Moçambique

"Das, was Du tust, schreit so laut, dass ich nicht hören kann, was Du sagst."

(Sprichwort aus Moçambique)

Datum:

31. Mai 2008 bis 22. Juni 2008

Strecke:

3'938 km

Diesel:

36,96 Meticais/Liter (Nampula)

Währung:

1 Metical = 100 Centavos; 1 US-$ = 24,10 Meticais

Visum:

US-$ 30; an der Grenze ausgestellt

Route:

Cassacatize (Grenze zu Sambia) - Tete - Chimoio - Sussundenga - Dombe - Sambanhe - Inchope - Caia - Vila de Sena - Caia - Mocuba - Alto Molocue - Nampula - Ilha da Moçambique - Nacala - Namialo - Namapa - Metoro - Pemba - Medjumbe Island - Pemba - Metoro - Alua - Muhula - Alua - Namialo - Nampula - Cuamba - Mandimba (Grenze zu Malawi)

Klima:

Temperaturen:

Sonnentage:

Regentage:

Durchzogene Tage:

Ø 15 ° C  bis 28 Ø ° C

11

3

8

Fotoalbum

Tagebuch

31. Mai 2008

…ob wir bereits ein Visum hätten. Auf unsere abschlägige Antwort hin meint er, er könne uns nach Ausfüllen der Formulare innert 10 Minuten ein Visum ausstellen. Während wir auf die Ausstellung der Visa warten, fordert uns der Zöllner auf, ihm unser Auto und dessen Inhalt zu zeigen. Leider blieb es nicht beim Türeöffnen – nein, er möchte sogar in unsere Kühlbox sehen. Als er unsere sechs Liter Milch und einige weitere Nahrungsmittel sieht, gibt er sich vorerst zufrieden. Alsdann möchte er aber zusätzlich in unsere grösste Schachtel sehen. Wir erklären ihm, was sich darin befindet, und damit ist die Durchsuchung fast abgeschlossen. Aber eben nur fast: er entdeckt unsere Feldstecher und fragt, was der Zweck dieser Gegenstände sei. Wir erklären ihm, dass man damit Dinge in weiter Ferne sehen kann, und er nimmt daraufhin wohl zum ersten Mal einen Feldstecher in die Hand und lacht erfreut, als er Dinge erkennen kann. Kurz darauf erhalten wir tatsächlich unsere Pässe zurück mit Visum und Sticker – zwar nicht innert 10, sondern innert 30 Minuten. Nach dem Zeigen unserer Haftpflichtversicherungsunterlagen (in Kopie) und einem ausgiebigen Gespräch mit dem Immigration Officer über dessen Arbeitssituation, seinem Verdienst und seiner Familie haben wir nach knapp eineinhalb Stunden die sambische und moçambikanische Grenze überschritten. Zum wiederholten Male hat sich unser Sambia-Reiseführer als fehlerhaft herausgestellt, und uns wird klar, dass nur selbst gemachte Erfahrungen ernst zu nehmen sind. Wir sind froh, dass sich die Grenzbeamten bisher mit einer Kopie der Haftpflichtversicherungspolice zufrieden gegeben haben – das Original haben wir nämlich so gut versteckt, dass wir es selber nicht mehr finden können...

Stundenlang fahren wir in Richtung Tete und treffen unterwegs praktisch keine Autos an. Die Behausungen der Menschen ähneln jenen in Sambia sehr stark. Es geht durch hügeliges Gelände und durch eine einsame Berglandschaft mit nur wenigen Dörfern.

Wie wir einmal anhalten, um zwei Männer zu fotografieren, die eine schwere Last auf dem Kopf tragen, schart sich sofort eine grosse Menschenmenge um uns. Alle wollen unbedingt auch fotografiert werden - und schon haben wir das erste moçambikanische Gruppenfoto, und es sind so viele Leute, dass gar nicht alle auf das Foto passen! Wir sind völlig überrascht, dass die Leute von uns fotografiert werden wollen.

Als Schlafplatz wählen wir einen Hügel, welchen wir über eine sehr steile und steinige Piste erreichen.

1. Juni 2008

Um elf Uhr erreichen wir die geschichtsträchtige Provinzhauptstadt Tete, welche seit Jahrhunderten mit der 750 m langen Sambesi-Hängebrücke eine strategische Bedeutung als Kreuzung grosser Handelsstrassen geniesst. Der Brückenzoll beträgt 20 Meticais. Da heute Sonntag ist und die Geschäfte geschlossen haben, reduzieren wir uns auf Geldbezüge und Auftanken. Bereits vor der Stadt und vor allem nach der Stadt säumen unzählige Baobabs die Strasse – Tete liegt nämlich in einer einmaligen Baobab-Ebene und wird zu Recht „Provinz der Baobabs“ genannt. Während rund 100 km reihen sich knorrige Baobabs und traditionelle Rundhütten-Dörfer aneinander. Die Natur entschädigt uns für die nervige, von Schlaglöchern durchsetzte Teerstrasse, die sich an die Baobab-Ebene anschliesst. Leider geht die Fahrt nur sehr langsam voran, da Helen am liebsten jeden Baobab fotografieren möchte.

Als wir vor einem doppelstöckigen Brunnen für ein paar Fotos anhalten, werden wir von einer grossen Menschenmenge umringt. Von einer alten Frau erhalten wir zwei Baobab-Früchte in die Hand gedrückt, und ein Junge erklärt uns, wie wir den Inhalt essen können: Man schlägt die Frucht solange auf einen Stein, bis sie zerbricht. Den weissen nahrhaften Inhalt kann man dann roh essen. Diese  Baobab-Früchte werden entlang der Strecke immer wieder feilgeboten.

Unterwegs treffen wir eine Ziege an. Allerdings nicht am Boden, sondern auf der Ladung eines Lkws. Tiere haben in Moçambique (und wohl auch im restlichen Afrika) einen ganz anderen Stellenwert als bei uns in Europa… A propos Ladung: Die Ladung eines Pkws kann ohne weiteres doppelt so hoch sein wie das Auto selbst, und wenn es noch mehr Gepäck zu transportieren gibt, wird einfach noch ein Anhänger gezogen!

Heute sehen wir, wie die überall in Sambia und Moçambique in grossen weissen Säcken am Strassenrand verkaufte Holzkohle hergestellt wird. Die Köhler graben eine längliche Grube mit zwei Belüftungsöffnungen, füllen sie mit Holz, zünden dieses an und bedecken die Grube anschliessend mit sandiger Erde. Nach einer gewissen Zeit graben sie kleine Stollen, um zu prüfen, ob die Holzkohle bereits fertig ist. Wenn ja, wird der "Deckel" abgetragen, und die Holzkohle kann verkauft werden. Da der "Deckel" und die umliegende Erde sehr heiss wird, kommt es vor, dass die Gräser und Sträucher (und manchmal sogar Bäume) in der Umgebung abbrennen oder verkohlen.

Auf der Weiterfahrt in Richtung Catandica wird in den Dörfern gefestet. Überall stehen Menschen auf der Strasse, es wird gegessen, getrunken, geredet und gelacht – ein afrikanisches Fest für alle Sinne. Da es langsam eindunkelt, beeilen wir uns umso mehr, den gewünschten Schlafplatz (Pink Papaya Forest Retreat), welcher 6 km südöstlich von Catandica liegen sollte, zu erreichen. Dort angekommen, erwarten uns leider nur verlassene Ruinen. Leider erweist sich auch der Reiseführer von Moçambique als fehlerhaft. Bald wird es dunkel, und wir wissen nicht, wo wir unser Nachtlager aufschlagen sollen. Uns überkommt die Idee, bei der umzäunten Sonnenblumenölfabrik zu übernachten, was der Wächter aber leider nicht zulässt. Uns bleibt deshalb nichts anderes übrig, als in den Dunkelheit nach Chimoio zu fahren. Unterwegs sehen wir in allen Dörfern riesige Festfeuer (leider äussert sich unser Reiseführer nicht zu diesem Festtag). Zu den üblichen Gefahren einer Fahrt durch die Nacht (unbeleuchtete Fahrzeuge, Ochsenkarren, Fahrradfahrer, Fussgänger und Tiere) kommt heute die Gefahr durch Betrunkene hinzu, die unkontrolliert den Strassenrand entlang torkeln. Weil heute unser Glückstag ist, wird die Teerstrasse durch eine ca. 40 km lange Umleitung unterbrochen.

In Chimoio angelangt steuern wir durch die nervenaufreibende Fahrt total verschwitzt direkt ins Hotel Executivo Manico.

2. Juni 2008

Die Zeiten der üppigen Morgenessen sind vorbei – wir müssen sogar um ein paar Scheiben Toast kämpfen. Den Kampf um etwas Butter und Konfitüre geben wir auf. Ach ja, wir kämpfen übrigens nicht gegen andere Gäste, sondern gegen die unbeschreibliche Faulheit des Kellners…

Nach den paar mickrigen Happen kreischt Helen los. Und zwar lange und laut. Der Grund war nicht etwa eine Anophelesmücke, die sich an ihre zarte Haut wagte, sondern der Dreck vom Santi. Besser gesagt, der nicht mehr vorhandene Dreck. Der Nachtwächter hat nämlich unser Auto geputzt, und jetzt haben wir einen glänzenden weissen Santi. Mist, Riesenmist und Doppelmist! Wir waren so stolz auf unseren Dreck von den bisher bereisten Ländern, und jetzt ist alles weg! Der Nachtwächter kann nicht verstehen, weshalb wir seine Arbeit gering schätzen. Noch lange auf dem Weg in Richtung Dombe trauern wir dem Dreck nach, doch der Dreck, der ist weg.

Da wir beide der portugiesischen Sprache (= Landessprache in Moçambique) nicht mächtig sind, versuchen wir im „Posto da Zimbe“ Briefmarken zu kaufen. Erst mit der Zeit verstehen wir dank des einige Brocken Englisch sprechenden Lehrers einer nahe gelegenen Schule, dass es sich hier nicht um eine Poststelle, sondern um die Stadtverwaltung handelt… Der Weg nach Dombe ist zumindest zu Beginn eintönig. Erst mit der Zeit schlängelt sich die Piste durch hügeliges Gelände, die Bäume werden grösser, und am Schluss kommen wir uns neben den sich in den Himmel drängenden gigantischen Urwaldriesen so richtig mickrig klein vor. Den Nachmittag verbringen wir auf einer steinigen Wiese und geniessen Sonne und Ruhe.

3. Juni 2008

Weiter geht die Fahrt durch hügelige Waldlandschaften, die durch etliche Bananenplantagen unterbrochen werden. Auch auf der nachfolgenden Ebene reiht sich Bananenplantage an Bananenplantage. Da auf der Erdpiste die Toyota-Sammeltaxis nicht mehr weiterkommen würden, werden hier Toyota-Lieferwagen als Sammeltaxis genutzt. Auf der Ladefläche drängen sich alsdann eine Unzahl von Personen mit ihrem ganzen Gepäck und lassen sich über die holprige Piste rumpeln.

Kurz vor Dombe quert ein Fluss unseren Weg. Früher gab es eine Brücke über den Fluss, doch heute stehen nur noch zwei Brückenpfeiler im Wasser – die Brücke ist eingestürzt. Da der Santi noch nicht schwimmen kann, kehren wir um und treffen kurz darauf in Dombe auf eine handbetriebene Fähre über den Rio Lucite. Wenn wir die Fähre benutzen würden, könnten wir nach Zimbabwe reisen. Doch wir möchten noch etwas in Moçambique verweilen, sitzen ans Ufer des im Dorfleben von Dombe eine wichtige Rolle spielenden Rio Lucite und beobachten eine Zeit lang die Fähre und die im schmutzigen Wasser des Rio Lucite ihre Wäsche waschenden Frauen. Neben der grossen Fähre, welche Autos und Menschen transportiert, gibt es noch flache Boote, die Fussgänger vom einen ans andere Ufer übersetzen. Diese Boote sind in ihrer Art einzigartig, denn sie bestehen nur aus der Rinde eines einzigen Baumes und bieten neben dem Fährmann noch zwei bis drei Personen Platz. Der Fährmann stakt das Kanu mit einem langen Stock gemütlich über den Fluss. Nach unserem Reiseführer soll diese traditionelle Bootsbauart heute sonst nirgends mehr zu finden sein, und im naturhistorischen Museum von Maputo wird ein solches Boot ausgestellt.


Wir verlassen Dombe auf einer breiten, gut ausgebauten Piste und fahren nach Erreichen der Teerstrasse (EN1) bis kurz nach Inchope zum Complexo Arco Iris, eine offenbar empfehlenswerte Unterkunft. Diesen Hinweis unseres Reiseführers können wir nicht bestätigen, denn während der Nacht versuchen Leute, den Santi von seiner Dachlast zu befreien, derweil sich der stockbesoffene Wächter ein Nickerchen gönnt. Markus erwacht rechtzeitig, bewaffnet sich mit der Magnum-Stablampe, zieht die Kampfstiefel an und macht sich zur Verteidigung bereit. Per Zufall erwacht jetzt auch Helen und wundert sich, wo Markus ist. Plötzlich sieht sie ihn vor der Hecktüre kauern und erkundigt sich, was los sei. Markus schildert ihr die Lage und steigt alsdann aus, um die Diebe zu verjagen. Diese haben sich jedoch zurückgezogen und besprechen wohl ihre nächsten Diebstahlversuche, denn wir hören immer wieder Menschen reden, aber zum Glück bleiben wir von weiteren Diebstahlversuchen verschont. Nach einiger Zeit des gemeinsamen Wachens versuchen wir noch etwas zu schlafen, was aber beiden nicht gelingt.

4. Juni 2008

Wir fahren deshalb bereits um viertel vor sechs Uhr los und erreichen um die Mittagszeit in Vila de Sena die ehemals längste Eisenbahnbrücke der Welt (Länge: 3'660 m). Wegen der hohen Sterberate während des Brückenbaus wurde die Brücke auch „Brücke der zum Tod Verurteilten“ genannt und 1983 von der RENAMO (Unabhängigkeitskämpfer) gesprengt. Seit ein paar Jahren wird sie wieder instand gestellt. Wir erleben gerade mit, wie der indische Bauführer ein paar einheimische Arbeiter zurechtweist, die offenbar nicht bzw. nicht genügend rasch gearbeitet haben. Wir sind derart überwältigt von den Ausmassen der Brücke, dass wir den Bauführer um eine Fotoerlaubnis bitten, die er uns gerne erteilt. Gemäss seinen Aussagen sind die Ausführungen in unserem Reiseführer, wonach man gratis oder gegen ein Entgelt mit dem Auto über die Brücke fahren könne, falsch – man kann nämlich seit vielen Jahren nicht mehr darüber fahren.

Auf der Rückfahrt nach Caia erblicken wir die Überreste der Brücke nach Mutarara und erfahren von dort anwesenden Kindern, dass die Brücke vor zwei Monaten von den Fluten des Sambesi fortgespült wurde. Das Unwetter hat mitten in der Nacht riesige Landstriche überflutet und ganze Dörfer zerstört. Es gab sogar Tote. Wir sind über diese Naturkatastrophe sehr entsetzt, können aber leider nichts anderes tun, als den Kindern eine kleine Freude zu bereiten, indem wir ihnen Luftballone schenken.

Kurz darauf halten wir neben einer „Ziegelfabrik“. Hier stellen rund 50 Personen Lehmziegel her. Der anwesende „Manager“ erklärt uns, dass die Ziegel aus Wasser, Sand und Erde hergestellt werden. Mit blossen Händen werden die Ziegelformen mit dem Matsch gefüllt. Danach trocknen die Ziegel während dreier Tage an der Sonne und werden dann zu einem grossen Haufen (einer Art Backofen) aufgeschichtet. Dieser Haufen bzw. Backofen wird nachher mit Lehm „versiegelt“ und mit Feuer aufgeheizt. Die so entstehende Hitze brennt die Ziegel rund einen Tag lang. Jetzt sind die Ziegel wasserfest und stabil und können für den Hausbau gebraucht werden. Erst durch das Brennen werden die Ziegel stabil und wasserfest. Pro Tag kann ein Arbeiter bis zu 400 Ziegel herstellen. Diese „Ziegelfabrik“ wird von der moçambikanischen Regierung gesponsert und ermöglicht den Flutopfern, die Ziegel für ihre neuen Häuser selber und kostengünstig herzustellen. Wir sind erstaunt, mit was für einfachen Utensilien es möglich ist, „Backsteine“ zu produzieren.


Nach Caia zurückgekehrt, biegen wir ein auf eine gute Teerstrasse, welche uns kurz darauf zum gemächlich dahin fliessenden Sambesi führt. Hier wird an einer 2,5 km langen Brücke gearbeitet. Bis zu deren Fertigstellung wird der gesamte Verkehr mittels einer einzigen langsamen und altersschwachen Motorfähre abgefertigt. Schon von weitem ist eine lange Lkw-Schlange zu sehen, die wir allesamt links stehen lassen. Wir ergattern uns einen guten Warteplatz. Während der Wartezeit klopfen vergebens mehrere Verkäufer an die Autoscheiben und anerbieten die verschiedensten Waren und Dienstleistungen. Die Überfahrt muss Helen ausserhalb des Fahrzeugs verbringen, da nur der Fahrer im Auto sitzen bleiben darf. Wir sehen, wie der hintere Teil der Fähre unter Wasser ist und Wasser in die Fähre hineinläuft. Die Regel, dass nur der Fahrer im Fahrzeug sitzen darf, liegt wohl darin begründet, dass im Fall des Versinkens der Fähre nicht allzu viele Personen im Fahrzeug eingeschlossen sind!

Heil am Ufer angekommen, machen wir uns auf den Weg nach Quelimane, um später die endlosen Kokospalmenpantagen zu besichtigen. Die Asphaltstrasse erlaubt bis zum Eindunkeln eine zügige Fahrt. Im Dunkeln werden wir von einem weissen Lieferwagen mit übersetzter Geschwindigkeit überholt, auf dessen Ladefläche zwei Männer sitzen. Kurz darauf bemerken wir, wie er am Strassenrand anhält. Gleichzeitig erblickt Markus etwas Komisches in unserem Scheinwerferkegel und bremst abrupt ab. Wir sehen einen Fahrradfahrer mit seinem Fahrrad am Boden liegen, und wie Blut in den Strassengraben fliesst. Ganz offensichtlich hat der Lieferwagen den Fahrradfahrer überfahren. In der Annahme, die Männer des Lieferwagens würden dem Fahrradfahrer helfen, fahren wir weiter. Der Lieferwagen setzt sich jedoch sofort wieder in Bewegung und fährt mit minimem Abstand hinter uns her. Nach einiger Zeit überholt er uns. Schockiert über dessen Verhalten diskutieren wir, was zu tun sei, und ob wir umkehren sollen. Wenige Minuten später werden wir von zwei weiteren Autos überholt, und der eine bedeutet uns, dass wir anhalten sollen. Uns ist mittlerweile klar geworden, dass der Lieferwagen einerseits hoffte, wir würden den Fahrradfahren auch überfahren, und dass er versuchen wird, uns die Schuld am Unfall in die Schuhe zu schieben. Wir halten deshalb nicht an, sondern fahren weiter bis zum Abzweig nach Quelimane. Wir halten an und erzählen den dort anwesenden Polizisten, was passiert ist. Während er unseren Bericht entgegennimmt, fährt doch tatsächlich der unfallverursachende Lieferwagen vorbei. Der Polizist versucht, seine Kollegin am Dorfende zu erreichen, damit diese den Lieferwagen aufhalte. Doch diese erscheint kurz darauf auf dem Sozius eines zivilen Motorrades sitzend an der Kreuzung. Der Fahrer des Lieferwagens weiss jetzt, dass wir ihn „verpetzt“ haben, und wir befürchten, dass er uns deswegen etwas antun könnte. Auf den Schutz der ineffizienten und unerfahrenen Polizei möchten wir uns nicht verlassen müssen, und fahren deshalb in entgegengesetzter Richtung durch die Nacht bis kurz nach Nipiodi. Bei der Polizeikontrolle in Alto Molocue salutiert der Polizist und winkt uns ohne jegliche Kontrolle durch. Ausnahmsweise sind wir froh, dass unser Reiseführer mangelhaft recherchiert ist, denn statt der angekündigten schlechten Schotterpiste mit vielen Schlaglöchern fahren wir auf einer sehr gut ausgebauten Teerstrasse.

Heute haben wir während gut 15 Stunden Fahrt insgesamt 740 km zurückgelegt, und trotz dieser Strapaze können wir kaum schlafen und schrecken beim kleinsten Geräusch hoch – immer in der Angst, der Lieferwagenfahrer habe uns aufgespürt.

5. Juni 2008

Nach nur wenigen Stunden Schlaf setzen wir unsere Flucht bzw. unsere Reise nordwärts fort. Da in Moçambique die Schulen oft bereits um sechs Uhr beginnen, treffen wir kurz nach unserer Abfahrt auf viele Schüler, die zu Fuss oder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Mit der Zeit fühlen wir uns etwas sicherer, halten vermehrt für Fotos an und verwerfen unseren Plan, nach Pemba durchzufahren. Stattdessen definieren wir Nampula als Tagesziel. Unterwegs fahren wir immer wieder an kleinen Verkaufsständen vorbei, die allerlei Früchte feilbieten. Da wir Lust auf etwas Vitamine verspüren, kaufen wir eine Staude „richtiger“ Bananen (60 Bananen für 20 Meticais) und eine riesengrosse Papaya. Die grösste Papaya, die wir bisher gesehen haben, war übrigens kleiner als die kleinste Papaya, die hier zum Verkauf angeboten wird!


Trotz der Dunkelheit gelingt es uns in Nampula erstaunlich rasch, das „Executive Hotel“ zu finden. Lange werweissen wir hin und her, ob wir in diesem Hotel übernachten sollen. Der Grund unseres Zögerns liegt darin, dass der nicht umzäunte Hotelparkplatz direkt an der Strasse liegt. Wir gehen sogar an die Reception und fragen, ob der Parkplatz sicher ist. Als der Receptionist uns mehrmals versichert, die zwei Wächter würden den Wagen gut bewachen und es werde garantiert nichts passieren, nehmen wir das Pyjama aus dem Wagen und verschwinden in unserem Hotelzimmer. Wir sind sehr froh und erleichtert, dass der Tag ohne die befürchtete Konfrontation mit dem Lieferwagenfahrer verlaufen ist!

6. und 7. Juni 2008

Nach dem Erwachen besuchen wir als erstes unseren Santi. Da er immer noch „ganz“ ist und wir keine Lust zur Weiterfahrt haben, entscheiden wir uns, es sei für uns sicherer, im Hotel zu bleiben.

Wir füllen deshalb unsere Lebensmittelvorräte auf und machen eine Stadtbesichtigung. Wobei „Besichtigung“ fast zuviel gesagt ist; es ist eine gesichtslose Stadt ohne Sehenswürdigkeiten. Wenigstens finden wir eine Glassicherung, so dass wir zumindest den 220-V-Konverter wieder ohne überbrückende Flugsicherung betreiben können.

Im Hand-und-Fuss-Gespräch mit den Parkplatzwächtern stellt sich heraus, dass diese während 48 Stunden nonstop arbeiten müssen, und dann 48 Stunden Freizeit haben. Für uns ist es fast unvorstellbar, so lange wach zu sein – insbesondere deshalb, weil Schichtanfang und –ende jeweils morgens um 4 Uhr ist… Als Dank, dass die beiden Wächter so gut auf unseren Santi aufpassen und uns sogar einen speziellen Parkplatz zugestanden haben, schenken wir ihnen allen eine Tafel Schweizer Schokolade. Die Freude über das unerwartete Geschenk ist riesig!

Noch ein Wort zum Personal: Zum Teil bemühen sich die Angestellten intensiv um das Wohl der Gäste, und zum Teil ist es ihnen absolut egal. So hat ein Kellner zum Beispiel überhaupt keine Hemmungen, eine Flasche Mineralwasser mit Leitungswasser aufzufüllen, und die Verkäuferin vom Souvenirshop schliesst den Laden einfach, um etwas früher heimzugehen. Auf der anderen Seite gibt es sehr aufmerksame Kellner und einen Hotelmanager, der sogar in seiner Freizeit alles daran setzt, unsere Wünsche zu erfüllen.

Das „Executive Hotel“ ist zwar ein 4-Sterne-Hotel, bleibt aber den Tücken der moçambikanischen Infrastruktur ausgeliefert. Mit anderen Worten: Wenn das Quartier kein Strom oder kein Wasser hat, so gilt dies auch für das Hotel. Nicht besonders angenehm, wenn man am Abend – wie Helen – eingeseift unter der Dusche steht und das Wasser erst wieder am anderen Morgen fliesst…

8. Juni 2008

Nach einem kalten Frühstück (kein Strom) und ohne zu duschen (kein Wasser) brechen wir frühmorgens auf, um die Ilha de Moçambique zu besuchen. Vorher haben wir die Hotelrechnung selbst geschrieben (die Dame an der Reception ist dazu selbst nicht in der Lage) und – da wir nicht mehr genügend Meticais haben und mangels Strom nicht mit der VISA-Karte bezahlen können – in US-$ beglichen. Zum Glück gibt es in anderen Stadtquartieren Strom, und so können wir von einem Geldautomaten Geld beziehen und den letzten Dieseltank auffüllen.

Bevor wir zur 2,5 km langen Brücke vom Festland zur Insel (Brückenzoll 10 Meticais) gelangen, durchqueren wir einen herrlichen Palmenhain.

Die kleine Insel „Ilha de Moçambique“ soll die Geschichte im südlichen Afrika mehr beeinflusst haben als irgendein anderer Ort dieses Kontinents. Die von der UNO zum Weltkulturerbe erklärte Insel ist leider dem Verfall preisgegeben. Die Bewohner krümmen nicht den kleinsten Finger, um die geschichtsträchtige Insel zu unterhalten. Lediglich einige wenige Bauten wurden aufwändig renoviert und zum Teil zu Museen umgestaltet. Wir fahren kreuz und quer durch die Insel, bis wir beim Eingangsportal des alten Zollhauses (Capetania) auf zwei Kanonen und einen 3 m hohen Anker treffen. Sofort wird er von uns in Beschlag genommen, aber leider können wir ihn nicht mitnehmen, da er etwas zu schwer ist. Als Ersatz machen wir dafür einige witzige Fotos.

Anschliessend fahren wir bis zum Fort (Fortaleza da Sebastiao). Bei der Ankunft werden wir von zahlreichen Kindern und Jugendlichen „überfallen“. Nicht dass sie uns bestehlen wollen, nein, es kämpft vielmehr jeder darum, unser Auto für etwas Geld bewachen zu dürfen. Sie schlagen sich zum Teil sogar mit Stöcken. Dem Ältesten übergeben wir nach dem Verhandeln des Preises das Auto in Gewahrsam und betreten an der Westseite den Eingang zum Fort. Vom versierten Guide erfahren wir mancherlei interessante Details aus der Geschichte des Forts und der Insel. Die zwischen 1558 und 1620 erbaute Fortanlage präsentiert sich in einem vergleichsweise guten Zustand. So funktioniert zum Beispiel noch die gesamte Wasseranlage. Auf den Dächern wird nämlich das Regenwasser aufgefangen und mittels eines ausgeklügelten Systems in einer riesigen Zisterne gespeichert. Da die Zisterne seit deren Erstellung nie austrocknete, ist das Wasser darin zum Teil mehrere hundert Jahre alt. Zum Trinken ist es deshalb ungeeignet, aber noch heute wird es von den Bewohnern zum Wäsche waschen gebraucht. Uns beeindrucken auch die unzähligen Kanonen auf den Dächern, welche teilweise immer noch auf den Gestellen platziert sind. Der Exekutionsplatz und die Geschichte der zum Tod verurteilten Gefangenen hinterlässt ein etwas mulmiges Gefühl.

Am meisten beeindruckt hat uns die am nördlichsten Ende der Insel gelegene Kapelle (Capela de Nossa Senhora de Baluarte). Sie wurde anno 1521/22 gebaut und gilt damit tatsächlich als das älteste europäische Gebäude der gesamten südlichen Hemisphäre. Sie ist zwar recht bescheiden, wirkt jedoch mit ihrer Vorhalle, den Rundbögen, Zinnen und Grabplatten trotzdem speziell.

Der riesige, rot angestrichene Gouverneurspalast (Palácio de Sao Paulo) mit integrierter St. Pauls Kapelle fällt uns sofort auf. Bis 1898 sollen hier portugiesische Gouverneure residiert haben. Wir lassen uns die Räumlichkeiten von einem anderen, ebenfalls sehr kompetenten Führer zeigen bzw. erklären. Er weiss sehr viel über die Geschichte der Insel und der ausgestellten Gegenstände zu berichten, und es macht Freude, mit über die Sandalen angezogenen Kunststoffüberziehern durch die Räume zu wandeln. Im Erdgeschoss besuchen wir das maritime Museum, welches u.a. einige alte Schiffsmodelle und –bestandteile ausstellt (so auch das Beiboot von Vasco da Gama). Zwei ausgestellte Kanonen identifiziert Markus als von den Deutschen im 1. Weltkrieg benutzte Waffen – was deren Standort in einem maritimen Museum etwas fragwürdig erscheinen lässt.

Die Insulaner nutzen die Zeit der Ebbe, um im flachen Wasser Muscheln, Krabben oder farbige Steine (für die Schmuckherstellung) zu suchen. Das Meer bzw. der schlammige Sandstrand stinkt aber gewaltig, und uns käme es uns nie in den Sinn, hier auf der Insel Fische oder Krustentiere zu essen. Irgendwie sind wir sogar froh, am Nachmittag der Insel den Rücken zukehren zu können. Das Wetter schlägt um, und auf der Fahrt nach Niacala ziehen dunkle Regenwolken auf. Den Regen hätten wir nun sicher nicht mehr gebraucht. Rund eine Stunde nach einem wunderschönen Sonnenuntergang erreichen wir den Campingplatz Bay Diving & Camping.

9. Juni 2008

Beim Aufstehen realisieren wir, wie schön der Campingplatz gelegen ist: Inmitten vieler Bäume und Palmen thront er mit Aussicht aufs Meer mitten in der Natur. Zwar ist es immer noch sehr windig und bewölkt, aber nichts desto trotz machen wir einen langen Spaziergang am Meer. Die Wellen sind aber zu gross, als dass Schnorcheln möglich bzw. sinnvoll wäre, und so verbringen wir den Rest des Tages mit dem Streicheln des Campingplatz-Hausschweines und gewissen organisatorischen Belangen…

10. Juni 2008

Eine lange Fahrt steht uns bevor, da es heute entlang von riesigen Cashew-Nuss-Plantagen, Baumwollfeldern und weiteren Plantagen nach Pemba geht. Wir sind heute etwas im Zeitdruck und kochen deshalb zum Mittagessen neben dem Auto zwar Teigwaren, essen sie aber unterwegs während dem Fahren.

Die Menschen sind etwas zurückhaltender als im südlichen Teil von Moçambique, aber sobald wir anhalten, um ein paar Fotos zu machen, überwinden sie ihre Scheu, rennen herbei und wollen unbedingt auch fotografiert werden.

Kurz vor Pemba werden wir von zwei Polizisten herausgewunken – sie sind offensichtlich auf der Suche nach etwas Geld. Aber da unsere Dokumente allesamt in Ordnung und wir sehr geduldig sind, haben sie Pech. Dafür erreichen wir Pemba erst kurz nach Einbruch der Dunkelheit… Die Nacht verbringen wir im „Pemba Beach Hotel & Spa“ und sichern den Santi auf dem hoteleigenen, bewachten Parkplatz mit Lenkradschloss und „Hiltis-Spezial-Diebstahlsicherung“. Warum? Ganz einfach: Morgen geht es mit grosser Freude per Propellerflugzeug für ein paar Tage nach Medjumbe Island.

11. bis 16. Juni 2008

Wir erholen uns auf der eine knappe Flugstunde nördlich von Pemba gelegenen Trauminsel „Ilha de Medjumbe“ und lassen es uns gut gehen. Wir haben schon viele Inseln gesehen, aber noch nie eine so traumhaft kleine und schöne – wir kommen uns in jeglicher Hinsicht vor wie im Paradies! Ein wunderschöner weisser Sandstrand umgibt die 850 m lange, 350 m breite und von Korallenriffen umgebene Insel, und nur gerade 13 Chalets stehen den Gästen zur Verfügung.

Während wir jeden Tag dem Strand entlang spazieren und dabei Unmengen von Muscheln finden bzw. zum Teil aus dem Sand ausgraben und uns dabei wie Schatzsucher vorkommen, vergnügt sich unser Panther mit dem Bauen von Sandburgen und dem Bewachen unserer Muschelschätze. Das Baden im kristallklaren und warmen Meer ist auch schön, nur das Schnorcheln ist wegen dem starken Wind und dem daraus resultierenden Wellengang nicht besonders faszinierend. Dafür lassen wir uns im privaten Whirlpool und im Restaurant verwöhnen!

Obwohl wir noch nie an einem so schönen Ort waren, beginnen wir uns nach ein paar Tagen auf die Weiterfahrt zu freuen – schliesslich lebt es sich auch im Santi hervorragend!



Nach unserem letzten Frühstück auf der wunderbaren Insel fliegen wir aufgrund der Schlechtwetterfront mit einer Stunde Verspätung nach Pemba ins Pemba Beach Hotel & Spa. Im Hotel angekommen, machen wir uns wieder an die Arbeit. Es heisst, die unzähligen gefundenen Muscheln zu verstauen, und wir fragen uns, wo diese zum Teil riesigen Muscheln Platz finden und die Reise unbeschadet überleben sollen. Wir beschliessen, uns von einigen Kleidungsstücken zu verabschieden bzw. diese Bedürftigen zu schenken. Die restlichen paar Stunden verbringen wir mit dem Umschichten des Gepäcks. Man bedenke dabei, dass das gleichzeitig auf dem Benzinkocher mitten auf dem Hotelparkplatz zubereitete Mittagessen auf etwelche Aufmerksamkeit stösst. Aber irgendwie muss man ja wieder zu sparen beginnen…

17. Juni 2008

Endlich sitzen wir wieder im Santi und nehmen den langen Weg in Richtung Heimat unter die Räder. Doch vorerst ist die Heimat in weiter Ferne. Wir verlassen Pemba auf einer Teerstrasse und begegnen einer schwarzen Frau mit weissem Gesicht. Zum Glück wissen wir, dass sie weder Lepra noch sonst ein Hautproblem hat, sondern ihr Gesicht mit einer weissen Paste "beschmiert" hat. Diese sogenannte "weisse Maske" hat keine kulturelle Bedeutung, sondern wird als Sonnenschutzmittel und zur Gesichtspflege aufgetragen. Dafür wird das Holz des Msiro-Baumes gemahlen und das Puder mit Wasser zu einer dicken Paste vermischt. Die Maske wird nur tagsüber getragen und soll die Haut weich halten.

Bei Alua zweigen wir auf eine schmale und ausgewaschene Piste, welche in Richtung Muhula führt. Mit der Zeit nerven wir uns allerdings etwas, da wir kaum vorankommen und die Strecke landschaftlich nicht besonders viel hergibt. Zudem: Wer wird beim Autofahren schon gerne von Fahrrädern überholt? Stundenlang rumpeln wir in einem trockenen Bachbett westwärts, bis wir am Abend einen neben einem Teich gelegenen Schlafplatz finden. Da uns die heutige Fahrt recht ermüdete, klettern wir bereits kurz nach sechs Uhr auf unsere Matratzen – momentan ist es noch zu warm, um in die Schlafsäcke zu kriechen.

Nach rund einer Stunde geruhsamen Schlafes werden wir unsanft geweckt. Gut zwei Dutzend Männer stehen um unseren Santi und fordern uns auf, sofort auszusteigen. Sie klopfen an die Karosserie und entfachen ein Feuer. Wir, die wir uns zuerst schlafend stellten, entscheiden uns bald einmal zur Flucht. Während Helen das Dachzelt herunterklappt, kriecht Markus zum Fahrersitz. Sowie das Dach geschlossen ist, startet er den Motor und überrascht die Männer zum ersten Mal. Als er alle Lichter anschaltet, überrascht er sie zum zweiten Mal. Zudem werden sie durch die starken Lichter (u.a. Xenon) so stark geblendet, dass sie zum Teil wegspringen. Die 120 dB-Hupe gibt den restlichen Männern den Rest, und auch sie rennen erschrocken ein paar Schritte zurück. Das gibt uns den nötigen Platz, um wegzufahren. Dann fliegen grosse Steine, aber zum Glück sind die Männer zu stark geblendet, um richtig zielen zu können, denn sie treffen statt der Fenster nur die Sandbleche, eine Seitentüre und das Heck. Mit dem Heckscheinwerfer blenden wir zudem noch den letzten, der uns hinterher rennt. Erst nach 16 km stoppen wir, um das Dachzelt besser zu schliessen (bisher war die Zeltplane eingeklemmt), und Helen, die bis jetzt auf der Matratze lag, kann auf den Beifahrersitz wechseln. Den ganzen Weg zurück auf die Teerstrasse verlieren wir trotz der abendlichen Kühle literweise Schweiss, denn die auch bei Tageslicht sehr schwer zu befahrende Piste nötigt uns alles ab. Zudem haben wir Angst, dass uns ein paar der Männer verfolgen, und tatsächlich werden wir zweimal von einem Motorrad überholt, aber glücklicherweise bleiben wir von weiteren Überfallversuchen verschont. Obwohl wir mit Nachtfahrten mittlerweile schon etwas Erfahrung sammeln konnten, strengt uns diese Fahrt an wie keine vorher. Zum einen, weil wir gerade erst vom „Paradies“ zurück in die Wirklichkeit geholt wurden, zum andern, weil die sehr unebene Piste und die Wasserstellen trotz den Scheinwerfern nur schwer zu „lesen“ sind. Zudem steht Markus „unter Drogen“, denn er hat am Abend noch Morphium zu sich genommen, um die wegen der schlechten Piste zurückgekehrten Rückenschmerzen etwas zu lindern…

Um Mitternacht entdecken wir todmüde einen Schlafplatz direkt neben der Teerstrasse und können zumindest ein paar Stunden Schlaf finden.

18. bis 20. Juni 2008

Nach der strapaziösen Nacht geniessen wir ein reichliches Frühstück und machen uns auf den Weg in Richtung Nampula. Wir lassen uns Zeit für kleine Foto-Stopps und andere Beobachtungen. So stellen wir zum Beispiel vergnügt fest, wie nicht nur wir Touristen, sondern auch einheimische Busgäste von Früchte- und Gemüseverkäufern am Strassenrand belagert werden. Beim Durchqueren eines Flusses fahren wir beinahe mitten durch einen Waschsalon...

Viele Baobabs säumen die hügelige Strecke. Am Nachmittag erreichen wir bei regnerischem und kühlem Wetter das Hotel Executivo, wo wir herzlich begrüsst werden. Bald sind wir ja Stammgäste in diesem Hotel… Aufgrund der Rückenbeschwerden von Markus ist es klar, dass wir uns hier einen kurzen Aufenthalt gönnen. Wir nutzen die Zeit, um uns nach der schlimmen Nacht etwas zu erholen und Helen legt Markus heisse Massagesteine auf und massiert seinen Rücken mit Massageöl und einer Massagekugel. Wir sind zuversichtlich, dass die Fahrt bald weitergehen kann.

Bis es soweit ist, füllen wir unsere Tanks und die Essensvorräte auf, kaufen ein paar Sachen, deren Anschaffung wir schon seit längerem planten, und geniessen das Hotelleben und verzichten dankend auf das Dessert nach dem Abendessen (vielleicht hat der Koch ein weiteres Mal Salz und Zucker verwechselt...). Leider erweist sich das Wechseln unseres sambischen Geldes in Nampula als unmöglich - nicht einmal die Nationalbank erklärt sich als hiezu zuständig.

21. Juni 2008

Auch wenn wir froh sind, Nampula verlassen zu können, fällt uns der Abschied doch etwas schwer, schliesslich kennen wir langsam fast die gesamte Belegschaft (inkl. Hotelmanager) vom Hotel, und der Abschied fällt entsprechend herzlich aus.

Bald aber fahren wir in westlicher Richtung durch eine wunderschöne Landschaft. Blanke Granitberge, die aussehen, als seien sie mit einer Zahnbürste von Bäumen, Gras und Erde befreit worden, wechseln sich ab mit weiten Ebenen sowie Wald- und Buschlandschaften. Einsam ist die Strecke aber nicht, denn kaum verlässt man ein Dorf, befindet sich man bereits in der nächsten Siedlung. Nach unserer negativen Erfahrung betreffend Campieren zwischen moçambikanischen Dörfern kommen wir zum Schluss, bis nach Cuamba zu fahren und dort nach einer geeigneten Übernachtungsgelegenheit zu suchen. Moçambique ist unter anderem nicht nur sehr reich an Bananenplantagen, sondern auch an Papayabäumen.


Unterwegs queren wir mehrmals ein Geleis, das aussieht, als ob seit Urzeiten kein Zug mehr darüber fahren würde. Trotzdem entdecken wir mit einem Male einen Zug, der von einer Menschentraube belagert wird. Offenbar handelt es sich um eine Bahnstation, und Bauern versuchen, ihre Ernte den Bahnreisenden zu verkaufen. Wir sind etwa gleich schnell (oder langsam) unterwegs wie die Eisenbahn, uns so winken wir den Reisenden mehrmals zu, was diese zum Teil mit fröhlichem Winken und Johlen quittieren.

Cuamba erreichen wir erst in der Dunkelheit, und der uns von einer Pension offerierte Schlafplatz in einem Hinterhof erscheint uns für den Fall einer Flucht nicht gerade ideal. Schliesslich landen wir bei einer indischen Familie, die uns zu ihrem von einem Wächter bewachten Ladenlokal führt und meint, dort können wir beruhigt (und bewacht) schlafen. Der Wächter hat Freude, einmal etwas anderes bewachen zu können, und wir haben das einmalige Erlebnis, mitten in einer Stadt an einem Strassenrand zu schlafen.

Noch ein paar persönliche Worte zu Moçambique: Moçambique gilt als das fünftärmste Land der Welt, und die verschiedensten Hilfswerke geben sich hier die Klinke in die Hand. Die Hilfswerke aufzuzählen, ist sinnlos - mehr Sinn machen würde es, jene zu nennen, die nicht in Moçambique aktiv sind. Wir besuchten in Moçambique die verschiedensten Regionen. Wir waren nicht nur in Grossstädten, sondern auch bei ganz kleinen, abgelegenen Häusergruppen. Auch hatten wir ein wenig ein mulmiges Gefühl bei der Einreise, weil wir unzählige Hungerbäuche erwarteten. Das Bild, welches sich uns präsentierte, war jedoch diametral anders: Überall, sogar in den höchstgelegenen Dörfchen in den abgelegensten Bergregionen trafen wir Kleiderverkäufer an. Diese Verkäufer hatten nicht nur ein paar wenige Socken im Sortiment, sondern mehr, als viele Kleiderläden in Europa im Sortiment führen. Von T-Shirts in allen Farben und Grössen zu den verschiedensten Bluejeans, Jacken, Pullovern und Tüchern gab es alles zu kaufen, was das Herz begehrt. Sogar Unterwäsche und BHs waren in den Auslagen. Zudem waren sämtliche Menschen (und zwar wirklich ausnahmslos alle) wohlgenährt. Zwar trafen wir wenig wirklich dicke Personen an, aber sogenannt Vollschlanke liefen uns nicht gerade selten über den Weg. Wir fragten uns, was hier nicht stimmt. Bald wurde uns klar, dass die Kleider zum allergrössten Teil aus Hilfslieferungen von Europa stammen. Wir sahen mehrere riesige mit Kleiderballen beladenen Lkws, und in Cuamba beobachteten wir, wie eine sehr grosse Lagerhalle bis zum Dach hin mit Kleiderballen gefüllt war. Offenbar werden noch immer Kleider gesammelt und nach Moçambique geschickt, obwohl dort ein Überfluss an Kleidern herrscht. Doch wohl aufgrund der Korruption werden die Kleider nicht gleichmässig unter der Bevölkerung verteilt. Die Kleiderverkäufer ersticken beinahe in ihren Kleidervorräten, und ein paar arme Menschen laufen trotzdem noch in zerfetzten Kleidern umher. Das mit der Nahrungshilfe muss ähnlich verlaufen. Zu Beginn unserer Reise zählten wir die Nahrungsmittelsäcke am Strassenrand. Doch bereits nach drei Tagen hörten wir auf, weil wir mit dem Zählen nicht mehr nachkamen. Wir sahen Tausende und Abertausende von Tonnen von Nahrungsmittelsäcken, die überall - zum Teil am Strassenrand, zum Teil in Dörfern, zum Teil vor Hütten, und zum Teil in riesigen Lagerhallen - herumlagen. Uns ist bewusst, dass in Moçambique durch den Bürgerkrieg, durch die Zahlungsunfähigkeit der Regierung und durch die Hungersnot vor ein paar Jahren grosse Probleme hatte. Doch sind diese Probleme im Bereich der Bekleidung und der Nahrung längst überwunden. Aufgrund des fruchtbaren Bodens, der riesigen Plantagen und der beinahe unendlich grossen, zum Ackerbau geeigneten Flächen wäre die Bevölkerung sehr wohl in der Lage, sich selbst zu ernähren. Aber solange das Land nicht nur bezüglich Kleider, sondern auch betreffend der Nahrungsmittel die Unterstützung der Weissen erhält, verharren die Moçambiquaner in ihrer Lethargie. Wenn auch nur ein Bruchteil der Leute, die den ganzen Tag in den Dörfern herumhängen, Ackerbau oder Viehzucht betreiben würden, wären sie bald nicht mehr auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Obwohl es Sambia gemäss WHO besser gehen sollte, haben wir in Sambia bedeutend grössere Not gesehen. Trotz dieses Umstandes haben wir nie einen bettelnden Sambier getroffen. In Moçambique dagegen war es das pure Gegenteil. Sehr oft wurden wir von gut genährten Menschen angebettelt, ihnen etwas zu essen zu geben. Vielleicht wäre ein Umdenken der ausländischen Regierungen, Hilfsorganisationen und Touristen angesagt!


22. Juni 2008

Nach einer etwas nicht besonders ruhigen Nacht brechen wir frühmorgens auf in Richtung Grenze (Chiponde), wo wir um die Mittagszeit eintreffen. In nur gerade einer Stunde sind wir aus Moçambique aus- ...

 

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