns nicht gerade erfreulich, denn Markus' Rücken macht sich wieder einmal mit Schmerzen bemerkbar. Irgendwie waren die Tage in der Garage zu nervenaufreibend und stressig. Beim Frühstück werweissen wir lange hin und her, ob wir den morgigen Besuch der Gorillas im Parc National de Volcans auch wahrnehmen wollen bzw. können. Handelt es sich dabei doch um eine längere Wanderung durch den Regenwald, welcher den Rücken nicht gerade schonen wird. Markus nimmt einige Medikamente zu sich, und Helen massiert die verspannte Muskulatur. Nachdem sich Markus etwas entspannt hat und sein Rücken wirklich etwas schmerzfreier geworden ist, machen wir uns auf die Weiterfahrt in Richtung Gorillas. Damit sich Markus weiter entspannen kann, übernimmt Helen das Steuer und fährt via Ruhengeri nach Kinigi, wo wir beim dortigen Guesthouse den Santi parkieren. Hier machen wir unsere Kleider und Fotokameras für den einmaligen Ausflug zu den letzten noch in Freiheit lebenden Berggorillas bereit. Helen überrascht Markus mit zwei aus der Schweiz mitgenommen T-Shirts der Marke "Julius and Friends" - wenn man schon die Gorillas besuchen geht, dann auch mit passendem T-Shirt :-).  Schon allein der Gedanke, diese interessanten Tiere "live" erleben zu können, erfreut unser Herz. Wir machen es uns im Innern des Autos bequem und schlafen mit grosser Vorfreude auf den morgigen Tag ein.

22. Juli 2008

Bereits um halb sechs Uhr stehen wir auf, ziehen die passenden Kleider für das Trekking an, frühstücken, und packen den Rest in unsere Rucksäcke. Dann heisst es, den Santi zu starten und zum Treffpunkt zu fahren. Eine Unmenge von Touristen aus den verschiedensten Ländern steht umher und wartet auf weitere Anweisungen. Wir machen uns auf die Suche nach dem Chef der Führer, welchem wir erklären, dass wir heute eigentlich sehr gerne die Susa-Gorillagruppe besucht hätten, dies aber aufgrund der gestrigen Rückenschmerzen von Markus nicht möglich sei. Stattdessen würden wir gerne die Gorillagruppe "Amahoro" besuchen. Wie wir erfahren haben, soll dies nach der "Susa-Gruppe" die zweitgrösste Gorillagruppe sein. Der Führer berücksichtigt unseren Wunsch und schon bald geht es nach einigen Informationen mit weiteren sechs Personen los. Während sich die sechs Personen mit einem offiziellen Touristen-Landrover-Sammeltransport zum Eingang des Parks karren lassen, tuckern wir mit unserem Santi langsam hinterher. Irgendwann wechselt die Teerstrasse auf eine steinige und holprige Piste, welche uns nach einer Stunde im Schritttempo zum Parkeingang führt. Endlich geht kann es losgehen! Durch tiefen, dichten und düsteren Regenwald, auf matschiger und feuchter Erde geht es bergauf und bergab. Oft rutschen wir mehr als wir marschieren, doch der Gedanke, die Gorillas sehen zu können, motiviert uns zum Durchhalten.

Nach eineinhalb Stunden durch enges Dickicht ist es soweit. Die Gorillas sollen nur noch wenige Meter von uns entfernt sein. Wir bewaffnen uns mit unseren Kameras und durchstöbern das Gebüsch, wo sie sich aufhalten sollen. Und siehe da - schon erblicken wir den ersten Berggorilla! Während der nächsten Stunde dürfen wir uns in nächster Nähe zu diesen wunderschönen Tieren aufhalten. Wir schiessen unzählige Fotos, filmen die Tiere beim Essen und stellen verblüffende Ähnlichkeiten mit Menschen fest.

Zurück beim ursprünglichen Treffpunkt nehmen wir unsere Berggorilla-Trekking-Zertifikate in Empfang. Der Direktor erklärt sich sogar bereit, auch Panther eines auszustellen, war er doch auch beim Gorilla-Trekking dabei. Vor Schweiss durchnässt, aber über diesen einmaligen Besuch erfreut, kehren wir auf unseren Campingplatz zurück, wo wir uns feine Nudeln und Gemüse kochen. Vor dem Kamin im Guesthouse lassen wir unsere Kleider trocknen und geniessen unser gekochtes Essen.

23. Juli 2008

Geweckt werden wir heute nicht von Vögeln, sondern von auf das Dach prasselnden Regentropfen. Es besteht für uns deshalb keine Veranlassung, länger hier zu bleiben, weshalb wir früh aufbrechen und uns auf den Weg nach Kigali machen. Bei schlechtem Wetter geht es wieder durch eine sehr kurvenreiche und hügelige Landschaft. Auf dem Weg von Kinigi nach Ruhengeri lassen wir den Vulkan Sabinho links liegen und treffen auf eine spezielle Männergruppe. Nicht, dass sie speziell aussehen würden, vielmehr fällt uns ihre einfache und knochenharte Arbeitsweise auf. Sie durchsägen nämlich mit einer mindestens zwei Meter langen Säge dicke Holzstämme. Dies machen sie mit solch einem Talent, dass daraus ganz dünne und gleichmässige Bretter entstehen.

Unterwegs kontrolliert Markus, ob der Ölaustritt beim linken Hinterrad beseitigt ist. Leider tritt noch mehr Öl aus als vor der "Reparatur" in der Garage AZ Impex. Also steht uns ein weiterer Aufenthalt in der Garage bevor. Skeptisch werden wir von den Mechanikern beäugt, wie wir dort aufkreuzen, aber zum Glück nimmt sich Mitraros rasch der Sache an, und entgegen aller Erwartungen ist bis zum Abend der Ölaustritt beseitigt. Wären die Schrauben von den Mechanikern bereits beim ersten Mal richtig angezogen worden, hätten wir heute in Kigali etwas entspannen können... Wenigstens ist am Abend unsere Probezeit in der Garage beendet und wir können erleichtert zum Kigali Serena Hotel fahren. Dort wird uns leider mitgeteilt, dass das von uns reservierte Zimmer bereits vergeben ist, und kein Zimmer mehr für uns frei sei. Wir müssen uns deshalb nach einer anderen Übernachtungsgelegenheit mit bewachtem Parkplatz umsehen und werden nach einiger Zeit im "Hotel des Milles Collines" fündig. Zufrieden fallen wir in unsere Betten und geniessen die direkt oberhalb unseres Zimmers in voller Lautstärke gespielte Livemusik. Zudem werden mit den Geräuschen von ziehenden Stühlen und im Takt auf den Boden stampfenden Füssen verwöhnt... In diesem Hotel wurde übrigens der Kinofilm "Hotel Ruanda" gedreht, welcher die Geschichte des damaligen Hotelmanagers Paul Rusesabagina erzählt, welcher während des Genozids anno 1994 mehr als 1'200 Tutsis das Leben rettete.

24. Juli 2008

Heute besuchen wir südlich von Kigali zwei erschütternde Genozid-Gedenkstätte, nämlich die Kirchen von Ntarama und von Nyamata. In beiden Kirchen haben Tutsi während dem Genozid von 1994 Schutz gesucht. Einige Tage lebten sie in den Kirchen, bis sie von Hutus aufgespürt und martialisch umgebracht wurden. In der Kirche von Ntarama fanden rund 5'000 Tutsi den Tod, und in der Kirche von Nyamata wurden über 10'000 Tutsi umgebracht. Man kann noch heute erkennen, dass sich die Hutus mit Granaten Zutritt zu den Schutzsuchenden verschafften. In beiden Kirchen sind noch die Kleider, Schuhe und Trinkgefässe der Opfer zu sehen. Als Mahnmal sind Tausende von Schädeln und Knochen feinsäuberlich sortiert auf Metallgestellen aufgetürmt. In den Katakomben der Kirche von Nyamata, welche uns von einem jüngeren Mann gezeigt werden, befinden sich zudem mehrere hundert Särge mit jeweils 20 Skeletten. Er erzählt uns, dass er einer der wenigen Überlebenden dieses Massakers sei und dabei seine ganze Familie (insgesamt elf Personen) verloren habe. Die wenigen Überlebenden der Massaker leben heute zerstreut, und nicht wenige erlitten ein Trauma. Die Kirchen von Ntarama und Nyamata sind unheimliche, schaurige und traurige Orte. Unser Mitgefühl drücken wir durch jeweils einen Eintrag im Gästebuch und Geldspenden aus. Nachdenklich und bedrückt verlassen wir die Orte des Geschehens und kehren zurück in die Hektik der Hauptstadt.

An einer Tankstelle in Kigali tanken wir rund 250 Liter Diesel, füllen die Wassertanks auf und kaufen noch einige Lebensmittel ein, damit wir für die Weiterreise gerüstet sind - schliesslich sind wir die nächsten Tage voraussichtlich abseits von Versorgungsmöglichkeiten.

25. Juli bis 1. August 2008

Nach der gestrigen Nacht ist uns klar, dass wir die Nacht nicht mehr in diesem in die Jahre gekommenen Hotel verbringen werden. Wir dislozieren deshalb ins LAICO Umubano Hotel und erledigen einige organisatorische Sachen. Auch Helen spürt die Strapazen der letzten Tage - Fieber ist im Anmarsch. Wir werden deshalb unseren Hotelaufenthalt etwas verlängern und seit langem wieder einmal nichts tun. Das Fieber von Helen steigt in der Nacht immer wie mehr an, und sie fühlt sich elend. Ausserdem plagen sie heftige Bauchschmerzen und starke Bauchkrämpfe. Zudem ist sie so schwach, dass sie kaum aus dem Bett kommt. Aus Angst vor einer Malaria weckt sie Markus mitten in der Nacht und bittet ihn, einen Malaria-Selbsttest zu holen. Gleich darauf marschiert Markus mit seinem Pyjama und den Kampfstiefeln durch die gesamte Hotelanlage, um aus dem Santi einen Malaria-Selbsttest zu holen, welcher ein negatives Resultat ergibt. Weil Helen eine Nacht auf dem WC verbringt und sich ihre letzen Mahlzeiten nochmals durch den Kopf gehen lässt, machen wir am darauf folgenden einen zweiten Malaria-Selbsttest. Glücklicherweise fällt das Resultat auch diesmal negativ aus. Wir entscheiden uns, Helen mit Dafalgan und dem Antibiotikum Ciproflox 500 zu kurieren. Ursache des schlechten Gesundheitszustandes ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine beim ersten Morgenessen im Novotel Umubano Kigali eingenommene heisse Schokolade. Diese Schokolade war nicht mit Milch, sondern mit Leitungswasser angerührt. Helen hat also ohne ihr Wissen Leitungswasser zu sich genommen und kämpft jetzt gegen die im Leitungswasser enthaltenen Bakterien. Auch Markus hat heisse Schokolade getrunken, leidet aber lediglich unter leichten Verdauungsproblemen.

Nachdem Helen die Innenarchitektur des Hotelzimmers genügend lang studiert hat, wird es Markus zu bunt, und er bringt sie um 20 Uhr ins King Faisal Hospital in Kigali, welches sich nur gerade 500 m von unserem Hotel entfernt befindet. Dort wird Helen von Dr. Zawady  fachmännisch untersucht. Neben der Verabreichung einer Nährlösungsinfusion wird ihr Blut entnommen, Schmerz- und Beruhigungsmittel intravenös verabreicht sowie eine Stuhlprobe untersucht. Rund zwei Stunden später wird Helen entlassen. Zwar leidet sie nach wie vor unter sehr starken Bauchkrämpfen und Durchfall, aber wenigstens weiss sie sich in sicheren Händen. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht wird am nächsten Tag ihr Unterleib einer Ultraschalluntersuchung unterzogen. Diese wie auch die anderen Test weisen auf eine bakterielle Infektion hin. Nach Absprache des Arztes versuchen wir der Infektion weiterhin mit Ciproflox 500 Herr zu werden und die weiteren Beschwerden mit Dafalgan 1 g und einer Elektrolytlösung zu lindern. Es wird zwar noch einige Zeit dauern, bis die starken Bauchkrämpfe und der Durchfall vorbeigehen werden, aber hier ist wohl Geduld angesagt. Nichts desto trotz müssen wir dieses Spital in höchstem Masse loben. Sogleich bei unserer Ankunft werden wir empfangen, nur wenige Minuten müssen wir warten, und sowohl die beiden behandelnden Ärzte wie auch das Pflegepersonal weisen höchste Kompetenz auf. Ausserdem zeigen sie uns jegliche Instrumente vor deren Verwendung, damit wir uns von deren Sterilität überzeugen können. Nun ist auch klar, weshalb dieses Spital von der amerikanischen und der britschen Botschaft in Kigali wärmstens empfohlen wird.

Aufgrund des gesundheitlichen Zustandes von Helen ist eine Weiterfahrt im Moment nicht möglich. Da unser Visum jedoch auf 15 Tage beschränkt ist, müssen wir um eine Verlängerung nachsuchen. Deshalb reichen wir im Immigration Office in Kigali mit je einem Passfotos und je einem "lettre de demande" unseren Visaverlängerungsantrag ein. Danach fahren wir quer durch die ganze Stadt, um im Büro der "Rwanda Revenue Authority" die Gebühr für die Visaverlängerung (je 25'000 Francs) zu bezahlen. Jetzt hoffen wir, dass unsere beiden Anträge möglichst rasch bearbeitet werden, so dass wir nach Helens Genesung weiterfahren können. Und tatsächlich: Nach nur einem Tag Bearbeitungszeit erhalten wir unsere Pässe mit dem verlängerten Visum zurück.

Nachdem es Helen wieder etwas besser geht, versuchen wir, die in der Garage AZ Impex bezahlte Mehrwertsteuer zurückzufordern. Nach zwei Fehlschlägen landen wir im Finanzministerium, wo wir über den Mechanismus des rwandischen Mehrwertsteuersystems aufgeklärt werden: Entweder verlangen die Dienstleistungserbringer von den Touristen gar keine Mehrwertsteuer, oder aber sie verlangen die Mehrwertsteuer und übergeben den Touristen eine Kopie des ausgefüllten "Declaration Tax Form". Dieses Formular bestätigt, dass der Dienstleistungserbringer die Mehrwertsteuer der "Rwanda Revenue Authority" abgeliefert hat. Mit diesem Formular können dann die Touristen bei der "Rwanda Revenue Authority" die Mehrwertsteuer zurückverlangen, sofern sie vorgängig eine Bestätigung eingeholt haben, dass sie in Rwanda keine Steuern zahlen müssen. Da wir von AZ Impex keine Kopie des "Declaration Tax Form" erhalten haben, kreuzen wir kurze Zeit später in der Reception von AZ Impex auf und verlangen mit Erfolg unsere bezahlte Mehrwertsteuer zurück. Zwar sehr zum Missfallen des Buchhalters, aber schliesslich geht es um über 220 US-$!

Wenn wir auf dem Hotelparkplatz leere Wasserflaschen mit Wasser aus unseren Wassertanks füllen, oder Sachen ins Auto räumen bzw. das Auto aufräumen, werden wir von vielen neugierigen Menschen beobachtet. Während einige Leute um das Auto herumstehen, sind andere etwas zurückhaltender und bleiben in ihren Autos sitzen. Ein Parkplatzwächter ist sogar so frech und kommt mit einer leeren Wasserflasche vorbei mit der Bitte, sie mit unserem Wasser auffüllen zu dürfen... Auch wenn wir in Rwanda keinen einzigen Sonnentag geniessen konnten, so haben wir dennoch eine interessante und schöne Pflanzenwelt und einige spezielle Vögel gesehen.

Unser Aufenthalt in Rwanda stand nicht gerade unter einem besonders guten Stern, und wir beide haben nichts dagegen, morgen in aller Frühe Rwanda zu verlassen.

2. August 2008

Bereits um fünf Uhr werden wir wie immer während unseres Aufenthaltes in diesem Hotel vom Autolärm geweckt. Heute ist es ein irrer Autofahrer, der direkt vor dem Hotel seine neuen Bremsen testet. Wir nutzen die Zeit, stehen rasch auf, packen unsere Sachen ins Auto und stürmen das Frühstückbuffet als Erste. Wir haben einen weiten Weg vor uns und brauchen dafür genügend Energie. Zudem gilt es, noch ein paar Esswaren in Servietten einzupacken und schleunigst die Räumlichkeiten zu verlassen. Neben unserem Santi treffen wir auf ein junges Ehepaar aus der Schweiz, welches mit ihrem roten Auto in Afrika herumkurven und in Äthiopien für ein halbes Jahr in einem Hilfsprojekt mitarbeiten. Wer danach in Äthiopien ein Auto kaufen möchte, kann sich bei ihnen melden...

Nach einem kurzen Informationsaustausch fahren wir bald los.Noch ein letztes Mal geniessen wir die enorm fruchtbare und stark bebaute Landschaft. Nicht gerade unglücklich darüber, dass unsere rund 1'000 km lange Passfahrt ein Ende hat, treffen nach zweieinhalb Stunden in Rusumo ein. Die Ausreise aus Rwanda dauert nur gerade 20 Minuten, und stehen schon bald...

Tansania 2

2. August 2008

...vor dem tansanischen Grenzposten. Sowohl der Customs-Officer wie auch die Dame vom Immigrations Office erinnern sich an uns. Letztere weiss sogar noch, dass wir beide Schweizer Juristen sind! Weil Stammgästen eine Vorzugsbehandlung zukommt, dauert das Einreiseprozedere nur knapp 40 Minuten. Danach geht es zügig auf einer guten Teerstrasse bereits kurz nach der Grenze durch trockenes Grasland bis nach Shinyanga. Der Gegensatz zum satten und saftigen Grün Rwandas könnte nicht grösser sein! Die trockene Ebene wird rund 40 Kilometer vor Shinyanga durch eine Region mit tausenden von Baobabs unterbrochen. Zeitweise hat man sogar das Gefühl, durch einen regelrechten Baobabwald zu fahren!

Die in Shinyanga selbst und der näheren Umgebung wohnhaften rund 150'000 Menschen leben hauptsächlich vom Reis- und Baumwollanbau. Dank der grossflächig abgeholzten Mopanewälder ist die Tsetse-Fliege ausgerottet; dafür bilden die Feuchtgebiete des Reisanbaus ideale Brutstätten für Moskitos. Shinyanga ist mehr Durchgangs- denn Aufenthaltsort, und dementsprechend dünn gesät sind Hotels oder Guesthouses. Lange fahren wir durch die Stadt und suchen nach einer geeigneten Schlafstelle, aber vergebens. Schlussendlich fragen wir beim Kinderhilfswerk "World Vision", ob wir hinter deren Räumlichkeiten schlafen dürfen. Zu unserem Erstaunen werden wir sofort eingeladen, unser Nachtlager hier aufzuschlagen, und ein Mitarbeiter zeigt uns die Toiletten und stellt uns die Wächter mit deren Namen vor. Danach werden wir in Ruhe gelassen und verbringen mitten in der Stadt eine angenehme Nacht. Nur, das mit den Toiletten ist eine Sache für sich: Als Markus nach dem Eindunkeln die Toilette aufsuchen möchte und im matten Licht der Lampe mindestens 10 cm grosse Kakerlaken aus dem im Boden eingelassenen WC-Loch kriechen sieht, gibt er forfait und erklärt feierlich, die Blasenentleerung sei doch nicht so dringlich gewesen...

3. August 2008

Nach einem gemütlichen Frühstück und einer herzlichen Verabschiedung von den Wächtern mit Adressenaustausch (sie waren die zurückhaltendsten, zuvorkommendsten und höflichsten aller bisherigen Wächter) brechen wir auf in Richtung Norden. Wir durchqueren Shinyanga und treffen dabei auf viele Marabus, die der Stadt eine Art Totengräberstimmung verleihen.

Wie Helen in Old Shinyanga aussteigt und ein paar Fotos macht, wird sie plötzlich von einem Mann am Handgelenk festgehalten. Er redet laut auf sie ein und lässt Helen erst los, als Markus aussteigt und auf ihn zugeht. Wir möchten rasch weiterfahren, was der Mann jedoch zu verhindern versucht, indem er sich am rechten Kotflügel festhält. Das hindert Markus aber nicht daran, langsam loszufahren. Wir sind froh, wenigstens ein paar Fotos gemacht zu haben. Was der Mann von Helen genau wollte, konnten wir nicht in Erfahrung bringen - vielleicht lag es auch nur daran, dass er bereits am Morgen etwas zu tief ins Glas geblickt hat.

Nach einer guten Stunde treffen wir auf die Teerstrasse und fahren nach Mwanza. Unterwegs wird uns wieder einmal bewusst, wie wertvoll sauberes Trinkwasser ist. Was für uns in Europa eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist für Millionen von Menschen in Afrika unvorstellbar bzw. unmöglich, nämlich der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Sie sehen sich zum Teil gezwungen, Wasser aus Drecktümpeln zu schöpfen und zu trinken - Tümpel, in denen wir nicht einmal einen Fuss baden würden. Es wäre unseres Erachtens angebrachter, wenn Entwicklungshilfe im Sinne von das Grundwasser anzapfender und mit Muskelkraft betriebener Brunnen geleistet würde statt mit Kleider- und Lebensmittellieferungen in das übersättigte Moçambique!

Die Anfahrt nach Mwanza, der mit 450'000 Einwohnern zweitgrössten Stadt Tansanias, ist interessant, denn sie führt uns durch eine Gegend, in der Obelix gewohnt haben könnte. Riesige Granitfelsen liegen kreuz und quer durch- und aufeinander. Zum Teil hat man Angst, dass die ausbalancierten Steine schon beim kleinsten Windstoss umfallen könnten.

Kaum hat man Mwanza hinter sich gelassen, prägen bald die ursprünglichen Lehmhütten mit ihren Strohdächern die Landschaft. Die Bewohner sind praktisch ausschliesslich Selbstversorger, und immer wieder treffen wir auf Rinderherden, die von den Bauern zu den Wasserlöchern getrieben werden. Die Rinderherden kündigen sich jeweils durch grosse Staubwolken an. Oftmals erkennt man nur die ersten Rinder - die weiteren Tiere werden vom Staub verschluckt.

Am Ufer des Victoriasees geht es in Richtung des Serengeti National Parks. Der Victoriasees ist der grösste See Afrikas und einer der grössten Süsswasserseen der Welt. Kurz bevor wir beim Ndabaka-Gate (dem westlichen Eingang zum Serengeti National Park) eintreffen, begegnen wir zahlreichen ziemlich zahmen Affen. Man merkt sogleich, wie sich diese Affen aufgrund des Tourismus an die Menschen gewöhnt haben. Zum Teil bleiben sie mitten auf der Strasse sitzen, und wir müssen warten, bis sie wegspazieren.

Beim Gate angekommen, erwartet uns eine Hiobsbotschaft: Der Campingplatz soll USD 30 pro Person kosten! Wir können diese unverschämte Preispolitik kaum fassen, machen auf der Stelle kehrt und übernachten auf dem Campingplatz der nahe gelegenen Stop-Over-Lodge für "nur" gerade 7 USD pro Person.

4. August 2008

Nach dem Frühstück stehen wir wieder beim Ndabaka-Gate und erledigen die Eintrittsformalitäten. Der Mitarbeiter fragt uns unverfroren, wie viel wir ihm bezahlen, wenn er uns durch eine Falschdeklaration auf dem Formular ein paar Stunden Aufenthalt in der Serengeti "schenkt". Der korrupte Mitarbeiter stösst bei uns aber auf Granit, und bemerkt zum Glück total frustriert nicht einmal, dass das Leergewicht unseres Autos statt der für die niedrigsten Preisklasse maximal zulässigen zwei Tonnen immerhin 2'050 kg beträgt und er somit pro Tag USD 110 mehr verlangen könnte... Während wir auf unsere Eingangszeit warten, vergnügen wir uns etwas mit unserem Santi und testen die Festigkeit seiner Stossstange.

Die Serengeti, in der Sprache der Massai "Das endlose Land" genannt, erstreckt sich über eine Fläche von 12'600 km2 zwischen dem Kraterhochland des Ngorongoro und dem Victoriasee. Ausserdem soll er mit seinen rund drei Millionen grösseren Säugetieren der wildreichste Nationalpark der Welt sein. Beim Gate erblicken wir mehrere alte und nicht mehr unterhaltene Tsetse-Fliegenfallen, und wir vermuten sogleich, was uns in diesem Nationalpark blühen wird... Obwohl uns bekannt ist, dass sich momentan aufgrund der Migrationsbewegungen der Tiere in den Massai Mara (Nationalpark in Kenia) nicht mehr viele Tiere in der Serengeti aufhalten, möchten wir uns den Anblick einer unendlich scheinenden Savanne nicht entgehen lassen.

Langsam tuckern wir über die riesige, ausgetrocknete, in der Ferne von sanft gewellten Hügeln umgebene Grasebene und begegnen mehreren Zebras und Perlhühnern. Leider erweist sich Markus als etwas zu ungeschickter Autofahrer, so dass wir auf das ersehnte Poulet als Mittagessen verzichten müssen... Bald darauf erblicken wir in der Ferne eine grosse Büffelherde, etliche Springböcke und ein paar Giraffen. Schade, dass kein Weg zu den Tieren führt! Da wir in den Nationalparks jeweils sehr langsam unterwegs sind, entgeht unserer Aufmerksamkeit nicht einmal eine langsam vor sich hin kriechende kleine Pantherschildkröte. An einer nicht ausgetrockneten Stelle des Grumeti-Rivers stossen wir sogar auf ein riesiges Krokodil. Die hier lebenden ausgewachsenen Nilkrokodile werden bis zu einer Tonne schwer und können bis zu einem Jahr lang nichts fressen. Mindestens einmal im Jahr gibt es für sie aber ein Festmahl, denn aufgrund der jährlichen Migration überqueren Millionen von Gnus den Grumeti und werden dort zur leichten Beute der Panzerechsen. An einer weiteren Wasserstelle beobachten wir einen Schreiseeadler, der ruhig auf einem Ast sitzt und sich die Gegend anschaut.

Unweit davon stossen wir im hohen Gras auf eine Löwin, die uns in ihren Bann zieht. Sie fixiert uns mit ihren Augen. Ihr Blick schüchtert uns aber nicht ein, und wir nähern uns ihr etwas und versuchen dabei, ihre Mimik zu deuten. Ist es Langweile, Hunger, oder bloss Müdigkeit? Nach einer Viertelstunde verabschieden wir uns von ihr.

Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde fahren wir in Richtung Campingplatz. In der Dämmerung stossen wir überraschenderweise auf eine trinkende Elefantenherde. Ein Elefant ist ausserhalb des Wassers gerade daran, die Rangordnung in der Herde in Frage zu stellen. Wir können beobachten, wie er nacheinander mit zwei anderen Elefanten kämpft. Als er sich mit einem weiteren, sich nahe bei uns aufhaltenden Elefanten anlegen will, wird uns der Kampflärm etwas gar laut. Zudem möchten wir den kämpfenden Elefanten nicht im Weg stehen, weshalb wir beeindruckt von diesem einmaligen Erlebnis weiterfahren.

Auf dem Weg zum Campingplatz beginnt sich in der Ferne ein Gewitter zusammenzubrauen. Dunkel und grau verfärbt sich der Himmel, und Zeus schickt erste Blitze vom Olymp in die Serengeti.

Der uns zugewiesene Campingplatz erweist sich als Horror: Unzählige Autos stehen auf dem Parkplatz herum, und alle Grasflächen sind von Zelten belegt. Uns ist es schleierhaft, wie wir mit unserem Santi hier übernachten sollen. Ein Ranger versteht unser Problem und zeigt uns den Weg zum praktisch leeren Campingplatz "Dik Dik". Sehr zum Unwillen des dort anwesenden Führers (er hat den gesamten Campingplatz exklusiv für "seine" Touristengruppe gebucht) schlagen wir hier unser Nachtlager auf. Aufgrund des Gewitters bleibt das Dachzelt geschlossen, und wir schlafen beide im Santi auf dem Schlafbrett.

5. August 2008

Heute heisst es sehr früh aufstehen, da in den frühen Morgenstunden Tierbeobachtungen am meisten Spass machen. In der Tat treffen wir bald auf zwei grasende Büffel und sich auf dem Landgang befindende Nilpferde. Uns beeindruckt die Anmut dieser Tiere, auch wenn sie sich keinen Deut um unsere Anwesenheit kümmern. Wenig später beobachten wir eine Löwin. Wir stellen den Motor ab und frühstücken im Auto. Dies geht aber nur, weil wir vorausschauend unsere Töpfe, Corn Flakes, Milch und Zucker bereits vor der morgendlichen Abfahrt bereitgestellt haben.

Wie wir kurz darauf ein kleines Gewässer nach Krokodilen absuchen und enttäuscht weiterfahren wollen, hören wir ein grunzendes Geräusch. Seit dem Moremi Nationalpark in Botswana kennen wir dieses Geräusch und wissen, dass irgendwo ein Nilpferd leben muss. Im Laufe eines erneuten Absuchens der Wasseroberfläche glauben wir unseren Augen kaum zu trauen: Die grösste Nilpferdpopulation, die wir bisher gesehen haben, tummelt sich nur wenige Meter von uns entfernt im dreckigen Wasser. Wir steigen aus dem Auto und geniessen dieses Spektakel. Eine Unmenge von Nilpferden stöhnt, grunzt, röchelt, schnaubt und brüllt um die Wette, dass es eine wahre Freude ist!

Am Nachmittag machen wir uns auf, um bei den südlich von Seronera gelegenen Granithügeln (sog. Kopjes) nach Geparden und weiteren Löwen Ausschau zu halten. Etwas erstaunt nehmen wir zur Kenntnis, wie in dieser Gegend das Gras grossflächig abgebrannt wurde. Offenbar befürchtete die Nationalparkverwaltung negative Schlagzeilen durch von Tsetse-Fliegen gestochene Touristen und sorgte mit dem Verbrennen von Grasland für die Vertreibung der kleinen Plagegeister. Tatsächlich sind wir in dieser Gegend der Serengeti kaum einer einzigen Tsetse-Fliege begegnet, währenddem sie in anderen Regionen unser Auto derart umschwirrten, dass an ein Aussteigen nicht einmal zu denken war. Statt den erhofften Geparden entdecken wir in der Umgebung der Kopjes immerhin einige Gazellen und Antilopen.

Nach dem etwas enttäuschenden Besuch der Kopjes beobachten wir, wie sich ein Nilpferd ausserhalb des Wassers aufhält. In der Dämmerung oder während der Nacht ist dies kein seltener Anblick, aber um halb drei Uhr Nachmittags sehr überraschend. Wir nähern uns dem Tier und stellen fest, dass es sich während seinem letzten Landgang wahrscheinlich zu weit vom Wasser entfernte und von einer Raubkatze angegriffen wurde. Jedenfalls weist es tiefe, blutrote Kratzspuren auf und verfügt bei unserer Annäherung nicht einmal mehr über genügend Energie, um ins nur wenige Meter entfernte Wasser zu flüchten. Wir sind nicht sicher, ob wir die Ranger über unsere Beobachtung orientieren sollen, entscheiden uns aber dagegen, da das "Fressen und gefressen werden" nun mal zum Tierleben in der Serengeti gehört. Als wir rund zwei Stunden später nochmals das Nilpferd besuchen wollen, finden wir es nirgends mehr. Es hat sich wohl ins rettende Nass flüchten können und erholt sich dort von der Attacke.

A propos Attacke: Helen wurde im Verlauf des gestrigen oder heutigen Tages von einem Insekt attackiert. Jedenfalls ziert eine schmerzende, rot angeschwollene Einstichstelle ihren Hals. Weil wir uns in einem von Tsetse-Fliegen verseuchten Gebiet aufhalten, befürchtet Helen, dass sie von einer solchen Tsetse-Fliege besucht und gestochen wurde. Obwohl ihr Markus erklärt, dass der Stich einer Tsetse-Fliege schmerzhafter sei und selbst wenn es eine Tsetse-Fliege gewesen wäre, keine allzu grosse Besorgnis bestünde, weil nur rund 0,5 % der Tiere die Schlafkrankheit übertragen, nimmt Helen telefonisch Kontakt auf zu den Tropenärzten Dr. Beck und Dr. Robert van der Ploeg. Helen wird erklärt, wie die Einstichstelle einer Tsetse-Fliege aussieht und wie sie sich entwickelt, und Markus wird beauftragt, jeden Tag die Einstichstelle und deren allfällige Veränderungen zu beobachten. Zum Glück wird in den nächsten Tagen klar, dass es keine Tsetse-Fliege war, die Helen stach, sondern irgendein anderes Viech.

Heute Abend steuern wir direkt den Campingplatz "Dik Dik" an und verbringen die Nacht dort fast allein.

6. August 2008

Da sich unser Campingplatz rund 40 km vom Ausgangsgate entfernt befindet, fahren wir um halb sieben Uhr los, damit wir das Gate rechtzeitig erreichen. Die Aufenthaltsdauer im Nationalpark wird nämlich auf die Minute genau festgehalten, und wer auch nur wenige Minuten zu spät am Ausgangsgate erscheint, muss einen weiteren vollen Tag Eintritt bezahlen. Wir dachten, dass zweieinhalb Stunden für diese kurze Strecke problemlos ausreichen. Leider dachten wir nicht daran, dass die Parkverwaltung gerade diese Strecke in einem erbärmlichen Zustand hält. Es handelt sich um eine brutale Wellblechpiste, der nicht ausgewichen werden darf. Der Höhenunterschied zwischen den einzelnen "Wellblechwellen" beträgt bis zu 12 cm! Pisten wie diese führen in unserer Mannschaft immer wieder zu intensiven Diskussionen. Helen möchte solche Pisten möglichst schnell hinter sich bringen und ein entsprechendes Tempo wählen. Markus hingegen rattert mit geringer Geschwindigkeit und genügend Vorsicht über solche Wellblechpisten. Panther wiederum würde auf solche Wellblechpisten am liebsten ganz verzichten. Um rechtzeitig beim Ausgangsgate einzutreffen, dürfen wir heute eine bestimmte Durchschnittsgeschwindigkeit nicht unterschreiten. Dies führt leider dazu, dass aufgrund der Vibrationen das Auto fast auseinander fällt. Helen spornt Markus an, schneller zu fahren, damit die Vibrationen abnehmen. Markus dagegen bleibt stur und lässt sich nicht beirren. Er ist der Meinung, dass es aufgrund unseres Gesamtgewichts zu gefährlich sei, das Tempo zu erhöhen, da er mit achsbrechenden Schlaglöchern rechnet, die jedoch nie auftauchen. Frau gibt nach und lässt sich artig durchschütteln. Das Stimmrechtsalter hat Panther leider noch nicht erreicht, weshalb seine Meinung lediglich deklaratorischer Natur ist. Wenigstens kommen wir rechtzeitig (zehn Minuten vor der "Deadline") und mit ganzem Santi beim Ausgangsgate an :-)   Zudem sehen wir unterwegs noch ein paar Warzenschweine und Löwenkinder. Am liebsten würden wir eines dieser süssen Löwenkinder mitnehmen, aber wir befürchten Konsequenzen der Löwenmutter...

Zu unserem Erstaunen wird uns am Eintrittsgate für die Ngorongoro Conservation Area mitgeteilt, dass nur tansanische Shillings oder aber US-Dollars, nicht aber Kreditkarten als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Wir trennen uns nur sehr ungern von unserem Bargeld und können nach einigem Palaver erreichen, dass unsere Kreditkarte beim Eintrittsgate zum Serengeti Nationalpark mit USD 200 belastet und uns dieses Geld übergeben wird, damit wir zumindest den Transit durch die Ngorongoro-Region am Ngorongoro-Eintrittsgate bezahlen können. Bleibt anzumerken, dass bis zum erfolgreichen Abschluss dieser "Transaktion" fast eine Stunde benötigt wird - dies, obwohl die Zahlstellen für das Ngorongoro- bzw. Serengeti-Eintrittsgate nur gerade zwei Meter voneinander entfernt sind. Da wieherte nicht nur ein gewaltiger Amtsschimmel, sondern eine ganze afrikanische Gnuherde...

Endlich steht einem Besuch der Ngorongoro-Region nichts mehr im Weg - ausser der Weg selbst. Die furchtbare Wellblechpiste wird zwar verbessert, aber irgendwie nützt es nicht viel, wenn auf rund 100 km nur eine Handvoll Arbeiter in Handarbeit versucht, die Piste zu "reparieren"... Zum Glück ist es oftmals möglich, grosse Strecken auf einer veralteten Parallelpiste zu fahren. Wir kommen auf diese Art zwar nicht unbedingt schneller, aber viel material- und nervenschonender vorwärts.

In der Ngorongoro Conservation Area sollen über 30'000 Massai leben. Ein paar davon haben sich in unmittelbarer Nähe zur Hauptpiste niedergelassen und stehen am Strassenrand, um von den vorbeifahrenden Touristen gegen Entgelt fotografiert zu werden. Wir denken nicht einmal im Traum daran, diese Art von Fotosafari zu fördern, und fotografieren nur Personen, die kein Geld dafür verlangen. Weil wir, soweit es möglich ist, nicht die Hauptpiste benützen, treffen wir tatsächlich ein paar Massai, die kein Geld wollen, was uns natürlich freut.

Bei der Fahrt über die Hochebene (2'200 bis 2'500 m.ü.M.) merken wir plötzlich, dass der Santi ein Problem hat. Er teilt es uns mit, indem er den Geist aufgibt. Mitten im Nirgendwo bleiben wir stehen, und keiner weiss, warum... Markus befürchtet, dass der Alternator die Batterie nicht mehr richtig auflädt, weil eine der Hauptsicherungen zweimal wenige Sekunden nacheinander den Geist aufgibt. Zum Glück kommt bald ein mit Einheimischen besetztes Fahrzeug vorbei und leistet unserem Santi "erste Hilfe". Sie meinen, als erstes sollen wir die Sicherungen und den Sicherungskasten vom Staub und Dreck befreien, und tatsächlich: Kaum ist es vollbracht, schnurrt der Motor wieder wie eh und je.

Wie wir mitten in einer Kurve linkerhand eine Abzweigung sehen und prüfen, wo diese Piste hinführt, verschlägt es uns fast den Atem, denn vor uns liegt der Ngorongoro-Krater! Obwohl wir nur eine Ngorongoro-Transitbewilligung haben, fragen wir beim nahe gelegenen Gate, ob wir trotzdem kurz in den Krater fahren dürfen. Leider erteilt nur das Ngorongoro-Headquarter Bewilligungen für einen Kraterbesuch, so dass wir gleich dorthin fahren. Wir machen dem "Tourist Manager" klar, dass in unserem zweiplätzigen Auto kein Führer Platz hat, und wir deshalb ohne Führer in den Krater fahren "müssen". Er zeigt Verständnis für unsere Situation und erteilt uns ausnahmsweise die Bewilligung, ohne den eigentlich obligatorischen Führer den Krater besuchen zu dürfen.

Nach diesem Erfolgserlebnis fahren wir auf den nahe gelegenen Campingplatz. Leider weiss der Wächter am Gate nicht, wo wir unser Auto hinstellen sollen, und meint auf unsere Nachfrage hin, wir können es auf die für das Campieren vorbehaltene Wiese stellen, was wir denn auch tun. Leider ist der Ranger, der am Abend für Ordnung sorgt, anderer Meinung, denn wir werden während unseres Abendessens aufgefordert, sofort unser Auto umzustellen. Eigentlich eine Sache von wenigen Minuten, aber wenn vier Ranger vier verschiedene Meinungen haben, ist es ein schwieriges Unterfangen. Nach einigen Missverständnissen und Kompetenzüberschreitungen seitens dreier Ranger macht der offenbar ranghöchste Ranger klar, wo er den Santi hingestellt haben wünscht.

Auf Helen wartet im Essraum übrigens eine Überraschung. Sie trifft hier nämlich auf eine ehemalige Arbeitskollegin, die sie seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen hat. Diese macht nun gemeinsam mit ihrer Tochter in Tansania einen dreiwöchige Safari- und Badeurlaub. Wie klein die Welt doch manchmal ist! Sie ist übrigens nicht nur klein, sondern auch sehr kalt, denn auf einer Höhe von rund 2'400 m.ü.M. bläst den ganzen Tag und vor allem am Abend ein so steifer und kalter Wind, dass wir unsere Mützen und gefütterten Jacken hervorholen!

7. August 2008

Bei der Ngorongoro Conservation Area handelt es sich um den 16 x 20 km grossen Krater eines längst erloschenen Vulkans. Der von rund 600 m hohen Wänden umgebene Krater gilt als der grösste nicht vollständig mit Wasser gefüllte Krater der Welt. Der Kraterrand liegt auf durchschnittlich 2'300 m.ü.M., und die Fahrt in den Krater hinein erfolgt auf einer sehr steilen, steinigen und zum Teil etwas rutschigen Piste. Wir sind gespannt, was uns im Krater erwartet, beheimatet er doch nebst anderen Tieren auch die "Big Five" (Löwe, Nashorn, Elefant, Büffel und Leopard). Als erstes sticht uns der das Herz des Kraters bildende Lake Magadi, ein nur etwa einen Meter tiefer sodhaltiger See, ins Auge. Wenn er in der Trockenzeit zusammenschrumpft, bildet seine Uferzone eine weisse, wüstenartige Fläche. In der Regenzeit hingegen ist der See Heimat einer Vielzahl von Flamingos und wird zur zentralen Wasserstelle der im Krater lebenden Tiere. Tatsächlich: Kaum sind wir im Krater angekommen, treffen wir auf eine grosse Büffelherde, die gemächlich zum See schlendert.

Wenig später kreuzt ein Elefant unseren Weg, der gerade einen Akazienast isst. Akazien haben lange weisse, sehr harte Dornen, die besonders gern den Autolack zerkratzen. Wenigstens haben sich unsere Reifen bisher als akaziendornenresistent erwiesen... Für uns ist es kaum fassbar, dass Elefanten dieses Dornengestrüpp einfach so essen können!

Im Krater gibt es neben diesen Akazien auch besondere Akazienbäume, die sogenannten Fieberakazien. Diese Bäume verdanken ihren Namen der Malaria, da sie hauptsächlich in sumpfigen Gebieten wachsen, wo die Anophelesmücken besonders häufig vertreten sind. Die gelbliche Farbe der Baumrinde erinnerte Livingstone an die Hautfarbe der an Malaria erkrankter Menschen, weshalb er sie als Malariabaum bezeichnete.

Die meisten interessant wirkenden Wege sind für uns gesperrt: "No entry" oder "Rangers only" heisst es jeweils. Zum Glück entdecken wir einen schmalen Weg ohne solches Schild, und schon können wir den Krater etwas abseits der üblichen Touristenpfade erkunden. Ein paar Minuten später erspähen wir in der Ferne eine Nashornmutter mit ihrem Kind. Unser Nashornbesuch dauert leider nicht sehr lang, denn schon bald kreuzt ein Ranger auf und teilt uns mit, diese Piste sei für Touristen gesperrt, und man habe es bislang versäumt, ein Schild an der Abzweigung von der Hauptpiste anzubringen. Schade, denn wir wären gerne noch etwas länger bei den Nashörnern geblieben!

Am Ufer des Lake Magadi treffen wir auf ein spazierendes Nilpferd, auf dessen Rücken sich ein Vogel ausruht. Und nur wenige Meter davon entfernt spaziert ein Löwe durch das Gras. Leider zeigt er mehr Interesse am Wasser als am Nilpferd. Uns wird klar, dass er wohl bereits gefrühstückt hat und jetzt nur noch seinen Durst stillen will.

Der Nachteil des Kraters ist seine Berühmtheit. Eine Unmenge von Touristen will ihn und seine kesselartig eingeschlossene Tierwelt bewundern. Dadurch wirkt der Ngorongoro manchmal wie ein gigantischer Zoo, jedoch mit dem Unterschied, dass nicht die Tiere, sondern die Besucher in ihrem Fahrzeug hinter Gitter sitzen. Kaum hält irgendwo ein Fahrzeug an, kommen bald schon andere Fahrzeuge hinzu. So tummeln sich zum Beispiel innert kurzer Zeit 18 Fahrzeuge am Strassenrand, damit die Touristen den durstigen Löwen bewundern können. Die Fahrer kommunizieren jeweils per Funkgerät, wo sich gerade welche Tiere aufhalten. Wenn man irgendwo mehrere Fahrzeuge hintereinander mit hohem Tempo fahren sieht, weiss man, dass irgendwo ein Tier gesichtet wurde und nun die Touristen dorthin gekarrt werden. Auch wenn das Bedürfnis der hohe Eintrittspreise zahlenden Touristen, möglichst viele Tiere zu sehen, nachvollziehbar ist, erscheint uns diese Art von Fotosafari wenig attraktiv. Uns freut es vielmehr, wenn wir selbst Tiere entdecken, auch wenn uns so die eine oder andere Tierart entgeht.

Wir entfernen uns deshalb bewusst von der Touristenmeute und gehen selbst auf die "Jagd". Und wie so oft heisst es: "Unverhofft kommt oft!" Auf dem Weg direkt vor uns schlendern zwei Schakale. Sie scheinen aber ziemlich zielstrebig zu schlendern. Wir beobachten sie eine Weile und fahren ihnen nach. Und unsere Geduld wird belohnt. Plötzlich biegen die beiden Schakale vom Weg ab und traben ein paar Meter durchs Gras. Dank ihnen sehen wir eine ihre zwei Jungen säugende Tüpfelhyäne. Die beiden Schakale haben es entweder auf die Jungen oder aber auf die geschwächt wirkende Mutter abgesehen. Zuerst scheint es, als ob die Jungen ihre Mutter verteidigen würden. Dann rafft sich die Mutter auf und vertreibt die beiden Schakale. Wir bleiben noch lange an diesem Ort, da wir gerne herausfinden möchten, was mit der Tüpfelhyänenmutter los ist, aber dieses Geheimnis bleibt uns leider verborgen.

Ebenso unbeantwortet bleiben uns auch die Fragen, weshalb an einem anderen Ort ein Schakal mitten in der Mittagshitze an der prallen Sonne liegt statt sich im Schatten zu erholen, und weshalb an einem weiteren Ort so viele Schakale unterwegs sind. Auch wenn diese Fragen offen bleiben, ist es schön, diese Rätsel selbst erspäht zu haben und sich selbst einen Reim darauf zu machen zu versuchen. Unsere Einstellung wird durch einen Büffel, der uns sehr nah an sich heranlässt, ein Gymnastik machendes (oder sich kratzendes) Gnu und ein balzendes Straussenpaar belohnt.

Am späteren Nachmittag werden wir überfallen. Und zwar von einer Gnuherde. Die Gnuherde ist nicht einfach nur eine Gnuherde, sondern eine Ansammlung von tausenden von Gnus! Wir halten an und sind bald umringt von ihnen. Langsam ziehen sie am Santi vorbei und beäugen uns. Einige sind sogar so neugierig, dass sie am Auto schnuppern. Während einer knappen Stunde sind wir von grasenden, blökenden, muhenden oder einfach nur dahintrottenden Gnus umgeben. Wir öffnen die Fahrer- und Beifahrertüren - es könnte ja sein, dass ein Gnu einsteigen und mitfahren möchte. Aber irgendwie möchten sie lieber im warmen Krater bleiben und zeigen kein Interesse, in die Schweiz einzuwandern. Wir bleiben deshalb weiterhin zu zweit - sorry: zu dritt, Panther ist schliesslich auch jemand!

Nach diesem eindrücklichen Erlebnis geniessen wir die letzten uns im Krater verbleibenden Momente und machen uns dann gemütlich auf den Weg zum Kraterrand zurück. Wie wir zehn Minuten vor sechs (um sechs Uhr schliessen die Tore) am Tor eintreffen, finden wir es verschlossen vor. Wir können es kaum fassen und versuchen, per Satellitentelefon das Headquarter und mehrere Lodges zu erreichen, damit sie jemanden schicken, der das Tor öffnen kommt. Leider vergebens, denn niemand nimmt das Telefon ab. Von einem zufälligerweise vorbeispazierenden Massai werden wir dahingehend aufgeklärt, dass hier nur ein Eingangs-, nicht aber ein Ausgangsgate sei, und wir wieder in den Krater zurückfahren und auf einem anderen Weg zum Ausgangsgate fahren müssten. Er erklärt sich bereit, uns zu begleiten, weil die während der Nacht arbeitenden Ranger kaum englisch sprechen und er sich als Übersetzer betätigen würde. Wir sind unschlüssig und wissen nicht, was wir tun sollen. Schlussendlich fahren wir mit dem auf dem Beifahrersitz sitzenden Massai namens Daniel und der auf dem Schlafbrett liegenden Helen zurück in den Krater. Kaum unten angekommen, werden wir von tatsächlich nur Swaheli sprechenden Rangern aufgehalten. Später stossen noch zwei weitere Ranger dazu, von denen immerhin einer englisch spricht. Er zeigt als einziger Verständnis für unsere Situation und erklärt uns, dass Daniel Recht habe, und das Eintrittsgate, auch wenn es als Exitgate angeschrieben sei, tatsächlich nur für in den Krater hineinfahrende Fahrzeuge geöffnet sei und bereits um vier Uhr nachmittags schliesse. Da unsere Präsenz nach der offiziellen Besuchzeit eigentlich mit Strafe bewehrt, wir aber ohne Absicht und ohne Verschulden im Krater seien, würde er uns nicht bestrafen, aber sein Vorgesetzter, mit denen die Ranger über Funk kommunizieren, sowie die anderen drei Ranger sind überzeugt, uns mit einer Geldbusse von USD 100 bestrafen zu müssen. Da wir nur 20 USD einfach so im Portemonnaie haben, werden wir nach endlosem Palaver entlassen und dürfen zum Ausgangsgate fahren, wo erst auf mehrmaliges Hupen jemand erscheint, um es zu öffnen. Morgen Vormittag müssen wir uns beim Headquarter melden und die restlichen USD 80 bezahlen.

Um Daniel für seine Übersetzungsdienste zu danken, würden wir ihn gerne nach Hause fahren. Das aber geht nur, wenn die Ranger orientiert sind, dass sich zu so später Stunde noch ein Touristenfahrzeug auf der Strasse herumtreibt. Wir orientieren deshalb den Campingplatzwächter über unser Vorhaben. Diesem fällt nichts anderes ein, als Daniel vorzuwerfen, ohne zu zahlen und ohne Bewilligung im Krater verweilt zu haben. Er möchte deshalb Daniel festnehmen. Nach weiterem Palaver und einer demütigen Entschuldigung seitens Daniel sieht der Wächter von einer fragwürdigen Festnahme ab. Er erlaubt uns sogar, Daniel heimzufahren, obwohl nach 22 Uhr eigentlich kein Tourist mehr unterwegs sein dürfte. Allerdings erst, nachdem er - wie bereits die Ranger im Krater - mehrmals Einsicht in unsere Permits nimmt.

Als wir Daniel in sein Dorf zurückgefahren haben und uns auf den Rückweg machen, werden wir von einem Ranger angehalten, der uns nach einem weiteren Palaver bis zum Campingplatz eskortiert. Wahrscheinlich haben sie das Gefühl, wir würden zum Spass bis Mitternacht herumfahren... Beim Campingplatz angekommen, fragen wir die uns eskortierenden Ranger direkt, wo wir unser Auto hinstellen dürfen. Schliesslich haben wir nach den gestern und heute gemachten Erfahrungen keine Lust mehr auf ein weiteres Theater.

8. und 9. August 2008

Nach dem gestrigen äusserst abwechslungsreichen und intensiven Tag bleiben wir heute etwas länger liegen. Bereits wenige Minuten nach dem Aufstehen nervt ein Wächter, der uns nach unserem Camping-Permit fragt. Offenbar muss man hier wirklich alle paar Minuten sein Permit vorweisen. Wir geraten etwas aneinander, vor allem, weil er uns vorwirft, ohne Führer in den Krater gefahren zu sein, obwohl wir für den Massai Platz gefunden haben. Dass Helen die gestrige Nachtfahrt auf der Matratze liegend verbracht hat, nimmt er gar nicht zur Kenntnis.

Beim Betrachten des Dachzeltes entdeckt Markus, dass sich durch die Holperei der letzen Tage drei Nieten der Dachzeltbefestigung gelöst haben und herausgefallen sind. Nun ist auch klar, weshalb das Dachzelt in der letzten Zeit beim Fahren so komische Geräusche von sich gegeben hat.

Bei der Ausfahrt aus dem Campingplatz werden wir von zwei Rangern mit ihrem Auto erwartet, die uns - wie bereits der Wächter vom Campingplatz - darauf hinweisen, dass wir uns beim Headquarter melden sollen. Damit wir auch sicher dorthin fahren, eskortieren sie uns sogar bis direkt vor die Türe... Im Büro werden wir bereits vom wutentbrannten Manager erwartet. Es handelt sich alsdann um eine einseitige Kommunikation, denn selbst als Markus ihn ums Wort bittet, darf er nichts sagen. Es nützt alles nichts, wir müssen den Rest der USD 100 zahlen. Die uns gestern Abend im Krater ausgestellte Quittung über die USD 20 zerreisst er mit den Worten, dies interessiere ihn nicht... Es erstaunt uns, wie sich alle ohne selbst zu denken auf die "Regulations" berufen. Und keiner - abgesehen vom englisch sprechenden Ranger im Krater - sieht, dass es tatsächlich keinen Platz für einen Führer gibt in unserem Auto. Irgendwie ist das Personal sogar noch stolz auf ihre Sturheit, Unflexibilität und ihr Schmalspurdenken. Wir sind froh, diesen Ort bald verlassen zu können. Am Ausgangsgate verlangen wir nach einem Gästebuch und schildern dem Mitarbeiter das Vorgefallene. Es stellt sich heraus, dass der Manager vom Headquarter gar nicht der Manager des Ngorongoro-Kraters ist, sondern sich im Kontakt mit Touristen selbst zum Manager ernannt hat. Der Mitarbeiter hört uns an und bittet uns um Entschuldigung für das Fehlverhalten der Angestellten. Auch er kann die Reaktion der Angestellten nicht verstehen und wird das Vorgefallene dem richtigen Manager der Ngorongoro Conservation Area mitteilen. Zudem verspricht er uns, dass Daniel keine Konsequenzen befürchten muss - schliesslich hat er sich nicht nur korrekt, sondern sogar vorbildlich verhalten und für uns eingesetzt. Wir freuen uns, dass immerhin ein vernünftiger Mensch in der Ngorongoro Conservation Area arbeitet und machen uns auf den Weg nach Karatu.

In Karatu möchten wir auftanken, was aber leider nicht geht, da wir kein Bargeld beschaffen können. Nicht etwa, weil wir verarmt wären, sondern weil die Geldautomaten die europäischen VISA- und Masterkarten nicht akzeptieren. Unsere letzten tansanischen Shillings gehen in die Hände eines Kindes, welches Souvenirs verkauft. Zum Glück haben wir dank unserer grossen Zusatztanks noch mehr als genügend Diesel, um weiterfahren zu können. Auf einem in der Nähe abgehaltenen Markt finden wir den grössten Sandalenladen aller Zeiten. Sandalen in jeder Art und Grösse werden hier angeboten - sogar der berühmtberüchtigte Schuhverkäufer Al Bundy würde vor Neid erblassen!

In Mto wa Mbu stossen wir auf das Nordufer des Lake Manyara. Ein jeder Geografielehrer hätte an dieser Aussicht seine helle Freude, kann hier doch exemplarisch beobachtet werden, wie Ostwinde über dem See Feuchtigkeit aufnehmen und am steil ansteigenden, beinahe regenwaldartig grünen Westufer mittels Steigungsregen wieder abtrocknen. Wir treffen an einem Aussichtspunkt auf eine Schulklasse, die Freiluftunterricht geniesst. Drei Lehrerinnen erklären den Schülern genau dieses Prinzip, und die Schüler schreiben das Gelernte sofort auf Notizblöcke und in Hefter und wiederholen zusammen gewisse Schlagworte.

Kurz nach Makuyuni machen wir uns auf die Suche nach dem Tamarind Tented Camp, finden es aber nicht auf Anhieb. Beim zweiten Anlauf stossen wir auf das Wild Palm Campsite und merken bald, dass es sich dabei um das ehemalige Tamarind Tented Camp handelt, welches einfach seinen Namen und den Ort gewechselt hat. Auch wenn man sich unter wilden Palmen etwas anderes vorstellen mag als ein paar angepflanzte Jungpalmen, handelt es sich trotzdem um einen sehr schönen und schattigen Campingplatz, der sich wirklich ideal zum Campieren eignet. Wir sind praktisch allein und geniessen die Stille. Frühmorgens schöpft ein Mitarbeiter aus einem mindestens zehn Meter tiefen Wasserloch mit Hilfe eines Taus und einem Kessel Wasser in einen Kanister und füllt alsdann den Duschwasservorrat auf. Warmes Duschwasser gibt es jeweils am Abend, wenn unter dem Duschwasser ein Feuer angezündet wird. Wir sind froh, nach der mit Touristen überfüllten Serengeti und dem Ngorongoro wieder einmal etwas allein zu sein. Noch schöner wäre es, wenn wir das Dachzelt aufstellen könnten, aber Markus ist strikte dagegen, weil er befürchtet, dass bei der hinteren rechten Befestigung die letzte noch verbliebene Niete den Geist aufgeben könnte. Das wäre fatal, denn die nächsten 440 km Piste ohne funktionierende Dachzeltbefestigung zu fahren wäre mindestens grobfahrlässig!

Im nahe gelegenen Dorf kaufen wir ein paar Esswaren ein. Nach Aussage des Campingplatzbetreibers könnte man dort sogar Diesel aus Kanistern oder Fässer auftanken, aber wir haben weiterhin genügend Reserven, um immer noch bis zur übernächsten Tankstelle zu gelangen.

10. August 2008

Nach dem Frühstück verlassen wir diesen wunderschönen Campingplatz und fahren direkt in den Süden. Wenige Kilometer nach Kwa Kuchinia geht die Teerstrasse in eine breite, sehr schlechte Wellblechpiste über. Wir kommen nur langsam voran, da sich Wellblech mit Steinen und Schlaglöchern abwechselt. Viele herrliche Baobabs, eine typische Baumsavannenlandschaft und grosse Termitenhügel versüssen uns die Rumpelei. Helen erscheint neben diesem dicken Baobab geradezu als "Stecklein".

Kurz vor Magugu frühstücken wir auf einer Kuppe. Markus hat diesen Ort ausgesucht, weil er meint, hier sei die Aussicht besonders schön. Dies mag zwar wohl zutreffen, aber leider frieren wir wegen dem starken, kalten Wind derart, dass wir unsere gefütterten Jacken und Mützen anziehen. Helen überdeckt ihre Beine sogar zusätzlich mit ihrem Wollpullover. Man kann sich vorstellen, wie gemütlich es ist, mit vor Kälte zitternden Händen Corn Flakes zu essen...

Nach der verständlicherweise kurz ausgefallenen Morgenessenspause steigt die Strecke langsam in das höher gelegene Babati an, wo wir bei einer neu eröffneten kleinen, aber sehr sauberen Tankstelle etwas Diesel tanken. Die Kleinstadt Babati liegt zwischen dem Lake Babati und dem Fusse des erloschenen Vulkanberges Mt. Kwaraha. Insbesondere an den Berghängen sind viele Felder angelegt, und die Landschaft wird zunehmend grüner. Nach Babati windet sich die Piste über zahlreiche Kurven in eine menschenleere, waldreiche Hochebene hinauf. Die Wellblechpiste wird von einer roten Erdpiste abgelöst, und endlich haben wir das Gefühl, in Afrika zu sein. Genauso haben wir uns Afrika vorgestellt: Rote Erdstrassen, die sich durch grüne Wälder winden... Wir geniessen dieses Feeling sehr und essen direkt neben der Piste.

Die Strecke ist noch immer materialbeanspruchend, was unserem Dachzelt nicht gerade zuträglich ist. Die Erdtrasse wird nämlich bald wieder von Wellblech und felsigen Stufen abgelöst. Auf einen Besuch der eigentlich fast an der Strecke liegenden Kolo Rock Paintings verzichten wir deshalb widerwillig. Stattdessen führt uns der Weg nach Kondoa in den düsteren Vorhof eines Guesthouses, wo wir im Auto auf dem Schlafbrett übernachten.

11. August 2008

Frühmorgens verlassen wir den Vorhof. Wir beide werden nämlich netterweise vom Muezzin geweckt... Noch in der Morgendämmerung fahren wir durch die schlafende Kleinstadt und befinden uns bald wieder auf der Wellblechpiste. Unterwegs fahren wir an einer Ziegelfabrik und Wäsche waschenden, aber leider sehr kamerascheuen Frauen vorbei. Es ist erstaunlich, wie sauber die Kleider werden, obwohl das Wasser, in welchem die Kleider gewaschen werden, alles andere als sauber ist. Zudem fasziniert uns immer wieder von neuem, wie in Afrika die Wäsche getrocknet wird.

Die Piste ist weiterhin stark ausgefahren, und wir sind froh, gelegentlich auf eine durch das Buschland führende Parallelpiste ausweichen zu können. Wenigstens ein positiver Aspekt hat die zur langsamen Fahrweise zwingende Strecke: Man sieht neben der Strecke auch Kleinigkeiten, die man sonst achtlos links liegen gelassen hätte, wie zum Beispiel grosse Insekten oder besonders geschmückte Massai. Auch fällt uns auf, wie das geerntete Korn vor dem Haus und auf dem Hausdach getrocknet wird. Zudem können wir bei einer Gruppe von Frauen, welche im wahrsten Sinne des Wortes von Hand die Spreu vom Weizen trennen, die bei Helens Füssen nichts als Blasen verursachende Sandalen gegen einen wunderschönen Tontopf eintauschen.

Wenige Kilometer vor Dodoma fahren wir durch das einzige Weinanbaugebiet von Tansania. Offenbar gewann der Wein dieser Region einst einen bedeutenden Preis, aber seitdem dem Wein immer mehr chemische Zusätze beigemischt werden, ist er kaum mehr im Ausland erhältlich.

Dodoma ist eine Stadt mit rund 250'000 Einwohnern und seit 1973 offizielle Hauptstadt von Tansania. Auch wenn Tansania effektiv von Dar es Salaam aus geführt und Dar es Salaam als Hauptstadt Tansanias empfunden wird, arbeitet dennoch der Premierminister in dieser trostlos und langweilig wirkenden Stadt.

Das Hotel, welches sich gemäss Reiseführer Mühe gibt, als bestes Hotel Dodomas zu gelten, hat sich wohl zuwenig Mühe gegeben, denn wir finden nur noch Ruinen des ehemaligen Hotels... Nach einer Rundfahrt durch die Stadt übernachten wir direkt vor der lutheranischen Kirche. Als Bettmümpfeli dürfen wir einer Gesangsprobe des Kirchenchores Safina beiwohnen. Insgesamt sechs Frauen sitzen in der vorderen, und acht Männer in der hinteren Reihe. Konzentriert und seriös wiederholen sie die Anweisungen des Dirigenten und singen die Passagen zum Teil einzeln, zum Teil gemeinsam. Wenn der gesamte Chor singt, dröhnt die Kirche, als ob eine Hundertschaft singen würde. Wir sind von einer derartigen Stimmkraft tief beeindruckt und stolz, dies miterleben zu dürfen. Insbesondere die Männer geben ihrer Freude zu singen mit dem ganzen Körper Ausdruck und bewegen sich rhythmisch zur Musik. Wie wir vom Dirigenten erfahren, probt dieser Kirchenchor seit über zehn Jahren wöchentlich und hat kürzlich sogar ihre erste CD aufgenommen. Wir sind vom Chor derart begeistert, dass wir uns nach der Gesangsprobe gleich eine solche CD erstehen. Anschliessend würden wir eine ruhige Nacht verbringen, wenn nicht der Wächter zweimal wie verrückt an unsere Scheiben klopfen würde. Wir wissen bis heue nicht, was er von uns wollte, aber richtig interessiert hat es uns eh nicht - viel eher genervt!

12. August 2008

Gleich nach dem Frühstück suchen wir die Land Rover-Garage auf, damit sich Fachleute um den Santi kümmern können. Die beiden anwesenden Mechaniker machen einen seriösen Eindruck und verstärken den aufgrund der vielen Pistenkilometer ziemlich verbogenen Reserveradträger. Er hat sich seit seiner Herstellung in Maun (Botswana) zwar erstaunlich gut gehalten, aber um zu verhindern, dass er sich noch weiter verbiegt, ist eine Verstärkung der tragenden Holmen unabdingbar.

Als wir am Mittag die Garage wieder verlassen und in der Stadt auf dem Markt Nahrungsmittel einkaufen, macht unser Dachzelt immer stärkere Geräusche. Wir hören sogar, wie sich einzelne Nieten der Befestigung gelöst haben. Wir entscheiden uns deshalb, gleich wieder zurück in die Garage zu fahren, damit die beiden Mechaniker unser Dachzelt und dessen Befestigung unter die Lupe nehmen. Um Kosten zu sparen, befreien wir den Santi selber von seiner Dachlast, und helfen auch bei der Reparatur der Dachzeltbefestigung - so weit es geht - tatkräftig mit. In nur zwei Stunden sind die herausgerüttelten Nieten ersetzt und das Dachzelt wieder befestigt. Wir sind baff und staunen ob dem enorm hohen Arbeitstempo und der sehr guten Arbeitsqualität der beiden Mechaniker. Obwohl bereits nach einer halben Stunde Arbeit ihre Arbeitszeit abgelaufen ist, haben sie ohne zu fragen bis zur Beendigung der Reparatur weitergearbeitet. Wir drücken unseren Dank nicht nur in Worten aus, sondern - im Einverständnis mit dem Manager - auch in Form eines tüchtigen Taschengeldes.

Bis wir die Dachlast wieder montiert und richtig verzurrt haben, ist es bereits stockdunkle Nacht geworden. Wir erhalten deshalb vom Manager die Erlaubnis, auf dem Garagengelände zu übernachten. Total erschöpft kriechen wir nach dem Abendessen, welches Helen während der Montagearbeiten gekocht hat und wir zusammen mit dem Wächter einnehmen, auf das Schlafbrett. Schlafen können wir aber beide nur wenig - der heutige Tag war offenbar für uns beide zu aufwühlend. Schliesslich erlebt man nicht alle Tage, wie unser Auto ohne Zeltwände und ohne Dach in einer Garage steht!

13. August 2008

Heute wollen wir die rund 450 km entfernte Grossstadt Dar es Salaam erreichen. Hierzu benötigen wir noch etwas Diesel, können aber an keiner Tankstelle mit USD bezahlen. Europäische VISA- oder Masterkarten werden von keiner Bank in Dodoma akzeptiert. Wechselstuben gibt es in der ganzen Stadt nicht. Es stellt sich deshalb die Frage, wie und wo wir unsere USD in tansanische Shillings tauschen können. Nach ein paar Irrläufen landen wir in einer Darlehen ausrichtenden Gesellschaft, deren Mitarbeiter uns die einzige Wechselmöglichkeit Dodomas zeigen. Es handelt sich hierbei um die Reception des "New Hotel Dodoma", welche sich bereit erklärt, zu einem für uns alles andere als vorteilhaften Kurs immerhin USD 200 zu tauschen. Dieses Geld investieren wir an der nächsten Tankstelle umgehend in Diesel und können endlich losfahren.

Rund 240 km östlich von Dodoma erreichen wir auf einer guten Teerstrasse die Morogoro-Region. Diese Region ist eines der fruchtbarsten Gebiete Tansanias und liegt am Fusse der über 2'600 m hohen Uluguru-Mountains. In einem Vorort von Morogoro halten wir kurz an, um in einem Internetcafé etwas abzuklären und auf dem Innenhof des angeschlossenen Restaurants unser selbst gekochtes Mittagessen einzunehmen. Zudem füllen wir an einer Tankstelle unseren Benzinkocher und gönnen uns ausnahmsweise ein gekühltes Getränk. Auf der Weiterfahrt nach Dar es Salaam schlägt das Wetter um, und wir rechnen jeden Moment mit einem Gewitterregen. Es bleibt jedoch trocken, und wir fahren an kilometerlangen Ananasplantagen vorbei, die sich bis zum Horizont ziehen. Hier müssen jedes Jahr Millionen von Ananas geerntet werden!

In der Millionenstadt Dar es Salaam (übersetzt: "Hafen des Friedens") angekommen, steuern wir durch das abendliche Verkehrschaos direkt auf das ehemalige Hotel "Holiday Inn", welches jetzt Southern Sun heisst, zu. Dort überlassen wir unseren Santi den Wächtern und quartieren uns in einem Hotelzimmer ein.

14. bis 28. August 2008

Die nächsten zwei Wochen residieren wir zuerst im Hotel Southern Sun, dann im Hotel Kilimanjaro. Anschliessend ziehen wir um auf dem Campingplatz Sunrise Beach Resort, und nach einigen Tagen wechseln wir über zum Buschcamping nahe dem Fischerort Gezaulole, rund 20 Kilometer südlich von Dar es Salaam. Nie hätten wir gedacht, so lange in Dar es Salaam zu bleiben. Angedacht gewesen war ein maximal einwöchiger Aufenthalt, aber wie so oft kommt es anders als man denkt.

Zum einen besorgen wir uns Visa für die nächsten Länder. Hierbei erfahren wir die unterschiedlichsten Visa-Praktiken. Das kenianische Visum erhalten wir innert nur gerade dreier Stunden. Zwar ist es nicht gerade einfach, die kenianische Botschaft zu finden, zumal sie in den letzen drei Jahren zweimal umgezogen ist. Sogar der Taxifahrer, der uns hinbringt, findet sie erst nach langen Umwegen und nur mit oftmaligem Anhalten und Fragen. Aber Hauptsache, man kommt zum Ziel. Das ägyptische Visum ist auch kein Problem. Der Konsul empfängt uns in seinem Büro und erklärt uns geduldig die verschiedenen Einreisemöglichkeiten von Sudan nach Ägypten. Dies deshalb, weil wir nach Möglichkeit eine Einreise über den Lake Nasser vermeiden wollen und nach Alternativen Ausschau gehalten haben. Die von uns präferierte Variante, nämlich die Einreise der Küste des roten Meeres entlang, empfiehlt er uns nicht. Offenbar ist die Grenzlinie zwischen den beiden Ländern umstritten, und momentan stehen sich die Militärbataillone fast auf den Füssen herum, haben aber keine Stempel für unsere Ein- und Ausreisedokumente und sprechen zudem kaum ein Wort Englisch. Seiner Meinung nach ist es jedoch problemlos möglich, mit einem Schiff von Port Sudan zu einem ägyptischen Hafen zu fahren. Spätestens im Sudan wird klar, wo uns der Weg hinführen wird. Drei volle Arbeitstage später haben wir das Ägyptenvisum in Händen und marschieren damit zur sudanesischen Botschaft. Der Erhalt des sudanesischen Visums gestaltet sich am abenteuerlichsten. Zuerst müssen wir zur schweizerischen Botschaft, damit wir eine Beglaubigung einholen können, dass unsere Pässe wirklich echt und wir beide tatsächlich Schweizer sind. Danach benötigen die Sudanesen ein von uns verfasstes Schreiben mit Angabe der gefahrenen und geplanten Reiseroute. Des Weiteren werden Kopien von unsern Pässen, vom Carnet de Passage und vom Fahrzeugausweis benötigt. All diese Dokumente wandern dann - nachdem die Originale drei Tage lang in Dar es Salaam geprüft werden - gemeinsam mit unseren Visa-Antragsformularen und je zwei Passfotos zur sudanesischen Hauptstadt Khartum. Nach der Bearbeitung werden die Unterlagen von Khartum nach Dar es Salaam zurückgeschickt, und anschliessend nach Addis Abeba weitergeleitet, wo wir - inshallah - das Sudan-Visum in den Pass gestempelt erhalten. Das Beschaffen bzw. Vorbereiten der drei Visa braucht fast eine Woche, denn zum administrativen Aufwand kommen vor allem die Problematik der unterschiedlichen Öffnungszeiten der jeweiligen Botschaften sowie der oftmals extrem zähe Stadtverkehr hinzu.

Der zweite Grund, weshalb wir uns so lange in der inoffiziellen Hauptstadt von Tansania aufhalten, ist der Santana. Der von uns eingebaute Seagull-Wasserfilter ist zwar ausserordentlich gut (bzw. der Beste), aber seine herausragende Qualität hat auch einen Nachteil: Er säubert das Wasser derart gut, dass er bereits verstopft ist - das afrikanische Wasser ist ihm offenbar nicht besonders gut bekommen... Wir bestellen deshalb einen neuen Filter aus Deutschland per DHL zum Santana-Importeur in der Schweiz. Wir brauchen nämlich auch noch einen neuen Luftfilter. Den als Ersatz mitgenommen haben wir bereits verbraucht, und um Versandkosten zu sparen, wollen wir nur ein Paket per DHL nach Tansania geschickt bekommen. Das mit dem Luftfilter ist eine Geschichte für sich. Markus hat die Entlüftungen der beiden Dieselzusatztanks sowie die Achs- und Getriebeentlüftungen in den Luftfilterkasten gelegt. Eigentlich eine gute Idee, kommt auf diese Art garantiert weder Wasser noch Dreck in den Diesel bzw. die Öle. Aber leider schüttelt es bei der extremen Holperei auf den von uns gewählten Pisten Diesel und Öl in den Luftfilterkasten. Die Folge ist ein Leistungsverlust aufgrund der verstopften Luftfilterporen. Neuerdings werden die Öle bzw. deren Entlüftungen mit papierenen Benzinfiltern sauber gehalten, und auch die Dieselzusatztankentlüftung ist neu verlegt. Aber bis wir die Markus'sche Fehlüberlegung bemerken, ist unser Bestand an Luftfilter auf Null gesunken. Leider schickt die den Seagull-Wasserfilter betreibende Gesellschaft den Wasserfilter an unsere Heimadresse in der Schweiz statt an den Santana-Importeur. Bis wir dies bemerken, vergeht wertvolle Zeit. Wenigstens dauert der anschliessende Versand des "Gesamtpaketes" nicht mehr übermässig lang. Die Wartezeit vertreiben wir uns mit bislang aufgeschobenen Wartungs- und Reinigungsarbeiten am Auto, Einkaufen, Erledigung administrativer Angelegenheiten, Haareschneiden und Ausruhen. Helen erweist sich als hervorragende Coiffeuse - wir beide sind mächtig stolz auf die neue Kurzhaarfrisur von Markus.

Auf dem Campingplatz Sunrise Beach Resort, welchen man nur mittels Querung einer Müllhalde erreicht, treffen wir auf weitere Afrikaquerer. Zum Teil fahren sie südwärts, zum Teil nordwärts. Es ergibt sich ein beidseitiger wertvoller Erfahrungsaustausch. Am Wochenende fliehen wir vor der angekündigten Invasion: Halb Dar es Salaam soll dann nämlich die Campingplätze stürmen! Überhaupt sind weite Teile der südlich an Dar es Salaam angrenzenden Strände intensiv auf Besucher eingestellt. Riesige Resorts und Campingplätze reihen sich aneinander und sorgen dafür, dass man am Wochenende hier kaum Ruhe finden kann. Am frühen Samstagmorgen fahren wir deshalb weit der südlichen Küste entlang, bis wir nahe Gezaulole direkt am Strand einen idealen Platz für das Buschcamping finden. Hier treffen wir auf ein spanisches Paar, das sich nach zwei Monaten Reisen in Tansania mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einem für nur gerade USD 9 pro Tag gemieteten Strandhaus erholen. Dies ist enorm wenig, zahlt man auf Campingplätzen doch bis zu USD 10 pro Person und Tag! Die nächsten Tage verbringen wir auf dem weitläufigen Campingplatz South Beach und campieren allein und in absoluter Ruhe mitten auf einem Sandweg.

Der Strand südlich von Dar es Salaam mag zwar in weissem Sand und tiefblauem Meer erscheinen, eignet sich aber denkbar wenig zum Baden. Ein paar Kilometer entfernt befindet sich nämlich der grosse Hafen von Dar es Salaam, und das Meerwasser riecht eher nach Diesel denn nach Meer. Zudem fahren und parkieren riesige Frachtschiffe in unmittelbarer Nähe, was auch nicht gerade zu einer guten Wasserqualität beiträgt. Der Strand wird nicht nur von Touristen und einheimischen Kindern, die gerne etwas Zeit mit uns verbringen, besucht, sondern auch von Tieren: Jeden Tag spaziert nämlich mindestens einmal eine Kuh- und Ziegenherde dem Strand entlang - allerdings ohne Badekleider: offenbar wollen auch sie in diesem Wasser nicht Schnorcheln gehen. Als wir den Fotoapparat für Landschaftsaufnahmen hervor nehmen, wollen sie unbedingt auch fotografiert werden. Ihre Freude, dass wir einige Fotos von ihnen machen, drücken sie mit den wildesten Kapriolen und Kunststücken aus. Nach diesen Aufnahmen auf dem Sandstrand wollen sie auch im Meer fotografiert werden. Sie legen ihre Scheu so weit ab, dass sie sich einige Meter von uns entfernt nackt ausziehen und ins Wasser springen. Auch da machen witzige Kampfbewegungen und tollen herum. Als sich der Tag dem Ende zuneigt und sich immer noch zwei Buben bei uns aufhalten, schenken wir ihnen zwei gelbe Ballone und Malstifte. Die Ballone befestigen sie alsdann am Santi und wollen ihn so geschmückt uns überlassen. Erst als wir ihnen erklären, dass auch die Ballone ihnen gehören, montieren sie diese wieder ab. Wir sind erstaunt, wie anständig und zurückhaltend die Kinder sind. Nicht ein einziges Wort des Bettelns kommt ihnen über die Lippen. Im Gegenteil, sie bringen uns sogar frische Kokosnüsse, welche sie uns mit einer grossen Machete für uns öffnen. Zusammen trinken und essen wir den Inhalt. Es ist schön, mit diesen Buben so viel zu lachen und Spass zu haben.

Noch ein Wort zum Wetter. Die ganze Zeit über war es typisches Aprilwetter. Wir hatten praktisch keinen Tag ohne Sonne, Wolken und Regen. Zudem war es extrem schwül, und unser Wasserverbrauch erreichte beinahe astronomische Ausmasse.

Die Zeit in und um Dar es Salaam haben wir zudem mit dem Lernen von ein paar Brocken Swahili verbracht. Die Einheimischen haben jeweils grosse Freude gezeigt, wenn wir sie in ihrer Sprache begrüssen, verabschieden und sonst ein paar Worte mit ihnen wechseln können. Die Freude von ihnen ist so gross, dass sie uns weitere Begriffe beibringen und uns sehr herzlich aufnehmen.

29. August 2008

Heute ist alles bereit für die Weiterreise. Eigentlich möchten wir heute Dar es Salaam verlassen, aber eben: Flexibilität wird in Afrika vorausgesetzt! Wir warten gut zwei Stunden auf die Fähre, die uns vom südlichen Stadtteil Kigamboni ins Zentrum fahren soll. Das Übersetzen mit der Fähre ist jedes Mal ein Schauspiel. Zuerst dürfen ein paar Autos auf die Fähre fahren, und dann werden die bislang hinter einem Gitter zurückgehaltenen Fussgänger "losgelassen". In riesigen Massen strömen dann die Menschen auf die Fähre und quetschen sich zwischen die Fahrzeuge. Sehr langsam tuckert anschliessend die Fähre über die Meeresenge, und kaum am anderen Ufer angekommen, rennen die Menschen von der Fähre weg. Weshalb sie zum Teil wie irr von der Fähre wegrennen, wird uns bis zum Schluss nicht ganz klar. 

Im Zentrum angekommen, kämpfen wir uns durchs Verkehrschaos. Wenn wir jetzt durch die ganze Stadt fahren, kommen wir erst am Nachmittag aus den Vororten hinaus. Wir beschliessen deshalb, in den nördlich der Stadt gelegenen Campingplatz des Hotels Silver Sands aufzusuchen. Wir wählen einen Standplatz direkt am Meeresstrand und machen einen gemütlichen Abendspaziergang.

30. August 2008

Nach einem ausgiebigen Spaziergang dem Strand entlang bis zum Hotel White Sands brechen wir definitiv auf in Richtung Kenia. Doch bevor wir die Grenze überqueren können, steht uns ein langer Transfer auf der Teerstrasse bevor. Schon bald vermissen wir die staubigen, steinigen und holperigen Pisten. Das Fahren auf den Pisten ist zwar mitunter nicht gerade materialschonend und gelegentlich arg nervzehrend. Aber dennoch macht es sehr viel mehr Spass, auf den Pisten langsam durch die Landschaft zu gondeln, als mit 80 km/h über die Teerstrasse zu donnern. Auf der Teerstrasse kommt man zwar rasch voran, dafür sieht man aber auch viel weniger von den Menschen und der Umwelt. Weil wir etwas zu viel Zeit in Dar es Salaam verbracht haben, ist unser Zeitplan arg durcheinander geraten, und jetzt möchten wir so rasch als möglich Nairobi erreichen. Deshalb machen wir ausnahmsweise einen langweiligen, uninteressanten Teerstrassentransfer und treffen am Nachmittag auf dem rund 10 km nördlich von Korogwe gelegenen Campingplatz Green Hill ein. Dieser erst vor kurzem eröffnete Campingplatz liegt malerisch am Fusse der Usambara-Berge und ist sehr sauber.

31. August 2008

Auch wenn der Campingplatz Green Hill sehr empfehlenswert und ruhig ist, verzichten wir dennoch auf eine morgendliche Dusche. Uns ist nämlich nicht ganz klar, woher das Duschwasser kommt. Solange wir nicht Gewissheit haben, dass das Wasser aus einem Bohrloch stammt, duschen wir nämlich nicht, denn es könnte bilharzioseverseucht sein.

Die Strasse über Moshi nach Arusha ist in einem guten Zustand, und wir rauschen an etlichen enorm weitläufigen Ananasplantagen vorbei. Millionen von Ananaspflanzen stehen in Reih' und Glied. Auch sonst erscheint die Landschaft grün und fruchtbar. Die ganze Fahrt über ist es bewölkt, und wir rechnen dauernd mit einem Wolkenbruch. Deshalb sehen wir nicht einmal die kleinste Ecke des Kilimanjaros - er hüllt sich in dicke Wolkendecken. Unmittelbar nach Arusha wechselt die Landschaft abrupt, und statt einem satten Grün sehen wir uns beinahe in eine Wüste versetzt: Ein staubiges Braun prägt die sanften, von verdorrtem Gras bedeckten Hügel.

Nach ein paar "Wüstenkilometern" können wir in der Abenddämmerung wunderbare Blicke auf den Mount Meru werfen und finden einen sehr ruhigen Schlafplatz. Der Weg dorthin führt durch tiefen Fesch-Fesch. Bei Fesch-Fesch handelt es sich um extrem feinen Sand. Dieser Sand zeichnet sich dadurch aus, dass er beinahe die Konsistenz von Mehl aufweist, was ein tiefes Einsinken mit sich bringt. Ausserdem staubt es gewaltig - dies gefällt uns jedoch sehr.

1. September 2008

Etwas früher als geplant und ohne Frühstück fahren wir weiter. Wir wären gerne etwas länger hier geblieben, aber leider kamen drei Soldaten zu uns und vertrieben uns mit den Worten, es handle sich beim gesamten Gebiet um militärisches Sperrgebiet. Als Helen ein paar Fotos vom durch den Fesch-Fesch fahrenden Santi machen will, wird sie sogar noch von einem Soldaten verfolgt, und wir fahren sehr schnell weg. Bald erreichen wir die Grenze zu Kenia, und müssen am tansanischen Grenzposten leider noch einmal die Road Tax bezahlen. Eigentlich müssten wir nur ein paar wenige Tage nachzahlen, aber die Beamten stellen auf stur. Da wir noch bei Tageslicht den Campingplatz in Nairobi erreichen wollen, verzichten wir auf ein langes Palaver und bezahlen die verlangten USD 20. Nach einer guten Stunde ist Tansania für uns Geschichte, und...

Kenia

1. September 2008

...wir treffen in Kenia ein. Das Einreiseprozedere verläuft überraschend schnell und unproblematisch. Die Grenzbeamten sind allesamt sehr freundlich, korrekt und auf eine rasche Erledigung der Formalitäten bedacht. Nach Entrichtung der Treibstoffabgabe von USD 40 können wir in Richtung Nairobi aufbrechen. Der "Zwischenhalt" an der Grenze dauerte auf kenianischer Seite lediglich 25 Minuten - also alles andere als "typisch afrikanisch".

Die Strasse nach Nairobi ist in grundsätzlich in relativ gutem Zustand, und wir kommen rasch voran - jedenfalls bis zu einer Umleitung. Hier wird die Strasse auf rund 40 Kilometern erneuert, und der Verkehr über eine Erdpiste umgeleitet. Kurz nach Ende der Umleitung biegen wir in Athi River auf eine sehr schlechte, von grossen und tiefen Schlaglöchern übersäte Teerstrasse ein, die sich erst kurz vor dem Stadtrand von Nairobi in eine gute Teerstrasse umwandelt. Wobei die Definition des Stadtrandes schwierig ist. Es ist nicht klar, wo die Millionenstadt beginnt, denn wir fahren bereits seit zwei Stunden durch Gebiete, die durchaus Industrie- oder Slumgebiete von Nairobi sein könnten.

Wir beabsichtigen, den Campingplatz Jungle Junction aufzusuchen, der sich mitten in Nairobi befindet. Eigentlich würden wir gerne etwas ausserhalb der Stadt übernachten, aber leider haben wir keinen Reiseführer für Kenia gekauft, da wir dieses Land nur als Transitland zwischen Uganda und Äthiopien benutzen wollten. Doch aufgrund unserer Planänderung werden wir ganz Kenia von Süden nach Norden durchqueren, und bereuen es jetzt zutiefst, keinen Reiseführer für dieses Land gekauft zu haben. Wenigstens haben wir die GPS-Koordinaten vom Campingplatz in Nairobi, und nach rund drei Stunden im Stau fahren wir auf das Campingplatzgelände. Wobei Campingplatz zuviel gesagt ist. Eigentlich handelt es sich um nichts anderes als den nicht sehr grossen Garten eines Hauses, wo wir den Santi neben fünf weiteren Autos abstellen können. Auch die sanitären Anlagen spotten jeder Beschreibung: Ein Raum für WC und Dusche, ohne jede Abtrennung, und eine Türe mit oben und unten je einem 10 cm bis 20 cm grossem Türspalt, und eine "Campingwiese", die von den Hunden des Betreibers als WC genutzt wird - nicht gerade das, was man sich als Campingplatz vorstellt. In der Garage des Hauses ist eine Auto- und Motorradwerkstatt untergebracht. Obwohl die zwei angestellten Mechaniker oft nicht viel mehr tun als herumlungern ist es nicht möglich, den geplanten Ölwechsel beim Santi vorzunehmen. Uns dünkt es schade, dass sich der Betreiber nicht etwas freundlicher gibt, aber offenbar hat er genügend Gäste und kann sich deshalb ein solches Verhalten leisten.

2. September 2008

Äthiopien gehört zu den Ländern, bei denen an der Grenze keine Visa für Schweizer ausgestellt werden. Wir müssen deshalb in Nairobi bei der äthiopischen Botschaft um Erteilung unserer Visa nachsuchen. Nach unserer gestrigen Erfahrung mit dem nairobischen Stadtverkehr entscheiden wir uns für ein Taxi. Kurz nach neun Uhr treffen wir in der äthiopischen Botschaft ein und erfahren, dass wir unsere Visa in nur zwei Stunden wieder abholen können. Die Wartezeit vertreiben wir uns mit einem Spaziergang in einem nicht weit entfernten Stadtpark. Im künstlich angelegten Teich könnte man sogar Pedalos mieten, aber da die Wasserqualität eher an ein Jaucheloch denn an Wasser erinnert, verzichten wir auf dieses Erlebnis.

Zurück auf dem Campingplatz plaudern wir etwas mit Andreas und Cornelia Schums, die wir bereits auf dem Parkplatz des LAICO Umubano Hotel in Rwanda getroffen haben. Dieses junge Ehepaar würde gerne ihr äthiopisches Touristenvisum in ein Businessvisum umwandeln, da beide ein halbes Jahr in Mekele ein Volontariat absolvieren möchten. Leider weiss die äthiopische Bürokratie dies zu verhindern, und wir können den beiden nur die Daumen drücken, dass sie es doch noch schaffen. Wir feiern unser Wiedersehen mit einem feinen Abendessen.

3. September 2008

Im nur wenige Kilometer entfernten Yaya-Center erledigen wir unsere Einkäufe. In diesem riesigen Einkaufszentrum gibt es alles, was das Herz zu begehrt. Nebst Nahrungsmitteln kaufen wir Sicherungen, einen neuen 12V/230V-Konverter (der bisherige Konverter vermag den Laptop nicht mehr aufzuladen, und gibt auch sonst abenteuerliche Geräusche von sich...) und einen neuen Kocher. Unser MSR-Benzinkocher funktioniert nämlich nicht mehr richtig, und unglücklicherweise hat Markus bereits in Malawi darauf bestanden, die letzten Gaskartuschen unseres Gaskochers aufzubrauchen. Wir finden alles, was wir brauchen und kehren mit gefüllten Einkaufstaschen zurück. Bevor wir wieder zum Jungle Junction-Campingplatz fahren gönnen wir uns eine feine Pizza.

Nach ziemlich genau fünf Monaten weihen wir unser Sonnensegel ein. Allerdings nicht der ursprünglich angedachten Funktion als Schattenspender entsprechend, sondern als Regenschutz. Es regnet in Nairobi jeden Tag unsere Aufenthaltes, und ohne unser wasserdichtes Sonnensegel würden wir total durchnässt. Zeitweise regnet es so stark, dass wir sogar unter dem Sonnensegel leicht nass werden. Nicht etwa, weil das Sonnensegel nicht wasserdicht wäre - nein, die grossen Wassertropfen prasseln derart schnell auf den Rasen und die sich rasch bildenden Wasserlachen nieder, dass sie von dort wieder aufspringen und uns als "Querschläger" benetzen.

4. September 2008

Wir verlassen den Campingplatz nicht ohne Erleichterung und lassen den Moloch Nairobi nach ein paar Stunden Stadtverkehr hinter uns. Erstaunlich gut finden wir die Strasse in Richtung Thika und fahren direkt auf den Mount Kenya zu. Dieser Berg kann östlich und westlich umfahren werden. Die Westroute führt über eine Hochebene, während die östliche Route durch ein hügeliges und fruchtbares Gebiet führt. Für uns ist es keine Frage, welche Seite wir wählen sollen, und schon kurz hinter Thiba führt uns die kurvige Strasse mitten durch Reisfelder, Bananen-, Tee- und Kaffeeplantagen östlich des sich in dicken Wolken verhüllenden Mount Kenya entlang. Der Landschaftswechsel ist beeindruckend: Von Nairobi bis zur Abzweigung nach Embu fährt man nach Verlassen des städtischen Einzugsgebietes von Nairobi über leicht gewellte, mit Gras und wenig Wald bewachsene Hügel, die bald einmal von einer wenig fruchtbaren Ebene abgelöst werden. Kaum hat man sich jedoch für die östliche Umfahrung des Mount Kenya entschieden, ändert sich die Landschaft, und man befindet sich mitten in einem der wohl fruchtbarsten Gebiete ganz Kenias.

Der einzige Nachteil dieser Strecke ist die Strecke selbst. Die meisten Touristen meiden die zeitzehrende, kurvige und hügelige östliche Strasse und umfahren den Mount Kenya auf der westlichen Seite. Entsprechend finden wir nur mit Mühe eine Möglichkeit zum Campieren. In der rund drei Kilometer von der Strasse entfernten Thuchi Lodge finden wir eine wunderschön gelegene und recht gut unterhaltene Hotel- und Lodgeanlage, wo man uns erlaubt, auf einer grossen Wiese zu Campieren.

5. bis 6. September 2008

Auf dem Campingplatz Jungle Junction mitten in Nairobi hatten wir in keiner Nacht Ruhe, da er sich direkt neben einer Strasse befindet und der Autolärm selbst in der Nacht höchstens während dreier Stunden sich in einigermassen erträglichem Rahmen hält. Wir geniessen deshalb die Ruhe an diesem Ort und beschliessen, etwas hier zu verweilen. Zu Fuss erkunden wir die Gegend, relaxen und besprechen die Weiterfahrt durch Kenia.

7. September 2008

Unser heutiges Etappenziel heisst Archer's Post. Bis wir dort eintreffen, vergehen jedoch mehrere Stunden. Zum einen plaudern wir etwas mit einem einheimischen Bauern, den wir auf einem Spaziergang unterwegs antreffen, und zum anderen erweist sich ab Isiolo die gemäss Karte gute Teerstrasse als hammerharte Piste. Doch bevor es soweit ist, gibt es kurz vor Meru die "Äquatortaufe", und schon bald ändert sich die fruchtbare Region in eine trockene Landschaft.

Wenige Kilometer vor Archer's Post kochen wir unser Mittagessen und machen wenig erfreuliche Bekanntschaften mit einheimischen Kindern. Auf unserer bisherigen Reise wurden wir immer wieder mit bettelnden Kindern konfrontiert, aber noch nie mit Kindern, die derart frech und aufdringlich die diversesten Sachen zu erbetteln versuchen. Wir würden die Bettelei verstehen, wenn sie Hunger leiden würden, aber sie sind allesamt mindestens so gut genährt wie wir. Von einem zufälligerweise vorbei spazierenden einheimischen Mann erfahren wir, weshalb die Kinder unter anderem nach Pudding und Präservativen betteln: Von den hier stationierten und sich auf ihren Irak-Einatz vorbereitenden britischen Militärangehörigen erhalten die Kinder praktisch alles, wonach sie betteln. Ob es sinnvoll wäre, wenn diese britischen Militärangehörigen ihre Einstellung vor ihrem Irak-Einsatz kurz überdenken würden, mag jeder selbst entscheiden - hilfreich für Nachfolgende ist deren "Spendierlaune" jedenfalls kaum.

Als Übernachtungsort wählen wir den etwas ausserhalb der kleinen, von zwei Nationalparks eingeschlossenen Ortschaft Archer's Post am Ufer des Ewaso Ng'iro gelegenen Campingplatz aus. Es handelt sich dabei um den einzigen nicht in einem der beiden Nationalparks gelegenen Campingplatz. Obwohl auch hier die Infrastruktur zu wünschen übrig lässt, ist das Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich besser als in Nairobi. So kostet zum Beispiel ein gekühltes Getränk auf dem Campingplatz in Nairobi mindestens viermal mehr als hier. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir in der Thuchi Lodge achtmal weniger für ein Getränk zahlten als in Nairobi...

8. bis 9. September 2008

Wir spazieren durch die Halbwüste und stossen dabei auf die Grenzen der Markus'schen Orientierungsfähigkeit. Sein Plan, ein paar einheimische Dörfer zu umrunden und anschliessend dem Flussufer entlang zurück zu spazieren, wäre sicher nicht schlecht gewesen, aber wenn man bei der Rückkehr ohne es zu merken rund 200 Meter neben dem Campingplatz vorbeimarschiert, nützt der beste Plan nichts! Nach einer rund zwei Kilometer langen Ehrenrunde treffen wir müde von der Sonne beim Campingplatz ein und wissen, dass wir das nächste Mal besser aufpassen müssen. Seit wir die Thuchi Lodge verlassen haben, ist die Sonne unsere ständige Begleiterin. Am Nachmittag wird es bis zu 47 ° C warm - im Schatten, wohlgemerkt! Auch in der Nacht kühlt es nur langsam ab, und wir können uns kaum vorstellen, dass dies gemäss Campingplatzbetreiber die "kalte" Jahreszeit sein soll.

Nicht schlecht staunen wir, wie plötzlich das Ehepaar Schums auf dem Campingplatz eintrifft - offenbar verfolgen uns die beiden! Mit ihrem Äthiopienvisum scheint es nun doch noch zu klappen, und sie verbringen die Wartezeit mit einem Besuch des benachbarten Nationalparks.

Leider gibt der in Nairobi gekaufte Benzinkocher bereits beim zweiten Einsatz seinen Geist auf. Wie wir herausfinden, ist die eingebaute Dichtung nicht treibstofffest. Auch unser MSR-Benzinkocher hat ein Dichtungsproblem: Eine Dichtung hat sich in Einzelteile aufgelöst. Immerhin kann Markus, während Helen Holz hackt und auf dem Feuer feine Spaghetti kocht, die Kompressorhupe reparieren.

10. September 2008

Kurz nach fünf Uhr morgens brechen wir auf in Richtung Norden. Leider kommen wir nicht weit, denn nach 32 Kilometern bleibt unser Santi einfach so stehen. Wie sich herausstellt, haben wir das Elementarste des Autofahrens vergessen: Das Tanken. Besser gesagt: Markus war der Ansicht, der Dieselvorrat reiche locker bis zur Grenze, hat dabei aber nicht berücksichtigt, dass die Treibstoffvorratsanzeige nicht mehr richtig funktioniert. Seit rund einer Woche zeigt die Anzeige immer einen vollen Tank an, und sogar jetzt, wo nicht einmal mehr ein Tropfen Diesel im Tank ist, haben wir gemäss Anzeige einen vollen Tank. Also pumpen wir Treibstoff vom Zusatz- in den Haupttank um und fahren zurück bis nach Isiolo. Gemäss Strassenkarte könnte man bereits im nahe gelegenen Archer's Post tanken, aber die dortige Tankstelle erweist sich als wenig Vertrauen erweckend - es sei denn, man füllt seinen Tank gerne mit Diesel aus dreckigen, verbeulten und mindestens schon hundert Mal gebrauchten Plastikkanistern. In Isiolo decken wir uns mit Wasser, Esswaren und Diesel ein und kehren kurz vor dem Eindunkeln auf den Campingplatz in Archer's Post zurück.

11. September 2008

Heute unternehmen wir den zweiten Anlauf, um weiter in Richtung Norden voranzukommen. Um möglichst nicht aufzufallen, fahren wir trotz der Dunkelheit nur mit normalem Licht. Die Strecke von Archer's Post bis zur äthiopischen Grenze gilt nämlich als überfallgefährdet. Bewaffnete, grenzüberschreitende Banditen haben in der Vergangenheit mehrfach Reisende überfallen und ausgeraubt. Es gilt deshalb, die Strecke möglichst rasch zurückzulegen. Das Problem dabei ist die Beschaffenheit der Strecke. Aus Berichten anderer Reisenden haben wir erfahren, dass sie oftmals Reifenpannen, aber auch Achs- und sogar Chassisbrüche zu verzeichnen hatten. Dies nur, weil die Strecke derart schlecht sei. Es soll sich laut mehreren Berichten um die übelste Strecke ganz Afrikas handeln. Wir sind gespannt, wie schlecht die Piste tatsächlich ist, und fahren langsam in Richtung Marsabit, dem einzig sinnvollen Zwischenhalt auf der knapp 500 km langen Strecke.

Die Strecke bis Marsabit befindet sich nicht in einem hervorragenden Zustand, ist aber auch nicht derart schlecht, dass man Schäden am Fahrzeug davon trägt, wenn man darüber fährt - es sei denn, man brettert in einem Affenzahn über die Piste. Wir veranschlagen acht bis zehn Stunden für die Strecke und fahren mit rund 25 bis 30 km/h. Mit dieser Geschwindigkeit kann man den Steinen, Schlaglöchern und anderen Hindernissen auf der Piste meistens gut ausweichen, und wenn ein Ausweichen nicht möglich ist, fahren wir sehr langsam und vorsichtig darüber. Wir kommen lieber langsam, dafür aber sicher ans Ziel, als schnell zu fahren und irgendwo mit einer Panne stehen zu bleiben und zum einfachen Ziel allfälliger Räuber zu werden. Zudem können wir so die zwar einsame, aber dennoch ziemlich abwechslungsreiche Landschaft mit ihrer Tierwelt besser geniessen. Nebst einer grossen Eule sehen wir unzählige Antilopen und Erdhörnchen.

Nach rund 160 Kilometern treffen wir plötzlich auf ein quer mitten auf der Strasse stehendes Motorrad. Der Motorradfahrer hat einen Helm aufgesetzt und steht unmotiviert neben dem Motorrad. Interessanterweise blieb sein Motorrad genau dort stehen, wo Steine links und rechts die Fahrbahn verengen. Uns kommt diese Situation komisch vor, und Markus steuert den Santi zentimetergenau zwischen Motorrad und Steinen hindurch, und der Motorradfahrer, der es wohl eher auf uns, unsere Ausrüstung und den Santi abgesehen hat, bleibt verdutzt stehen. Dieser Vorfall zeigt uns auf, dass die Strecke tatsächlich nicht ungefährlich ist - allerdings nicht wegen der Piste, sondern wegen Räubern.

Kurz vor Einbruch der Dämmerung treffen wir auf dem ungefähr zwei Kilometer südwestlich von Marsabit gelegenen Campingplatz ein. Dieser Campingplatz wird von einem vor über 30 Jahren nach Kenia ausgewanderten Liestaler geführt, der sich offensichtlich freut, wieder einmal ein paar Worte Schweizerdeutsch zu hören. Auf dem voll belegten Campingplatz befindet sich eine Gruppe aus Südafrika, die mit fünf Fahrzeugen Afrika durchquert. Sie sind nicht gerade angetan von der Strecke Archer's Post - äthiopische Grenze, da sie auf diesem Abschnitt mehrere Defekte (u.a. Chassisbruch) erlitten.

Mit der Dunkelheit stossen noch zwei Männer aus Addis Abeba mit ihrem Land Rover hinzu und stellen ihre Zelte mitten auf den Abfahrtsweg. Wir stellen dies rund eine halbe Stunde später fest und weisen sie darauf hin, dass wir morgen früh um halb sechs Uhr losfahren möchten. Unter lautem Lamento verschieben sie ein Zelt, so dass wir morgen früh losfahren können. Wir sind der Ansicht, dass man, wenn man direkt auf dem Abfahrtsweg sein Zelt aufschlägt, sich vorerst bei den anderen Reisenden erkundigt, ob dies für sie in Ordnung sei, aber in Äthiopien ticken die Uhren offenbar anders...

12. September 2008

Heute wollen wir die äthiopische Grenze erreichen. Mit derselben Geschwindigkeit wie gestern tuckern wir zu Beginn noch durch die dunkle Nacht, erleben, wie langsam die Sonne aufgeht und es warm und wärmer wird, und können weiterhin nicht verstehen, wie man sich auf dieser Piste derart gravierende Schäden am Fahrzeug einhandeln kann.

Die Strecke führt durch eine wüstenartige, von schwarzen Steinen übersäte Region, die stark an die algerische Wüste erinnert. Diese Wüste wird bald von einer Halbwüste abgelöst, in der viele Kamelkarawanen und Ziegenhirten unterwegs sind. Für uns ist es unvorstellbar, wie man in dieser ungastlichen Gegend leben kann, aber kaum halten wir für ein paar Fotos an, nähert sich von irgendwoher jemand. Obwohl die Landschaft menschenleer erscheint, wird sie bewohnt, und nicht selten erspähen wir etwas abseits der Piste kleine Siedlungen.

Die Bewohner dieser Siedlungen sind ursprüngliche Massai. Insbesondere die Frauen tragen sehr farbige Kleider und einen Kopfschmuck. Da wir uns weiterhin etwas vor Räubern fürchten und möglichst nicht auffallen möchten, verzichten wir schweren Herzens darauf, diese Menschen zu fotografieren. Wie wir an einer Strassensperre anhalten müssen, werden wir sofort von einer Menschentraube umringt, und alle wollen uns etwas verkaufen. Sie können oder wollen es nicht verstehen, dass wir nicht allen etwas abkaufen. Noch nie auf unserer Reise haben wir derart aggressive Menschen erlebt und wir sind froh, dass wir weiterfahren können. Auf keinen Fall wollen wir heute wild übernachten - ein Besuch dieser Leute stünde einem Gelingen unserer Afrikaquerung ziemlich sicher arg im Wege!

Von Turbi bis nach Moyale zeigt eine hohe Polizei- und Militärpräsenz, dass die Strecke tatsächlich nicht sicher ist und es noch immer Überfälle von zum Teil grenzüberschreitend operierenden Banden gibt. Wir sind heilfroh, ohne weitere nennenswerte Zwischenfälle in Moyale einzutreffen, und nach einem nur gut viertelstündigen Grenzaufenthalt aus Kenia auszureisen.

Auch wenn Kenia ein Touristenziel par excellance ist, vermag uns dieses Land nicht in seinen Bann zu ziehen. Tiere haben wir auf unserer bisherigen Reise genug gesehen, und auch landschaftlich wurden wir bereits stark verwöhnt. Zudem machen für uns die Kenianer den unfreundlichsten und aggressivsten Eindruck. Noch in keinem Land hatten wir das Gefühl, derart unwillkommen zu sein. Während uns in allen bisherigen Ländern die Menschen am Strassenrand zurückwinkten, so wurde in Kenia unser Winken bestenfalls meistens nur mit einer abschätzigen Handbewegung beantwortet. Nicht selten wurde uns sogar sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass wir hier nicht erwünscht sind. Diese Erfahrungen untermauern unseren Entscheid, Kenia rasch zu queren.

Äthiopien

12. September 2008

Müde von der langen Fahrt queren wir den äthiopischen Schlagbaum in Moyale, und Markus begibt sich zum Immigrations Office. Ohne Bürokratie, dafür schleppend langsam, drückt ihm der Grenzbeamte den Einreisestempel in unsere Pässe. Weil er sich überhaupt nicht beeilt, ist es halb sechs Uhr, und der Grenzbeamte vom Customs Office ist bereits seit einer halben Stunde zu Hause. Während Markus sich von den Grenzbeamten auslachen lässt, bewacht Helen den Santi. Zum Glück, denn dank ihrer Bewachung macht sie Bekanntschaft mit einem Fremdenführer, der den Customs Officer telefonisch kontaktiert und ihn bittet, unsere Einreise ausserhalb der Öffnungszeiten abzuwickeln. Erstaunlicherweise taucht nur gerade zehn Minuten später der Customs Officer tatsächlich auf, und kurze Zeit später ist unser Carnet abgestempelt, und wir machen uns im Grenzort Moyale auf die Suche nach einer Campiermöglichkeit.

Während dem Suchen wird Markus von Helen darüber aufgeklärt, dass wir uns in einer anderen Zeit befinden. Es ist jetzt nämlich der 2. September 2001, und obwohl unsere Uhr 18 Uhr 15 zeigt, ist es 12 Uhr 15. Gestern hat in Äthiopien ein neues Jahr begonnen, und der äthiopische Tag hat zweimal zwölf Stunden – wobei jeweils um sechs Uhr abends und morgens einen neue „Tageseinheit“ beginnt. Ausserdem erklärt sie ihm, dass das Jahr hier nicht 12, sondern 13 Monate hat, und Neujahr am 1. September ist. Dies alles wurde Helen von sich um den Santi scharenden Fremdenführern erklärt, als sich Markus mit Grenzformalitäten beschäftigte. 

13. September 2008

Gerädert stehen wir frühmorgens auf und hoffen, dass die nächsten Nächte etwas ruhiger werden – wir haben nämlich im Hinterhof eines kleinen Hotels direkt neben dem die ganze Stadt mit Strom versorgenden Generator verbracht…

Auf einer mittelmässigen Teerstrasse fahren wir rasch in nördlicher Richtung. Noch immer befinden wir uns in einem von Räuberbanden unsicher gemachten Gebiet. Trotzdem bestaunen wir die von sehr hohen Termitenhügeln übersäte Landschaft mit ihrer roten Erde. Begleitet werden wir von einer Kaltluftfront, die nicht nur einen grossen Greifvogel, sondern ab und zu auch ein paar Regentropfen zu uns schickt. Immer wieder machen wir diverse Fotohalts und bewundern die Weite des Landes.

Wir durchqueren Dubduluk und sind froh, nach 190 Kilometer Fahrt kurz vor Yabelo auf einer Baustelle einen Übernachtungsplatz finden. Nicht etwa, dass wir bevorzugt auf Baustellen übernachten, aber das Hinweisschild am Strassenrand ("Borana Lodge - a Pleasure to treasure") reizt uns und wir folgen dem Wegweiser. Die holprige und ausgewaschene schmale Erdpiste endet aber nicht bei einer Lodge, sondern inmitten einer Baustelle.

Wie uns die drei anwesenden freundlichen Äthiopier mit ihren geringen Englischkenntnissen und mit Händen und Füssen erklären, wird hier eine grosszügige Lodgeanlage mit rund dreissig allein stehenden Bungalows errichtet. Mit Stolz zeigen uns die Männer auf der Baustelle, was sie bisher gebaut haben. Am Schluss werden wir auf einen sehr gepflegten Garten aufmerksam gemacht. In diesem sorgsam angelegten Garten werden nicht nur Gemüse und Kräuter, sondern auch Mangobäume, Bananenpalmen und Kaffee angepflanzt. Wie sich herausstellt, ist der eine der drei Männer der Gärtner, und die beiden anderen bewachen die Baustelle – und in der heutigen Nacht den Santi und uns. Bewaffnet mit einem Karabiner sind die beiden Wächter nicht nur wegen den Räuberbanden, sondern vor allem auch wegen den sich in den umliegenden Hügeln tummelnden Löwen.

14. September 2008

Nach einer wirklich vollkommen ruhigen Nacht werden wir beim Frühstück von einer vorbeischlendernden Kamelherde überrascht. Wir schmunzeln über die ruhige Gangart und das laute "Wiehern, Schnauben, und Grochzen". Nach einem kurzen Spaziergang verabschieden wir uns von den beiden sehr höflichen und zurückhaltenden Wächtern und fahren nordwärts.

Bald einmal wird die rote Erde von fruchtbarem und sattem Grün abgelöst. Gelegentlich fahren wir durch kilometerlange topfebene Grasflächen, auf denen unglaublich viel Vieh weidet. Kein Wunder, wenn wir statt Mann und Frau Stier und Kuh wären, würde es uns hier auch gefallen! Auf der Weiterfahrt fällt uns auf, dass die Behausungen in Äthiopien - wie in weiten Teilen Afrikas - einfach gebaut sind. Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern tragen die Frauen die von ihnen zu transportierenden Lasten jedoch nicht auf dem Kopf, sondern auf dem Rücken oder auf den Schultern.

Unterwegs bleibt unser treuer Santi wieder einmal stehen. Markus lokalisiert das Problem bald einmal und beginnt, zwei defekte Sicherungen auszutauschen und einen Teil des Sicherungskastens zu reinigen. Eines der Hauptstromkabel wurde vom Werk aus nicht genügend gegen Verunreinigungen geschützt, weshalb das Kabel und die Kontakte im Sicherungskasten zu korrodieren begonnen haben. Während sich immer mehr Menschen um den Santi scharen, reinigt Markus fein säuberlich alles und setzt es anschliessend wieder zusammen. Danach möchte er den Motor starten – leider erfolglos. Trotz einer langen Suche nach der Ursache findet er nichts. Ein zufälligerweise vorbei fahrender Einheimischer bietet uns an, in einem nahe gelegenen Dorf Hilfe zu holen. Während Markus das Auto bewacht bzw. weiter auf Fehlersuche geht, fährt Helen mit dem Einheimischen mit. Während Helen in dessen Auto sitzt, überkommt sie ein etwas komisches Gefühl. Zum einen weil sie zu einem wildfremden Mann ins Auto gestiegen ist, zum anderen, weil sie kein Natel bei sich hat und es zudem noch eindunkelt. Glücklicherweise erweist sich der Einheimische als ehrlich und aufrichtig, und nach rund zwei Stunden kehren die beiden zusammen mit einem Mechaniker zu Markus zurück. Es hat deshalb so lange gedauert, weil zum einen das „nahe gelegene Dorf“ doch nicht so nahe war (rund 35 Kilometer!), und zum anderen, weil heute Sonntag ist, und der Mechaniker natürlich nicht in der Garage, sondern irgendwo bei Freunden im Dorf war und zuerst noch gefunden werden musste. Kaum beim Santi und Markus angekommen, macht sich der Mechaniker auf Fehlersuche. Allerdings etwas anders als Markus, der den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Als erstes prüft der Mechaniker nämlich die Batterie und meint, es wäre nicht schlecht, wenn die entleerte Batterie geladen würde…Helen und ein netter Äthiopier sind damit beschäftigt, die ganze Menschenmasse vom Auto fern zu halten. Es ist nämlich unheimlich schwierig am Auto zu arbeiten, wenn eine Unmenge von Menschen beinahe auf der Motorhaube sitzt.

Kaum sind die Überbrückungskabel angeschlossen, schnurrt der Motor im Santi wieder wie eh und je. Mittlerweile ist es dunkle Nacht geworden, und der Mechaniker bietet uns an, in seiner Garage zu übernachten. Da sich die ganze Zeit mindestens fünfzig Personen um den Santi und uns scharten, nehmen wir sein Angebot dankend an und fahren mit dem Mechaniker 35 Kilometer zurück bis in dessen Garage. Müde und erschöpft nach den Strapazen liegen wir auch schon im Dachzelt und lauschen der Dorfmusik - die Garage ist nur durch einen Pfahlverhau von der Hauptstrasse abgetrennt...

15. September 2008

Wieder einmal stellen wir fest, wie die Kilometerangaben auf einer Strassenkarte täuschen können. Eigentlich wären wir heute gerne nach Addis Abeba gefahren, aber nach nur gerade rund 300 Kilometer neigt sich der Tag dem Ende zu. Wir fahren zwar auf einer nicht allzu schlechten Teerstrasse bis nach Shashemene, aber die unzähligen Dörfer unterwegs zwingen immer wieder zur Reduktion der Geschwindigkeit. Je mehr wir uns Shashemene nähern, umso besser werden die Häuser. Wir erfahren sogar auch, wie die Häuser im Rohbau aussehen.

In Shashemene, einem Ort mit 8'000 Einwohnern in der Provinz Shoa, versuchen wir erfolglos das Tauschen unserer tansanischen Shillings und finden in einem kleinen, schmalen Hinterhof eines einfachen Motels, direkt vor einem Billardraum, einen unruhigen Schlafplatz… Dafür freut sich der Besitzer über unseren Besuch in seinem Motel und zeigt uns mit Stolz seine gesamte kleine „Anlage“.

16. September 2008

Lautes Schreien und Lachen einiger Gäste lässt und früh erwachen. Hungrig liegen wir noch etwas im Dachzelt und diskutieren, was wir heute tun sollen. Wie man sich zu erinnern vermag, funktionieren seit Archer’s Post (Kenia) weder unser von der Schweiz mitgenommene noch der in Nairobi gekaufte Benzinkocher. Wir ernähren uns deshalb seither ausschliesslich von mitgenommenem Dörrgut, Haferflocken und Wasser. Infolgedessen machen wir uns auf die Suche nach frischem Brot und werden auch bald bei einigen Strassenverkäufern fündig. Nachdem wir auch noch Marmelade und Butter finden, machen wir uns mit grosser Freude auf den Rückweg zum Motel, wo wir gemütlich frühstücken. Wir diskutieren über unser Scharnier der Dachzeltbefestigung, dessen Nieten sich seit der schlechten Piste von Isiolo nach Moyale wieder teilweise gelöst haben. Dies hat zu Folge, dass unser Dachzelt lediglich mit vier Nieten an der Karosserie befestigt ist und bei der nächsten Rüttelpiste die Gefahr des Brechens weiterer Nieten droht. Damit würde unser Santi zum Cabriolet umgewandelt. Sicher wäre es ein spannendes Unterfangen, mit einem Cabrio heimzufahren, aber in der Regenzeit macht es weniger Spass… Leider ist das Fahren von Naturpisten mit einem solchen instabilen Dachzelt und der schweren Dachlast nicht mehr möglich, so dass wir beinahe keine andere Wahl haben, als es in Addis Abeba in einer grösseren Garage reparieren zu lassen. Der starke Regen mit Blitz und Donner ist für uns Grund genug, noch eine Nacht in Shashemene im Bekele Mola Hotel, einer Hotelkette des südlichen Äthiopiens, zu verbringen.

17. September 2008

Schweren Herzens fahren wir nach einer regenreichen Nacht um 8 Uhr nicht wie geplant auf der Naturpiste via Sodo und Hosaina, sondern auf der Hauptstrasse via Debre Zeyt nach Addis Abeba. Ab Negele, einem kleinen Ort nördlich von Shashemene, sind aufgrund der starken Niederschläge weite Landstriche überflutet.

Die Landschaft ist sehr fruchtbar und bis zum Horizont reichen riesige Felder. Aber auch moderne Treibhäuser säumen den Strassenrand. Und zwar in uns bisher unbekannten Ausmassen: Die grösste Treibhausanlage umfasst 1'000 unglaublich grosse Treibhäuser mit einer Gesamtfläche von rund 50 km2!

Äthiopien ist ein Land, in dem es viel zu entdecken gibt. So gibt es hier zum Beispiel nicht nur Taxis für Menschen, sondern auch für Tiere. Nur so können wir uns erklären, weshalb mehrere Dutzend Kamele sich auf der Ladefläche eines Lastwagens durch die Gegend kutschieren lassen! Sie scheinen die Fahrt zu geniessen - jedenfalls gucken sie interessiert über die Laderampe und lassen sich den Fahrtwind durch ihre langen Wimpern streichen. Die Strasse müssen wir uns aber nicht nur mit Kameltaxis teilen, sondern auch - wie in weiten Teilen Afrikas - mit Eselskarren.

In Debre Zeyt lassen wir das äthiopische Luftfahrtmuseum links liegen und fahren bald schon durch die ersten Vororte von Addis Abeba. Mitten in einem dieser Vororte treffen wir auf einen Verkehrskreisel, der sich zur Knacknuss erweist. Auf drei Seiten führen gute Teerstrassen zum Kreisel, und auf einer Seite eine ausgewaschene, von sehr tiefen Schlaglöchern versehene Piste. Laut GPS müssen wir auf dieser Piste weiterfahren, was Markus aber nicht glaubt. Helen erkundigt sich deshalb bei einem Taxifahrer nach dem Weg zur Stadtmitte, und erklärt alsdann ihrem staunenden Ehemann, dass diese Piste tatsächlich die südliche Einfallstrasse ist. Also rumpeln wir im schaukelnden Santi über die Piste – äh, Entschuldigung: Hauptverbindungsstrasse – dem Stadtzentrum entgegen. Bis dorthin wechseln sich Teerstrassen- und ausgewaschene Pistenabschnitte ab, und bei Kreuzungen ist nicht selten Spürsinn gefragt, denn Strassenschilder gibt es in Äthiopien keine.

Mit viel Glück erreichen wir das Stadtzentrum, ohne uns auch nur ein einziges Mal zu verfahren, und finden sogar das direkt an Armenviertel angrenzende Hotel Bel Air. Dieses Hotel erlaubt gemäss unserem Reiseführer als einziges Hotel der Stadt das Campieren auf dem Hotelgelände – sonst wären wir nie hierher gefahren. An Schlaf ist hier aber nicht wirklich zu denken. Ab ca. 22 Uhr werden wir von bellenden, kläffenden und jaulenden Hunden unterhalten. Offenbar halten die Hunde der umliegenden Quartiere eine Konferenz ab und können sich unglücklicherweise weder einigen noch kurz fassen…

18. September 2008

Nach der schlaflosen Nacht brechen wir frühmorgens auf, um eine Land Rover-Garage zu finden. Da wir nur die ungefähre Richtung kennen, ist es praktisch unmöglich, die Garage selber zu finden. Zum Glück treffen wir bald auf einen netten äthiopischen Autofahrer, der uns die letzten paar hundert Meter bis zur Garage durch enge Quartierstrassen vorfährt. In der Garage angekommen, wird uns mitgeteilt, dass man zwar sehr wohl in der Lage wäre, die Dachzeltbefestigung zu reparieren, aber aufgrund einer Inventur nicht über die erforderlichen Nieten verfüge. Der Manager schickt uns kurzerhand zu einer anderen Garage, wo wir die Nieten organisieren sollen.

Den Weg zur anderen Garage finden wir im Strassengewirr gut, denken aber nicht im Traum daran, zur ersten Garage zurückzukehren, da uns deren arrogante Art gar nicht gefällt. Der Chefmechaniker der zweiten Garage erklärt uns, nur über die weniger stabilen Aluminiumnieten zu verfügen, die stabileren Metallnieten für uns jedoch in der Stadt besorgen werde. Er lädt uns ein, morgen Vormittag zu erscheinen, und verspricht uns, die Reparatur dann umgehend vorzunehmen.

Wie wir uns auf dem Rückweg leicht verfahren, stehen wir plötzlich auf dem Parkplatz des Hotels Hilton. Flugs entscheiden wir uns, statt inmitten der kläffenden Hunde zu nächtigen, uns eine Nacht im Hotel Hilton zu gönnen.

19. September 2008

Bereits um halb acht stehen wir mit dem Santi in der Garageneinfahrt. Wir machen uns gleich daran, die ganze Dachlast vom Dach zu montieren, damit wir wie verabredet um halb neun mit der eigentlichen Reparatur beginnen können. Als dann immer noch kein Mechaniker zur Verfügung steht, beginnt Markus selber, den Dachzeltstoff von der Karosserie zu lösen. Nach einer Stunde erscheint der Chefmechaniker mit vier Arbeitern im Schlepptau, und schon beginnt das Schlamassel. Wenn Helen und Markus nicht derart intensiv intervenieren würden, müssten wir unsere Reise ohne Dachzelt fortsetzen. Wir beide verlieren beinahe die Nerven und können es kaum fassen, wie die Mechaniker es fertig bringen, um ein Haar unser Dachzelt zu zerstören. Dies deswegen, weil sie unseren Anweisungen nicht folgen und lieber alles mit Gewalt anstatt mit Sorgfalt und Geduld hinter sich bringen möchten. Mit Ach und Krach werden schlussendlich die Nieten ersetzt und der Zeltstoff wieder an der Karosserie befestigt. Aber leider hat die unsorgfältige Arbeit der Mechaniker zur Folge, dass der Schliessmechanismus der Dachzeltbefestigung nicht mehr funktioniert und sich infolgedessen das Dachzelt nicht mehr schliessen lässt. Nachdem die Mechaniker in die Mittagspause verschwunden sind, nimmt Markus selber die Werkzeuge in die Hand und repariert den Pfusch der Mechaniker. Helen dagegen verlässt die Garage, um für Markus und sich etwas zu Essen zu kaufen. Dabei entdeckt sie eine Bäckerei, in welcher sie zur Versüssung des ärgerlichen Morgens einige feine Kuchenstücke kauft. Nach der Mittagspause lässt sich das Dachzelt wieder normal schliessen.

Nach einer Stunde Arbeit haben die Mechaniker gemeinsam mit einem Elektriker dann sogar noch die von ihnen zerstörten Scheinwerferkabel repariert - wenn auch nur behelfsmässig: Mangels Reparatur- und Ersatzmaterial werden einfach ein paar schlecht isolierte Kupferdrähte aneinandergeknüpft! Markus überlegt sich bereits jetzt, wie er den Pfusch zu Hause wieder ausbessert... Der anschliessende Ölwechsel dauert dann noch eine gute halbe Stunde. Wir können nur noch staunen ob der miesen Arbeitsqualität und –moral dieser Mechaniker. In Dodoma (Tansania) hatten wir dieselbe Dachzeltreparatur gemeinsam mit nur gerade zwei Mechaniker in rund zwei Stunden erfolgreich hinter uns gebracht, und hier in Addis Abeba benötigen vier bzw. fünf Mechaniker rund zweimal länger!

Als Helen und Markus die Dachlast wieder befestigt und verzurrt haben, ist es bereits Feierabend. Dies beschleunigt wahrscheinlich die Diskussion um die Mehrwertsteuer, denn nach nur wenigen Minuten ist allen klar, dass wir keine Mehrwertsteuer zahlen müssen.

Glücklich, wieder über ein funktionierendes Dachzelt zu verfügen, steuern wir zum Hotel Hilton zurück und fallen müde in unsere Betten.

20. September 2008

Der heutige Tag begrüsst uns mit dicken Regentropfen. Um den Regentag möglichst gut auszunutzen, machen wir uns auf die Suche nach einem neuen Kocher – schliesslich haben wir keine Lust, uns auf der restlichen Reise nur noch von Dörrgut, Haferflocken, Brot und Bananen zu ernähren. Ein vom Hotel Hilton angeheuerter Taxichauffeur fährt uns durch die verwinkelten Strassen von Addis Abeba, und beim dritten Anlauf finden wir tatsächlich einen Kocher. Der Kocher sieht zwar sehr abenteuerlich und wenig zuverlässig aus, aber besser ein schlechter Kocher als gar keiner. Wenn wir Passanten unser Anliegen erklärten, meinten sie jeweils, wir bräuchten eine Frau als Köchin, und ein hilfreicher Äthiopier hat sogar umgehend eine Köchin zu uns geschleppt! Ob der komischen Situation können wir alle lachen (inkl. der zuerst etwas verwirrten Köchin).

In einem Hinterzimmer der Commercial Bank of Ethiopia möchten wir unsere tansanischen Shillings tauschen. Leider gelingt uns dies nicht, da in Äthiopien nur ganz wenige Währungen gegen Birr getauscht werden können. Der Geldtausch ist Privaten unter Strafe verboten, weshalb wir unsere tansanischen Shillings in einem anderen Land tauschen werden.

21. September 2008

Da wir Addis Abeba aus der Vogelperspektive bewundern und die vielen Eukalyptuswälder der umliegenden Berge betrachten möchten, machen wir uns am späteren Vormittag auf den Weg zum Bergzug Entoto. Die Anfahrt erfolgt über eine sehr steile Rampe, und schon eine halbe Stunde nach der Abfahrt überschreiten wir mit dem Santi zum ersten Mal die Marke von 3'000 m.ü.M. Auf der "Passhöhe" überlassen wir den Santi den Wächtern einer griechisch-orthodoxen Kirche und machen uns zu Fuss auf die Erkundung der Region. Die Entoto-Berge eignen sich nämlich hervorragend als Wander- und Spaziergebiet und gelten nicht zuletzt deshalb als ideales Naherholungsgebiet von Addis Abeba. Wenn man auf der einsamen Hochebene wandert, kann man sich kaum vorstellen, dass man sich nur einen knappen Kilometer Luftlinie von einer Stadt mit rund fünf Millionen Einwohnern und von Menschen überfüllten Strassen befindet!

Weitere Übernachtungen im Hotel Hilton wollen wir uns nicht gönnen. Wir erkundigen uns deshalb beim Manager, ob es möglich sei, eine Nacht auf dem Hotelparkplatz zu übernachten. Ohne grosse Diskussionen wird uns dies erlaubt, und wir suchen uns einen möglichst ruhigen Parkplatz aus. Leider befindet sich dieser Parkplatz ausgerechnet neben der Wohnung des Generalmanagers, und dieser ist über unsere Anwesenheit alles andere als erfreut. Wir werden deshalb von der Security zu einem anderen Parkplatz geleitet. Zum Glück ist es auch bei diesem Parkplatz ruhig, und wir verbringen eine angenehme Nacht.

22. September 2008

Heute gibt es zwischen Helen und Markus eine Arbeitsaufteilung. Helen zeichnet sich für die Beschaffung der Sudanvisa verantwortlich, und Markus ist dafür besorgt, dem Santi zu einem neuen Ventilator zu verhelfen. 

Um halb neun Uhr betritt Helen mit Fortunas Hilfe die sudanesische Botschaft - der Türsteher lässt nämlich Personen nur nach Gutdünken ein. Wer heute nicht eingelassen wird, muss es an einem anderen Tag versuchen. Was allerdings nicht ganz einfach ist, da die sudanesische Botschaft einerseits nur sehr beschränkt offen ist und in drei Tagen aufgrund des Ramadans für einen Monat geschlossen bleibt. Wäre Helen heute nicht hereingelassen worden, hätten wir unser äthiopisches Visum verlängern und sehr lange auf unser sudanesisches Visum warten müssen. Ob dies ein Vorgeschmack auf die sudanesische Willkür ist? Glücklich, im Innern der Botschaft zu sein, wird Helen mitgeteilt, dass die in der sudanesischen Botschaft von Dar es Salaam eingereichten Visaanträge vom dortigen Konsul weder bearbeitet noch nach Khartoum - geschweige denn nach Addis Abeba - geschickt wurden. Der hiesige Konsul schickt Helen zwecks Abklärung der Geschehnisse in Dar es Salaam zum Botschafts-Hauptsekretariat. Er kann nämlich nicht glauben, dass wir in Dar es Salaam diverse Originale einreichten, und der dortige Konsul tatsächlich keinen Finger krümmte. Da die sudanesische Botschaft in Tansania jedoch trotz der fortgeschrittenen Stunde noch nicht geöffnet hat, stossen die Abklärungsversuche ins Leere. Helen muss deshalb alle Formulare nochmals ausfüllen und alle Dokumente (inkl. je zwei Fotos) noch einmal einreichen. Aufgrund der Schlamperei des Konsuls von Dar es Salaam müssten wir rund einen Monat auf ein Touristenvisum warten. Da wir aber lediglich ein Transitvisum beantragen, sollte eine Visumsausstellung gemäss Angaben des Konsuls von Addis Abeba in nur zwei Tagen möglich sein. Um dies zu erfahren, die Anträge einzureichen und die Visagebühren zu bezahlen, verbringt Helen mit weiteren Äthiopiern "nur" siebeneinhalb Stunden in der sudanesischen Botschaft... Um vier Uhr kann Helen endlich das Botschaftsgelände verlassen und fährt per Taxi zu AMCE (Iveco-Garage).

Hierher ist Markus am Vormittag gefahren. Kaum trifft er bei dieser auf Iveco-Lastwagen spezialisierten Garage ein, stürzen sich zwei Mechaniker auf den Santi und entnehmen ihm dessen Eingeweide – oder anders ausgedrückt: Der defekte Ventilator wird durch einen neuen ersetzt. Wie sich während der Reparatur herausstellt, haben sich auf der Fahrt von Isiolo nach Moyale zwei Befestigungsschrauben des Alternators gelockert und gegen die Ventilatorabdeckung gedrückt, wodurch drei Blätter des Ventilators beschädigt wurden. Um einer Überhitzung des Motors vorzubeugen, ersetzen nämlich die beiden kompetenten und freundlichen Mechaniker den Ventilator. Ohne den im Santana eingebauten weit verbreiteten Iveco-Daily-Motor wäre das Suchen nach einem geeigneten Ventilator deutlich schwieriger gewesen! Der Betrieb dieser Garage ist professionell organisiert, und die motivierten Mechaniker sind zuvorkommend und arbeiten rasch. Kurz vor Feierabend ist der Santi wieder einsatzfähig.

Mit der von uns verlangten Mehrwertsteuer haben wir ja bereits Erfahrungen gesammelt. Heute stossen wir aber auch mit unseren besten Argumenten auf Granit. Schlussendlich werden wir auf morgen vertröstet - dann sollen wir unser Anliegen mit dem Finanzchef der Garage besprechen. Nach geschlagener, aber nicht gewonnener Schlacht campieren wir nochmals auf dem Parkplatz des Hotels Hilton.

23. September 2008

Die Mehrwertsteuerschlacht geht heute, nachdem wir alle Tanks mit Diesel aufgefüllt haben, in die zweite Runde. Unser heutiger Gegner ist der Finanzchef der Iveco-Garage. Nach einer halben Stunde gibt er klein bei, und uns wird die Mehrwertsteuer erlassen. Auch wenn es sich im Ergebnis um einen kleinen Betrag handelt, geht es uns ums Prinzip. Wir haben schlicht und einfach wenig Freude daran, Steuern zu zahlen, die wir nicht müssen.

Um halb zwei Uhr geht Helen mit dem sudanesischen Botschafter in die zweite Runde. Ihre Schlacht dauert etwas länger – die Visa werden ihr erst dreieinhalb Stunden später in unsere Pässe geklebt. Es dauert insbesondere deshalb so lange, weil die Sachbearbeiterin unsere Pässe "vergessen" hat, und erst auf Helen aufmerksam wird, als bis auf Helen alle Gesuchsteller das Botschaftsgelände verlassen haben. Markus füllt derweil unsere Wasser- und Lebensmittelvorräte auf. Wieder vereint, kaufen wir uns in der Nähe der sudanesischen Botschaft einen neuen Gaskocher - der kürzlich für umgerechnet CHF 10 erstandene Kerosinkocher erscheint uns als etwas gar abenteuerlich. Für den Fall, dass er nicht oder nicht gut funktionieren würde, wollen wir eine Notlösung in Form eines bewährten Gaskochers haben.

Heute schlafen wir nicht mehr auf dem Parkplatz des Hotel Hilton, sondern auf dem Hotelgelände des Hotels Bel Air. Eigentlich hätten wir gerne noch eine weitere Nacht auf dem Parkplatz des Hotels Hilton campiert, aber leider wird es uns nicht mehr erlaubt. Beim Hotel Bel Air treffen wir auf ein junges deutsches Paar, die mit ihrem Unimog und drei weiteren Fahrzeugen innert nur gerade zehn Wochen von Leipzig nach Cape Town fahren wollen – für uns ein wenig sinnvoller Stress.

24. September 2008

Endlich verlassen wir Addis Abeba. Wir wären gerne viel früher losgefahren, aber aufgrund der beiden „Garagentage“ und der Visabeschaffung bei der sudanesischen Botschaft sowie dem dazwischen liegenden Wochenende mussten wir unseren Aufenthalt ungewollt auf fast eine ganze Woche ausdehnen. Bald haben wir die äthiopische Hauptstadt verlassen und fahren auf einer Hochebene (2'300 m.ü.M. bis 3'050 m.ü.M.) durch eine ausserordentlich fruchtbare, uns an die schweizer Voralpen erinnernde Landschaft. Jedoch erinnern nur die Landschaft und die gute Strasse an die Schweiz. Die Unmengen von Holz und anderem Gepäck auf ihrem Rücken schleppenden Frauen und Esel lassen jeden Anflug von Zweifel über den Standort im Keim ersticken. Auch die Dörfer lassen erahnen, dass wir uns im ursprünglichen Afrika befinden.

In Äthiopien arbeiten die Bauern auf urtümliche Weise. Ihre Felder pflügen sie mit einem Ochsengespann, und als Pflug dient ein einfaches Holzgerüst mit einem spitzigen Stein als Scharte. Die Bauern tragen dieses Holzgerüst auf dem Rücken zu ihren Feldern und spannen dort das Ochsengespann ein. Alsdann geht es in sehr gemächlichem Tempo über die Felder. Wenn die Ochsen stehen bleiben, werden sie mit einer Peitsche zum Weiterpflügen motiviert. Diese Art von Pflügen bedarf viel Geduld und Zeit. Ebenfalls begegnen uns Bauern und Bäuerinnen, welche von Hand Reis ernten. Dabei bücken sie sich mit zum Teil fast gestreckten Beinen zum Boden - Frauen strecken dabei ihr Hinterteil wie tauchende Stockenten in die Höhe, was uns immer wieder zum Schmunzeln bringt. Jeder Rückenspezialist würde sich beim Zusehen im Grab umdrehen! Da nur die wenigsten Haushalte Äthiopiens an eine zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind, müssen die meisten Menschen das Wasser oft von weither zu ihren Behausungen transportieren. Während in weiten Teilen Afrikas das Wasser in Kanistern transportiert wird, schleppen hier die Frauen das Wasser in grossen Krügen auf dem Rücken nach Hause.

Die Mittagspause verbringen wir auf knapp 3'000 m.ü.M. etwas abseits der Strasse. Markus versucht, auf dem Kerosinkocher Wasser zum Kochen zu bringen, was ihm aber misslingt. Auch mit viel Mühe schafft er es nicht - der starke Wind verhindert jedes Anzünden. Wir sind heilfroh, auf einen Gaskocher zurückgreifen zu können - ohne ihn hätten wir heute an ungekochten Teigwaren knabbern müssen! Während Markus vergeblich mit dem Kerosinkocher kämpft, erscheint ein alter Mann und hält uns seinen vereiterten Finger hin. Er gibt uns zu verstehen, dass ihm ein Stein auf den Finger gefallen sei und bittet uns um Erste Hilfe. Helen verarztet ihn fachmännisch. Sie desinfiziert die Wunde mit Betadine und streicht Wundsalbe darauf. Anschliessend verbindet sie die Wunde. Danach gibt sie ihm noch Verbandsmaterial und Salbe mit, was ihn sichtlich erfreut. Dankbar geht er alsdann seines Weges. Während Helen verarztet und Markus kocht, wandert gemächlich eine Tierherde vorbei. Ein Esel findet so grossen Gefallen an uns und dem Santi, dass er unbedingt einsteigen möchte. Geduldig wartet er artig neben der Beifahrertür, bis wir unser Mittagessen beendet haben. Lange diskutieren Markus, Helen und Panther, wie sie die Einreise dieses armen Esels in die Schweiz organisieren können. Aber leider erteilt die Schweiz keine Visa für Esel, so dass wir uns schweren Herzens von ihm verabschieden müssen.

Am Nachmittag geht die Fahrt weiter durch eine bergige Landschaft. Die Strasse fällt plötzlich steil ab, und in engen Kurven schrauben wir uns in eine gut 1'000 m tiefe Schlucht hinunter. Die Strecke ist für Busse und Lastwagen eine wahre Tortur, denn sie ist so steil, dass diese Fahrzeuge nur noch im Schneckentempo vorwärts kommen. Die sich uns bietende Aussicht ist fantastisch. Von unzähligen gelben Blüten überzogene Steilhänge, Wasserfälle und senkrechte Abbruchkanten säumen die Strasse. Es handelt sich um den vom Blauen Nil gebildeten Abay Canyon. Der Fluss mit seiner dramatischen Schlucht wird von einer alten und einer im Bau befindlichen neuen Brücke überspannt. Auf der alten Brücke darf sich immer nur ein einziges Fahrzeug befinden - beim Darüberfahren wird rasch klar, warum: Irgendwann wird sie einstürzen. Und wie so oft in Afrika wird eine bald einstürzende Brücke nicht saniert, sondern bis zu deren Kollaps gebraucht, und anschliessend eine neue Brücke gebaut.

Rund fünf Kilometer nach Dejen biegen wir auf eine gute Schotterpiste ab. Die Piste führt uns durch dicht besiedeltes Weideland, und oft wird unsere Fahrt durch Schaf-, Rinder- oder Ziegenherden unterbrochen.

In Bichena finden wir im Hinterhof eines Hotels einen Schlafplatz. Eigentlich hätten wir heute gerne wild übernachtet, aber wir können einfach keinen Platz finden, wo wir zumindest einigermassen allein und ungestört schlafen könnten. Das Hauptmerkmal Äthiopiens ist seine immense Bevölkerungsdichte. Überall, aber auch wirklich überall befinden sich Menschen. Wenn wir irgendwo anhalten, wo wir denken, dass hier weit und breit kein Mensch ist, tauchen wenige Sekunden nach unserem Erscheinen Kinder und bald auch Erwachsene auf. Vor allem die Kinder schreien dann jeweils aus Leibeskräften "Jujujuju!!!". Während wir in Swahili sprechenden Regionen mit "Muzungu!" begrüsst wurden, werden wir im Amharisch sprechenden Äthiopien mit "Jujuju" willkommen geheissen. Dieses laute Rufen und Schreien amüsiert uns oft und dünkt uns sympathisch.

25. September 2008

Heute Morgen werden wir kurz nach fünf Uhr geweckt. Offenbar finden es Äthiopier als überaus amüsant, Touristen am Morgen in aller Frühe mit lautem Reden und Gelächter zu wecken. Sie hören erst auf, wie wir aus dem Auto steigen. Dafür stehen sie jetzt knapp einen Meter vom Santi entfernt und gaffen uns an. Sie haben nicht einmal genügend Anstand, uns allein zu lassen, damit wir uns in Ruhe anziehen können. Erst als sich Markus nackt auszieht, schauen sie kurz auf den Boden. Sie gönnen uns keine Minute Privatsphäre, und wir sind froh, dass wir diesen Ort bald verlassen können.

Auf der Piste geht es heute über Mota nach Bahir Dar. Wir hätten unglaublich gerne einen kleinen Umweg auf der Hochgebirgsstrasse über den Mount Choke (4'154 m.ü.M.) gewählt, aber aufgrund unklarer Wegverhältnisse kehren wir bald wieder um. Wir fahren stundenlang durch Ackerland, welches oft von Flüssen und Bächen mit tiefbraunem Wasser unterbrochen wird. Wir befinden uns mitten in der Regenzeit, und der Regen spült jeweils grosse Mengen von Erde in die Gewässer - ein Erosionsprozess, der zum Teil tiefe Spuren in der Landschaft hinterlässt. Trotzdem kann man sich beim Befahren dieser Hochebene kaum vorstellen, dass Äthiopien ein "Hungerland" sein soll. Wenn man der Statistik glaubt, wäre Äthiopien sehr wohl in der Lage, sich selber zu ernähren, aber wie so oft in Afrika verhindern zementierte Strukturen und Korruption eine faire und angemessene Verteilung der Lebensmittel.

Als wir am Pistenrand unser Mittagessen zubereiten, umringen uns mehrere Schulklassen. Sie bleiben stehen und starren uns an, als ob wir in einem Zoo wären. Irgendwie muss es doch sehr interessant sein, zwei Weissen beim Kochen zuzuschauen. In ganz Äthiopien stellen wir fest, wie schlecht die Kinder erzogen sind, und wie wenig Anstand zum Teil sogar Erwachsene haben. Wie uns Einheimische erklären, hängt dies eng mit der mangelnden Schulbildung zusammen. Äthiopische Familien haben oft zehn oder mehr Kinder. Leider fehlt es den Eltern an finanziellen Mitteln, um den Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, weshalb das Land unter einer enorm hohen Analphabetisierungsrate leidet. Die Eltern haben keine Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern - im Gegenteil, sie spannen ihre Kinder zur Mitarbeit im Haushalt und bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten ein. Tatsächlich sehen wir täglich unzählige Kinder, welche statt die Schule zu besuchen arbeiten müssen.

Die Schotterpiste von Bichena nach Bahir Dar ist nicht, wie auf der Strassenkarte angegeben, 184 km lang, sondern gut 60 Kilometer länger. Kurz vor Bahir Dar führt sie in einem ständigen Auf und Ab durch eine tiefgrüne, hügelige Landschaft, die uns herrliche Ausblicke bietet. Die Dörfer entlang der Piste bestehen oft aus nur wenigen Wellblechhütten. Die Bewohner tragen fast ausnahmslos ein grosses Kreuz auf der Brust - ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir uns dem religiösen Zentrum von Bahir Dar nähern.

Bevor wir die am Tanasee liegende Stadt erreichen, verdunkelt sich der Himmel, und ein riesiges Unwetter zieht auf. Zum Glück führt die Strasse um das Gewitter herum, so dass wir wenige Minuten vor Einbruch der Dämmerung mehr oder weniger trockenen Fusses in Bahir Dar eintreffen. Dort schlagen wir auf einer direkt am Tanasee liegenden, zum Hotel Ghion gehörenden Wiese unser Nachtlager auf. Einen grossen Aufsteller können wir für den heutigen Tag verzeichnen: Wie wir beim Hotel Ghion von der Reception zurück zum Santi laufen, treffen wir auf einen jungen deutschen Touristen, der gerade dabei ist, Fotos von unserem Santi zu machen. Dies freut uns natürlich sehr - erst recht, als er uns erklärt, dass eine solche Reise für ihn ein Traum sei, und er sich schon lange ein solch gut ausgebautes Auto wünsche.

26. September 2008

Der Tanasee ist übersät mit vielen Inseln. Aufgrund der religiösen Geschichte der Gegend rund um den Tanasee wurden auf fast allen Inseln Klöster gebaut, die zum Teil noch heute von Mönchen bewohnt werden. Ein paar der Inseln sind nur männlichen Wesen (Menschen und Tieren) zugänglich, und auf ein paar Inseln wohnen nur Frauen. Zudem sind nicht auf allen Inseln Touristen erlaubt.

Gleich nach dem Frühstück treffen wir auf der Uferpromenade auf einen Mann, der Schiffstouren zu diversen Inseln im Tanasee anbietet. Wir einigen uns darauf, dass er uns zur Insel Debre Maryam bringt, auf welcher ein den Touristen zugängliches Kloster steht. Auf dem Weg zur Insel passieren wir die „Quelle des blauen Nils“, oder anders ausgedrückt, die Stelle, wo das Wasser vom Tanasee in den Blauen Nil abfliesst.

Nach einer halben Stunde Bootsfahrt legen wir auf der Insel Debre Maryam an. Diese kleine Insel liegt inmitten von Papyrusdickichten nahe am Ursprung des Blauen Nils und wird von rund 200 Menschen bewohnt. Der Legende nach hatte sich das Wasser geteilt, als ein Heiliger Namens Tadewos um 1340 den Weg zur Insel nahm. Kaum betreten wir diese kleine Insel, stossen wir auf Papyrus- und Kaffeepflanzen.

Bald schon stehen wir vor der knapp 700 Jahre alten Klosterkirche. Der einzige auf dieser Insel lebende Mönch ist 89 Jahre alt und zeigt uns stolz die rund 650 Jahre alte Bibel sowie zwei rund 350 Jahre alte Bücher, in denen Teile der Bibel (Evangelien, Salomon) wunderschön bebildert und geschrieben sind. Der Bootsführer, der auf einer Tanaseeinsel aufwuchs und dessen Eltern noch immer dort leben, fungiert als Übersetzer, und so erfahren wir manch interessante Details, so z.B., dass sich das Innere der Kirche noch im Originalzustand befindet, die Dachverzierung beim Wind musikähnliche Geräusche macht, und im Vorgarten der Kirche zwei Klangsteine stehen, mit denen früher die Inselbewohner zur Messe eingeladen wurden. Diese Klangsteine geben nämlich glockenähnliche Töne von sich, wenn man mit einem anderen Stein darauf schlägt. Im Innern der Kirchekönnen wir zwei 600 Jahre alte, mit Naturfarben auf Baumwollstoff gemalte Bilder bewundern. Einerseits sind wir ergriffen vom Alter und guten Zustand der Kirche, der Bibelbücher und Bilder, finden es andererseits aber schade, dass diese wertvollen Schätze nicht besser geschützt werden. Luftfeuchtigkeit und Blitzlichter der Fotoapparate setzen den Kleinoden leider stark zu.

Zurück auf dem Festland beschliessen wir, den aufgrund der dort sich befindenden Felskirchen berühmten Ort Lalibela zu besuchen. Leider befindet sich die Piste ab Werota in einem derart schlechten Zustand, dass wir nach rund 20 Kilometern frustriert aufgeben. Wenn wir nämlich im gleich bleibenden Tempo bis Lalibela und zurück fahren würden, hätten wir zuwenig Zeit, um bis zur Grenze zu fahren. Dies hätte zur Folge, dass wir uns aufgrund des Ablaufs unseres Visums illegal in Äthiopien aufhalten würden – ein insbesondere für uns Juristen nicht gerade wünschenswertes Szenario. Wir kehren deshalb um, holpern die 20 Kilometer zurück und fahren auf einer guten Teerstrasse dem Ostufer des Tanasees entlang bis nach Gondar. Die letzten 50 Kilometer führen durch sehr hügeliges Gelände, und gelegentlich ragen hohe Felskegel beinahe senkrecht aus der Landschaft heraus. Dem Strassenrand entlang treffen wir oft auf Maisverkäufer, die Maiskolben auf dem Feuer braten und den Vorbeifahrenden verkaufen.

Kaum im Stadtzentrum von Gondar, einer Stadt mit knapp 150'000 Einwohnern, angelangt, werden wir von mehreren Burschen „überfallen“. Diese jungen Männer wollen uns unbedingt in ein Hotel lotsen (und wahrscheinlich von diesem Hotel eine Provision einsacken), indem sie uns vorgaukeln, in einem bestimmten Hotel zu arbeiten. Wir jedoch wollen uns beim Hotel Goha nach einer Campiermöglichkeit erkundigen. Die letzten paar Meter bis zum besten und bestgelegensten Hotel legen wir auf einer passähnlichen Strasse zurück, da sich das Hotel nördlich der Stadt auf einem Hügel befindet. Bald schon stellen wir unseren Santi mitten in der Natur fern vom Lärm der Stadt vor einem kleinen Wald auf dem Hotelparkplatz ab, und liegen nach diesem ereignisreichen Tag schon bald im Dachzelt.

27. September 2008

Am Morgen füllen wir unsere Wasser-, Diesel- und Lebensmittelvorräte auf und wundern uns über die mit Schafen verstopften Strassen.

Bald schon stellen wir den Grund all dieser Schafe fest: Heute feiert man in Gondar das Masqal-Fest. Mit Masqal meint man das Fest betreffend dem Auffinden des Kreuzes, das besonders in der ehemaligen Kaiserstadt Gondar intensiv gefeiert wird. In der ganzen Stadt werden am Nachmittag grosse Holz- und Strohhaufen, die zu einer Kreuzform aufgeschichtet bzw. zusammengebunden werden, angezündet. Es wird getrunken, gegessen und getanzt, und es führen etliche farbenfrohe Umzüge durch das Stadtzentrum.

Wir verzichten auf eine Besichtigung des historischen Palastbezirkes „Gemp“ und gönnen uns ein paar Stunden Ruhe auf der Aussichtsterrasse des Hotel Goha. Hier hat man eine wunderschöne Aussicht auf die gesamte Stadt Gondar, den Stausee und die umliegenden Hügel. Im hoteleigenen Park werden wir Zeuge, wie zwei Angestellte ein Schaf schlachten. Nachdem sie dem Tier die Eingeweide entnommen haben, ziehen sie ihm im wahrsten Sinne des Wortes das Fell über die Ohren. Anschliessend zerteilen sie das Tier in kleine Stücke. Auf unsere Nachfrage hin wird uns erklärt, dass man heute Abend im Hotel dieses Schaf als Festmahl serviere. Wir sind froh, über unsere eigene Küche zu verfügen, und krabbeln früh am Abend in unsere Schlafsäcke, da wir beabsichtigen, morgen möglichst früh die Grenze zum Sudan zu passieren.

28. September 2008

Ohne Probleme finden wir in der Morgendämmerung die in Azezo in Richtung Sudan abbiegende Piste. Gute und schlechte Pistenabschnitte wechseln sich ab, und gelegentlich fahren wir sogar auf einem neuen Teerbelag. In ein paar Jahren wird wahrscheinlich die gesamte Strecke bis zur Grenze asphaltiert sein. Ein Grossteil der Piste befindet sich momentan jedoch in einem sehr schlechten Zustand und zwingt uns oft zum Schritttempo. Dies stört uns jedoch kaum, denn für uns sind solche Pisten das "richtige und wahre Afrika"! Unterwegs treffen wir auf die Überreste eines Busses, dessen Fahrer offenbar zu schnell unterwegs war. In einer Kurve war dann Endstation... Die Landschaft ist grandios. Berge mit schroffen Abbruchkanten, grüne Hügel und weite Flusstäler wechseln sich laufend ab.

Nach rund sechs Stunden Fahren und Holpern müssen wir uns überlegen, wo wir schlafen wollen. Eigentlich wären wir heute gerne bis weit in den Sudan gefahren, aber der Pistenzustand zwang uns zu einer Planänderung. Wenn wir jetzt bis zur Grenze fahren, können wir im Sudan nur noch wenige Kilometer bis zum Einbruch der Dunkelheit zurücklegen. Jedermann weiss dann, dass wir irgendwo entlang der Strasse übernachten. Wenn wir hingegen in Äthiopien übernachten, weiss praktisch niemand, dass wir hier sind. Wir entscheiden uns deshalb, kurz vor der Grenze einen Schlafplatz zu suchen, und finden tatsächlich bald einen schmalen Feldweg, an dessen Rand wir den Santi parkieren können.

Laut Reiseführer befinden wir uns in einer Gegend von Äthiopien, die oft von Räubern heimgesucht wird, und viele einheimische Männer tragen nicht nur als Zeichen ihrer Männlichkeit, sondern auch als Selbstschutz Schusswaffen mit sich. Während Helen den Schlaf der Gerechten schläft, spielt Markus Wachhund und wartet auf Räuber, bis es Morgen wird. Allerdings hätte auch er schlafen können, denn wir verbringen hier eine der ruhigsten Nächte unseres Äthiopienaufenthaltes.

29. September 2008

Am frühen Vormittag legen wir die letzten Kilometer bis zur Grenze zurück. Die in Nairobi vom Betreiber des Campingplatzes Jungle Junction ausgesprochenen Warnungen und üblen Gerüchte, wonach in Äthiopien die Touristen angespuckt und mit Steinen, Tomaten und Eiern beworfen würden, haben sich bei uns überhaupt nicht bewahrheitet. Wir hatten keinen einzigen derartigen Vorfall zu verzeichnen. Im Gegenteil: Bis kurz vor dem Grenzort Metemma erwidern die Menschen unser freundliches Winken. Es ist ein schöner Abschluss unseres friedlichen Äthiopienaufenthaltes. Wie wir den Grenzort Metemma durchqueren, sind wir sicher, uns gestern Abend richtig entschieden zu haben. Bei Metemma handelt es sich um einen typischen afrikanischen Grenzort, an welchem ein geschäftiges, hektisches und für uns oft undurchsichtiges Treiben herrscht.

Die Ausreise aus Äthiopien ist eine reine Formsache - sofern man das Customs- und das Immigrationsoffice findet. In nur zehn Minuten haben wir die Formalitäten erledigt und überqueren den Grenzfluss.

Sudan

29. September 2008

Im Immigration Office in Gallabat wird unser Visum zwar sehr rasch abgestempelt, aber zu unserem grossen Erstaunen müssen wir nochmals ein Formular ausfüllen und je ein Passfoto abgeben. Anschliessend werden wir zur Kasse gebeten, denn die nun anstehende Registrierung kostet je US-$ 70. Es ist schon erstaunlich, auf was für Ideen Länder kommen, wenn sie Devisen benötigen! Nach rund eineinhalb Stunden Wartezeit ist die Registrierung erledigt, und nach Bezahlen einer Strassenbenutzungsgebühr von US-$ 7 wird unser Carnet abgestempelt. Endlich können wir auf einer hervorragenden Teerstrasse in den Sudan aufbrechen. Während Markus in heissen Amtsstuben wartete, hat Helen bei sengender Hitze den Santi bewacht. Wir möchten uns vor der Abfahrt bei einem Grenzbeamten über die im Sudan geltenden Höchstgeschwindigkeiten informieren, erhalten aber nur zur Antwort, man dürfe so schnell fahren, wie man wolle bzw. könne. Vorbei an lang gezogenen Sonnenblumenfeldern geht es fast schnurgerade gen Westen, und erst in Gedaret müssen wir uns entscheiden, ob wir in Richtung Khartoum oder nach Port Sudan fahren wollen.

Wir haben im Vorfeld lange überlegt, wie wir Sudan durchqueren wollen. Für Touristen gibt es nur einen einzigen Grenzübergang zwischen Sudan und Ägypten, nämlich Wadi Halfa/Assuan. Den zwischen diesen beiden Orten liegenden Nassersee muss man mit einer Fähre längsweg überqueren, wobei es sich gemäss Schilderungen anderer Reisenden eher um eine momentan noch nicht gesunkene schiffsähnliche Konstruktion handeln soll. Die Fahrzeuge werden auf einem separaten Ponton übergesetzt, wobei dieser Ponton nicht gemeinsam mit der Passagierfähre unterwegs ist. Zudem dürfen keine Personen auf dem Ponton mitfahren, und die Fahrzeuge werden nicht von den Eigentümern, sondern von Mitarbeitern der Fährgesellschaft auf den Ponton gefahren. Dies alles spricht nicht gerade für die von Afrikaquerern üblicherweise gewählte Variante. Wir möchten aber auch nicht unbedingt diese "normale" Strecke fahren, sondern suchen nach einer Alternative. Die Strasse entlang dem Roten Meer wäre zwar fast neu und weist einen sehr guten Teerbelag auf, aber der Grenzposten darf nur von Sudanesen und Ägyptern passiert werden. Bleibt noch die Möglichkeit, sich in Port Sudan nach einem Schiff umzusehen. Uns gefällt der Gedanke, eine etwas ausgefallene Idee auszuleben und etwas Spezielles und Einmaliges zu erleben, weshalb wir uns auf den Weg zu dieser Hafenstadt machen.

Wir fahren also in Richtung Port Sudan und übernachten in Kassala, einer Stadt unmittelbar vor der Grenze zu Eritrea. Wild zu übernachten erscheint uns nicht ratsam, da die Landschaft bis zum Horizont topfeben ist, und unser Dachzelt kilometerweit sichtbar wäre. Zudem sind uns die Sudanesen nicht besondern freundlich gesinnt. An Strassensperren werden wir jeweils herausgewunken und sehr unfreundlich und grob nach einem Dokument gefragt, welches wir gar nicht haben können. Es handelt sich um das Registrierungsformular, welches früher in Khartoum innert dreier Tage seit der Einreise hat abgestempelt werden müssen. Heutzutage aber wird die Registrierung direkt an der Grenze vorgenommen, was die Polizisten an den Strassensperren aber nicht wissen oder wissen wollen. Man kann sich vorstellen, dass es nicht besonders einfach ist, einem nur arabisch sprechenden Polizisten klar zu machen, dass die Registrierung bereits vorgenommen wurde. Eigentlich wäre es kein Problem, da die Registrierung im Pass vermerkt und abgestempelt ist, aber offenbar können oder wollen die Polizisten nicht lesen...

Die von uns angetroffenen Sudanesen sind schwarz. Und zwar richtig schwarz. Aber leider befinden wir uns in einem islamischen Staat, so dass das Fotografieren von Menschen grundsätzlich verboten ist. Jemanden unbemerkt zu fotografieren ist sehr schwierig, da wir überall sofort auffallen wie ein bunter Hund. Offenbar wird die von uns gewählte Strecke sehr selten von weissen Touristen befahren. Nur mit Glück können wir unbemerkt ein paar Personen ablichten.

Kurz vor Kassala, einer grösseren Stadt, welche auf einer Seite von aus der Ebene spriessenden glatten und hohen Granithügeln umgeben ist, werden wir - wir schon oft - von einem Polizeiposten angehalten. Auch hier wird das Registrierungsformular verlangt und der Pass kontrolliert. Wir sind froh, bald in Kassala anzukommen, da uns diese Strassensperren langsam zu nerven beginnen.

Sogleich suchen wir uns ein Hotel, auf dessen Parkplatz wir übernachten können. Leider vorerst mit sehr wenig Erfolg, da wir einerseits kein arabisch sprechen, und die Einwohner von Kassala offenbar keine Fremdsprache beherrschen, und zum anderen, weil wir - aus welchen Gründen auch immer - nicht besonders willkommen sind. Erst als wir die Polizei zu Hilfe nehmen, gibt ein Hotelier klein bei, und wir dürfen zu einem massiv überhöhten Preis (viel höher als ein Zimmerpreis!) auf dem Hotelparkplatz übernachten. Unser Auto in dieser Stadt während der Nacht allein auf einem Parkplatz stehen zu lassen, das hätten wir uns nie getraut! Wenigstens wird uns die Schlafplatzsuche mit einem Sack voll Fladenbrot versüsst, den Helen für ein paar Rappen erstehen kann.

30. September 2008

Frühmorgens fahren wir durch die noch schlafende Stadt und kommen in nördlicher Richtung rasch voran - zumindest, wenn man das übliche Theater an den Strassensperren ausblendet. Die Landschaft nimmt bald einmal wüstenähnliche Formen an, und wir merken rasch, dass wir kurz nach der Regenzeit durch die Gegend brausen. Entlang der Strasse sehen wir mitten in der nubischen Wüste immer wieder Tümpel mit Restwasser, an denen oft Rinder- und Kamelherden getränkt werden. Die Temperaturen steigen langsam aber sicher immer wie mehr an, und bald schon wird die 45 Grad-Marke geknackt. Wir beginnen zu erahnen, was uns im Sudan temperaturmässig erwarten wird!

Fast die ganze Strecke bis nach Port Sudan windet es stark. Etwa 150 km lang haben wir sogar so starken Gegenwind, dass wir nicht mehr schneller als 75 km/h fahren können! In Haya, einer Ortschaft mitten im Nirgendwo, gabelt sich die Strasse, und man hat die Wahl, entweder nach Atbara oder nach Port Sudan zu fahren. Die Kreuzung ist als vierspuriger Kreisel gebaut worden - für uns nicht ganz nachvollziehbar, denn während des gesamten heutigen Tages treffen wir kaum mehr als 30 Fahrzeuge an!

Nur sehr selten wird die landschaftliche Monotonie durch herumstreunende Kamele oder kleine am Strassenrand verstreute Siedlungen unterbrochen. Erst kurz nach Haya erleben wir dank einer langen Umleitung einen Landschaftswechsel. Die Umleitung führt uns nämlich auf einer schmalen und sehr schlechten Teerstrasse durch eine bergige Gegend. Wie wir ein mitten auf der Strasse säugendes Kamel fotografieren, werden wir von einem vorbeifahrenden Automobilisten darauf aufmerksam, dass das Fotografieren hier verboten sei. Offenbar ist im Sudan nicht nur das Fotografieren von Menschen verboten, sondern auch das Fotografieren von Kamelen...

Endlich in Port Sudan angekommen, machen wir uns auf die Suche nach einem Hotel, wo wir den Santi sicher abstellen können. Leider eine sehr schwierige Angelegenheit, da Port Sudan nicht wirklich auf Touristen eingestellt ist. Die meisten Hotels befinden sich direkt an der Strasse und verfügen über keine eigene Parkmöglichkeit - geschweige denn über einen bewachten und abgesperrten Parkplatz. Den Versicherungen der Hoteliers, das Parkieren auf der Strasse sei absolut sicher, schenken wir keinen Glauben. Schlussendlich weist uns ein Einheimischer auf das Hotel Hilton hin, wo wir nach einigen Diskussionen gratis auf dem bewachten Hotelparkplatz übernachten dürfen.

1. Oktober 2008

Wir machen uns auf die Suche nach einem Schiff, welches uns nach Ägypten bringt. Mit der Zeit finden wir heraus, dass es in Port Sudan zwei Häfen gibt, nämlich den Containerhafen im Süden der Stadt, und den Cargohafen im Norden der Stadt. Einen Fährhafen gibt es nicht, und die einzige Möglichkeit, mit einer Fähre nach Ägypten zu gelangen, ist jene, mit einer Fähre nach Jeddah (Saudiarabien) überzusetzen, und sich dann dort nach einer anderen Fähre, welche von Jeddah nach Ägypten fährt, umzuschauen. Für uns keine brauchbare Möglichkeit, da wir für ein saudiarabisches Visum nach Khartoum fahren müssten, und bis wir wieder in Port Sudan eintreffen würden, unser sudanesisches Visum abgelaufen wäre. Dank der Hilfsbereitschaft eines Polizisten wird uns mitgeteilt, die Schifffahrtsgesellschaft Sobat könne uns eventuell weiterhelfen. Ein freundlicher Mitarbeiter von Sobat erklärt uns dann aber, dass keines seiner Schiffe mehr direkt nach Ägypten fahren könne - offenbar eine Folge der Grenzstreitigkeit zwischen Sudan und Ägypten. Schlussendlich landen wir beim Hauptquartier des World Food Program (WFP) der UNO. Dank der gütigen Mithilfe von Roberto de Oliveira, Chef des Hauptquartiers, werden wir mit Al Hadi Hassan zusammengeführt. Dieser teilt uns mit, dass er neben einem Syrier und einem Ägypter Miteigentümer des Frachtschiffes "Khaled H." sei, und dieses Frachtschiff morgen Port Sudan verlassen soll. Nach telefonischer Rückfrage mit dem Kapitän bietet er uns an, auf seinem Frachtschiff zusammen mit unserem Santi nach Al Aqabah in Jordanien zu fahren. Obwohl wir eigentlich lieber direkt nach Ägypten gefahren wären, nehmen wir sein Angebot dankend an, denn wir sind froh, überhaupt ein Schiff gefunden zu haben. Das Hauptproblem ist nämlich das Fest anlässlich des Endes vom Ramadan. Dieses Fest führt zu einem Stillstand fast des gesamten Lebens in Port Sudan (und wohl auch im restlichen Sudan) für fünf Tage.

Roberto de Oliveira organisiert uns mit Hilfe eines Mitarbeiters zudem eine Unterkunft, wo wir sicher übernachten können. Die Unterkunft entpuppt sich als geräumige Wohnung, die wir für US-$ 80 für einen Tag mieten können. Wir sagen zu, suchen aber am Nachmittag nach einem sicheren Ort, wo wir den Santi parkieren können. Nach einer langen Suche müssen wir einsehen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als das Auto vor der Wohnung abzustellen. Wenigstens meint ein netter Nachbar, er würde auf unser Auto aufpassen. Doch wie der Vermieter mit rund zwei Stunden Verspätung erscheint, um uns den Schlüssel zu übergeben, fordert er plötzlich zehn Dollar mehr und meint, er würde die Wohnung nur für vier Tage vermieten. Wir sind derart erbost, dass wir wieder abfahren. Wir hoffen, dass wir beim Hauptquartier des World Food Programs schlafen können, doch leider entspricht dies nicht deren Policy. Ein freundlicher Mitarbeiter zeigt uns aber den Weg zur katholischen Kirche, und wenige Minuten später können wir dank der momentanen Ramadan-Ferien unser Dachzelt mitten auf dem Pausenplatz der von der katholischen Kirche geführten Schule namens "Comboni" aufstellen.

2. Oktober 2008

Dass an Schlaf leider nicht wirklich zu denken war, zeigt die im Santi eingebaute Temperaturanzeige. Um halb acht Uhr schon dreissig Grad, und um zehn Uhr bereits über 42 Grad - im Schatten, wohlgemerkt! Zudem ist auch die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Aber offenbar haben wir Glück, denn zwei Wochen vor unserer Ankunft soll es um die 52 Grad gewesen sein! Da wir ein solches Klima nicht wirklich gewohnt sind und wir nicht wissen, wie wir dieser Hitze begegnen sollen, entscheidet Helen kurzerhand, heute ihre langen und luftigen Pyjamahosen nicht auszuziehen.

Am Vormittag erscheint Al Hadi Hassan und holt Kopien von unseren Pässen und des Carnets sowie das Original des sudanesischen Einfuhrverzollungsformulars ab, um die Konnossemente zu erstellen und die Verschiffung vorzubereiten. Nach seinem Besuch gehen wir einkaufen, damit wir auf dem Frachtschiff nicht verhungern müssen - schliesslich haben wir unter anderem mit dem Argument, unsere eigenen Lebensmittel zu brauchen, die Kosten gedrückt. Natürlich wird das Frachtschiff nicht nur mit uns über das Rote Meer fahren; es wird auch mit etlichen Lastwagen beladen sein. Da momentan aber auch im Hafen von Port Sudan Ferienstimmung herrscht, dauert das Beladen unheimlich lange. Al Hadi Hassan teilt uns am Abend mit, dass wir erst morgen auslaufen werden. Wenigstens scheint die Einreise in Jordanien zu klappen, denn er gibt uns die E-Mail-Adresse seines Agenten in Al Aqabah, an den wir Kopien unserer Pässe und des Carnets schicken sollen. Schliesslich wollen wir nach unserer Ankunft in Al Aqabah keine Schwierigkeiten mit dem Erhalt eines jordanischen Visums haben. Der Agent von Al Hadi Hassan soll uns bei allen Formalitäten, Fragen und organisatorischen Belangen behilflich sein. Insbesondere soll er dafür besorgt sein, dass wir schnellstmöglich eine Fähre nach Ägypten erwischen. Hoffentlich arbeitet er etwas schneller als die sudanesischen Hafenarbeiter!

Wir sind bereits zu müde, als dass wir noch heute ein Internetcafé suchen wollen, und gehen schlafen. Leider hat es nicht allzu sehr abgekühlt, und uns steht eine weitere heisse Nacht auf dem Schulgelände bevor. Wir schlafen nicht nur mit offenen Fenstern, sondern auch mit offenen Türen, damit möglichst viel Luft durch das Auto und das Dachzelt zirkulieren kann. Aber leider bewegt sich kein Lüftchen, so dass wir mit Schweissperlen übersät Schlaf zu finden versuchen.

3. Oktober 2008

Heute warten wir fast den ganzen Tag auf das Telefonat von Al Hadi Hassan, dass wir zum Hafen fahren sollen - leider vergebens. Statt den erwarteten und versprochenen Anruf von Al Hadi Hassan beantworten zu können verbringen wir die Zeit damit, einen langen Spaziergang zu machen und etwas mit dem Pfarrer zu plaudern. Als dann noch eine nette Nonne mit uns über Gott und das Leben philosophiert, sind wir froh, als es langsam Nachmittag wird. Endlich können wir das E-Mail nach Jordanien schicken. Wir haben Glück, wenigstens am Nachmittag ein geöffnetes Internetcafé zu finden, denn heute ist Freitag, und an einem Freitag haben prinzipiell alle Läden (inkl. Internetcafés) geschlossen.

Wie wir uns anschliessend bei Al Hadi Hassan nach dem Stand der Dinge erkundigen, erklärt er uns, bald vorbeizukommen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wir warten lange, bis er kommt, sehr lange. Die Warterei zermürbt uns, und irgendwann liegen wir auf dem Betonboden bzw. sitzen auf einer Holzbank und dämmern vor uns hin. Um zehn Uhr abends wird es uns zu blöd, und wir haken telefonisch nach. Er entschuldigt sein Nichterscheinen mit dem enormen administrativen Aufwand, mit dem er am Hafen zu kämpfen habe, verspricht jedoch, dass unser Santi morgen Vormittag verschifft werde.

4. Oktober 2008

Um halb elf Uhr ist es endlich soweit: Wir fahren zum Hafen. Dort werden wir von einem von Al Hadi Hassan organisierten Agenten erwartet. Er soll uns beim Ausreiseprozedere behilflich sein. Ohne seine Hilfe würden wir übrigens noch immer im Hafen von Port Sudan herumirren. Während Helen den Santi bewacht und das Mittagessen zubereitet, fährt Markus gemeinsam mit dem Agenten in die Stadt, um einen bestimmten Beamten zu finden - offenbar kennt sich nur dieser Beamte mit dem Carnet aus... Eigentlich ist dem Agenten die Anwesenheit von Markus zuwider, aber unsere Pässe und unser Carnet lassen wir nicht aus unseren Händen. Leider ist der Beamte weder zu Hause noch im Büro anzutreffen, sondern hält sich an einem unbekannten Ort auf. Also fahren sie zurück in den Hafen und suchen diverse Büros auf. Viele Beamte stempeln noch mehr Formulare ab, bis irgendeinmal der Prozess ins Stocken gerät. Offenbar haben die Beamten plötzlich keine Lust mehr, uns den Sudan verlassen zu lassen. Rund eineinhalb Stunden wartet Markus in einem Büro, bis endlich Al Hadi Hassan erscheint. Dank ihm arbeiten die Leute plötzlich wieder, und eine gute Stunde später (und nachdem der Agent zusammen mit Markus bei der Hafenpolizei und einem Kopierbüro im Stadtzentrum war) dürfen wir endlich mit dem Santi in das Hafengelände einfahren und neben dem Frachtschiff "Khaled H." parkieren.

Der Kapitän der "Khaled H." Namens Hassan Arnauot lädt uns in seine Kabine ein und offeriert uns als Erfrischung gekühlte Getränke und einen kleinen Snack. Dabei erzählt er uns, dass er und seine Angehörigen ursprünglich aus Albanien stammen und vor etlichen Jahren nach Syrien ausgewandert sind. Voller Stolz zeigt er uns umgehend ein Video seiner Familie, wie sie mit ihm einige Tage auf der "Khaled H." verbringt. Er erklärt uns, wie er das Frachtschiff vor fünf Jahren übernommen hat, und dass er mit dem Frachtschiff üblicherweise Häfen in Sudan, Jordanien, Ägypten und Syrien anfährt.

Danach heisst es wieder einmal warten. Und zwar lange. So lange, bis die Hafenarbeiter genug haben vom Arbeiten. Denn pünktlich um halb acht Uhr abends gehen sie nach Hause und lassen unseren Santi zusammen mit ein paar Lastwagen auf dem Quai stehen. Wir stehen vor dem Frachtschiff und fragen uns, wo wir die Nacht verbringen sollen. Von einem Mitarbeiter des Immigration Offices wird uns mitgeteilt, dass es uns nicht erlaubt sei, an Bord der "Khaled H." zu gehen. Da wir unsere Pässe eben diesem Mitarbeiter abgeben müssen, können wir das Hafengelände nicht verlassen. Also müssen wir im Santi schlafen, was uns nicht weiter stört. Rund eine Stunde später erscheint der Immigration-Mitarbeiter wieder und teilt uns mit, dass die sudanesische Behörde unsere Pässe nicht akzeptiere. Markus packt Helen am Kragen, damit sie dem Mitarbeiter nicht gleich den Hals umdreht. Zum Glück erkennt Al Hadi Hassan sofort unser Problem und nimmt die Angelegenheit in seine Hände - und plötzlich sind unsere Pässe wieder in Ordnung. Dank seiner Unterstützung und der raschen Hilfe klappt es dann doch noch, und wir erhalten den sudanesischen Ausreisestempel in unsere Pässe gedrückt.

Wir wechseln noch ein paar Worte mit dem Kapitän der "Khaled H.". Er erklärt uns mit einem schalkigen Lächeln, dass die sudanesischen Hafenarbeiter sehr genau arbeiten. Zumindest betreffend ihren Pausenzeiten. Pünktlich um zehn Uhr geht es in die Frühstückspause, um halb ein Uhr in die Mittagspause, um halb acht Uhr nach Hause, und die Gebetszeiten werden selbstverständlich auch nie vergessen... Offenbar wird im Hafen von Port Sudan weltweit am langsamsten gearbeitet - ein trauriger Rekord!

Wir parkieren unser Auto etwas abseits des Quais und liegen um halb zehn Uhr im Dachzelt. Leider ist an Schlafen nicht zu denken, denn bald einmal werden wir von Al Hadi Hassan geweckt. Er erscheint in Begleitung eines hohen Polizeioffiziers. Sie teilen uns mit, dass wir nicht auf dem Hafengelände schlafen dürfen. Zivilisten müssen den Hafen des Nachts verlassen. Da unsere Pässe noch immer im Immigrations Office sind (und es bis morgen sein werden), dürfen wir den Hafen aber nicht verlassen. Also einigen sich die beiden, dass wir auf der "Khaled H." schlafen sollen. Wir siedeln deshalb auf das Frachtschiff über, wo wir die Nacht verbringen.

5. Oktober 2008

Nach einer kurzen und nicht sehr schlafreichen Nacht gehen wir von Bord, um die wichtigsten Utensilien zusammenzupacken, die wir für unsere Fahrt nach Jordanien auf dem Frachtschiff benötigen werden. Wie wir warten, werden wir Zeuge von der Arbeitseinstellung der sudanesischen Hafenarbeiter. Sie haben es überhaupt nicht eilig, sondern zeigen sehr deutlich, dass sie unheimlich viel Zeit haben. Nicht nur wir ärgern uns darüber, sondern auch Al Hadi Hassan und der Kapitän der "Khaled H." nerven sich gewaltig. Bloss, was nützt es? Wenigstens sind sich die beiden das formalistische Prozedere und das lange Warten gewohnt und nehmen es mit Galgenhumor. Wir kochen auf dem Quai gemütlich unser Mittagessen und sind froh, am späteren Nachmittag endlich das Zeichen zu erhalten, zur "Khaled H." zu fahren. Unter der Anleitung von Al Hadi Hassan und dem Kapitän der "Khaled H." werden dem Santi Netze unter die Räder gelegt, und bald schon hebt der Kran, dessen Einsatz pro Stunde US-$ 800 kostet, den Santi langsam an. Im Zeitlupentempo schwebt unser Santi zehn Meter über dem Boden in Richtung der "Khaled H.".

Rotes Meer

5. Oktober 2008

Der Platz auf der 40-jährigen "Khaled H." ist arg begrenzt, und uns stockt beinahe der Atem, wie der Kran unser temporäres Zuhause dreht und langsam absenkt. Wir beide befinden uns schon an Bord und beten nur noch, dass unser Auto heil an Bord gelangt. Mehrere Männer ziehen, drehen und stossen den Santi in die richtige Position und tatsächlich ohne einen einzige Beule auf dem Schiffsgang abgesetzt. Damit die Netze unter den Rädern hervorgeholt werden können, muss Markus zuerst wie ein Affe durch das offene Seitenfenster auf den Fahrersitz klettern. Mit Hilfe des Kapitäns Hassan Arnauot und Al Hadi Hassan steuert er den Santi zentimetergenau vorwärts und rückwärts, damit die Hafenarbeiter die Netze wegnehmen können. Wie der Kran die Netze emporhebt und sich abdreht, atmen wir auf. Jetzt gilt es nur noch, den Santi möglichst nahe an die Bordwand zu manövrieren, die Handbremse anzuziehen und das Auto von den Matrosen festzurren zu lassen. Zum Glück fotografiert und filmt Helen das gesamte Szenario.

Wie der Santi sicher an seinem Platz steht, werden wir von Hassan Arnauot und Al Hadi Hassan zum Essen in der Kapitänskabine eingeladen. Es gibt frischen, vom Bruder des Kapitäns heute Vormittag gefangenen Fisch - direkt vom Grill! Dazu einen feinen Salat und warmes Fladenbrot. Eine wahre Wohltat für unsere Gaumen! Bald darauf wird es dunkel, und - wie schon gestern - stellen die Hafenarbeiter ihre Arbeiten ein. Wir verbringen deshalb einen geruhsamen Abend auf dem Frachtschiff und geniessen die Abendstimmung.

6. bis 11. Oktober 2008

Während der Nacht hat direkt hinter uns ein grösseres Frachtschiff angelegt. Heute Vormittag breiten Hafenarbeiter direkt neben diesem Frachtschiff grosse Plachen auf dem Boden aus. Ein Arbeiter hat dann wohl die Aufgabe, die Plachen zu desinfizieren, aber seine Auffassung von Gründlichkeit ist nur schwer nachzuvollziehen. Er läuft kreuz und quer über die Plachen und desinfiziert rein nach Gutdünken. Zugegeben, ganz Unrecht hat er nicht, denn kurze Zeit später fahren Lastwagen mitten auf die Plachen, und die Hafenarbeiter laden dicke und schwere Baumwollballen ab. Die Szenerie erscheint uns etwas gespenstisch, denn die Kleidung der Arbeiter besteht - wie bei den meisten Sudanesen - nur aus einem weissen Nachthemd. Während die Baumwollballen abgeladen werden, verzurren die Matrosen der "Khaled H." die letzten Lastwagen. Wir beobachten die Szenerie gespannt und hoffen, dass wir bald auslaufen können.

Dann endlich kommt vom Customs-Officer die Startfreigabe. Rasch und herzlich verabschieden wir uns von Al Hadi Hassan, der uns dieses Abenteuer ermöglich hat, und schon zieht uns ein Schlepper vom Quai weg. Langsam tuckern wir aus dem Hafengelände, und bald schon befinden wir uns allein auf weiter Flur.

Die neunköpfige Mannschaft ist überaus freundlich und zuvorkommend. Alle bemühen sich sehr um uns und haben Freude, Gäste an Bord zu haben. Der Schiffskoch verwöhnt uns mit feinem, währschaftem und vitaminreichem Essen, der Kapitän mit Leckereien, und auch die anderen Matrosen sind sehr um unser Wohl bemüht. Wir dürfen überall hin und dürfen alles anschauen. Auch auf der Brücke sind wir immer willkommen, und der Kapitän wie auch der 1. Offizier erklären uns gerne die technischen Geräte und wissen manch interessantes über die Schiffahrt zu berichten. Es ist eine wahre Freude und Ehre, Gast auf diesem Frachtschiff zu sein! Wir sind glücklich, die Chance zu haben, auf diese Art von Sudan nach Jordanien zu fahren.

Auch wenn das Rote Meer nicht so offen ist wie der Atlantik oder der Pazifik, so weist er doch eine genügend grosse Fläche auf, um mit erheblichen Wellen aufzuwarten. Anfangs finden wir die Schaukelei noch recht amüsant, doch je weiter wir nördlich vordringen, desto intensiver wird das Stampfen und Schlingern des Frachtschiffes. In der Nähe von Râs Banas ankern wir fast einen ganzen Tag und warten ein Abflauen des starken Windes und des von ihm hervorgerufenen Wellenganges ab. Wie uns der Kapitän erklärt, fegt momentan ein Sturmtief über Europa hinweg, dessen Ausläufer sich bis zum Roten Meer bemerkbar machen. Die Wartezeit wird etwas verlängert, da sich der Anker irgendwo festgehakt hat, und die Mannschaft eine gute Stunde braucht, um ihn zu befreien. Der Wellengang nimmt im weiteren Verlauf unserer Reise entlang der ägyptischen Küste tatsächlich nicht ab. Unser Lieblingsplatz auf dem ersten Deck im überdachten Heckbereich müssen wir aufgeben, da die Stühle umzukippen drohen. Wir verziehen uns deshalb in unsere Kabine. Diese rund 5 m2 grosse Kabine wird normalerweise vom 1. Offizier bewohnt; er hat sie für uns geräumt. Der Platz ist eng begrenzt, und es fällt uns nicht sehr leicht, zu zweit in einem ein Meter breitem Bett zu schlafen. Aber man gewöhnt sich an vieles, und so fühlen wir uns auf der "Khaled H." zwar nicht wie zuhause, aber - abgesehen von der Schaukelei - dennoch sehr wohl. Nur ab und zu ärgern wir uns etwas über die unzähligen Kakerlaken, die uns bisweilen auch in der Nacht nicht in Ruhe lassen. Den ganzen Tag über müssen wir unsere Klimaanlage auf vollen Touren laufen lassen, da sich die beiden Luken nicht öffnen lassen, und die Sonne die Kabine sonst unbarmherzig wie einen Backofen erhitzen würde. Leider hat die Klimaanlage schon bessere Tage gesehen, denn das Kondenswasser tropft beinahe im Sekundentakt der Wand entlang auf den Boden. Um einer Überschwemmung der Kabine vorzubeugen, versuchen wir mehr oder weniger erfolgreich, das Kondenswasser mit einer Schüssel aufzufangen. Nachdem wir zudem die klappernden Schiebetüren eines Kästchens mit WC-Papier isoliert haben, stört lediglich noch das laute Brummen des Motors unseren Schlaf. Aber vielleicht macht dies gerade den Reiz eines Frachtschiffes aus.

Unbesehen von der Schaukelei erkunden wir das gesamte Frachtschiff. Ausser dem Maschinenraum bleibt uns nichts verborgen. Schon nach wenigen Spaziergängen kennen wir das Frachtschiff wie unsere Westentasche. Auch die Besatzung bleibt von uns nicht verschont - oftmals am Tag kreuzen sich unsere Wege. Von den aufmerksamen Männern erhalten wir zum Zeitvertreib DVDs, zum Essen Halwa, Thunfisch- und Sardinendosen, zum Trinken Mango- und andere Fruchtsäfte, und zum Waschen sogar Seife und Waschpulver. Da die "Khaled H." nur zu 6% beladen ist und somit nur wenig Tiefgang aufweist, bringen sie bereits kleine Wellen zum heftigen Schaukeln. Der starke Wind trägt das Seine dazu bei, und bereits nach zwei Tagen müssen der Santi und die Lastwagen fester verzurrt werden. Die Fahrzeuge haben es aber vergleichsweise gut, denn im Gegensatz zu uns müssen sie nicht mit dem Gleichgewicht kämpfen. Die Mannschaft schmunzelt oft über unsere unfreiwilligen Tanzeinlagen...

Die ganze Fahrt über hängen zwei Leinen vom Heck aus ins Wasser. Nicht nur Fischers Fritz fängt frische Fische, sondern auch die "Khaled H.". Und tatsächlich: Nach drei Tagen entdecken wir vom Oberdeck plötzlich einen zappelnden Fisch. Wir packen unsere Kamera und rennen los, um die Mannschaft zu informieren. Ruhig und gelassen macht sich der 1. Offizier auf den Weg von der Brücke zum Heck. Langsam und gemächlich zieht er die lange Leine an Deck. Mit der Zeit wird klar, dass wir ein über ein Meter grosser Fisch gefangen haben - uns läuft bereits das Wasser im Mund zusammen! Doch leider etwas zu früh, denn die Langsamkeit des 1. Offiziers macht sich nicht bezahlt. Der Fisch kann sich nur wenige Meter von der Reling entfernt vom Haken befreien und hüpft ins Meer zurück.Wir sind masslos enttäuscht, handelt es sich doch gemäss Aussage des Kapitäns um einen hervorragenden Speisefisch! Nun müssen wir uns halt weiterhin mit gegrilltem Fisch aus der Tiefkühltruhe zufrieden geben. Aber auch dieser schmeckt hervorragend - nicht zuletzt dank dem guten Schiffskoch.

Eines Morgens teilt uns der Kapitän mit, dass leider kein sauberes Wasser mehr vorhanden ist. Dabei erklärt er uns, dass er am frühen Morgen den Befehl gab, einen Ballasttank mit Seewasser aufzufüllen. Der damit beauftragte Matrose verwechselte aber leider den Salzwassertank mit dem Süsswassertank (unser Trinkwasser!) und bemerkte seinen Irrtum erst, als das unterste Deck unter Wasser stand. Wohl ist jetzt die "Khaled H." perfekt austariert, aber unseren Durst und Hunger mit Salzwasser zu stillen, macht wenig Spass. Zum Glück haben wir in unserem Santi volle Trinkwassertanks, so dass wir weiterhin gutes Wasser trinken können. Der Schiffskoch jedoch kann ab sofort nur noch ohne Wasser kochen. Es gibt deshalb nur noch Brot, Fisch, Salat, Bohnen und Pasten. Uns stört es wenig, da wir spätestens in zwei Tagen im Hafen von Al Aqabah einlaufen sollen. Der Matrose jedoch zahlt für seine Gedankenlosigkeit einen hohen Preis: Er wird in Al Aqabah nach Hause geschickt, sprich fristlos entlassen!

Wir nutzen die Zeit auf dem Schiff nicht nur mit dem Auskundschaften unseres temporären Zuhauses, sondern auch mit der Erledigung diverser Schreibarbeiten. Zudem relaxen wir und geniessen es, nicht selber kochen zu müssen.

Beim Einlaufen in den Golf von Aqabah verengt sich das Meer schlagartig. Die saudische und die ägyptische Küsten sind nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Auf beiden Seiten säumen Korallenriffe die Küstenlinien, und die Fahrrinne ist nur gerade 500 Meter breit, was eine hohe Konzentration des Kapitäns erfordert. Auf der saudischen Seite ankern nur ein paar wenige Jachten im türkisblauen Meer. Die Küste von Sharm es Sheik dagegen wird von unzähligen Motorbooten belagert. Diese Boote warten bei den Riffen, bis die Schorchler und Taucher sich wieder zum Hotel zurück fahren lassen wollen. Zum Teil warten bis zu zehn Motorboote auf engstem Raum - man kann sich ja vorstellen, wie es unter Wasser aussieht. Da sieht man wohl vor lauter Menschen die Fische nicht mehr... Wir sind froh, dieses Szenario vom Frachtschiff aus betrachten und kommentieren zu können!

Der Kapitän der "Khaled H." ist ein Unikum. Man trifft ihn kaum ohne Kaffeeglas und glimmender Zigarette. Er heisst uns aber zu jeder Zeit auf der Brücke willkommen und zeigt und erklärt uns geduldig die verschiedenen Instrumente und Anzeigen. Zum Teil sind die Anzeigen so alt, dass sie nicht mehr funktionieren. Mit der Zeit wurden diese Anzeigen durch neue Anzeigen ersetzt, die auf einem separaten Kasten montiert wurden. Nicht sehr bedienerfreundlich, aber Hauptsache, man weiss, wo was angezeigt wird!

Im Golf von Aqabah wird das Meer ruhiger, und die "Khaled H." kann Fahrt aufnehmen. Wie wir am Morgen erwachen, fällt uns auf, dass wir langsamer werden. Mit verschlafenen Augen gucken wir durch unser Bullauge und sind im Nu hellwach. Nur noch kurze Zeit, und wir laufen im Hafen von Aqabah ein! Das Meer verengt sich immer wie mehr, und insbesondere auf der saudiarabischen bzw. jordanischen Seite liegen riesige Frachtschiffe und Tanker vor Anker. Auf der gegenüberliegenden, israelischen Seite hingegen können wir nur wenige Schiffe ausmachen. Langsam tuckern wir zur Hafeneinfahrt, und nur wenige Minuten später werden wir von einem Schlepper in die richtige Position am Quai gedrückt. Die Kapitäne der Schlepper wie auch die Hafenarbeiter winken uns erfreut zurück, und begrüssen uns mit einem netten "Salaam!".

Kaum ist die "Khaled H." fest verzurrt, fährt ein sechsachsiger Kranwagen vor. Der Vorarbeiter fragt uns, ob unser Santi als erstes abgeladen werden soll, was wir natürlich bejahen. Dann bleibt uns nur noch, über das enorm hohe Arbeitstempo der jordanischen Hafenarbeiter zu staunen. Während Helen in der Kapitänskabine den Papierkram erledigt, überwacht Markus den Abladevorgang unseres Santis. Nur wenige Minuten werden benötigt, bis der Santi auf dem Quai steht. Die präzise und genaue Arbeitsweise der Hafenarbeiter kann nicht genügend gelobt werden! Nicht nur wir, sondern auch die Gäste des nur wenige Meter von der "Khaled H." entfernten Luxuskreuzers staunen über die raschen Abladevorgänge des Santis und der Lastwagen. Uns bleibt nur noch das rasche Packen unserer Effekten und das herzliche Verabschieden von der Mannschaft.

Für uns waren die vergangenen Tage auf dem Roten Meer ein spannendes, interessantes und einmaliges Abenteuer, welches wir trotz der hohen Kosten nicht missen möchten. Jetzt geht es nur noch darum, unseren Santi aus dem Hafen zu fahren.

Jordanien

11. Oktober 2008

Bevor wir von Bord gehen, bereitet uns der Kapitän der "Khaled H." auf die uns erwartenden Kosten vor. Um den Santi aus dem Hafen auszulösen, müssen wir mit rund US-$ 1'000 rechnen. Auf unsere schockierte Reaktion hin erklärt er uns, dass er in zwei Tagen in Suez (Ägypten) einlaufen werde. Er würde uns gratis bis dorthin mitnehmen - bloss ist das Auslösen den Autos aus dem Hafen dort in etwa ähnlich teuer. Wir sind enttäuscht von Hadi al Hassan, der in Port Sudan meinte, das Auslösen unseres Autos werde maximal mit US-$ 300 zu Buche schlagen. Aber was bleibt uns anders übrig? Natürlich könnten wir mit dem Frachtschiff weiter nach Suez fahren, aber ob die Abwicklung dort rascher und günstiger von sich ginge? Wohl kaum. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns deshalb, in Al Aqabah zu bleiben bzw. hier auszusteigen. Immerhin organisiert der Kapitän der "Khaled H." einen Agenten, der uns beim Papierkrieg unterstützt. Während Helen zusammen mit dem Kapitän die letzten Formalitäten auf dem Frachtschiff erledigt, wird Markus angewiesen, den Santi auf einem nicht umzäunten und nicht bewachten Parkplatz abzustellen, bis die Formalitäten erledigt sind. Das kommt für uns natürlich überhaupt nicht in Frage, und zum Glück erhalten wir die Möglichkeit, unser Auto auf einem nahe gelegenen, umzäunten und bewachten Parkplatz zu parkieren.

Nun heisst es, dem Kapitän der "Khaled H." unsere Restschuld zu begleichen, und der Clearing-Agentur den vereinbarten Pauschalpreis zu bezahlen. Ein Chauffeur der Clearing-Agentur fährt uns deshalb zu diversen Bancomaten, an welchen wir ziemlich erfolglos versuchen, mit der VISA-Karte Bargeld zu beziehen. Wie so oft in Afrika melden die Bancomaten meistens entweder eine technische Störung oder spucken die VISA-Karte ohne Begründung wieder aus. Zurück im Hafen gilt es, das Visum für Jordanien zu besorgen. Was normalerweise eine Sache von wenigen Minuten ist, dauert bei uns mehrere Stunden. Erklärt wird die lange Warte- und Bearbeitungszeit damit, dass wir nicht wie "normale" Personen mit der Fähre einreisen, sondern per Frachtschiff. Der tiefere Grund dieser Unterscheidung bleibt uns bis heute verborgen...

Da mittlerweile klar ist, dass wir unseren Santi erst morgen abholen können, bzw. er erst morgen vom jordanischen Zoll freigegeben wird, chauffiert uns ein Mitarbeiter der Clearing-Agentur zu einer erst vor wenigen Tagen fertig gestellten Wohnung etwas ausserhalb des Stadtzentrums von Al Aqabah. Zum Glück kennt der Chauffeur namens Muhammad den Eigentümer der Parterrewohnung, so dass wir nur eine sehr geringe Miete bezahlen müssen. Wir sind froh, nicht mehr in der feuchten und muffigen Kabine auf dem Frachtschiff schlafen zu müssen, und freuen uns zudem über eine funktionierende Dusche - auch wenn der Warmwasserhahn nur eine Attrappe ist. Wir nutzen den Tag zum Ausruhen und Einkaufen. In zwei Quartierläden decken wir uns mit ein paar Lebensmitteln ein. Helen ist überglücklich, in einem der Läden ihr geliebtes Fladenbrot zu finden. Wie oft hat sie Markus während der letzten sechs Monate von ebendiesem ultradünnen Fladenbrot erzählt - und jetzt hält sie endlich einen dicken Stapel Fladenbrot in den Händen.

12. Oktober 2008

Damit wir nicht zu lange schlafen, haben wir gestern Abend den Wecker gestellt. Dies jedoch hat sich als absolut unnötig erwiesen. "Unsere" Wohnung befindet sich nämlich im Fadenkreuz diverser Moscheen, und bereits um halb fünf Uhr plärren an verschiedenen Orten die Lautsprecher des Muezzins, der zum Beten aufruft. Da es der Muezzin sehr gut mit uns meint und seinen Aufruf um sechs Uhr wiederholt, ist an Ausschlafen nicht zu denken. Wenigstens haben wir so genügend Zeit, unsere Sachen zu packen und auf Muhammad zu warten.

Pünktlich um viertel nach acht Uhr erscheint Muhammad und chauffiert uns zum Hafen. Dort werden wir in einem kleinen Büro erwartet. In den nächsten acht Stunden werden wir Zeuge der jordanischen Zoll-Bürokratie. Da es sehr viele Papiere auszufüllen gilt und die Abwicklung alles andere als einfach und durchsichtig ist, gibt es mindestens hundert Clearing-Büros, welche alle in kleinen Containern untergebracht sind. Der Chef "unseres" Büros generiert beim Versuch, mit dem Computer ein Formular für den Santi auszufüllen, unzählige Male dieselbe Fehlermeldung. Ab und zu telefoniert oder diskutiert er enerviert mit Angestellten anderer Clearing-Agenturen, und einmal gerät er derart in Rage, dass er sein Telefon an die Wand schmettert. Irgendwie verstehen wir ihn, ist er doch augenscheinlich der Einzige, der wirklich arbeitet. Die anderen Angestellten hängen nämlich bloss etwas im oder vor dem Büro herum, rauchen Zigaretten und trinken Tee oder Kaffee.

Im Laufe des Tages dürfen wir zweimal den Santi besuchen und überprüfen, ob noch alles in Ordnung ist. Zum Glück wird er wirklich gut bewacht, so dass wir keine Angst haben müssen. Ab und zu besuchen uns Muhammad oder der Clearing-Agent im Büro und erkundigen sich nach dem Stand der Dinge. Sie versichern uns mehrfach, dass die lange Bearbeitungszeit völlig normal ist. Beide wie auch der Chef des Büros versuchen uns darauf vorzubereiten, den Santi erst morgen aus dem Hafen auslösen zu können. Dies bewirkt bei uns jeweils ein ungläubiges Kopfschütteln - wir können es nicht fassen, dass es so schwierig und kompliziert sein soll, ein Auto durch den Zoll zu bringen. Plötzlich scheint alles rasch zu gehen, und wir können den Santi zwei Zöllnern zeigen. Sie wollen nicht zwingend den Inhalt vom Santi kontrollieren, aber unbedingt die gesamte Dachlast. Nur mit Glück können wir sie überzeugen, dass es sich nur um wertlose Souvenirs handle und es nicht notwendig sei, alles vom Dach zu nehmen. Wir sind froh, dass dieser Kelch an uns vorübergeht! Danach überprüfen die Zöllner - wie schon mehrere andere Beamte vor ihnen - die Motor- und Chassisnummer. Nach einer weiteren Stunde und vielen Formalitäten, die uns zum Glück von Muhammad und einem weiteren Angestellten der Clearing-Agentur abgenommen werden, verlassen wir mit dem Santi den Hafen - allerdings nicht ohne einer weiteren Überprüfung der Chassisnummer. Zudem wird nochmals überprüft, ob die vor wenigen Minuten angebrachte Plombe am Motor nicht entfernt wurde. Irgendwie haben die Zöllner das Gefühl, wir hätten in den wenigen Minuten einen neuen Motor eingebaut...

Dann endlich ist es soweit: Wir sind in Jordanien - und fahren direkt zum Fährhafen, um Jordanien auf dem schnellsten Weg wieder zu verlassen. Muhammad besorgt uns die Fährtickets, und kämpft mit Helen um die Stempel im Carnet. Ohne die guten Beziehungen von Muhammad zu diversen Beamten wäre unser Carnet wohl kaum abgestempelt geworden. Helen ringt oft um ihre Fassung, weil sie ihren Augen und Ohren kaum zu trauen vermag. Es grenzt tatsächlich an kafkaeske Verhältnisse - zuerst weiss ein in der Nase bohrender Beamter nicht, was er tun soll, dann wird extra wegen uns eine Konferenz abgehalten, dann werden Gebetsteppiche ausgerollt, dann werden Helen und Muhammad von einem Büro zum anderen geschickt, und erst nach über zwei Stunden kehren die beiden abgekämpft zu Markus zurück, der sich über die lange Wartezeit und über die diversen Leute, die inzwischen zum wiederholten Male die Chassisnummer überprüften, wunderte.

Nach einer herzlichen Verabschiedung von Muhammad, der inzwischen zu unserem Freund wurde, warten wir, bis wir auf die Fähre fahren können. Als zweites Fahrzeug drängen wir uns durch das schmale Gate und werden vor der Fähre abrupt gestoppt. Zuerst dürfen nämlich alle Lastwagen und Cars auf die Fähre, und erst ganz am Schluss - also nach über einer weiteren Stunde Wartezeit - dürfen wir den Santi, nachdem dessen Chassisnummer und dien Plombe am Motor wohl zum zehnten Mal überprüft wurde, rückwärts auf die Fähre manövrieren. Zum Glück hat Muhammad uns einen Kollegen zur Seite gestellt, denn ein Matrose meint, mit unseren Papieren sei etwas nicht in Ordnung, und wir müssten zurück ins Fährbüro. Ein anderer meinte, er müsse unser Gepäck auf dem Dach überprüfen. Nicht selten fällt es uns schwer, höflich zu bleiben. Im Stillen aber wünschen wir mehrere dieser Personen ins Pfefferland!

Bei der Fähre handelt es sich um ein in die Jahre gekommenes dänisches Schiff, welches die dänische Schifffahrtsgesellschaft (wohl aus Altersgründen) an die ägyptische Fährgesellschaft verkauft hat. Der Toilettenraum ist knöchelhoch überflutet (ein feines Düftchen steigt einem in die Nase), die abgewetzten Teppiche sind mit Plastik überzogen, und die Türschlösser können nur von einer Seite aufgeschlossen werden. Das einzige, was wirklich funktioniert, sind die Klimaanlagen. Gewisse Räume werden auf derart frostige Temperaturen abgekühlt, dass sich kaum jemand dorthin verirrt. Trotzdem sind wir froh, unseren Aufenthalt in Jordanien so kurz wie möglich gehalten zu haben, und nun - leider im Schneckentempo - Ägypten zuzusteuern.

Ägypten

12. Oktober 2008

Die Einreise nach Ägypten beginnt bereits auf der Fähre. Auf dem Passagierdeck erwartet uns bereits ein Formular. Leider hat der Beamte dieses Formular nicht vollständig ausgefüllt (unser Nachname fehlt), meint aber, dies würde kein Problem darstellen. Danach geht es zum Immigration-Schalter. Zuerst wird der Ausreisestempel in unsere Pässe gedrückt, und schon erfahren wir, was es heisst, nicht auf dem üblichen Massentouristenweg in Ägypten einzureisen. Wir müssen nämlich für den Einreisestempel nicht nur das übliche Formular ausfüllen, sondern zusätzlich den gesamten Text unseres Visums abschreiben – der Mitarbeiter kann nämlich nur arabisch lesen und ist nicht fähig, das uns in der ägyptischen Botschaft in Dar es Salaam ausgestellte Visum zu lesen… Die Zeit vergeht rasch, und wie wir endlich an der Reling stehen, beobachten wir, wie die Fähre kurz nach Mitternacht langsam ablegt. Fahrplanmässige Abfahrt wäre übrigens um 16 Uhr gewesen – also nur etwa acht Stunden Verspätung...

13. Oktober 2008

Die Überfahrt verbringen wir im Heckbereich an der frischen Luft und dösen friedlich vor uns hin. Wir wundern uns etwas über die vielen Abfallsäcke, die zu einem Haufen gestapelt herumliegen, sind aber zu müde, um allzu intensiv nachzudenken. Allerdings nur, bis zwei Arbeiter beginnen, die vollen Abfallsäcke ins Meer zu werfen. Wir können unseren Augen kaum trauen, aber es ist wahr: Der gesamte Abfall der Fähre wird einfach im Meer entsorgt. Die anderen Reisenden scheint dies nicht zu kümmern, aber wir können uns es kaum fassen. Sky besuchen wir zu Beginn jede halbe Stunde, und mit der Zeit alle Dreiviertelstunden. Wir sind froh, dass sie sich so gut hält.

Um drei Uhr morgens läuft die Fähre endlich im Hafen von Nuveiba ein, und als zweites Fahrzeug können wir die Fähre verlassen. Unsere Hoffnung, rasch in Ägypten einzureisen, weicht bald der bitteren Realität. Wir werden von Polizisten an einen Warteplatz dirigiert, und dort heisst es warten. Ab und zu kommt ein Polizist vorbei und füllt auf arabisch irgendein Formular aus, schreibt unsere Chassisnummer auf oder will unsere Pässe und den Fahrzeugausweis sehen. Dies dauert rund eineinhalb Stunden, und dann herrscht plötzlich gespenstische Ruhe. Kein Wunder, denn die Polizisten, Zöllner und Soldaten sind schlafen gegangen. Erst drei Stunden später erscheint die nächste Schicht, doch ans Arbeiten denken die noch lange nicht. Erst heisst es wahrscheinlich, sich damit anzufreunden, arbeiten zu müssen… Wir entscheiden, dass Helen das Auto bewacht und Sky betreut, während Markus das Carnet abstempeln lässt. Was allerdings nicht eine Sache von wenigen Minuten ist, sondern von dreieinhalb Stunden. Im Hafen von Nuveiba arbeitet man nämlich noch mit „Steinzeitmethoden“. Zuerst muss man am Schalter Nr. 2 ein Formular ausfüllen lassen. Mit diesem Formular geht man zum Schalter Nr. 1, um die Strassenbenutzungsgebühr zu bezahlen. Dort erfährt man, dass dies der einzige Schalter im Hafen ist, der keine US-$ akzeptiert. Man muss deshalb zur Bank, um ägyptische Pfund zu tauschen. Anschliessend wieder zum Schalter Nr. 1, wo man mit 510 Pfund gut zwanzig Mal höhere Strassenbenutzungsgebühren bezahlt als Araber. Mit der Quittung wieder zum Schalter Nr. 2. Dort wird einem erklärt, welche Dokumente kopiert werden müssen. Also geht es weiter zum Kopiershop. 40 Pfund ärmer geht es zurück zum Schalter Nr. 2. Statt den Carnetstempel zu erhalten wird man zum Schalter Nr. 3 geschickt, wo ein persönliches Dossier erstellt wird. Mit diesem Dossier und einem vom Schalter Nr. 4 ausgefüllten Formular zurück zum Schalter Nr. 2, um – endlich – das Carnet abgestempelt zu erhalten. Danach geht es zum Schalter Nr. 5 – schliesslich gilt es noch, ägyptische Nummernschilder und einen ägyptischen Fahrausweis zu organisieren. Zum Glück haben wir bereits eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen, sonst wäre der administrative Kleinkrieg weitergegangen! Es ist aber nicht einfach, die Beamten zu überzeugen, dass die europäische Versicherung mit einer Schadenssumme von € 500'000 deutlich besser ist als die ägyptische Versicherung mit einer Schadenssumme von US-$ 100'000… Tief atmen wir auf, wie wir diese Hürde zu unseren Gunsten meistern können.

Als kleine Anekdote sei erwähnt, dass auf der Fähre ein Formular nicht vollständig ausgefüllt wurde, der Beamte beim Schalter Nr. 2 dies leider bemerkt und uns zurück auf die Fähre schickt, damit dort unser Nachname abgestempelt wird. Die Polizei lässt uns aber nicht mehr auf die Fähre. Nach einem Irrlauf durch sieben (!) Büros und der gütigen Mithilfe eines Mitarbeiters der Tourism Police wird unser Nachname im Fährbüro abgestempelt und der Beamte vom Schalter Nr. 2 zufrieden gestellt…

Nun endlich können wir die ägyptischen Nummernschilder am Santi montieren. Total müde, aber erleichtert steigen wir in den Santi und fahren der Küste entlang nordwärts in Richtung Nuveiba. Nur wenige hundert Meter nach dem Hafen lassen wir neben dem Hotel Hilton noch einige andere Hotels rechts liegen. Je mehr wir nordwärts vordringen, je mehr fallen uns verlassene, verfallene oder während des Baus aufgegebene Lodges und Hotelanlagen auf. Diese gespenstische Stille ist wohl auf die Anschläge von 2001 bis 2006 zurückzuführen. Gut 25 km nach Nuveiba erreichen wir die Anlage „Basata“. Leider sind hier Hunde nicht erlaubt, und erst, als die Betreiberin begreift, dass wir seit fast sieben Monaten unterwegs sind, erlaubt sie uns, etwas abseits zu campieren. Allerdings müssen wir, selbst wenn wir abseits von der Anlage campieren, eine Führung über uns ergehen lassen – schliesslich handelt es sich beim „Basata“ um eine ökologische Anlage, welche einer genauen Aufklärung und Einführung des gesamten Systems bedarf. Doch zuerst sollen wir unser Auto abstellen. Ein Mitarbeiter erklärt uns den Weg, meint aber, wir sollen möglichst weit weg vom Meer campieren, da wir sonst „wertvolle Mikroorganismen“ (Zitat!) zerstören würden. Wie wir den Campingplatz suchen, entschliessen wir uns, „Basata“ den Rücken zuzukehren – uns geht es hier etwas zu ökologisch zu und her. Wenigstens werden die „wertvollen Mikroorganismen“ zum running Gag!

Wir fahren zurück und entscheiden uns, bei der hübschen Lodgeanlage „Ananda“ zu bleiben, zumal der Betreiber dieser Anlage überaus freundlich und zuvorkommend ist. Müde von der schlaflosen Nacht und vom Einreiseprozedere ziehen wir in unserer Hütte ein und schlafen bald ein.

14. bis 19. Oktober 2008

Die nächsten Tage verbringen wir im „Ananda“. Wir sind fast die ganze Zeit über die einzigen Gäste – nur am letzten Tag müssen wir die Anlage mit zwei anderen Gästen teilen. Für uns ist dies perfekt. Wir haben Ruhe, können am Strand liegen, die Sonne geniessen, und Sky kann frei nach Belieben den Strand entlang springen, nach Krabben jagen oder einfach nur im Sand herumwühlen. Ab und zu sind wir zu faul zum Kochen. Dann zaubert jeweils der Chef namens Saad höchstpersönlich etwas Feines zum Essen auf den Tisch. Die Bungalows sind sehr einfach eingerichtet: Ausser zwei Matratzen am Boden, einem Spiegel an der Wand und zwei kleinen Regalen gibt es nichts - aber uns reicht dies völlig aus.

Das einzige Problem der Anlage ist die Elektrizität. Wohl ist ein funktionierender Generator vorhanden, aber die zum Starten notwendige Batterie ist praktisch tot. Mr. Saad bleibt somit nichts anderes übrig, als jeden Tag mit Hilfe eines Autos und Überbrückungskabeln den Generator zum Laufen zu bringen. Wir helfen ihm mit unserem Santi natürlich gerne, fragen uns aber, was er macht, wenn wir nicht mehr da sind. Jeden Tag unseres Aufenthaltes meint er zwar, bald bringe jemand eine neue Batterie vorbei, aber so lange wir bei ihm logieren, erweist sich dies als ein leeres Versprechen. Obwohl im arabischen Raum leere Versprechungen absolut nichts Ungewöhnliches darstellen, haben wir Mitleid mit Mr. Saad und offerieren ihm vor unserer Abreise, in Kairo eine neue Batterie für ihn zu kaufen. Er aber meint, dass er in wenigen Stunden nicht nur eine, sondern zwei neue Batterien erhalte. Inshalla, kann man da nur noch sagen!

Das Meer ist aussergewöhnlich warm, und wir könnten stundenlang darin herumplanschen und dem Riff entlang schnorcheln. Ja, wir könnten, wenn nicht Wind und Wellen derart stark wären, dass wir nicht mehr den Grund des Meeresbodens sehen und somit ein passender Eingang über die Korallen erschwert ist. Dies ist sehr schade, da der gesamte Küstenstreifen mit seinem vorgelagerten Riff sehr fischreich ist und uns mit den verschiedensten Farben sehr begeistert. Dafür springt uns Sky immer entgegen, wenn wie wieder aus dem Wasser steigen. sich Sky enorm, wenn wir wieder aus dem Wasser kommen.

Eine längere Reise bringt natürlich auch längere Haare mit sich. Und hier am Strand von Nuveiba will sich Helen von Markus ihre Haare schneiden lassen. Sicher braucht sie etwas Mut, ihre Haare in die Hände von Markus zu geben, aber ihr Vertrauen ist grösser als ihre Angst. Mit einem Kamm und einer abgestumpften Schere rückt also Markus ihrer Haarpracht beherzt zu Leibe, und nach einer halben Stunde ist es vollbracht: Helens Haare sind knapp zehn Zentimeter kürzer!

20. Oktober 2008

Am späteren Vormittag verlassen wir die wunderschöne Ananda-Anlage und fahren quer durch den Sinai zum Katharinenkloster. Die Fahrt bis zum Kloster überwältigt uns. Wir begegnen nicht nur fantastische Gebirgskulissen mit engen Wadis, sondern auch bizarren Fels- und Bergformationen mitten in der Wüste. Sobald wir die Küste des Golfs von Al Aqabah verlassen, windet sich der weitere Strassenverlauf in vielen Kurven durch die Täler. Die steilen und steinigen Berghänge links und rechts der Strasse versetzen uns immer wieder ins Staunen.

Zwar sehen wir ab und zu auch andere Reisecars, doch lassen wir uns nicht von unserem Ziel abhalten. Was uns lediglich aufhalten könnte, ist ein Santischaden. Bei einem der unzähligen Checkpoints lässt uns unser Santi tatsächlich im Stich. Sicher hätte sich unser Santi keinen idealeren Platz für seinen Stillstand aussuchen können, denn als wir die Motorhaube öffnen und dem Grund des Versagens der Kupplung auf den Grund gehen möchten, kommen uns einige Polizisten zur Hilfe. Besser gesagt, ein höherrangiger Polizist hält einen vorbeifahrenden Mann an, welcher uns angeblich helfen könnte. Dieser Ägypter sieht nicht gerade aus, als ob er etwas von Autos verstehen würde, schafft es aber tatsächlich, innerhalb von fünf Minuten das Auto bzw. die Kupplung wieder funktionstüchtig zu machen. Herzlich bedanken wir uns mehrmals und fahren nach der Bezahlung der Eintrittsgebühr für das Naturschutzgebiet rund um das Kloster auch schon wieder weiter. Wir freuen uns auf dieses Kloster, welches im 6 Jh.n.Ch. gebaut wurde und wie eine Festung ein enges Tal am Fusse des Mosesberges beherrscht. Die Klosterkirche – das einzige für Touristen zugängliche Gebäude innerhalb des Klosters – ist nur zu gewissen Zeiten geöffnet. Da wir von Sky begleitet werden und wir ausserhalb der Öffnungszeiten beim Kloster eintreffen, können wir das Kloster nur von aussen besichtigen. Wir bestaunen die mächtigen Mauern, und während Markus mit Sky wartet, steigt Helen auf einem schmalen Weg sogar auf einen Berg, um von oben ins Innere des Klosters sehen zu können bzw. um Fotos und Filmaufnahmen zu machen.

Nach der Besichtigung kaufen wir in St. Catherine ein paar Lebensmittel ein und campieren auf dem Hotelgelände „St. Catherine’s Village“.

21. Oktober 2008

Unser heutiges Ziel heisst Kairo. Zuerst geht die Fahrt durch eine grandiose Wüstenlandschaft. Weite Sandebenen und zum Teil felsige Schluchten wechseln sich ab. Unterbrochen wird die Fahrt nur durch die langsam nervenden Checkpoints. Wenigstens werden wir oftmals durchgewunken. Den Suezkanal unterqueren wir in einem 1,6 km langen einspurigen Tunnel. Es gäbe auch eine Möglichkeit, den Suezkanal, dessen Passierung mit einem Schiff mit mindestens 80'000 US-$ zu Buche schlägt, auf einer Brücke zu überqueren. Der Weg über die Brücke erfordert aber einen sehr grossen Umweg. Da wir aber möglichst rasch nach Kairo gelangen wollen, wählen wir die Tunnelvariante. Unmittelbar nach dem Tunnel gelangen wir auf die Autobahn, die uns durch eine weitestgehend flache und öde Wüstenlandschaft nach Kairo bringt. Dank der Ringautobahn, die fast rund um Kairo führt, kann man das stauanfällige Stadtzentrum umfahren. Allerdings stauen sich die Fahrzeuge bei jeder Ausfahrt auf der drei- bis vierspurigen Autobahn auf sechs bis acht Spuren, und wir erhalten einen Vorgeschmack auf die "richtige" ägyptische Fahrweise. Wie wir in der Dunkelheit endlich auf dem Campingplatz "Sahara Mar" eintreffen, sind wir erstaunt, dass wir überhaupt nichts vom Verkehrslärm hören, wenn man bedenkt, dass wir uns mitten in Kairo befinden.

22. Oktober 2008

Damit wir dem täglichen Gedränge der tausenden von Touristen bei den Pyramiden aus dem Weg gehen können, machen wir uns bereits um halb sieben auf den Weg zum Haupteingang, wo viele Polizisten stehen. Dort teilen sie uns mit, dass wir erst um acht Uhr zu den Pyramiden fahren können. Dies hält uns nicht davon ab, den Santi am Strassenrand zu parkieren, unsere beiden Stühle aufzustellen und zu frühstücken. Kurz vor acht Uhr werden wir zum Tickethäuschen vorgelassen, wo wir erfahren, dass Hunden der Zutritt zum Gelände verweigert wird. Dank Helens Hartnäckigkeit können wir mit Sky wenigstens bis zum Parkplatz fahren. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Pyramiden getrennt zu besichtigen. Mit anderen Worten: Jemand betreut Sky im Auto, während der andere die Sphinx begrüssen geht. Zuerst macht sich Helen auf den Weg und hüpft sogleich auf ein Dromedar - zum Glück hat der Dromedarführer einen guten Tag und bietet diesen Fotoservice ausnahmsweise gratis an!

Wir sind beeindruckt von den Ausmassen der die Pyramiden bildenden Steinquader und der enormen Grösse der Pyramiden selbst. Natürlich war uns aus Büchern und Berichten bekannt, wie gross diese monumentalen Bauwerke sind, aber es ist etwas völlig anderes, wenn man davor steht und sich kaum satt sehen kann. Die 137 m hohe Cheopspyramide zum Beispiel besteht aus über 2,3 Millionen tonnenschwerer Granitblöcke, die etwa 25'000 Menschen während 30 Jahren aufeinander schichteten. Da bleibt einem oft nur der Mund offen vor lauter Staunen! Wir wussten allerdings nicht, dass sich die Pyramiden direkt am Stadtrand von Kairo befinden.

Die 20 m hohe und 75 m lange Sphinx bewacht seit Jahrtausenden die Pyramiden, wobei ihr der Zahn der Zeit sichtlich zugesetzt hat. Aber auch eine nicht fachmännisch durchgeführte Renovation in den 80er Jahren trug einiges zu ihrem Verfall bei. Zum Glück konnte ihr Zustand stabilisiert werden, und sie kann weiterhin ihrer Aufgabe nachkommen. Die Sphinx besteht aus einem Löwenkörper und einem Menschenkopf, wobei umstritten ist, ob der Kopf die Gesichtszüge eines Pharaos zeigt. Wer sie aus welchen Gründen an diesem Ort erbaut haben könnte, ist ebenfalls unklar. Trotz dieser offenen Fragen und ihrem teilweisen Verfall fasziniert uns die Sphinx. Direkt neben den Pyramiden und der Sphinx befindet sich der alte muslimische Friedhof von Kairo mit über 1,5 Millionen Gräber.

Der Besuch dieser weltbekannten Bauwerke und die Hitze ermüden uns stark. Wir kehren deshalb zum Campingplatz zurück, was sich jedoch als nicht besonders einfach erweist. Die Mittelstreifen der meisten Strassen wurden zugemauert, so dass jeder, der die Kreuzung in gerader Linie überqueren will, rechts abbiegen, sich dann auf die linke Seite hinüberquetschen muss, nach ein paar hundert Meter folgt ein U-Turn, dort fädelt man sich in die Gegenrichtung ein, fädelt möglichst schnell nach rechts, um schliesslich in die Strasse rechts abzubiegen, auf die man bei Geradeausfahrt sofort gekommen wäre. Dieselbe Schikane gilt natürlich auch für das links Abbiegen. Eine weitere Schikane sind die unglaublich hohen Strassenschwellen, welche achsbrecherische Qualitäten aufweisen. Das Ganze kombiniert mit der ägyptischen Fahrweise, bei der jeder Zentimeter der gesamten Strassenbreite zum Drängeln ausgenützt wird, und ein Strassengewirr fast ohne jeglichen Strassenschilder ergibt eine richtige Herausforderung.

Endlich beim Campingplatz angekommen, wird uns mitgeteilt, dass der Campingplatz eigentlich geschlossen ist. Zum Glück befindet sich gerade vis-à-vis ein anderer Campingplatz (Bebo Camping), wo wir uns bald entspannen können - allerdings nur, bis wir von den Muezzinen mit unzähligen Lautsprechern unüberhörbar zum Gebet aufgerufen werden...

23. Oktober 2008

Die aus der V. Dynastie stammenden Pyramiden von Abusir liegen zwischen jenen von Giseh und Sakkara. Vor dem Eingang des Geländes wird uns mitgeteilt, dass der Besuch dieser Pyramiden nicht möglich sei. Ein Mitarbeiter meint aber, er würde uns das Gelände trotzdem zeigen - natürlich gegen ein erkleckliches Bakschisch... Eine Besichtigung dieser "Schutthaufen" lohnt sich für uns jedoch kaum, weshalb wir uns umgehend auf den Weg zu den Pyramiden von Sakkara machen.

Dort befindet sich der Komplex der Djoserpyramide, welche die erstgebaute Pyramide überhaupt ist. Vor dem Eingang ist uns bald klar, dass wir dieses Mal auch Sky die Pyramide zeigen möchten. Glücklicherweise ist hier die Touristenpolizei etwas weniger strikt als bei den Pyramiden von Giseh, so dass Sky mit uns diesen ersten monumentalen Steinbau (vorher wurde Lehmziegelbau betrieben) besichtigen kann. Dank unserem hervorragenden Reiseführer erfahren wir einiges über diese Pyramidenart. Die Pyramide als eigentliches Grab ist umgeben von einer ganzen Reihe Bauten, die als Scheinarchitektur dem verstorbenen Pharao ins Jenseits mitgegeben wurden. Die Pyramide wurde mehrfach vergrössert, wobei schliesslich sechs Stufen aufeinander gesetzt wurden. Damit war die erste Stufenpyramide entstanden. Der Architekt der Stufenpyramide Namens Imhotep wurde zuerst als Weiser und später wie ein Gott verehrt.

Für den Moment haben genug Pyramiden gesehen. Wir wandern deshalb zum Grab des Ti. Zuerst geht es ein paar Stufen in den Sand hinunter, und danach durch einen schmalen Korridor. Er führt uns zuerst zu einer Statue des Ti und danach zu zwei mit Hieroglyphen und Zeichnungen übersäten Kammern. Weiter im Untergrund geht es durch einen düsteren, langen Gang zur Grabkammer. Im Gegensatz zur Roten Pyramide ist hier die Luft viel besser. Sogar Sky gefällt es in der Grabkammer - auch wenn der Sarkophag leer ist.

Es ist erst halb drei Uhr und wir überlegen uns, was wir mit dem angebrochenen Nachmittag machen sollen. Wir beschliessen, noch die dritte Pyramidenart, die Knickpyramide von Dashur, zu besichtigen. Bevor es zur eigentlichen Knickpyramide geht, führt uns der Weg zur Roten Pyramide, welche als einzige im Innern zugänglich ist. Der Besuch der Grabkammern erfordert jedoch eine gehörige Portion Beinarbeit. Zuerst gilt es, knapp 30 Meter bis zum Eingang hochzuklettern. Danach geht es in einem niedrigen Gang über 70 Stufen in gebückter Haltung zurück bis zum Bodenniveau. Bald darauf befindet man sich in der sehr hohen Vorkammer. Über eine Holztreppe geht es anschliessend in die Grabkammer. Die Luft ist schlecht und etwas staubig - die Vorstellung, hier unten eingesperrt zu sein, ist nicht gerade verlockend! Obwohl uns die Bauart dieser Grabkammer sehr beeindruckt, sind wir froh, wie wir wieder ans Tageslicht zurück krabbeln.

24. Oktober 2008

Da wir gestern die Dashur-Pyramiden bereits um vier Uhr nachmittags verlassen mussten, blieb uns die Besichtigung der berühmten Knickpyramide verwehrt. Dies möchten wir unbedingt heute Morgen nachholen. Kurz nach neun Uhr stehen wir auch schon vor dieser interessanten Pyramidenform. Trotz Militärgelände können wir mit Sky in unserem Santi quer durch die Wüste zur Knickpyramide fahren. Infolge eines nicht geeigneten Untergrundes ergaben sich mit Anwachsen der Pyramide unter ihrem enormen Gewicht Bodensenkungen und dadurch Schwierigkeiten in der Statik. Im Ergebnis wurde der Neigungswinkel von 54° auf 43° abgesenkt. Schlussendlich wurde diese Pyramide zwar vollendet, aber aufgegeben.

Die Fahrt durch die Wüste zurück zur Roten Pyramide verläuft problemlos. Danach diskutieren wir lange, ob wir zurück nach Nuveiba fahren sollen, oder ob wir die Sehenswürdigkeiten von Luxor besichtigen möchten. Mit grosser Überzeugungsarbeit schafft es Helen tatsächlich, in Markus das Interesse für die Attraktionen von Luxor zu wecken. Helen war bereits vor zwanzig Jahren einmal in Luxor und würde gerne ihre Erinnerungen auffrischen. Um elf Uhr starten wir deshalb in südlicher statt in östlicher Richtung und fahren durch unzählige Dörfer dem Nilufer entlang und staunen immer wieder darüber, wie grün die Gegend rund um den Nil ist. Oft sehen wir, wie Bauern mit Esel oder Wasserbüffeln ihre Acker und Gärten bearbeiten, und wir bewundern das ausgeklügelte Bewässerungssystem. Bei Beni Suef überqueren wir den Nil auf einer langen Stahlbrücke und stossen bald auf eine gut ausgebaute breite Teerstrasse, die uns dem östlichen Ufer entlang weiter in den Süden führt. Wir sind froh, nicht mehr andauernd von achsbrechenden Strassenschwellen gebremst zu werden. Diese haben nämlich nicht nur die Angewohnheit, unheimlich hoch zu sein, sondern auch ohne jegliche Ankündigung oder farbliche Kenntlichmachung an den unmöglichsten Orten völlig unerwartet zu erscheinen.

Leider gilt die Region südlich von Beni Suef nach wie vor als Rückzugsgebiet islamischer Terroristen, und wir fragen uns, wo wir übernachten sollen. Nachdem sich die Strasse etwas vom Nilufer entfernt und die grüne Landschaft einer staubigen Wüste Platz macht, gedenken wir, in der Wüste oder in der Nähe eines enorm weitläufigen Kalksteinabbruches zu schlafen. Diesen Plan verwerfen wir aber rasch, wie wir bei einem kleinen Spaziergang mitten in der Einöde zwei Fahrzeuge und mehrere Menschen bei nicht definierbaren Tätigkeiten beobachten. Uns wird es etwas mulmig zumute, und wir fragen uns, ob es nicht sicherer wäre, bei einer der zahlreichen Polizeikontrollen zu übernachten. Aber so richtig anfreunden mit diesem Schlafplatz können wir uns nicht - es wäre zwar garantiert sicher, aber auch sehr laut, da die Motorgeräusche der die ganze Nacht über angehaltenen Fahrzeuge unüberhörbar wären. Da die Städte entlang dem Nil im mittleren Ägypten für Touristen aufgrund der Terrorgefahr grundsätzlich gesperrt sind, können wir in keinem Hotel übernachten. Es bleibt uns deshalb nicht viel anderes übrig, als bis nach Luxor durchzufahren. An den Strassensperren diskutieren die Polizisten jeweils miteinander, was sie mit uns machen sollen. Eigentlich müssten wir in einem Konvoi fahren, oder aber einen Polizisten in unserem Auto mitnehmen. Unser Santi bietet aber nur zwei Passagieren Platz, ein Konvoi fährt erst am nächsten Tag, und schlafen können wir in den Städten auch nicht. Nach einigen Diskussionen lassen uns die Polizisten deshalb jeweils alleine weiterfahren. Endlich in Luxor angelangt, steuern wir direkt das Rezeiky Camp an. Kurz vor Mitternacht können wir dann todmüde von der langen pausenlosen Fahrt ins Bett fallen.

25. Oktober 2008

Wir schlafen aus und geniessen ein ausgiebiges Frühstück. Ausser einem grossen Overlandtruck sind wir auch hier die einzigen Gäste. Noch müde von der gestrigen langen Fahrt ist uns klar, dass wir heute eine etwas ruhigere Kugel schieben werden. Wir besuchen den Luxor-Tempel, welcher im Herzen der Stadt liegt und von Amenophis III. etwa 1320 v. Chr. gegründet wurde. Das von Ramses II. erbaute Eingangstor wird von zwei ihn darstellenden kolossalen Sitz- bzw. Standfiguren und einem langen, vollständig mit Hieroglyphen gravierten Obelisk geprägt. An der Fassade des Tempels von Ramses II. wurde unter anderem die Geschichte eines siegreichen Feldzugs eingraviert. Besonders hervorzuheben ist ein fettes Rind, aus dessen Hörnern ein Mensch wächst. Dies stellt ein unterworfenes Land dar, und der Mensch ist ein versklavtes schwarzafrikanisches Volk. Innerhalb des Luxortempels, der sich aus verschiedenen kleinen Tempeln, Räumen und Säulensälen zusammensetzt, hat sich Ramses II. mehrfach mit gigantischen Statuen verewigt. Zum Teil sind die Statuen wie auch die Säulen und andere Bauelemente in sehr schlechtem, manchmal auch in hervorragendem Zustand.

Nach dem Besuch des Luxor-Tempels rekognoszieren wir mit dem Santi den Weg nach Theben-West. Morgen beabsichtigen wir nämlich, zu den ersten Personen zu gehören, die das Tal der Könige besichtigen. Den Abend verbringen wir auf dem Campingplatz mit Kochen und Vorbereiten des geschichtlichen Hintergrundes für die morgigen Besuche.

26. Oktober 2008

Bereits um viertel vor fünf Uhr klingelt unser Wecker! Bevor es aber zum Tal der Könige und zum Hatschepsut-Tempel geht, machen wir mit Sky einen langen Spaziergang am Nil. Unser Weg führt uns zuerst zu den beiden 18 m hohen Memnon-Kolossen, deren Erbauer Amenophis III. ist. Diese beiden Torwächterstatuen sind fast alles, was vom einst hier errichteten Totentempel des Vaters von Echnaton (Amenophis III.) zu sehen ist. Von der Grösse dieser Monolithkolosse sind wir beeindruckt, von deren schlechten Zustand aber etwas enttäuscht.

Bald darauf erreichen wir auch schon das Tal der Könige. Die Unmenge von Cars und Touristen erschlagen uns beinahe am Eingang.... Nichts desto trotz besorgen wir uns zwei Tickets und marschieren direkt zum Grab des Thutmosis III. Nach 83 Stufen hinauf geht es im Felsinneren wieder 102 Stufen hinunter. Die Vorkammer, deren Decke mit Sternen übersät ist, listet an den Wänden die Namen aller im Amduat (das die Nachtfahrt der Sonne beschreibende Buch) erwähnten 741 Götter und Dämonen auf. Die den roten Sandsteinsarkophag enthaltende Grabkammer ist mit vorzüglich erhaltenen Darstellungen des Ablaufs der Nacht im Amduat verziert.

Als nächstes nehmen wir uns das Grab von Ramses IX. vor. Die Korridore, Vorkammern und die Grabkammer sind allesamt mit gut erhaltenen Reliefs und Zeichnungen versehen. Uns gefällt insbesondere ein die nächtliche Sonnenfahrt durch den Bauch eines Krokodils beschreibendes Bild. Das darauf folgende Bild zeigt, wie die rote Sonnenscheibe mit dem widderköpfigen Ba das Tier verlässt.

Das letzte Grab gehört dem Gemahl von Königin Tauseret. In diesem Grab wurden nicht alle Reliefs fertig gestellt. Oft sind an den Wänden nur Vorzeichnungen zu sehen. Dafür sieht man kurz nach dem Eingang einen der besterhaltenen Friese mit Sonnenscheibe und den Göttinnen Isis und Nephthys. In der Sargkammer fällt der hochgestellte Sarkophagdeckel auf, dessen Unterseite man in einem Spiegel betrachten kann. Sie ist mit einem kräftig modellierten Relief der Isis dekoriert, die sich gewissermassen auf den verstorbenen König (Sethos II.) legt, der mit ihr den Thronfolger zeugt.

Eigentlich hätten wir gerne die Gräber von Amenophis II. und von Ramses III. besucht. Leider sind diese Gräber genau so wie jene von Sethos I., Ramses II, Ramses VI. und Meremptah im Moment für Besucher nicht zugänglich. Und dünkt es schade und unverständlich, weshalb von 16 Gräbern nur gerade 10 der Öffentlichkeit zugänglich sind. Aufgrund des Verbots, im Inneren der Gräber zu fotografieren, können wir leider keine Fotos bereitstellen.

Nach diesem Besuch machen wir uns auf zum Hatschepsut-Totentempel, welchen Hatschepsut, die mächtigste Frau auf dem Pharaonenthron, etwa 1475 v.Ch direkt an den Gebirgsrand bauen liess. Der Tempel bereitet sich wie eine überdimensionale Bühne aus, die mit ihrer Hintergrundkulisse aus senkrecht in den Himmel wachsenden Felsen verschmolzen ist. Der Tempel besteht aus einem Vorhof und zwei übereinander liegenden Terrassen. Beeindruckend sind die knapp 5 m hohen Pfeilerfiguren, welcher Hatschepsut in Gestalt des Osiris darstellen. Viele in den Fels hinein gehauene Korridore und Räume sind für Besucher leider nicht zugänglich. Hinter den Kolonnaden sind zum Teil gut erhaltene Reliefs zu erkennen, so zum Beispiel die göttliche Geburt der Hatschepsut und eine erfolgreich nach Somalia entsandte Expedition (sog. Puntexpedition).Ebenfalls gefallen hat uns ein Reliefbild des Anubis vor einem grossen Opfertisch.

Nach diesem dicht gedrängten historischen Vormittag kehren wir zurück nach Luxor, wo wir auf dem Campingplatz kochen und relaxen.

27. Oktober 2008

Auch heute heisst es früh aus den Federn, denn der Tempel von Karnak erwartet uns. Der Tempel von Karnak ist stellenweise bis zu 4'000 Jahre alt. Er wurde von mehreren Pharaos überarbeitet oder erweitert. Imposant ist insbesondere der Säulensaal mit 134 Säulen; ein in seinen Dimensionen überwältigender Raum. Der Hof zwischen dem ersten und zweiten grossen Eingangstor ist von Säulen und einer Lagerstätte von Widderstatuen umringt. Gleich daneben befindet sich der Tempel von Ramses III., der von mehreren Pfeilerfiguren des Pharaos begrenzt wird. Vom Eingang dieses Tempels bis zu dessen Allerheiligsten steigt das Niveau des Fussbodens an; gleichzeitig wird die Raumhöhe immer niedriger. Auf diese Weise findet eine Berührung im Allerheiligsten von Mensch und Gott statt, die in der Architektur symbolisch ausgedrückt wird. Des Weiteren erwähnenswert ist eine sehr hohe Statue von Ramses II. vor der, in kleinerem Massstab, seine Tochter Intanat steht.

Zurück auf dem Campingplatz treffen wir auf Berry und Esther, die wir in Dar es Salaam bereits einmal getroffen haben. Beim Plaudern merken wir gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Gerne hätten wir nämlich den Luxor-Tempel "by night" besucht. Nun heisst es Gas geben. Nur mit grossem Glück und einiger Überzeugungsarbeit können wir auf das Geländer huschen und einige wenige Fotos schiessen. Das abendliche Kunstlicht lässt die Statue des Ramses II. wie auch ein Relief, welches Ramses II. auf seinem Streitwagen bei einem Camp zeigt, gut sichtbar werden. Der beleuchtete Tempel ist bei Nacht besonders romantisch.

28. Oktober 2008

Nach dem Einkaufen und Volltanken machen wir uns auf den Weg nach Hurghada. Weit kommen wir aber nicht, denn bereits an der zweiten Polizeisperre werden wir aufgehalten. Offenbar ist es nicht möglich, als weisser Tourist die zwischen dem Nil und dem Roten Meer liegende Wüste allein zu durchqueren. Wir werden deshalb zurück nach Luxor geschickt, wo wir uns dem Konvoi nach Hurghada anschliessen sollen. Am Nachmittag kurz vor zwei Uhr formiert sich dann tatsächlich ein aus rund dreissig Reisecars und Minibussen bestehender Konvoi. Auf die Sekunde genau um zwei Uhr braust das den Konvoi anführende Polizeiauto los, gefolgt von den mit weissen Touristen gefüllten Fahrzeugen. Für den Konvoi gelten offenbar keinerlei Verkehrsregeln, denn es wird trotz Überholverbot unter Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit munter überholt. Bald schon sind wir das letzte Fahrzeug des Konvois, und das den Schluss bildende Polizeiauto drängt uns mit Handzeichen und Sirene zum schneller Fahren. Dies aber beeindruckt uns überhaupt nicht. Es fällt uns nicht einmal im Traum ein, die für den Santi ideale Reisegeschwindigkeit zu überschreiten. Irgendwann überholt uns das Polizeiauto, und wir sind wieder "frei". Die Konvoipflicht ist eine völlige Farce. Sie wurde zwar als Sicherheitsmassnahme eingeführt, dient aber eher dem Gegenteil. Dank dem Konvoi wissen die Terroristen genau, wann sehr viele Touristen miteinander wo unterwegs sind, und die beiden Polizeifahrzeuge am Anfang und am Ende des Konvois bieten überhaupt keinen Schutz, zumal sie ungenügend bewaffnet und schon wenige Minuten nach dem Start mehrere Kilometer voneinander entfernt sind. Ausserhalb des Konvois fühlen wir uns viel sicherer.

Kurz vor der Küste des Roten Meeres wird es dunkel, und erst nach einigem Suchen finden wir in Hurghada ein Hotel, auf dessen Parkplatz wir übernachten können. Obwohl sich das Hotel Luxor mitten im Ortszentrum befindet, verbringen wir - abgesehen vom kräftigen Wind - eine ruhige Nacht.

29. Oktober 2008

Heute steht wieder einmal eine lange Etappe an, denn wir möchten heute Abend nach Nuveiba zurückkehren. Wir fahren deshalb auf der Schnellstrasse an der Küste des Roten Meeres bzw. des Golfs von Suez entlang bis nach Suez. Die Fahrt verläuft ereignislos; rechts ist die Meeresküste, links die Wüste. In Suez, einer Stadt mit über 600'000 Einwohnern, ist die Orientierung nicht gerade einfach. Nur dank der gütigen Mithilfe eines Automobilisten finden wir die Strasse, die uns zumindest in die korrekte Richtung führt. Die Navigation ausserhalb des Stadtzentrums ist dank unserem Kompass relativ einfach, und nach einer Viertelstunde haben wir den Suezkanal im Ahmad Hamdi Tunnel unterquert.

Ein Teil der Sinaiquerung entspricht der alten Pilgerstrasse von Nordafrika nach Mekka. In früheren Zeiten wanderten bis zu 10'000 Menschen miteinander während etwa neun Tagen durch die Sinai-Wüsten. Zuerst geht es durch Sanddünen, dann durch steinwüstenartige Landschaften zur beinahe topfebenen Tih-Hochebene. Mit der Zeit lockern Hügel und Tafelberge aus Muschelkalk das Bild auf, und unvermittelt stossen wir auf Wasserlachen entlang dem Strassenrand. Vor zwei Tagen regnete es offenbar sehr intensiv, und das Restwasser wird in den nächsten Tagen langsam versickern und verdunsten. Unsere ursprünglich geplante Route müssen wir aufgrund der Regenfälle umdisponieren; der Regen hat die direkte Verbindung von El Thamad über Ain Furtega nach Nuveiba unpassierbar gemacht. Wir müssen deshalb bis nach Taba fahren und können erst kurz vor der israelischen Grenze nach Süden in Richtung Nuveiba abbiegen. Wenigstens können wir uns so über eine zwar unfreiwillige, aber dennoch sehr spannende Passabfahrt zwischen im Scheinwerferkegel sichtbaren hohen Granitbergen freuen. Spätabends treffen wir müde im Ananda-Camp ein und gehen sofort ins Bett.

30. Oktober bis 6. November 2008

Die nächsten Tage verbringen wir wieder im Ananda-Camp. Wir geniessen das Strandleben in vollen Zügen, auch wenn das Meerwasser zwar warm, aber ausserordentlich stark verschmutzt ist. Kein Wunder, schliesslich haben wir auf der Fähre mit eigenen Augen gesehen, wie der Abfall auf den Schiffen entsorgt wird - es ist ein Jammer! Leider windet es manchmal so stark, dass an Schnorcheln nicht zu denken ist. Stattdessen spazieren wir lange den Strand entlang. Ab und zu spielen wir wie kleine Kinder im Sand. Während Markus mit dem Sand eine Sphinx modelliert, gräbt Helen ein langes Loch im Sand. Markus weiss bis zum Schluss nicht, welchen Zweck das Loch erfüllen soll, bis Helen ihn bittet, darin Platz zu nehmen. Danach heisst es zubuddeln, bis nur noch das Gesicht von Markus aus dem Sand guckt. Jetzt kann sich Helen entspannen und warten, bis Markus von Sky ausgegraben wird. Ihr ist das Verschwinden von Markus nämlich etwas suspekt, und bald schon beginnt sie, den Sand sanft mit ihren Pfoten wegzugraben.

Am 2. November 2008 verlassen wir das Ananda-Camp, um den Coloured Canyon zu besichtigen. Leider wird dies uns von einer Polizeisperre verwehrt, da der kürzlich gefallene Regen die Strasse fortgeschwemmt hat. Da unsere Argumentation, über ein geländegängiges Fahrzeug zu verfügen, nichts fruchtet, versuchen wir, auf einem anderen Weg zum Coloured Canyon zu gelangen. Wir fahren deshalb in Richtung des Katharinen-Klosters und biegen 40 Kilometer nach Nuveiba auf eine Piste ab, die bald total versandet ist. Wir diskutieren, ob wir weiterfahren sollen - schliesslich wissen wir nicht, ob es sich um die richtige Piste handelt, und ob wir "durchkommen". Das Reduzieren des Reifendruckes wäre das beste Mittel, um nicht im Sand stecken zu bleiben. Wir wollen es jedoch zuerst ohne ein Luftablassen probieren, und nach ein paar vergeblichen Versuchen schaffen wir es tatsächlich, die "Einstiegsdüne" zu überwinden. Die anschliessende Sandebene durchfahren wir problemlos. Aber die Hitze und das Fahren in der Untersetzung mit hoher Drehzahl fordern Tribut, und bald schon tropft Mike Sanders (Fett zur Hohlraumbehandlung und Rostvorsorge) aus der Motorhaube über den Kühlergrill. Uns stört dies nicht weiter - Hauptsache, der Santi bringt uns an unser Ziel!

Nach ein paar Kilometern Fahrt durch den Sand stossen wir auf den White Canyon. Dieser Einschnitt in der Ebene verdankt seinen Namen den weissgrauen Schluchtwänden. Beim Kreideeinschnitt handelt es sich um eine Touristenattraktion - jedenfalls meint ein anwesender "Guide", uns gegen Entgelt den Canyon zeigen zu müssen. Zum Glück wissen wir mittlerweile mit solchen Situationen bestens umzugehen.

Der Weg zurück zur Teerstrasse verläuft ebenfalls problemlos, und wir sind froh, keine Luft aus den Reifen gelassen zu haben. Obwohl wir mittlerweile die Strasse zurück nach Nuveiba bestens kennen, faszinieren uns die farbigen Felsbänder entlang der Strasse immer wieder von neuem.

Als Abschiedsessen gönnen wir uns je eine Portion Spaghetti mit einem uns vom Betreiber des Rezeiky Camps in Luxor geschenkten Wein. Leider sind die Spaghetti zu wenig gekocht, und der Wein sauer.

7. November 2008

Heute heisst es Abschied nehmen vom Ananda-Camp. Wir fahren zum Hafen von Nuveiba, besorgen uns Tickets für das Speedboat und wollen in den Hafen einfahren. Zum Glück treffen wir beim Gate auf denselben Mitarbeiter der Tourism Police. Dieser hilft uns, die steinzeitlich anmutende Bürokratie des Ausreiseprozederes in kürzester Zeit hinter uns zu bringen. Glücklicherweise haben wir noch genügend ägyptisches Geld bei uns, denn die Ausreise kostet pro Person 50 Pfund, und für das Auto muss sogar 100 Pfund bezahlt werden! Kurz bevor das Speedboat ablegt, können wir gerade noch an Bord fahren. Die tatsächliche Abfahrt verzögert sich dann aber leider um fast zwei Stunden. Wir sind froh, dass wir bis zur Abfahrt bei Sky im Auto bleiben dürfen, so dass Sky nur gerade die einstündige Überfahrt nach Jordanien alleine verbringen muss.

Jordanien 2

7. November 2008

Die Überfahrt verläuft problemlos. Im Gegensatz zur Hinfahrt können wir in der ersten Klasse sitzen, obwohl wir nur zweite Klasse gelöst haben. Zudem ist das Speedboat ruhig, sauber und wirklich schnell. Nach der Ankunft wird unser Santi von den Zollbehörden vollständig mit einem Röntgenapparat durchleuchtet. Danach lösen wir eine Vollkaskoversicherung, lassen das Carnet abstempeln, diverse Formulare ausfüllen, abstempeln und nochmals abstempeln. Am Schluss muss der "General Manager" der Einreisebehörde ein Dokument abermals abstempeln, und dann können wir endlich einreisen. Die ganze Prozedur hat rund US-$ 50 gekostet und zwei Stunden gedauert. Im Gegensatz zu anderen Ländern sind die Beamten zuvorkommend und hilfsbereit.

Um fünf Uhr abends fahren wir während dem Eindunkeln der Küste von Al Aqabah entlang zum Campingplatz des Bedouin Garden Villages, wo wir kochen und bald einmal im Dachzelt liegen.

8. und 9. November 2008

Ausser ausgiebigem Spazieren und Kochen verbringen wir diese beiden Tage auf dem Campingplatz hinter dem Laptop. Es gibt viel zu schreiben und viele Fotos wollen hochgeladen werden. Ausserdem studieren wir den lonely planet Reiseführer von Jordanien, den wir von Andrew und Debbie Descroizilles in Dar es Salaam netterweise zum Gebrauch erhalten haben. Dass wir von der Stadt und vom Strand in Al Aqabah nicht viel mitbekommen, stört uns wenig, denn es windet während diesen Tagen enorm.

10. bis 12. November 2008

Bevor wir in Richtung Wadi Rum fahren, heisst es nach dem Frühstück einkaufen und unsere Vorräte auffüllen. Wenn man auf den richtigen Supermarkt stösst, gibt es in Al Aqabah alles zu finden, was das Herz begehrt. Auch wenn wir die schlechteste und undetaillierteste Karte von einer Stadt in den Händen halten finden wir immer, was wir suchen. Wie wir bei einer Tankstelle vorbeifahren, bietet sich eine gute Gelegenheit, die Öl- und Dieselfilter zu wechseln. Während Markus die beiden Automechaniker überwacht, bereitet Helen ein Birchermüesli vor. Danach fahren wir auf direktem Weg zum Wadi Rum. Am späten Nachmittag befinden wir uns bereits in diesem Naturschutzgebiet und freuen uns, sogar in Jordanien etwas Offroad fahren zu können.

Mit dem Wadi Rum wird ein rund 130 km langes und 2 km breites Tal bezeichnet, welches seitlich von hohen felsigen Bergen begrenzt wird. Dazwischen breitet sich eine Sand- und Steinwüste aus, die von unzähligen kleineren und grösseren Felskegeln unterbrochen wird. Am Fusse der Felsen befinden sich viele Touristencamps, und wir sind froh, einsame und ruhige Schlafplätze zu finden. Einmal schlafen wir auf einer und zweimal hinter einer hohen Sanddüne. Es macht uns grossen Spass, in der roten und weissen Sandwüste zwischen den hohen Bergflanken herumzukurven und auf den Sanddünen zu surfen. Uns imponiert am Wadi Rum insbesondere das Alter (50 Millionen Jahre) und die enorme Höhe der Bergflanken. Auch das Werk von Wind und Wetter fasziniert uns, denn oft stossen wir auf die wildesten "Erosionskunstwerke".

Wir amüsieren uns oft ob der Guides, die mit höhergelegten und mit zwei bis sechs Touristen besetzten Geländefahrzeugen manchmal grösste Mühe haben, vorwärts zu kommen und oft Passagen umfahren müssen, die wir mit unserem überladenen Santi ohne Probleme meistern. Wenn wir nicht hohe Sanddünen hochfahren, machen wir uns zu Fuss auf den Weg, um enge Wadis auszukundschaften. Und wenn wir auch nicht in engen und hohen Schluchten zu finden sind, dann studieren wir irgendwo vor einer Sanddüne die beiden Reiseführer des lonely planet über Jordanien und Syrien. Da unsere Planänderung über Jordanien und Syrien nach Hause zu fahren erst im Verlauf unserer Reise gewachsen ist, sind wir sehr dankbar, diese beiden Reiseführer von Andrew und Debbie Descroizilles in Dar es Salaam erhalten zu haben. Begeistert über diese beiden Reisebücher sind wir zwar nicht besonders, doch sind wir einerseits froh, unsere Reise durch Jordanien und Syrien vorbereiten zu können, und andererseits unser Englisch aufzufrischen.

Wie wir uns einmal dem Rand des Naturschutzgebietes nähern, kreuzt eine kleine Herde Dromedare unseren Weg. Helen schafft es, zu Fuss sehr nahe an die Dromedare heran zu kommen. Danach fahren wir weiter durch eine einsame Bilderbuchlandschaft, bis wir wieder unseren ruhigen Schlafplatz hinter einer hohen Düne erreichen.

13. November 2008

Am Morgen geht es über viele Hügel bis nach Shobak. Uns fällt auf, wie der wüstenähnliche, mit Steinen übersäte Boden beackert wird. Wir sehen zwar keine Pflanzen auf den Landwirtschaftsflächen, konstatieren aber überall Furchen. Einmal beobachten wir sogar, wie ein Jordanier auf einem Traktor den Boden pflügt. Uns bleibt es ein Rätsel, welche Pflanzen in dieser ausgesprochen trockenen Erde gedeihen.

Das Schloss von Shobak wurde 1115 nChr von Kreuzrittern erbaut, fiel aber gut 70 Jahre später den Truppen von Saladin in die Hände. Die Ruine thront zuoberst auf einem Hügel und ist zum grossen Teil erstaunlich gut erhalten. Besonders angetan haben uns die Geheimgänge: Einer führt zu einer unterirdischen Quelle, ein anderer bis zum Fusse des Hügels. Aufgrund der Rückenprobleme von Markus können wir zwar nicht alle Geheimgänge auskundschaften, stiefeln dafür aber ausgiebig durch die "oberirdischen" Ruinen. So stossen wir zum Beispiel auf Steinkugeln, die früher als Munition für Katapulte genutzt wurden, und entdecken in manchen schwer zugänglichen Räumen Schiessscharten. Nur dank der mitgenommenen Taschenlampe können wir in die oft verwinkelten Räume hineingehen - sonst herrscht in den Räumen und Gängen oft finsterste Finsternis.

Zum Glück finden wir nach der Schlossbesichtigung in unmittelbarer Nähe einen Campingplatz. Leider kennt die niederländische Botschaft in Jordanien diesen Campingplatz bzw. dessen Restaurant auch, und ausgerechnet heute geniessen die Mitarbeiter dieser Botschaft im Rahmen eines Betriebsaufluges hier ein Abendessen. Aber nach nur rund eineinhalb Stunden kehrt wieder Ruhe ein, und wir können uns beruhigt im Dachzelt verkriechen.

14. November 2008

Frühmorgens machen wir uns auf, um Petra zu besuchen. Bei Petra handelt es sich nicht um eine Dame, sondern um eine alte Stadt, deren Anfänge auf 7000 vChr datiert werden. Vor rund 2000 Jahren haben die Nabatäer die Stadt mit unzähligen Höhlengräbern und grosszügigen Tempelanlagen berühmt gemacht. Bekannt ist vor allem der ungewöhnliche Zugang zur Stadt: Wir spazieren durch einen rund 1'200 m langen, durch tektonische Verschiebungen entstandenen Felseinschnitt, der "Siq" genannt wird. Der Siq ist zwischen zwei und sechs Meter breit, und die senkrechten Felsflanken sind bis zu 200 m hoch.

Kaum verlassen wir den Siq, werden wir vom Al-Khazneh beinahe erschlagen. Das wohl meist fotografierte Gebäude Petras diente der Legende nach einem Pharao, der in einer Steinurne seinen Schatz vor den Israeliten in Sicherheit brachte, und wird deshalb auch "Treasury" genannt. Im Innern des Treasury befindet sich ein von zwei Kammern flankierter riesiger Raum. Leider ist das Betreten dieses Raumes wie auch des dahinter liegenden Gewölbes verboten, so dass wir nur beschränkt auf den Pfaden von Indiana Jones wandeln können. Dafür erfreuen wir uns ob der ausserordentlich gut erhaltener Kapitelle und der vor dem Treasury postierten Torwächter.

Wie das Treasury haben die Nabatäer viele Gräber in den Felsen gehauen. So auch die vier Königsgräber, von denen wir aber nur eines besichtigen. Dieses beeindruckt durch seine vier Säulen, welche früher mit vier Figuren dekoriert waren. Es ist unglaublich, mit welcher Präzision der 400 m2 grosse Innenraum mit seinen Ecken, Fenstern und Nischen mit einfachsten Werkzeugen aus dem Fels gehauen wurde.

Was uns auch sehr fasziniert an diesem Tag ist das vor über 2000 Jahren ebenfalls von den Nabatäern in den Fels gehauene und 8'500 Personen (oder 30 % der damaligen Bevölkerung von Petra) Platz bietende Amphitheater. Die Römer als Nachfolger der Nabatäer opferten für eine Vergrösserung des Amphitheaters etliche Felsengräber.

Von der byzantinischen Kirche in Petra ist leider nicht mehr viel zu sehen. Immerhin konnten wunderschöne, einen Teil des Fussbodens bedeckende Mosaike gerettet werden. Dabei sind die verschiedensten Tiere und Motive zu erkennen.

Petra ist wirklich einen Besuch wert. Traurig stimmen uns lediglich die olfaktorischen Immissionen. Einige der Felsgräber entpuppen sich nämlich als den Touristen und Einheimischen als Toilette dienende Löcher. Es ist jammerschade, wie die historische Stätte, die in mehreren Erdbeben erheblich zerstört wurde, zum Teil mangelhaft unterhalten wird.

Sky ist glücklich und froh, ganze sieben Stunden mit uns auf den Beinen gewesen zu sein. Wir sind schon etwas stolz, in den verschiedensten Sprachen Komplimente über die Schönheit unseres Hundes erhalten zu haben. Am späten Nachmittag verlassen wir hundemüde die weitläufige Anlage und fahren zurück auf den Campingplatz bei Shobak. Dort eingetroffen, fühlen wir uns so fit wie dieses Kamel...

15. November 2008

Heute geht es via At Tafila nach Karak. Die Strasse windet sich in zahlreichen Kurven bergauf und bergab. Die Natur zeigt sich uns in den verschiedensten Variationen. Uns begegnen nicht nur hohe und schroffe Gebirgszüge, sondern auch wunderschöne und interessante Wüstengegenden. Immer wieder erstaunt es uns, wie die Jordanier es doch immer wieder schaffen, aus dem kargen und trockenen Wüstensand eine fruchtbare grüne Oase zu zaubern. Mitten in der Stosszeit erreichen wir At Tafila, eine grössere Stadt mit den verschiedensten Geschäften. Natürlich dürfen auch Metzgereien hier nicht fehlen. Wir haben nichts dagegen, wenn das Fleisch sehr frisch ist und der Metzger für dessen Qualität bürgt, sind aber froh, dass in der Schweiz keine Kuh- und Rindsköpfe vor den Geschäften hängen... 

Langsam nähern wir uns Karak. Schon von weitem sticht uns das Schloss mit seinen hohen Mauern ins Auge. Wir parkieren unseren Santi und stehen nach einem kurzen Spaziergang durch das Städtchen mit dem Lonley Planet bewaffnet mitten im Schloss. Dieses Schloss soll im Krieg der Kreuzritter bzw. der Franken gegen die islamische Armee von Saladin eine grosse Rolle gespielt haben. Uns wird bald einmal klar, weshalb das Schloss genau an diesem Ort erbaut worden ist: Der Aus- bzw. Fernblick ist einfach grandios! Wir besichtigen das ganze Schloss, stellen aber leider fest, dass sich unser Reiseführer lediglich zu den wenig übrig gebliebenen oberirdischen Ruinen äussert. Die unzähligen Gänge und vielen Gewölbe im dunklen und kühlen Keller werden keines Wortes gewürdigt. Nichts desto trotz durchstöbern wir mit Taschenlampen ausgerüstet die finsteren Gänge und stellen uns vor, was sich wo abgespielt haben könnte.

Etwas enttäuscht, nicht mehr von der "Unterwelt" erfahren zu haben, verlassen wir das Schloss Karak um vier Uhr in Richtung Totes Meer. Bevor sich uns ein herrlicher Blick auf das Tote Meer auftut, heisst es noch eine steile Passabfahrt heil zu überstehen. Wie sich später herausstellt, handelt es sich aber noch gar nicht um das Tote Meer, sondern erst um eine riesige Entsalzungsanlage.

16. November 2008

Der heutige Schlafplatz mitten auf einem Parkplatz verhilft uns zu einem herrlichen Blick auf das 65 km lange und maximal 18 km breite Tote Meer. Heute wollen wir es wagen und im Toten Meer baden gehen. Es ist für uns kaum vorstellbar, dass der Meeresspiegel des Toten Meeres innerhalb der letzten Jahre von -392 m.ü.M. auf -402 m.ü.M. gesunken und bereits 30% der Wasseroberfläche verschwunden ist. Dies ist auf den unregelmässigen Zufluss des Jordans, die hohe Verdunstung und das tägliche Abzapfen von über einer Million Tonnen Wasser, aus welchem Trinkwasser hergestellt wird, zurückzuführen.

Wir besuchen die öffentliche Badeanstalt "Amman Beach" und liegen schon bald im warmen, extrem salzigen Wasser des Toten Meeres. Es ist ein ungewohntes und komisches Gefühl im Wasser auf dem Rücken liegen zu können und ohne jegliche Bewegungen nicht unterzugehen. Aufgrund der hohen Salzkonzentration von 30% und des damit verbundenen Auftriebes ist das Brustschwimmen praktisch unmöglich. Wir geniessen dieses einmalige und spezielle Gefühl und lassen uns im Wasser amüsiert treiben.

Da wir uns heute einen neuen Schlafplatz suchen müssen, gehen wir nach dem nicht besonders erfrischenden Bad auf die Schlafplatzsuche. Das Baden im warmen Toten Meer ist unter anderem deshalb nicht sehr erfrischend, weil der Körper mit einer sich ölig anfühlenden Salzschicht überzogen ist. Heute schlafen wir nicht in einem der noblen, an der jordanischen Küste des Toten Meeres erbauten Luxushotels, sondern auf einer kleinen Plattform etwas oberhalb der Küstenstrasse. Die Schwierigkeiten des Befahrens des steilen und sehr steinigen Weges werden mit einer wirklich ruhigen und angenehmen Nacht belohnt.

Trotz dieses wunderbaren Erlebnisses darf nicht unerwähnt bleiben, dass wir am Toten Meer auf beinahe allen Rastplätzen unter einer "biblischen Fliegenplage" leiden. Tausende von Fliegen krallen sich an der Karosserie fest und bleiben dort sogar während dem Fahren sitzen. Wenn wir anhalten, fliegen beim Öffnen der Türen jeweils "lediglich" 50 Fliegen ins Innere. Dann geht das Theater erst recht los. Da Fliegen starken Wind hassen, bleibt uns nichts anderes übrig, als beim Fahren beide Türen aufzureissen, damit sie das Auto freiwillig verlassen können. Und wenn es eine wagt, das Auto nicht zu verlassen, wird gegen sie die Todesstrafe ausgesprochen...

17. November 2008

Obwohl das Baden im Toten Meer einmalig ist, dünkt es uns zuwenig spannend, als dass wir nochmals mit einer Salzschicht überzogen aus dem Wasser steigen möchten - es sei denn, wir leiden in späteren Jahren einmal an einer durch das Wasser des Toten Meeres heilbaren Krankheit! Der Küste des Toten Meeres entlang fahren wir nordwärts bis zur heiligen Stätte "Bethany-Beyond-the-Jordan". Wir besichtigen den Ort, wo Jesus Christus von Johannes getauft wurde, bevor er 40 Tage in der nahe gelegenen Wüste verbrachte. An der Taufstelle wurden drei Kirchen übereinander gebaut, und erst vor wenigen Jahren wurde es Archäologen ermöglicht, Ausgrabungen vorzunehmen und die diesbezüglichen biblischen Darstellungen bestätigt zu sehen. Wenige Meter daneben wurde im Jahr 2003 eine griechisch-orthodoxe Kirche erbaut, in welcher unter anderem eine Darstellung zu sehen ist, wie der Prophet Eliah in den Himmel geführt wird.

Dieser für das Christentum zentrale Ort kann nur mit einem Führer besichtigt werden. Wir müssen uns deshalb einer Touristengruppe anschliessen und lassen uns einen Teil der Gedenkstätte vom Führer erklären. Dieser rattert emotionslos seinen Text herunter und meint nach einer knappen halben Stunde, dass die Führung beendet sei. Wir sind anderer Ansicht, gibt es doch noch einiges mehr zu sehen. Wir machen uns deshalb zum Unmut des Führers alleine auf den Weg zu den verschiedenen Ausgrabungsstätten. Besonders hervorzuheben ist das 300 Personen Platz bietende Taufbecken, das auch für Reinigungsrituale verwendet wurde. Es verfügte sogar über eine eigene Frischwasserversorgung mit Zu- und Abfluss.

18. November 2008

Nach einer ruhigen Nacht erwachen wir bereits um sechs Uhr früh. Nicht, weil wir durch Lärm geweckt worden wären, sondern vielmehr, weil wir die kühleren Temperaturen nicht mehr gewohnt sind. Mit diesem Temperaturrückgang wird uns das erste Mal richtig bewusst, dass es langsam heimwärts geht.  

Nach dem Frühstück besichtigen wir das Qasr Kharana. Beim Anblick dieses Schlosses wird uns bald einmal klar, weshalb es zu den best restauriertesten Qasr von Jordanien zählt. Dieses Qasr ist tatsächlich sehr imposant. Mitten im 61 Zimmer umfassenden zweistöckigen Gebäude befindet sich ein Hof. Alle Zimmer sind in Selbstversorgungseinheiten gruppiert. Dabei beinhaltet jede dieser Selbstversorgungseinheiten eine zentrale Halle, welche an zwei Seiten durch zwei Zimmer flankiert wird. Wir spazieren durch das ganze Qasr, und jeder Raum wird von uns unter die Lupe genommen. Beeindruckend sind auch die schmalen Öffnungen an den Aussenwänden, welche trotz ihrer geringen Grösse den Raum genügend zu erhellen vermögen.

Nach dieser interessanten Besichtigung geht es endlich wieder einmal offroad weiter - und zwar durch die endlos erscheinende Steinwüste zum Qasr Al Tuba. Es macht richtig Spass, abseits der befestigten Strassen unterwegs zu sein. Wir sind überwältigt von der riesigen Ebene, welche abwechselnd von kleineren oder grösseren Steinen bedeckt ist. Lediglich Wind und Sonne begleiten uns auf unserem Weg. Die Stille gefällt uns sehr. Dank dem GPS finden wir das Qasr Al Tuba auf Anhieb - unsere Navigationserfahrung macht sich wieder einmal bezahlt.

Das Qasr Al Tuba wurde vom Umayyad Kaliph Walid II. um 743 nChr errichtet - jedoch wurde es nie fertig gebaut. Heute sind von der ursprünglich 140 m langen und über 70 m breiten Anlage nur noch zwei längliche Räume und ein paar eingestürzte Mauern übrig. Obwohl es eigentlich nicht viel zu besichtigen gibt, gefällt uns dieses Qasr sehr gut - nicht zuletzt deshalb, weil wir wohl seit langer Zeit die ersten Touristen sind, die diese sich mitten in der Wüste befindende Ruine besichtigen. Obwohl das Qasr in der Nacht irgendwie etwas Unheimliches ausstrahlt, übernachten wir direkt neben der Aussenmauer. Wir sind froh, dass unser Santi dank dem Dreck und dem Sand gut getarnt ist und sich farblich gut der Mauer anpasst.

19. November 2008

Nach einer erneuten Besichtigung der Ruinen fahren wir querfeldein durch die Wüste in Richtung Teerstrasse. Es führen derart viele Pisten kreuz und quer durch die Landschaft, dass wir nicht wissen, welche wir wählen sollen. Wir entscheiden uns deshalb für die GPS-Variante und geniessen das "wilde Abenteuer" einer erneuten Querfeldeinfahrt. Nach einer knappen Stunde erreichen wir die Teerstrasse und fahren bis nach Al Azraq. Diese Ortschaft ist in zwei verschiedene Ortsteile unterteilt. Im Süden befinden sich vor allem kleine Läden und günstige Restaurants, und im Norden der eigentliche Ortskern sowie das Qasr Al Azraq. Diese Festung erfreut sich eines erstaunlich guten Zustandes und wird laufend renoviert. Kein Wunder, denn TE Lawrence und seine Getreuen verbrachten hier den eisig kalten Winter 1917/1918. Kaum vorstellbar, denn die Mauern sind alles andere als dicht, und in der die Festung umgebenden Wüste dürfte kaum viel Feuerholz gelegen haben. Das aus ungeschliffenen Steinblöcken erbaute Qasr hat im Sommer zwar den Vorteil, dass dauernd ein leichter Wind durch die Räume streicht - im Winter aber auch den entsprechenden Nachteil. Nicht zuletzt deshalb dürften die Mahlzeiten im Esssaal im Winter ziemlich rasch eingenommen worden sein! Während Helen eine aus Steinen erbaute Treppe aufs Dach der Moschee erklimmt, klettert Markus in eine tiefe Zisterne.

Als nächstes steht das Qasr al Amra auf dem Programm. Diese von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestufte Ruine ist in der Tat einmalig. Erbaut um 700 nChr, können noch immer die bemalten Wände und Decken im Originalzustand bestaunt werden. Natürlich hat der Zahn der Zeit die Qualität der Bilder gemildert, aber es ist dennoch ein Erlebnis, in den Gemäuern, die früher eine Art Badeanstalt waren, den früheren Badebetrieb zu erahnen. Schade, dass vor uns so viele Touristen das Bedürfnis verspürten, sich verewigen zu müssen, und ihre Initialen und Anderes in den Sandstein ritzten. Dabei zerstörten sie leider unwiderruflich einen nicht unerheblichen Teil der Bilder.

Mittlerweile ist es Nachmittag geworden, und wir beschliessen, bis zum Qasr Kharana zurück zu fahren, um am vorgestrigen Schlafplatz noch einmal zu übernachten. Unterwegs treffen wir auf einen Saudiaraber, der sich freut, zwei Europäer mit einem derart staubigen Santana zu sehen. Er zeigt uns auf seinem Natel Filme von seinen über hundert Wüstengazellen, seinem Jagdfalken, seinem Ferienhaus in Libanon sowie von seinem Kind. Er ist derart stolz, uns getroffen zu haben, dass er Fotos von uns macht und uns beide filmt. Seine Einladung, in seinem Hotel in Amman zu übernachten, lehnen wir dankend ab, da wir doch lieber einsam in der Wüste nächtigen. Deshalb rumpeln wir bald über die staubige Piste unserem Schlafplatz entgegen und amüsieren uns noch etwas über dieses lustige Treffen. Wir parkieren unseren Santi und werden beim Kochen von einer riesigen Schafherde "überfallen". Als wir dem Chef der Herde mit den gekrümmten Hörnern anständig erklären, dass unser Kochtopf leider nicht für die ganze "Meute" reicht, ziehen sie langsam und friedlich wieder von dannen.

20. November 2008

Bald nach dem Losfahren müssen wir uns entscheiden, wohin uns der Weg führen soll. Im Irak herrscht momentan eine Bombenstimmung, und in Saudiarabien können wir wegen Sky nicht einreisen (Hunde sind dort absolut verboten). Also wählen wir den Weg nach Westen und fahren durch die Wüste bis zum Qasr al Hallabat.

Dort angekommen, werden wir von einem Archäologen begrüsst, der uns sogleich stolz das Qasr zeigt. Ursprünglich handelte es sich um eine römische Festung, die erst später zu einer Palastanlage umgebaut bzw. erweitert wurde. Wir erfahren, wie die Moschee restauriert wird und welche Mauersteine original sind bzw. welche nachträglich hergestellt wurden. Zudem erklärt er, dass die Fensteröffnungen der Moschee in ihrer Art absolut einzigartig sind. Nachher führt er uns durch den äusseren und inneren Palast und weist uns in jedem Raum auf diverse Details hin. So wissen wir jetzt zum Beispiel, wie früher Marmorplatten an den Wänden befestigt wurden, und wie rekonstruiert werden kann, welche Steine an welchem Ort gelegen haben. Des Weiteren zeigt er uns, wie im Qasr das rare Regenwasser aufgefangen und gespeichert wurde. Besonders stolz ist er auf die weitgehend unversehrten Mosaike am Boden des inneren Palastes.

Das Archäologenteam arbeitet bereits seit sechs Jahren an der Renovation des Qasr, und ein Ende ist nicht abzusehen. Als der Archäologe uns darauf hinweist, dass jeder einzelne gefundene Stein vermessen, analysiert und grob eingeordnet wird, verstehen wir, weshalb die Renovation derart viel Zeit, Geduld und Geld beansprucht. Wir merken, wie unser "Führer" seine Arbeit liebt und sich mehr als hundertprozentig für das Zusammenpassen der verschiedenen Puzzleteile einsetzt!

Danach geht es weiter - allerdings in Richtung Amman statt in Richtung Jerash. Dies stellen wir leider erst rund 10 km nach der entsprechenden Abzweigung fest. Wieder einmal wären Arabischkenntnisse von Vorteil gewesen, denn viele Strassenschilder sind - wie so oft in Jordanien - nur in arabisch beschriftet. Nach der kleinen Odyssee hilft uns ein netter Jordanier, die richtige Strasse zu finden, und schon bald geht es durch eine immer fruchtbarer werdende Hügellandschaft nach Jerash. Wir würden gerne Fotos machen von den unzähligen Bäumen und von den dunklen und grauen Wolken, die langsam aufziehen, doch leider hat der reparierte Konverter den Geist für immer aufgegeben, und wir können den Akku des Fotoapparates (wie auch die Akkus der anderen Geräte) nicht mehr im Santi aufladen. In der Dunkelheit erreichen wir den Campingplatz des Hotels Olive Branch, wo wir bald darauf im Dachzelt liegen.

21. November 2008

Wenn wir schon in Jerash sind, wollen wir natürlich die Überreste des ehemaligen römischen Stützpunktes aufsuchen. Vor rund 2000 Jahren lebten hier knapp 20'000 Personen, und wie wir durch das südliche Eingangstor hindurch schreiten, fühlen wir uns zumindest ein bisschen in die damalige Zeit zurück versetzt. Am Boden des ursprünglich doppelt so hohen Eingangstors, das auch Hadrian'scher Triumphbogen genannt wird, sind noch immer die Spuren der Streitwagen zu sehen. Auch gewisse Verzierungen sind noch erstaunlich gut erhalten.

Gespannt sind wir aber vor allem auf den 240 m langen und 50 m breiten Hippodrome. Hier wurden zum Gaudi der bis zu 15'000 Besucher unter anderem Gladiatorenkämpfe und Wagenrennen abgehalten. Und wie es der Zufall will, treffen wir auf einen Legionär, der uns auf eine Zeitreise mitnimmt. Kaum haben wir die Zuschauertribüne betreten, marschieren 40 Legionäre in voller Montur in der Arena ein. Sie paradieren an uns vorbei und demonstrieren nicht nur ihre Waffen und deren Wirksamkeit, sondern auch die verschiedenen Kampfformationen. Bereits der Kampflärm dieser 40 Legionäre läuft uns kalt den Rücken hinunter - man kann sich unschwer vorstellen, wie es getönt haben mag, als Asterix und Obelix einer Tausendschaft von Römern gegenüberstanden! Sogar Sky glaubt durch die gelungene Vorstellung, dass wir von den Legionären wirklich angegriffen werden, weshalb er uns mit Brummen und Bellen zu verteidigen versucht...

Nach dieser eindrucksvollen Demonstration der römischen Kampfkraft geht es noch archaischer zu und her: Acht Gladiatoren betreten die Arena und brüllen uns den berühmten Gruss "Morituri te salutant!" entgegen. Nachdem sich die einzelnen Gladiatoren vorgestellt haben und wir einiges über deren Waffen erfahren haben, wird es spannend, denn der erste Kampf beginnt. Dreizack gegen Schwert, heisst die Devise. Der Schwertkämpfer erweist sich als beweglicher, und schon bald verdankt der Dreizackgladiator sein Weiterleben der Gnade von uns Zuschauern, denn die Mehrheit unserer Daumen zeigt nach oben. Beim nächsten Kampf werden wir Zeuge eines spannenden und langen Schwertkampfes. Obwohl beide heldenhaft kämpfen, lassen wir diesmal keine Gnade walten, und der Sieger des Zweikampfes durchtrennt dem Verlierer kurzerhand die Kehle.

Nachdem die Leichen der Verlierer beseitigt sind und die überlebenden Gladiatoren glücklich in die Katakomben zurückgeführt wurden, ertönt Hufgetrappel. Ein Wagenrennen mit drei von jeweils zwei Pferden gezogenen Streitwagen zieht uns in seinen Bann. In ungeheurem Tempo rasen die Streitwagen über den sandigen Grund und kommen in den Kurven oft arg ins Rutschen. Dass auch die Taktik eine grosse Rolle spielt, zeigen uns mehrere erfolglose und ein erfolgreiches Überholmanöver. Nachdem der Sieger des Wagenrennens fest steht, werden wir zurück ins Jahr 2008 nChr entlassen. Wir sind ausserordentlich beeindruckt von der originalgetreuen Vorführung, den detailreichen Uniformen und der realitätsnahen Zweikämpfe. Noch lange auf dem nachfolgenden Rundgang durch die Ruinen sprechen wir vom soeben Erlebten.

Das sehr grosse und ovalförmige Forum ist ein ebenso zentraler Ort wie das ehemals 5'000 Zuschauer fassende südliche Theater. Die römische Glücksgöttin Fortuna bleibt uns weiterhin hold, und just während unseres Aufenthaltes im südlichen Theater demonstriert die Jordanian Scotish Pipe Band mit Dudelsack und Pauke die hervorragende Akustik des Theaters. Danach geht es durch die von über 500 Säulen flankierte Kolonnade zum Artemis-Tempel. Leider zerstörten die Kreuzritter einen Grossteil der Tempelanlage, aber die nicht umgestürzten Säulen wie auch die Hauptfassade weisen eindrücklich auf die ehemaligen Ausmasse des Tempels hin.

Die im sehr spärlich besuchten nordwestlichen Teil der ehemaligen Stadt liegenden Bäder wurden im 2. Jahrhundert gebaut und gelten als älteste noch erhaltene Kuppelbauten. Zwar sind die Kuppeln der drei Räume (je ein Raum für kaltes, warmes und heisses Wasser) nicht besonders gross, weisen als architektonische Meisterleistung aber ein rundes Loch in der Kuppelmitte auf. A propos Wasser: Die Stadt verfügte über ein ausgeklügeltes Wassersystem, und noch heute sind entlang der Kolonnade wie auch im Forum die Abwasserkanäle mit Dolendeckel erhalten.

Die Ausmasse der ehemaligen Stadt sind ziemlich gross, und entsprechend gross ist das heutige Ruinenfeld. Auch wenn das südliche und das nördliche Theater sowie ein paar andere Bauten rekonstruiert wurden, so harren noch unzählige Gebäude, Tempel und andere Konstruktionen der Renovierung bzw. Rekonstruierung. Es bleibt zu hoffen, dass die Archäologen ihre Arbeit ebenso ernst nehmen wie jene vom Qasr Al Hallabat!

22. November 2008

Wir übernachten ein weiteres Mal im Hotel Olive Branch, das seinen Namen den unzähligen Olivenbäumen, welche das Hotel umgeben, verdankt. Leider sind die Oliven noch nicht reif, sonst hätten wir uns gleich den Magen damit gefüllt! Der Kontrast von Jerash und Umgebung zum sonstigen Jordanien könnte nicht grösser sein: Waren wir bislang hauptsächlich in der Wüste oder in wüstenähnlichem Gebiet unterwegs, ist Jerash von sanft geschwungenen bewaldeten Hügeln umgeben. Überall wurden plantagenartig unzählige Olivenbäume angepflanzt, und der Duft von Gras und Kräutern liegt unverkennbar in der Luft. Zum ersten Mal werden wir vom Morgentau begrüsst, und wir gewöhnen uns langsam an die kühleren Nachmittagstemperaturen - mit den kalten Nächten sind wir seit unserem Abstecher in die östliche Wüste von Jordanien bereits per Du...  

23. November 2008

Vollgetankt und mit aufgefüllten Lebensmittel- und Wasservorräten brechen wir am frühen Morgen auf in Richtung Syrien. Dank der Schnellstrasse erreichen wir rasch die Grenze und freuen uns über die rasche Erledigung der Formalitäten. Nicht einmal zehn Minuten benötigen wir, bis Jordanien für uns nur noch Geschichte ist.

 

Syrien

23. November 2008

Die Grenzformalitäten auf syrischer Seite dagegen gestalten sich etwas langatmiger. Bei der Immigration wird als erstes gleich die Frage gestellt, weshalb wir uns während unseres Aufenthaltes in Jordanien kein syrisches Visum besorgt haben. Die Antwort, wonach uns jeder in Jordanien versicherte, an der syrischen Grenze ein Visum zu erhalten, befriedigt den Immigration-Officer nicht sonderlich. Daraufhin erklärt er uns, er müsse sich telefonisch in Damaskus erkundigen, ob er uns ein Visum ausstellen dürfe. Zum Glück erhalten wir nach einer kurzen Wartezeit das Visum in unsere Pässe gedrückt, und nach einigem Hin und Her sowie nach Bezahlen der Visagebühren, der Dieselsteuer (US-$ 100), der Motorfahrzeughaftpflichtversicherung (US-$ 53) und den Strassenreinigungsgebühren (US-$ 20) können wir nach eineinhalb Stunden offiziell den syrischen Boden betreten.

Auf direktem Weg fahren wir nach Damaskus, wo wir in der Dunkelheit per Zufall auf den Campingplatz New Kaboun Camping stossen. Auch wenn er nur wenige Meter neben der Autobahn und nur einen Steinwurf von der nächsten Moschee entfernt ist (der Muezzin lässt grüssen...), sind wir froh, in der Nähe der syrischen Hauptstadt einen sicheren Schlafplatz gefunden zu haben.

24. und 25. November 2008

Mit einem Taxi fahren wir in die Innenstadt von Damaskus. Eigentlich wären wir gerne mit dem Santi gefahren, aber ein französisches Ehepaar, welches mit ihrem Kind und einem Wohnmobil bis nach Tansania fahren möchte, rät uns dringend davon ab. Sie waren gestern in Damaskus und hatten schlicht und einfach keinen Parkplatz gefunden. Nach einer kurzen Taxifahrt erreichen wir ein Internetcafé und fahren nach diversen Einkäufen zurück zum Campingplatz.

Damit Sky wieder einmal richtig spazieren kann, fahren wir am nächsten Tag mit dem Santi weit aus der Agglomeration von Damaskus hinaus und finden in der Nähe des Flughafens ein ideales Gelände zum Spazieren. Unsere Anwesenheit bleibt aber nicht lange verborgen, denn kaum halten wir an, holpert ein Fahrzeug über den Feldweg und fordert uns zum Anhalten auf. Es handelt sich um zwei Militärs, die wissen wollen, was wir hier tun. Nach der Aufnahme unserer Passdaten lassen sie uns spazieren gehen. Kaum sind wir wieder zurück, nähert sich ein anderes Fahrzeug, besetzt mit Mitarbeitern der Syrianair und einem Polizisten. Wiederum werden unsere Passdaten aufgeschrieben. Offenbar können die Syrier wirklich nicht verstehen, dass Touristen mit einem Hund das Bedürfnis verspüren, einmal etwas zu spazieren. Bei der Rückfahrt nach Damaskus entdecken wir die Wohnung von Aladin. Leider können wir ihm unsere Wünsche nicht antragen, da er zur Zeit nicht zu Hause ist...

Nach diesem Abstecher wagen wir uns mit dem Santi in die Innenstadt von Damaskus. Es stimmt schon, es sind enorm viele Autos unterwegs, und eine Parklücke zu finden ist fast wie ein Sechser im Lotto. Während Markus mit dem Santi herumkurvt, geht Helen im Souk Shal-Jalaa einkaufen. Die Syrier erweisen sich als sehr hilfsbereit. Sie führen Helen sogar zu einem Laden, in welchem es Hundefutter zu kaufen gibt und helfen ihr ohne jegliches Entgelt, das Eingekaufte zum Santi zu tragen. Zudem finden wir einen Bancomaten, der nicht nur VISA-Karten akzeptiert, sondern tatsächlich auch funktioniert und dem Kunden zudem die Möglichkeit gibt, zwischen der Auszahlung von syrischen Pfund und US-$ zu wählen. Es ist schon erstaunlich: In ganz Afrika konnten wir an Bancomaten jeweils nur die einheimische Währung beziehen, und im "Schurkenstaat Syrien" spuckt uns ein Bancomat US-$ aus!

26. November 2008

Die Fahrt in Richtung Homs geht grossteils durch wüstenähnliche Gegenden, wie wir sie bereits aus Jordanien kennen. Einmal aber entdecken wir etwas abseits der Strasse in Seddah eine aus ursprünglichen Häusern gebaute Siedlung. Wir besichtigen diese Häuser zu Fuss und stellen fest, dass in keinem der Häuser jemand wohnt. Erst als wir vom heranspurtenden Security-Mann darauf hingewiesen werden, dass wir uns auf Militärgelände befinden, Fotografieren verboten sei und wir verschwinden sollen, wird uns bewusst, dass diese Häuser nicht zum darin Wohnen gebaut wurden, sondern mehr als Ablenkungsmanöver - niemand soll wissen, dass hier ein "geheimer" Militärstützpunkt ist.

Unser Reiseführer legt uns einen Besuch von Palmyra, einer 2000 Jahre alten Römerstadt, sehr ans Herzen. Aber wir haben in Jordanien bereits derart viele Ruinen besucht, dass wir diesbezüglich gesättigt sind. Wir verzichten deshalb nach Homs auf einen Abstecher gen Osten und fahren stattdessen gen Westen, und zwar zum Krak des Chevaliers. Hierbei handelt es sich um eine enorm gut erhaltene Kreuzritterburg. Sie wurde nie zerstört und galt als uneinnehmbar. Im Jahre 1271 war die Burg der letzte christliche Aussenposten, und statt mit 2'000 Soldaten wurde die Burg nur noch von rund 200 Soldaten verteidigt. Obwohl genügend Wasser und Nahrung für fünf Jahre vorhanden gewesen wäre, hat der Kommandant die Burg im Gegenzug zu freiem Geleit zurück nach Europa den die Burg belagernden muslimischen Truppen übergeben. Wir sind diesem Kommandanten sehr dankbar, denn dank ihm können wir durch eine praktisch unversehrte und sich weitestgehend noch im Originalzustand befindende Kreuzritterburg wandeln.

Heute reicht uns die Zeit nur, um die "äussere Burg" zu besichtigen. Wir sind tief beeindruckt von den enorm dicken Mauern, der sehr intelligent gebauten Verteidigungsanlage und der gesamten Konzeption der Burg. Sogar in der äusseren Mauer sind grosse Hallen, Bäder und viele Räume eingebettet.

27. November 2008

Dank unserem nur einen Steinwurf von der Burg entfernten Schlafplatz sehen wir die Gemäuer nicht nur im Abend- sondern auch im Morgenlicht. Und heute Vormittag verbringen wieder ein paar Stunden im Innern der Burg. Wir bewundern die hohen und kühlen Räume mit den geschwungenen Decken, die unzähligen Schiessscharten sowie die grosse Empfangshalle. Diese Halle ist der einzige Raum in der gesamten Burg, deren Fenster sorgfältig dekoriert wurden und irgendwie gar nicht in diese wehrhafte Anlage passen. Wir hätten noch Tage in der Burg verbringen können, aber leider ruft die Zeit.

Noch lange auf der Weiterfahrt nach Hama sprechen wir vom Gesehenen und staunen noch heute darüber, wie gut diese Burg erhalten ist. Kaum in Hama angekommen, stehen wir denn auch schon vor dem nächsten Highlight. Seit dem fünften Jahrhundert nChr werden hier hölzerne Wasserräder gebaut, um Wasser aus dem Orontes in die Felder zu leiten. Diese Wasserräder sind bis zu 20 m hoch und funktionieren grundsätzlich noch immer - es sei denn, der Orontes führt - wie immer im Sommer und im Herbst - zu wenig Wasser.

Da der auf unserer Karte verzeichnete Campingplatz nicht besteht, erkundigen wir uns in Hama beim Hotel Cham Palace, ob wir auf deren Parkplatz übernachten dürfen, was uns umgehend und ohne jegliche Bezahlung erlaubt wird. Auch wenn es dank dem Muezzin nicht besonders ruhig ist, sind wir froh, mitten in der Stadt sicher schlafen zu können.

28. und 29. November 2008

Die Fahrt nach Aleppo führt uns durch ziemlich fruchtbares Ackerland mit unendlich vielen Olivenbäumen entlang der Schnellstrasse. Unsere Pausen verbringen wir mit Spaziergängen entlang riesiger Felder mit Oliven- und anderen Bäumen. Wir geniessen absolute Ruhe und Einsamkeit. Kein "jammernder" Muezzin, keine bellenden Hunde, und kein Autolärm stört. Wir sind froh, wieder im Auto zu sitzen, als der heftige Regen uns überrascht - es regnet heute für uns zum ersten Mal seit langem wieder, und der Santi wird zu unserem Leidwesen immer wie sauberer!

Wir besuchen den Souk der Grossstadt Aleppo (rund 3 Mio. Einwohner). Es ist nicht ganz einfach, ohne eine sinnvolle Strassenkarte den Weg durch die Millionenstadt zu finden, zumal die Syrer das System der Einbahnstrassen unheimlich lieben! Dank GPS und unserem Bauchgefühl finden wir jedoch bald den Souk, und sogar fast unmittelbar davor einen freien Parkplatz - letzteres ist übrigens eine absolute Mangelware in dieser Stadt.

Leider ist die Zitadelle nicht mehr besonders gut erhalten; deren Besichtigung fällt dementsprechend kurz aus. Wohl wurden ein paar Gebäude rekonstruiert bzw. renoviert, aber hauptsächlich besteht die Zitadelle aus für uns nicht mehr zuordenbaren Ruinen. Wenigstens bietet uns ein renovierter Turm eine atemberaubende Aussicht auf das weitläufige Aleppo. Als einziges wirkliches Highlight der Zitadelle erachten wir den hervorragend restaurierten Thronraum. Wunderschöne Schnitzereien, grosse Kronleuchter und farbige Fenster ziehen uns in ihren Bann. Zum Glück wird dieser Raum permanent bewacht, sonst würden sich die vielen Touristen mit Kritzeleien verewigen.

Der Souk von Aleppo zählt zu den grössten und wichtigsten Souks des Mittleren Ostens. Hier findet man von Autositzen bis zu Zitronensaftpressen so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Leider treiben sich im dichte Gewühl von Einheimischen und Touristen auch Taschendiebe umher, weshalb eine erhöhte Vorsicht sicher nicht fehl am Platz wäre. Auf dem Campingplatz "Salam" etwas ausserhalb von Aleppo treffen wir Bernd und Dirk, die mit ihrem MAN in den nächsten zwei Jahren Afrika umrunden wollen. Ganz herzlich bedanken wir uns bei den beiden an dieser Stelle nochmals für den netten Abend sowie für das Ausleihen ihres Türkei-Reiseführers und ihrer Türkei-Strassenkarte!

30. November 2008

Langsam aber sicher geht es heute in Richtung Türkei. Dank dem Rat von Bernd und Dirk steuern wir einen eher selten benutzten Grenzübergang an. Dies mit folgendem Hintergedanken: In Syrien muss pro sieben Tage eine Dieselsteuer von US-$ 100 bezahlt werden. Anlässlich der Einreise haben wir entsprechend eine Dieselsteuer für eine Woche bezahlt - halten uns aber bereits seit mehr als sieben Tagen in Syrien auf. Jetzt hoffen wir, dass es die Grenzbeamten bei einem nicht oft benutzten Grenzübergang nicht allzu ernst nehmen. Die Fahrt zum südlichsten Zipfel des türkischen Festlandes führt uns durch fruchtbare Ebenen und dichte Wälder. Oft werden wir von der Landschaft her betrachtet an Italien, Korsika oder das Tessin erinnert. Durch die Wälder führt neben selten befahrenen Erd- und Steinpisten bloss eine schmale und kurvenreiche Passstrasse. Wir hätten nie gedacht, in Syrien eine derart bewaldete Landschaft vorzufinden! Am Waldrand können wir seit langem wieder eine herrlich ruhige Nacht verbringen.

1. Dezember 2008

Kurz vor der Grenze in Kasab treffen wir auf einen Schafhirten mit typisch syrischer Kopfbedeckung, der mit seiner Herde über die enge Passstrasse zieht. Mit Stolz posiert er für uns und dirigiert uns sogar in die richtige Kameraposition.

Kurze Zeit später stehen wir an der syrischen Grenze, und aus Versehen zeigt Helen dem Grenzbeamten nicht den Beleg über die bezahlte Dieselsteuer, sondern jenen über den Geldwechsel (Wechsel von US-$ 200 in syrische Pfund). Der Grenzbeamte glaubt, dies sei der Beleg über die für zwei Wochen bezahlte Dieselsteuer, und auch seine von ihm zu Rate gezogenen Kollegen gehen davon aus. Für uns ein glücklicher Zufall, denn sonst hätten wir heute nochmals US-$ 100 bezahlen müssen. Nach nur gerade zehn Minuten ist das Grenzprozedere erledigt, und wir können aus Syrien ausreisen.

Türkei

1. Dezember 2008

Eigentlich dachten wir, Syrien sei das letzte Land mit etwas schwierigerem Einreiseprozedere. Doch weit gefehlt: Erst nach zweieinhalb Stunden haben wir die türkischen Grenzformalitäten hinter uns Eine halbe Stunde allein wird benötigt, um unser Carnet abstempeln zu lassen! Und da die Grenzbeamten uns nicht glauben, dass wir tatsächlich eine in der Schweiz abgeschlossene Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für den Santi haben, muss die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft eine Bestätigung per Fax an den Grenzposten schicken... Auch Sky scheint die Welt nicht mehr zu verstehen und "hängt in den Seilen".

Bis nach Hatay erinnert uns die Landschaft an die Schweizer Voralpen, und kaum verlässt man die Teerstrasse, sieht man unzählige Pilze aus dem Boden spriessen.

Bald geht es auf Schnellstrassen und Autobahnen meist dem Meer entlang bis nach Ayas, wo wir auf der Strandwiese vom Davut Otel übernachten können. In Damaskus haben uns Bernd und Dirk auf das Davut Otel hingewiesen; sie haben dort beinahe zwei Wochen verbracht. Allerdings konnten sie in ihrem zumindest etwas schallisolierten MAN schlafen - wir hingegen sind in unserem Dachzelt schonungslos dem Verkehrslärm sowie den bellenden Hunden ausgesetzt. Dieses Hotel können wir wirklich nur schwerhörigen Gästen empfehlen...

2. Dezember 2008

Nach einer ziemlich schlaflosen Nacht geht es der Küste entlang westwärts, bis wir auf die in der Morgendämmerung gespenstisch aussehende Burg Kizkalesi (sogenannte Mädchenburg) stossen, welche ca. 200 m vom Strand entfernt im Meer erbaut wurde.

Danach verlassen wir die Küste und stossen ins Landesinnere vor, bis wir feststellen, dass wir auf den unzähligen Serpentinen nur sehr langsam vorwärts kommen. Wir beschliessen deshalb, umzukehren, und der Küste entlang bis nach Antalya zu fahren. Grundsätzlich ist dies sicher keine schlechte Idee, nur - das mit dem "schneller fahren" erweist sich als Trugschluss. Die Schnellstrasse wandelt sich rasch in eine schmale Passstrasse um, die sich um die unzähligen Landzungen schlängelt und über unzählige Hügel und Schluchten nach Alanya führt.

Uns umgibt nun plötzlich nicht mehr eine karge "Alpenlandschaft", sondern eine fruchtbare Region, in der die Ebenen von Treibhäusern bedeckt sind.

Dank der "Rückverwandlung" der Passstrasse in eine Autobahn erreichen wir am späteren Abend nach einem anstrengenden Tag Antalya. Am Meer finden wir auf dem Parkplatz vom Club "Elmo Beach" einen idealen Schlafplatz, wo wir müde in unsere Schlafsäcke klettern können.

3. Dezember 2008

Frühmorgens geht es zuerst nordwärts bis nach Dinar, und dann westwärts nach Izmir. Dazwischen meldet sich zum ersten Mal seit unserer Abreise der Eiswarner, und tatsächlich beträgt die Aussentemperatur gerade noch 1,8° C. Wir haben uns in den letzten zwei Wochen zwar etwas an die kühleren Temperaturen gewöhnen können, aber mit diesen Temperaturen haben wir in der Türkei wirklich nicht gerechnet - zumal wir uns nur wenige Kilometer von der Küste entfernt befinden! Schweren Herzens verabschieden wir uns von der afrikanischen Wärme und packen Kappen und Handschuhe aus.

Entlang der Strasse werden oft ganz dünne, weisse Bäume angepflanzt, die steckengerade in den Himmel wachsen. Wir wissen nicht, zu welchem Zweck deren Holz genutzt wird, freuen uns aber über das unübliche Aussehen der Baumgruppen. Abgesehen von diesen Baumgruppen ändert sich landschaftlich gesehen nicht viel. Dank der guten Strasse erreichen wir noch am Abend die Millionenstadt Izmir und finden etwas ausserhalb in einem Industrieareal einen sicheren Schlafplatz.

4. Dezember 2008

Natürlich weckt ein Santana mit aufgestelltem Dachzelt das Interesse nicht nur der Polizisten, sondern auch der Lkw-Fahrer, und immer wieder hören wir, wie Männer um das Auto stehen und über uns diskutieren. Wir schlafen deshalb nicht allzu lange und brechen noch in der Dunkelheit auf.

In der Türkei wechseln sich offenbar gerne Autobahnabschnitte mit engen Dorfstrassen ab, und selbst auf der Autobahn muss man mit roten Lichtsignalen rechnen. Fast an jeder Kreuzung hat es Lichtsignale, was uns langsam ähnlich intensiv zu nerven beginnt wie die unzähligen Strassenschwellen von Ägypten bis Syrien. Trotzdem kommen wir recht zügig voran und freuen uns, bereits am späteren Nachmittag in Troja einen Campingplatz zu erreichen.

5. Dezember 2008

Heute steht Geschichte auf dem Programm, denn wir besuchen die historische Stätte von Troja. Am Eingang werden wir von einer Nachbildung des Trojanischen Pferdes begrüsst. Allerdings steht die Nachbildung nicht für Authentizität, denn das "richtige" Trojanische Pferd hatte wohl kaum Fenster für die Soldaten! Entsprechend wurde für den Film "Troja" ein anderes Trojanisches Pferd gebaut, welches heute in Originalgrösse an der Strandpromenade in Canakkale bestaunt werden kann. Dieses ist deutlich authentischer als dasjenige in Troja. Kein Wunder, dass das Pferd in Troja als Kinderspielplatz dient...

Die Ruinen von Troja sind etwas unübersichtlich, denn am selben Ort wurden im Laufe von 3000 Jahren verschiedene Städte errichtet. Heute werden die verschiedenen Siedlungen Troja I (3000 bis 2500 vChr) bis Troja IX (85 vChr bis 600 nChr) genannt, und jedes dieser Troja hat mehrere "Untertrojas" (z.B. Troja II a bis g). Die informativen Tafeln vor den Ruinen helfen uns, den historischen Überblick zu behalten, und was den berühmten Trojanischen Krieg anbelangt, hat es Markus gut, denn Helen ist gemäss dem Grundsatz "nomen est omen" vorbelastet. Sie macht ihrem Namen aber alle Ehre und erklärt Markus, dass wegen ihr (bzw. der griechischen Göttin Helena) der Trojanische Krieg ausgebrochen ist: Aufgrund eines längeren Streits zwischen den drei Göttinnen, Aphrodite (Göttin der Liebe), Hera (Schützerin der Ehre) und Pallas Athene (Göttin der Klugheit), wer die Schönste Göttin auf dem Olymp sei, wurde Zeus gebeten, ein Urteil zu fällen. Ihm war die Folge eines Urteils klar, so dass er den Götterboten Hermes zu Paris schickte, welcher ein Urteil über deren Schönheit ablegen musste. Paris war auf Macht und Königreiche nicht versessen, so dass er sich für Aphrodite entschied. Diese versprach ihm nämlich die schönste Frau der Welt. So kam es, dass der trojanische Prinz Paris Helena, welche bereits mit Melenaos, dem König von Sparta, verheiratet war, nach Troja entführte. Als Melenaos seine Gattin nicht mehr auffinden konnte, erklärte er deshalb zusammen mit griechischen Königen Troja den Krieg. Diese versprachen ihm nämlich bei dessen Hochzeit, ihm behilflich zu sein, falls Helena jemals etwas zustossen sollte. Der Krieg dauerte 10 Jahre. Der kluge Odysseus, der intelligenteste unter den Achäern hatte die Idee vom berühmten trojanischen Pferd. Es sah so aus, als hätten die Achäer ihre Niederlage eingesehen und wären wieder nach Griechenland gefahren. Dieser Glaube führte dazu, dass die Trojaner das hölzerne Pferd in die Stadt hinein zogen und ihren Sieg feierten. Des Nachts kletterten Odysseus und seine Kämpfer aus dem Pferd und öffneten den anstürmenden achäischen Truppen die Stadttore. Somit war Troja besiegt und von der Stadt war nur noch Trümmer und Asche übrig. Helena kehrte mit Melenaos nach Sparte zurück und Paris erlag im Kampf gegen den Sohn von Achilles. Diese Legende verdanken wir dem hervorragenden Dichter Homer, welcher in seiner "Ilias" über den trojanischen Krieg berichtet.

Heinrich Schliemann hat ab 1870 während rund 20 Jahren in Troja Ausgrabungen vorgenommen, und dabei als erster die verschiedenen übereinander liegenden Siedlungsschichten entdeckt. Auch wenn er dabei unwissentlich gewisse archäologische Sensationen zerstörte, hat er dennoch Pionierarbeit geleistet! Der von ihm vorangetriebene "Einschnitt" wird "Schliemann-Graben" genannt. Dank diesem Graben können die Besucher nicht nur auf den Tafeln, sondern auch "im Gelände" die verschiedenen Siedlungsschichten sehr gut erkennen.

Wir versetzen uns in die damalige Zeit zurück und stellen uns vor, wie die Menschen gelebt haben könnten. Die Schautafeln erleichtern es uns erheblich. Obwohl beinahe nur noch Ruinen aufzufinden sind, fasziniert uns dieser geschichtsträchtige Ort enorm. Wir lernen viel über das Leben, die verwendete Baustoffe und die angewandten Bautechniken, und nicht selten gelingt uns der Kurzschluss mit der Homer'schen Ilias. Ein Besuch dieser Stätte macht klar, weshalb Troja zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

6. Dezember 2008

Bereits in der Morgendämmerung brechen wir in Richtung Canakkale auf und haben einen weiten Weg vor uns, denn wir möchten heute gerne Istanbul erreichen. Vorbei an weitläufigen fruchtbaren Ebenen und entlang den Dardanellen geht es auf zum Teil holprigen Teerstrassen - manchmal aber auch auf neu erstellten Autobahnabschnitten - bis in die Vororte von Istanbul.

Dort wird es hektischer und chaotischer, denn mit Einbruch der Dunkelheit nimmt der Verkehr ganz erheblich zu. Die Autos überholen links und rechts, geblinkt wird nur selten, und oft muss der Pannenstreifen für gewagte Überhol- und Ausweichmanöver herhalten. Wie wir über den Bosporus fahren, sind wir etwas enttäuscht, denn weit und breit gibt es kein einziges Schiff zu entdecken. Dafür sind wir jetzt in Europa, und bald schon schlängeln wir uns auf dem Autobahngewirr in Richtung Innenstadt von Istanbul. Wir steuern die inmitten von Istanbul gelegene Hagia Sofia sogar so direkt an, dass wir uns quer durch die engen Altstadtgassen quälen. Wohl gefallen uns die Pflastersteinengassen nicht schlecht, aber wenn man mit einem Auto, das einen Wendekreis wie ein Schnellzug hat, zwischen stehenden Autos, fahrenden Fahrrädern und herumlungernden Menschen manövrieren muss, vergeht einem das Lachen! Wenigstens werden wir in einem Süsswarengeschäft mit türkischen Spezialitäten für unsere Strapazen belohnt.

Kurz darauf besichtigen wir das berühmteste Bauwerk Istanbuls, die Hagia Sofia (Kirche der göttlichen Weisheit). Seit fast 1500 Jahren lässt sich diese gigantische, verschachtelte und 1453 nChr zur Moschee umfunktionerte Kirche bewundern. Sultan Ahmet I. setzte sich ein Denkmal, indem er nur einige Meter von der Hagia Sofia entfernt die Blaue Moschee erbaute. Das Äussere der Moschee hat einen genauso überwältigenden Effekt wie die Hagia Sofia. Trotzdem hält sie einem Vergleich mit der Hagia Sofia nicht stand, denn letztere überzeugt nicht nur durch ihre Grösse, sondern vor allem auch durch ihre filigranere Verarbeitung und dem eleganten Aufbau.

Spätabends würden wir uns gerne auf einem Campingplatz schlafen legen, doch uns graut vor dem Gedanken, in der Nacht irgendwo ausserhalb Istanbuls auf die Suche nach einem Campingplatz zu gehen. Deshalb erkundigen wir uns im Hotel Ottoman, ob wir auf einem direkt davor liegenden Parkplatz schlafen dürfen. So kommen wir in den Genuss eines direkt vor der Hagia Sofia liegenden Schlafplatzes - näher als wir schläft niemand! Allerdings wird am Morgen auch niemand lauter vom Muezzin geweckt als wir...

7. Dezember 2008

Nach dem Frühstück und einem Spaziergang durch Istanbul verlassen wir diese Metropole und steuern direkt die türkisch-bulgarische Grenze an, wo wir am Nachmittag eintreffen. Die Ausreise aus der Türkei verläuft rasch und unproblematisch. Sogar das Carnet wird ohne lange Diskussionen abgestempelt...

Von der Türkei in die Schweiz

7. Dezember 2008

Eigentlich dachten wir, die langwierigen Grenzabfertigungen hätten wir hinter uns gelassen. Doch weit gefehlt, denn die Einreise nach Bulgarien verläuft alles andere als "wie am Schnürchen". Das Einzige, was nicht an Afrika erinnert: Statt unzählige Formulare von Hand auszufüllen, wird hier alles elektronisch geregelt, und die verschiedenen Formulare werden per Chip gespeichert. Dieser Chip wird uns an der ersten Station ausgehändigt, und bei jeder weiteren Station werden weitere Daten gespeichert. Am Schluss werden wir noch zur Kasse gebeten, denn die Benützung der Strassen ist natürlich nicht umsonst. Wenigstens brauchen wir das Carnet nicht mehr abstempeln zu lassen, und wir können kurz nach der Grenze etwas abseits der Hauptstrasse einen ziemlich ruhigen Schlafplatz ansteuern. Das Manövrieren des Santis in die richtige Position ist aber nicht gerade einfach, denn die matschige Wiese ist abschüssig, und unser überladenes Auto gerät mehr als einmal ziemlich ins Rutschen. Aber dank der beiden Sperren und dem guten Reifenprofil schaffen wir es schlussendlich doch noch, ohne zu kippen, den Santi zu parkieren. Aufgrund des Regens und der Kälte dinieren wir im Autoinnern und liegen kurz darauf warm eigekuschelt im Schlafsack.

8. Dezember 2008

Nach dem Aufstehen erfrieren wir beinahe, denn zum kalten Wind, der uns um die Ohren pfeift, kommen die sehr frischen Temperaturen und starker Regen hinzu. Der heutige Transit durch Bulgarien verläuft nasskalt - es regnet nämlich den ganzen Tag. Die Hügel um uns herum sind schneebedeckt, und wir sind froh, bislang vom Schnee auf den Strassen verschont geblieben zu sein.

Eigentlich dachten wir, dass wir Bulgarien auf einer Autobahn durchqueren können. Doch die Autobahn entpuppt sich oft als Hauptstrasse mit schlechtem Teerbelag. Erst ca. 50 Kilometer vor Sofia kommen wir in den Genuss einer breiten Autobahn, und in einem Aussenquartier von Sofia lassen wir in einer IVECO-Garage einen Ölwechsel durchführen, denn das in Al Aqabah (Jordanien) eingefüllte Öl eignet sich nicht besonders für die winterlichen Temperaturen. Wir gönnen dem Santi deshalb wieder das für ihn ideale 10W40-Motorenöl. Die den Santi fotografierenden Mechaniker können es kaum fassen, dass der Santi erst drei Jahre alt ist - ihrer Meinung nach sieht er so schlecht aus, als ob er mehrere Jahrzehnte alt wäre! Auch können sie nicht verstehen, weshalb wir das Auto nicht waschen und wundern sich über den "komischen" Geruch, der den Santi umgibt. Dabei ist es doch bloss Diesel, der langsam aus den Zusatztanks tropft...

Zum Glück ist Bulgarien kein allzu grosses Land, und bereits eine Stunde nach dem Ölwechsel stehen wir an der bulgarisch-serbischen Grenze. Diesmal sind praktisch keine Formalitäten zu erledigen, und bereits nach zehn Minuten brausen wir auf einer guten Autobahn Niš entgegen. Bei einem Hotel parkieren wir den Santi auf einem überwachten Parkplatz und logieren in einem anderen Hotel, nämlich im Hotel my place. Dies deshalb, weil das Hotel mit dem Parkplatz ausgebucht und weit und breit kein Campingplatz zu finden ist.

9. Dezember 2008

Heute macht sich Helens Hals bemerkbar. Mit Fieber und Schluckbeschwerden hütet sie das Bett und nimmt Antibiotika ein. Markus und Sky nutzen die Zeit mit Spaziergängen entlang des die Stadt durchtrennenden Flusses "Nišava".

10. Dezember 2008

Obwohl Helen noch immer an Schluckbeschwerden leidet, brechen wir in Richtung Belgrad auf. Leider kommen wir nicht besonders weit, denn nach 100 km wundert sich Markus, weshalb wir dauernd bergab fahren. Der Grund liegt am linken Vorderrad, das nur noch einen Druck von 1 bar aufweist. Wir haben zwar Reifenflickzeug dabei, aber das Loch ist zu gross, um es von aussen zu reparieren. Wir müssen also entweder den Pneu von der Felge nehmen oder aber das Ersatzrad montieren. Beim Ersatzrad ist das Reifenprofil aber ein guter Zentimeter dicker, so dass wir zur Schonung des Differentials auch vorne rechts einen Pneuwechsel vornehmen müssten. Dies sind Arbeiten, die wir im Regen bei rund 4° C nicht besonders gern ausführen. Wir nehmen deshalb gerne die Hilfe eines Pannenfahrzeuges in Anspruch, und so kommt der Santi in den Genuss eines "Huckepacktransportes" bis zu einer Garage. Dort wird der Reifen professionell geflickt, und wir können weiterfahren.

Alle spitzigen Steine und sämtliche Dornen in Afrika haben die Reifen ohne eine einzige Panne weggesteckt, aber einer mutwilligen Beschädigung mit einem hineingeschlagenen Nagel halten auch die besten Reifen nicht stand. Passiert ist dies auf dem videoüberwachten Parkplatz in Niš. Dort hat jemand zudem unserem Dachzelt eine zünftige Beule verpasst und eine nicht mit einem Schloss gesicherte speziell angefertigte Flügelmutter gestohlen.

In Belgrad steht ein Verwandtenbesuch auf dem Programm. Wir steuern deshalb direkt die Residenzstadt des ehemaligen Königreichs Jugoslawien an. Belgrad heisst übersetzt die Weisse ("beo-") Stadt ("-grad") und ist mit 1,57 Millionen Einwohnern die Hauptstadt der Republik Serbien. Belgrad gilt als die bevölkerungsreichste, politische, kulturelle und wirtschaftliche Metropole des Landes. Etwas ausserhalb der Stadt können wir den Santi bei Bekannten an einem sicheren Ort parkieren und sind froh, dass dieser anstrengende Tag ein gutes Ende genommen hat.

11. und 12. Dezember 2008

Die nächsten zwei Tage verbringen wir in Belgrad. Es gibt viel zu erzählen und manche Abenteuer oder lustige Begebenheiten bringen unsere Verwandten zum Staunen oder Schmunzeln. An einem Abend machen wir einen Stadtrundgang "by night". Besonders fasziniert uns die die Kathedrale des Heiligen Sava. Hierbei handelt es sich um die grösste christlich-orthodoxe Kathedrale Südeuropas mit an die Hagia Sofia in Istanbul erinnernden Dimensionen. Wir könnten diese wunderschön beleuchtete Kathedrale stundenlang bestaunen - wenn die Kälte und der starke Wind nicht wären.

Während unseres Belgrad-Aufenthaltes besuchen wir bei unseren Bekannten einmal den Santi, denn auf der Fahrt von der Autoreparaturwerkstätte bis nach Belgrad hat sich ein Flattern im Lenkrad bemerkbar gemacht. Das Nachziehen der Radmuttern vermag das Flattern leider nur leicht zu minimieren, und noch immer stehen die Vorderräder nicht mehr senkrecht auf dem Asphalt. Wir entscheiden uns aber, dies in der Schweiz zu reparieren, zumal es keine Anzeichen gibt, dass wir es nicht bis in die Schweiz schaffen sollten.

13. Dezember 2008

Wir verlassen Belgrad und überqueren bald darauf die Grenze nach Kroatien. Alles kein Problem, wenn da nicht der Grenzbeamte wäre, der unbedingt den Chip von Sky überprüfen möchte. Zum Glück haben wir darauf bestanden, Sky in Südafrika durch die ehemaligen Eigentümer chippen zu lassen. Seit ein paar erfolglosen Versuchen mit dem Chipleser wissen wir jetzt, wo der Chip zu finden ist, und der Grenzbeamte lässt uns, nachdem er die Chipnummer mit unserem Chipformular überprüft hat, weiterfahren.

Die Fahrt durch Kroatien verläuft rasch und problemlos, und schon bald stehen wir an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina. Hier wird leider unsere ganz Europa abdeckende Motorfahrzeughaftpflichtversicherung nicht anerkannt. Weil wir statt dem Original der grünen Versicherungskarte bloss deren Kopie vorweisen können, müssen wir für unseren dreitätigen Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina eine nationale Motorfahrzeughaftpflichtversicherung für US-$ 43 lösen. Uns wurmt dies ziemlich, da wir auf unserer gesamten bisherigen Reise beim Vorweisen von Kopien unserer Versicherungsdokumente nie grössere Probleme hatten.

Der Ärger verfliegt rasch, denn in Banja Luka steht der nächste Verwandtenbesuch auf dem Programm. Damit unser Santi niemand von der Strasse aus sehen kann, parkieren wir ihn hinter dem Haus und feiern das lang ersehnte Wiedersehen mit feinen Cevapcici.

14. Dezember 2008

Heute geniessen wir einen vom Verwandten durchgeführten Stadtrundgang. Banja Luka wird vom Fluss "Vrbas" durchtrennt und gilt aufgrund der vielen Alleen und Bäume als "Grüne Stadt". Wir wandern durch die Stadt und stossen auf eine grosse Uhr, welche nicht die richtige Zeit anzeigt. Unser Unverständnis wird rasch beseitigt, denn die Uhr ist ein Mahnmal an das starke Erdbeben vom 26. und 27. Oktober 1969, welches grosse Teile der Stadt zerstörte. Die Uhr blieb als einziges von Menschenhand geschaffenes Werk in weitem Umfeld unversehrt - und blieb seither stehen.

In der Stadt gibt es viele neue Gebäude - eine Folge des Bosnienkrieges (1992 bis 1995). Die orthodoxe Dreifaltigkeitskirche "Hram Hrista Spasitelja", welche als einzige Kirche auf dem gesamten Balkan eine goldene Kuppel besitzt, wurde während des Zweiten Weltkrieges beschädigt und im Bosnienkrieg zerstört, anschliessend aber originalgetreu wieder aufgebaut. Das Rathaus hingegen blieb wie auch das Gerichtsgebäude unversehrt. Der interessante und informative Stadtrundgang macht hungrig, und wir freuen uns auf ein feines Essen im Kreise der Verwandten.

15. Dezember 2008

Heute heisst es leider bereits wieder Abschied nehmen. Erstens haben wir bis in die Schweiz noch eine lange Strecke zurückzulegen, und zudem sind unsere Pneus ideal fürs Gelände, nicht aber für schneebedeckte und vereiste Fahrbahnen. Laut Wettervorhersage soll Slowenien schneebedeckt sein, und in Österreich soll bis zu einem Meter Neuschnee gefallen sein. Dies kann für uns Schritttempo bedeuten... Schweren Herzens verlassen wir um die Mittagszeit Banja Luka und steuern via Kroatien der slowenischen Grenze entgegen.

Die beiden Grenzübertritte haben wir rasch hinter uns. Die Kroaten bringen uns sogar zum Lachen, denn als der Grenzbeamte erfährt, dass wir Afrika durchquert haben, ruft er einen Kollegen herbei, um ihm die beiden "Irren" vorzustellen. Der kroatisch-slowenische Grenzübertritt ist der raschste aller Grenzübertritte. Nach insgesamt nur gerade zehn Sekunden sind wir aus Kroatien aus- und in Slowenien eingereist. Ein eindeutiges Zeichen, dass wir wieder in Europa sind!

Wie wir bei Einbruch der Dunkelheit Bled erreichen, ist uns klar, dass wir die Nacht im Hotel Lovec verbringen werden.

16. Dezember 2008

Am Morgen umrunden wir zu Fuss den Bledsee und bewundern die herrliche Lage inmitten von Bergen. Am meisten gefällt uns die auf einer kleinen Insel erbaute Marienkirche. Aber auch der steile Aufstieg zur Bleder Burg lohnt sich, denn wir werden mit einer herrlichen Weitsicht für die Mühen des Aufstiegs entschädigt.

Bald darauf sitzen wir wieder im Santi und fahren über die österreichische Grenze. Wir sind erstaunt, dass die Fahrbahn trotz meterhohen Schneewehen trocken und gut befahrbar ist. Auf der Weiterfahrt in Richtung Salzburg verschwindet der Schnee bald vollständig, und nur die in der Ferne thronenden schneebedeckten Berge erinnern an den Winter - die Temperaturen schnellen nämlich innert weniger Kilometern auf über 12° C!

Bevor wir am Abend Salzburg erreichen, besuchen wir ein kleines Städtchen. Wir lassen uns von der romantischen Weihnachtsbeleuchtung verzaubern und treffen kurz darauf bei Joe ein, mit dem wir einmal zwei Monate in der algerischen Wüste unterwegs waren. Wir dinieren bei ihm zu Hause und geniessen die Plauderstunden sowie das nächtliche Gastrecht.

17. Dezember 2008

Bereits am Vormittag überqueren wir die deutsche Grenze und fahren in Richtung München. Wegen Minustemperaturen und salznassen Strassen fahren wir aber nur sehr langsam, und entscheiden uns, kurz vor München im Hotel Bayerischer Hof in Miesbach zu übernachten.

18. Dezember 2008

Am Morgen werden wir von einer dicken Schneedecke begrüsst. Glücklicherweise arbeitet der deutsche Räumungsdienst sehr effizient und rasch. Es kommt deshalb nicht zur befürchteten Rutschpartie, und selbst der den ganzen Tag anhaltende Schneefall vermag die Fahrbahnen nicht mit einer Schneeschicht zu bedecken. Wir fahren in Richtung Lindau und anschliessend dem Bodensee entlang bis nach Friedrichshafen, wo wir im Hotel Goldenes Rad übernachten.

19. Dezember 2008

Gemütlich schlendern wir mit Sky der Uferpromenade und dem Zeppelinpfad entlang und bestaunen etwas ausserhalb des Stadtzentrums von Friedrichshafen die ehemalige Klosterkirche. Die Klosteranlage Hofen wurde 1824 zu einem Schloss umgebaut, das dem württembergischen Königshaus bis zum Ende der Monarchie als Sommerresidenz diente. In der Altstadt geniessen wir die Stimmung des Weihnachtsmarktes und den Duft von Kerzenwachs, Glühwein und grillierten Bratwürsten. Am Abend bereiten wir unsere Rückkehr in die Schweiz vor.

20. Dezember 2008

Wehmütig steuern wir entlang des Bodensees Singen entgegen. Dort werden wir von einem guten Freund und dessen Ehefrau erwartet. Er erledigte während unserer Abwesenheit die gesamte Administration. Zu viert geniessen wir ein gemütliches Mittagessen. Es gibt viel zu erzählen und Neuigkeiten auszutauschen. Danach steuern wir gemeinsam in Richtung Schweiz, wo unsere Afrikaquerung nach 32'867 km und 262 Tagen endet.

Wir haben den afrikanischen Kontinent nicht nur durch-, sondern auch erfahren, und sind stolz, die gesamte Strecke vom Kap der Guten Hoffnung bis nach Thayngen alleine zurückgelegt zu haben. Die letzten 262 Tage waren sehr interessant, spannend, unterhaltsam, abwechslungsreich und abenteuerlich - aber auch anstrengend. Die täglichen Herausforderungen haben uns als Team zusammen geschweisst und einander näher gebracht. Ins "Abenteuer Afrika" sind wir zu dritt aufgebrochen (Markus, Helen und Panther), und zu viert (Markus, Helen, Panther und Sky) sind wir zurückgekehrt. Allen Unkenrufen zum Trotz haben wir die Reise heil und gesund überstanden und bereuen es nicht, uns diese Auszeit gegönnt zu haben!

An dieser Stelle bedanken wir uns ganz herzlich bei unseren beiden Stellvertretern für deren zuverlässige, speditive und gewissenhafte Arbeit. Es freut uns sehr, unsere Angelegenheiten in sicheren Händen gewusst zu haben. Ebenso bedanken wir uns von Herzen bei unseren Eltern und bei all denen, die uns in irgendeiner Weise geholfen haben.

Euch allen ein herzliches Dankeschön!

 

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