Sambia
"Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht." (Sprichwort aus Sambia) |
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Tagebuch
6. Mai 2008
…Sambia. Die Grenze zwischen Zimbabwe und Sambia verläuft in der Mitte des Sambesi, und einer alten Eisenbrücke, die nur im Einbahnverkehr befahrbar ist. Diese Brücke bildet die Verbindung zwischen den beiden Ländern. Den Grenzgängern bietet sich auf der Brücke ein einmaliger Ausblick auf die Viktoriafälle. Wir lassen das Auto stehen und spazieren über die Brücke und bestaunen die riesigen Wassermassen. Der anschliessende Grenzübertritt gestaltet sich unproblematisch und geht rasch vonstatten. Das einzige Problem ist, dass wir zwar das Visum, nicht aber die Dieselsteuer in US-$ zahlen können. Die Dieselsteuer müssen wir zwingend in der sambischen Währung, also in Kwecha, bezahlen. Da es an der Grenze aber keine Wechselstube gibt, zeigt der Grenzbeamte auf einen Kollegen, welcher uns hilft, auf dem Schwarzmarkt Geld zu wechseln.
Als Übernachtungsplatz wählen wir den Campingplatz der Livingstone Safari Lodge aus und dinieren dort zu einem absolut überteuerten Preis (US-$ 15 pP). Dafür ist die laute Musik aus dem angrenzenden Dorf während der Nacht gratis…
7. und 8. Mai 2008
Wir besuchen die Viktoriafälle auf der sambischen Seite – dieses Mal ohne Regenmäntel und ohne Schirm, da wir die Viktoriafälle „noch näher“ erleben möchten. Obwohl wir bis auf die Haut durchnässt sind haben wir riesigen Spass daran, durch die Gischt und die „Regenschauer“ zu spazieren. Besonders gefällt es uns, auf einer langen schmalen Brücke, welche direkt über den Sambesi führt. Hier ist es derart nass, als ob jemand eimerweise Wasser über uns schütten würde. Wir können uns nicht erinnern, in der Schweiz jemals solche Wassermassen vom Himmel herabstürzen gesehen zu haben.
Nach dem Besuch der Viktoriafälle fahren wir nordwärts auf der Autobahn "Great North Road" in Richtung Kalomo. Kurz nach Livingstone tauchen die ersten Schlaglöcher auf, und schon bald stellen wir fest, dass wir uns auf einer fürchterlichen Schlagloch-Teerstrasse befinden. Oft weiss man kaum, wo man durchfahren soll, um der ärgsten Rumpelei auszuweichen. Jeder fährt dort, wo es ihn am besten dünkt – egal, ob auf der rechten oder linken Strassenseite (oder sogar im rechten oder linken Strassengraben).
Nach rund zwei Stunden finden wir etwas abseits der Strasse einen Schlafplatz. Ein ruhiges, kleines und friedliches Fleckchen Erde – so denken wir. Das mit dem „klein und ruhig“ ist schon richtig. Das mit dem „friedlich“ leider eher weniger. Während dem Abendessen hören wir die ersten Äste knacken. Nach dem Einpacken des Geschirrs fallen die ersten Steine aus dem Gebüsch. Wir glauben nicht, dass ein Tier nach uns mit Steinen wirft. Uns befällt ein mulmiges Gefühl. Wir scheinen hier offenbar nicht wirklich willkommen zu sein. Deshalb entscheiden wir uns für einen französischen Abgang. Zum Glück parkieren wir immer in der Abfahrtsrichtung, und so können wir einsteigen und rasch abfahren. Es ist zwar nichts Konkretes vorgefallen, aber unser Gefühl sagte uns, dass dies kein sicherer Schlafplatz ist.
Trotz unserer guten Scheinwerfer ist die Rückfahrt auf der Schlaglochstrasse nach Livingstone sehr anstrengend – zumal noch mehr Fahrzeuge unterwegs sind als beim Tageslicht. Kurz vor Livingstone werden wir durch eine Polizeikontrolle angehalten. Der Polizist hatte wohl etwas zu tief ins Glas geblickt – jedenfalls ist seine Alkoholfahne sehr deutlich riechbar. Wir sind erstaunt, dass Polizisten in Sambia stockbesoffen Kontrollen durchführen können.
Die Nacht verbringen wir im Hotel Protea in Livingstone, das gerade erst heute eröffnet hat. Wir sind tatsächlich die allerersten Gäste und werden entsprechend zuvorkommend bedient. Wir sind stolz und freuen uns, als erste Gäste die riesigen Betten einweihen zu können. Nach einem grossartigen Frühstück schlendern wir am nächsten Tag zu Fuss vom Hotel nach Livingstone, wo wir unterwegs einige typische sambische Handfertigkeiten erstehen. Der Kauf von Briefmarken gestaltet sich relativ schwierig, da der Postbeamte nicht verstehen kann, dass wir nicht nur Briefmarken für Europa, sondern auch solche für Sambia kaufen möchten. Alle Erklärungen und Beispiele stossen bei ihm auf Unverständnis. Erst als wir auf sein Briefmarkenbuch und auf die unterschiedlichen Briefmarken zeigen, gibt er uns welche.
In einer sambischen Boutique, die handgefertigte Tücher und Kleider feilbot, benötigten die Verkäuferinnen fast eine Stunde, um den gekauften Wandschmuck einzupacken. Aber in Afrika braucht es halt für alles seine Zeit… Auf unserem Rundgang entdecken wir sogar das livingstonische "Obergericht".
Zu faul und zu müde um zu Kochen begeben wir uns in eine Fastfoodpizzeria.
9. Mai 2008
Heute geht es nordwestwärts via Zimba nach Kalomo, welche von 1902 bis 1907 die erste Hauptstadt Nordwestrhodesiens war. Aufmerksam fahren wir durch Kalomo und sind erstaunt, tatsächlich eine frühkoloniale Baute zu entdecken. Weiter führt uns eine sehr gute Teerstrasse nach Choma. Hier verlassen wir diese Teerstrasse und fahren mittels eingegebener GPS-Koordinaten auf einer Piste in Richtung Mapanza. Laut dem Reiseführer soll unser nächstes Ziel – Namwala – mit Choma mit einer guten Strasse (erst Piste, ab Naiko Teer) verbunden sein. Wieder einmal stellt sich aber das Gegenteil heraus. Die Piste ist in einem fürchterlichen Zustand und von „gut“ kann überhaupt keine Rede sein. Vielmehr befinden wir uns auf einer ausgewaschenen, mit Löchern und Steinen übersäten Piste, welche uns zu einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 18 km/h zwingt. Wie überrascht und erstaunt werden wir von der einheimischen Bevölkerung angestarrt – es scheint, als ob seit sehr langer Zeit kein Weisser diese Strecke mehr befahren hat.
Angrenzend an der Piste liegen zahlreiche kleine Dörfer, so dass sich die Suche nach einem unbemerkten Schlafplatz nicht ganz als so leicht herausstellt. Nachdem wir unseren Santi mitten im Wald auf einem schmalen Fusspfad parkiert haben, machen wir uns auf die Suche nach dem Grund des „komischen“ Geräusches rechts unter dem Wagen, welches uns während des Fahrens auf dieser schrecklichen Piste aufgefallen ist. Leider stellt sich hierbei heraus, dass der vordere rechte Stossdämpfer sich aus der Aufhängung löste. Da es bereits 17.15 Uhr ist, gilt es noch vor Einbruch der Dunkelheit zu handeln. Wir nehmen die Kisten hervor und Markus schafft es mit Stirnlampe innert einer Stunde mit konzentrierter Arbeit, Hammer und Brecheisen, den Stossdämpfer abzunehmen und wieder zu montieren. Dabei stellte er fest, dass die oberen Befestigungsgummis stark beschädigt sind. Helen ist wirklich sehr stolz, dass nicht jeder Rechtsanwalt „nur“ Rechtsanwalt ist, sondern Markus daneben ausserdem noch ein begabter Buschmechaniker ist.
10. Mai 2008
Wir sind sehr froh, dass die Weiterfahrt am nächsten Morgen tatsächlich mit intaktem Stossdämpfer auf der schlechten Piste weitergehen kann. Als wir in Neiko ankommen, mutiert die Erd- und Steinpiste zu einer guten Teerstrasse. Unsere Mittagspause verbringen wir abseits dieser Strasse und beschliessen, heute nicht mehr weiterzufahren. Wir relaxen, spielen „Mühle“ und besprechen die weitere Route.
11. Mai 2008
Um die Mittagszeit erreichen wir Namwala. Unser Wunsch, in Namwala mittels Ponton über den Kafue und auf der Gravelpiste über die Bulala Hills nach Mumbwa zu gelangen, erweist sich leider schwieriger als gedacht. Die Gravelpiste führt uns nach Namwala mitten durch bepflanztes Gartenland. Hier werden diverse Gemüse und Bäume angepflanzt. Unser Winken wird mit einem Lachen und Zuwinken der Einheimischen erwidert. Unsere Fahrt wird plötzlich von einem riesigen Krater mitten auf der Piste unterbrochen. Wir steigen aus dem Auto aus und begutachten den Krater und allfällige Umfahrungsmöglichkeiten. Bald schon werden wir von herbei rennenden kleinen Kindern begrüsst. Wir machen einige Fotos und beschenken die Kinder als Dank mit einem Luftballon. Wir spüren und merken, wie sehr sie sich beim Erklären des Aufblasens über unsere Geschenke freuen! Bald darauf kommt uns ein einheimischer Fischer entgegen und erklärt uns, dass nicht nur die ganze Piste bis zum Ponton durch die starken Regenfälle des letzten Monats „totally damaged“ ist, sondern auch, dass der Ponton aus irgendeinem Grund nicht mehr funktioniert. Als Alternative empfiehlt er uns, die Musungwa-Road über Lubwe nach Itezhi-Tezhi zu nehmen. Trotz der starken Regenfälle der letzten Monate glaubt er, dass die Piste nach Itezhi-Thezi gut befahrbar ist.
Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als umzukehren und die erwähnte Piste zu suchen. Am Ende von Namwala werden wir fündig. Während wir die Karte nochmals eingehend studieren, bietet uns ein Einheimischer Hilfe an. Wir erklären ihm, dass wir keine Hilfe bräuchten, dass wir aber nicht genau wissen, ob wir über die Nanzhila-Plains, deren Sumpfregion aufgrund der Regenmonate doch erst Ende Mai durchquerbar sei, nach Itezhi-Thezi gelangen können. Er erklärt uns, dass ein Kollege ihn letzte Woche über diesen Weg habe besuchen wollen, aber leider aufgrund des Wassers beim grossen „Plains“ stecken geblieben sei und keine Chance gehabt hätte, zu ihm zu gelangen. Er meint, dass unser Vorhaben sehr schwierig sein wird und dass wir, falls wir im Sumpfland stecken bleiben, von mindestens sechs bis acht Ochsen herausgezogen werden müssten. Er fügt hinzu, dass in dieser Gegend aber nicht sehr viele Menschen leben würden und es umso schwieriger werden könnte, Hilfe zu bekommen, er als Einheimischer aber uns begleiten und – falls notwendig – Hilfe organisieren würde. Er ist uns aber überhaupt nicht sympathisch, weshalb wir alleine weiterfahren. Das erste Plain, welches eine riesige Grasebene darstellt, durchfahren wir ohne Probleme.
Laut Reiseführer soll dieser Weg auf kleinen, aber schwierigen Sandpisten durch flache und sehr schöne Palmenlandschaften führen. Die recht sandige Piste führt uns tatsächlich durch eine idyllische, fruchtbare Landschaft, welche von kleinen Dörfchen gesäumt wird. Es erstaunt uns zu sehen, wie einfach die Menschen hier leben und unser Winken mit frohem Lachen winkend erwidern. Die runden, fensterlosen Behausungen bestehen lediglich aus Lehmmauern und Strohdächern. Die Menschen leben hier von der Eigenversorgung.
Um die Mittagszeit stellen wir unseren Santi unter einen Baum und beginnen zu kochen, als wir bemerken, dass sich einige Meter weiter einige Kinder scharen. Nicht, dass sie nur stehen bleiben, nein, sie setzen sich in den Schatten eines Baumes und beobachten uns. Wir lassen uns nichts anmerken und beenden unser Essen. Als Helen ihnen nach dem Essen zu winken beginnt, nähern sie sich uns sehr zögerlich, schüchtern und langsam. Als Helen die Fotokamera hervorholt und sich ihnen ebenso langsam nähert, weichen sie zurück. Es scheint, als ob sie nicht wüssten, wozu eine Kamera dient. Sie erklärt ihnen vorsichtig, was dieses schwarze „Ding“ sei und fragt, ob sie ein Foto von ihnen machen könne. Es scheint, als ob die Kinder mehr Vertrauen fassen würden, denn sie nähern sich uns langsam wieder. Nach einigen Aufnahmen beschenken wir sie mit einigen Luftballonen und zeigen ihnen, wie diese aufzublasen sind und wie man damit spielen kann. Mit grosser Aufmerksamkeit schauen sie zu und beginnen gleich darauf selber die Ballone aufzublasen. Die Freude über unser Geschenk macht sich in ihren Gesichtern deutlich bemerkbar. Alle Kinder haben sich zu unserem Erstaunen mit einem Knicks für die Luftballone bedankt. Die zwei älteren Mädchen wünschen sich ein Souvenir von uns. Wir geben ihnen je eine Postkarte von der Schweiz, was sie sehr beeindruckt.
Auf der Weiterfahrt fällt uns zum wiederholten Male ein Baum auf, dessen Früchte wie riesige Würste aussehen. Deswegen wird er Leberwurstbaum genannt. Als wir unter diesem Baum anhalten uns seine Früchte bestaunen, gesellt sich ein Einheimischer zu uns und erklärt, dass diese langen Früchte nur von Frauen kurz nach der Niederkunft gegessen werden, um ihnen Kraft und Energie zurück zu geben. Angeblich sollen diese Früchte sehr gesund sein. Auf unsere Frage, ob auch Markus eine solche Frucht essen könne, kann er sich vor Lachen kaum mehr auf den Beinen halten. Männer essen diese Früchte tatsächlich nie - schliesslich sind es die Frauen, die gebären, und nicht die Männer. Wir nehmen eine Frucht des Baumes, der in der einheimischen Sprache "Namzungula" heisst, mit, und hoffen, dass die Frucht uns als Erinnerung noch lange begleiten kann.
Auf der Fahrt durch das grosse „Plain“ sind wir vorsichtig und steigen aus, als wir den überfluteten Weg sehen. Nach einer Erkundung zu Fuss entscheiden wir uns widerwillig zur Umkehr, da wir nicht glauben, durch die überflutete Ebene fahren zu können. Doch leider können wir keinen Millimeter rückwärts fahren – das Auto ist in der nassen Erde bereits tief bis zum Chassis eingesunken! Alle anfänglichen Versuche, das Auto aus dem Sumpf zu heben, scheitern. Das Reifenprofil ist vollständig mit lehmigem dunklem Sumpf gefüllt, und die Reifen drehen sogar auf Sandblechen trotz vorne und hinten eingeschalteten Diffsperren durch. Das Anheben des Autos mittels dem Hi-Jack funktioniert auch nicht, da dessen Mechanismus durch Sand, Staub und Dreck blockiert ist. Erst als wir dieses Problem gelöst haben, können wir das Auto anheben und Sandbleche unter die Räder legen. Zum Glück erscheint während unserer Bergungsarbeit ein Einheimischer, der tatkräftig mithilft. Wir sind froh, unser gesamtes Bergungs-Equipment dabei zu haben, wissen aber, dass wir unsere Ausrüstung gleich nach unserer Rückkehr um Schlammketten erweitern werden. Aufgrund unserer Planänderung (Süd-Nord-Querung statt Nord-Süd-Querung) konnten die Schlammketten zu unserem grossen Bedauern leider nicht mehr rechtzeitig geliefert werden. Wie stolz wären wir gewesen, wenn wir dieses Plain trotz der Überflutung mit dem Auto hätten durchqueren können!
Wir fahren rückwärts aus dem Plain und übernachten kurz darauf neben einer Piste im Gehölz.
12. Mai 2008
Etwas demotiviert machen wir uns auf den Rückweg nach Namwala – wie gerne wären wir in die umgekehrte Richtung gefahren! Je näher wir Namwala kommen, um so eher wird der Einfluss der Stadt sichtbar. Die Menschen winken kaum mehr zurück, und wenn wir für Fotos anhalten, werden wir mit unverfrorenen Forderungen im Stil von „Give me money“ konfrontiert.
Das nächste Etappenziel ist Monze. Die Piste ist zu Beginn sehr gut, wird jedoch je länger je schlechter. Bei der Mittagsrast beobachten uns ein paar Kinder, wie wir kochen und essen. Obwohl die Situation für uns immer noch ungewohnt ist, lassen wir uns nichts anmerken und verhalten uns ganz normal.
Ein älterer Mann klärt uns über die diesjährigen Regenfälle auf. Sie seien dieses Jahr derart heftig ausgefallen, dass fast die gesamte Ernte vernichtet worden sei und eine Hungersnot drohe. Dies erklärt die Unmengen von verfaultem Mais entlang der Strecke sowie die stark ausgewaschenen (und zum Teil zerstörten) Pisten. Zudem wird uns jetzt klar, weshalb sich das UNHCR in Sambia aufhält: Das UNHCR versucht die Hungersnot mit Lebensmittelhilfe abzuwenden. In grösseren Ortschaften sehen wir riesige Berge von Lebensmittelsäcken, und auch in den kleinen Dörfchen sehen wir immer wieder diese Säcke. Das UNHCR organisiert die Einfuhr der Lebensmittel und deren Transport in regionale Lager. Die Feinverteilung wird dann von der lokalen Bevölkerung vorgenommen.
A propos Essen: Wir beobachten, wie sich mehrere Frauen und Kinder in einem Tümpel aufhalten und vermeintlich Wäsche waschen. Wir fragen sie, ob wir sie fotografieren dürfen, und merken, dass sie nicht am Waschen, sondern am Fischen sind. Sie erklären bzw. zeigen uns, dass sie die im Tümpel schwimmenden Fische mit blossen Händen und Körben fangen – uns sind erstaunlich erfolgreich dabei!
Die Schlafplatzsuche gestaltet sich schwierig. Entlang der Strecke reiht sich Dörfchen an Dörfchen, und auf der Piste sind unheimlich viele Menschen unterwegs – teils zu Fuss, teils auf dem Fahrrad, und zum Teil in Sammeltaxis. Sammeltaxis sind meistens Toyota-Pickups auf denen sich viele Personen transportieren lassen. Trotz dem erheblichen „Verkehr“ können wir ungesehen von der Piste auf einen Fussweg abbiegen und unser Nachtlager aufschlagen. Das mit dem „ungesehen“ ist allerdings relativ zu verstehen: Wir stellen immer wieder fest, dass es fast unmöglich ist, ungesehen und ungehört zu bleiben. Selbst an Orten, an denen wir denken, dass niemand in der näheren Umgebung ist, taucht plötzlich jemand auf. Selbst an unserem heutigen Schlafplatz hören wir am Abend und mitten in der Nacht Menschen vor unserem Auto stehen bleiben und diskutieren. Wir stellen uns schlafend und warten, bis sie nach einer Weile wieder gehen.
13. Mai 2008
Wir erreichen Monze. Die Menschen dort erscheinen uns nicht freundlich gesinnt, und wir sind froh, die Ortschaft möglichst rasch hinter uns lassen zu können. Wir fahren über Pisten westwärts und merken ob der Reaktion der Bevölkerung, dass hier kaum jemals Touristen vorbeifahren. Zum Teil rennen Leute vor uns weg, und manchmal starren sie uns staunend an. Wenn wir ihnen zuwinken, winken sie oft zurück und lachen uns freudig zu.
Etwas ausserhalb einer Ortschaft stellen wir den Santi am Pistenrand ab und fotografieren ein Fussballplatz und ein Korbballfeld. Die Fussballtore bestehen lediglich aus drei Holzpfosten ohne Netz, und die Korbballpfosten weisen bloss einen Drahtring auf. Während wir einige originelle Fotos von uns machen, rennen viele Kinder zu uns und wollen auch im Fussballtor fotografiert werden. Sie haben unheimliche Freude, in möglichst realitätsnahen Torhüterposten fotografiert zu werden. Über Ballone freuen sie sich noch mehr, und wir sind froh, so viele Luftballone eingepackt zu haben. Als Markus noch die Videokamera hervorholt, scharen sich die Kinder um ihn. Sie interessieren sich für das unbekannte Gerät und haben grosse Freude, gefilmt zu werden und ihre Kameraden gefilmt zu sehen. Als wir uns verabschieden, winken sie uns noch lange hinterher und rennen uns zum Teil noch lange nach. Diese Episode wird uns noch sehr lange in Erinnerung bleiben.
Weiter geht die Fahrt durch Farmland entlang riesiger Felder durch eine sehr reizvolle Landschaft. Sogar Baumwolle wird hier angepflanzt! Bewaldete Hügel wechseln sich mit Grasebenen, grossen farbigen Blumenfeldern, Baobabs, kleinen Bächen und schmalen Brücken ab. Dörfchen hingegen gibt es hier fast keine. Wir geniessen die Fahrt durch diese wunderschöne idyllische Landschaft in vollen Zügen. Der Kontrast zwischen der feuerroten Erde, dem blauen Himmel und den grünen Bäumen und Sträuchern faszinieren uns immer wieder von neuem. Bei einer Pause entdecken wir auf unserem Sonnensegel eine grosse Gottesanbeterin, die offenbar ohne zu zahlen mitfahren wollte. Nett, wie wir sind, haben wir keine Gebühr verlangt und sie nach dem Fotografieren gratis mitfahren lassen.
Auf einem Hügel mitten im Farmland finden wir einen einsamen und ruhigen Schlafplatz. Da dieses Mal wirklich weit und breit niemand ist, steht am Abend eine Dusche an. Danach geniessen wir nach dem Abendessen einen wunderschönen Sonnenuntergang.
14. Mai 2008
Am frühen Vormittag finden wir nur wenige Meter neben der Piste ein altes Pistenfahrzeug. Natürlich nicht ein Pistenbully für Skipisten, sondern ein Pistenfahrzeug für afrikanische Pisten. Mit diesem Vehikel versuchte man früher, dem ärgsten Wellblech Herr zu werden und die Pisten wieder einigermassen fahrbar zu machen. Die Ortschaften in Sambia werden teilweise nicht mit Ortsschildern im herkömmlichen Sinne angeschrieben. Man merkt oft erst, wo man sich befindet, wenn man ein Schild, das zur örtlichen Schule führt, sieht. Auf dieser Steintafel ist jeweils auch das Schulmotto eingemeisselt.
Kurz vor Kafue treffen wir wieder auf die Teerstrasse und fahren nordwärts nach Lusaka. Zum Glück hat es nicht viel Verkehr, und wir lassen Lusaka und die berühmt-berüchtigte Cairo Road rasch hinter uns. Vor und nach der sambischen Hauptstadt gibt es einige Polizeikontrollen, die wir aber ohne Probleme passieren können. Wir werden praktisch immer durchgewunken, so dass wir nicht einmal anhalten müssen.
Auch die ehemalige Hauptstadt Kabwe passieren wir rasch und übernachten etwas ausserhalb direkt vor einem Königreichssaal der Zeugen Jehovas, weil wir schlicht und einfach keinen anderen Schlafplatz finden konnten.
15. Mai 2008
Kurz nach Sonnenaufgang fahren wir weiter und frühstücken etwas später direkt neben der staubigen Piste. Kurz vor dem Mulungushi-Staudamm machen wir einen Abstecher zum Mulungushi Boatclub. Dabei handelt es sich um eine Art Ferienhaussiedlung mit Übernachtungsmöglichkeit auch für Touristen. Der Boatclub liegt unglaublich malerisch direkt am tiefblauen Mulungushi-Stausee an einem kleinen Abhang und bietet Sonnen- und Schattenplätze. Schlicht gesagt: Perfekt für einen Erholungsurlaub! Baden im Stausee ist jedoch nicht unbedingt empfehlenswert, da sich hier einige Krokodile tummeln sollten. Wenige Minuten jedoch nach unserer Ankunft erscheint der „General Manager“ im Bademantel und fordert uns auf, entweder eine Eintrittsgebühr zu bezahlen oder zu verschwinden. Wir machen von der zweiten Alternative Gebrauch und passieren kurz darauf die Brücke über den Mulungushi, der erstaunlich klares Wasser führt. Im Flussbett arbeitende Männer erklären uns, dass sie aus der Ufererde mithilfe des Flusswassers die Steine aus der Erde sieben und die Steine auf die Brücke hochtragen, um anschliessend mit den Steinen eine andere Brücke zu bauen. Eine unvorstellbare Knochenarbeit par excellance!
Wenig später erreichen wir Lunsemfwa. Ein Dorf mitten im Nirgendwo mit Strassenbeleuchtung, guten Strassen und noch besseren Häusern. Der Reichtum des Dorfes fusst auf dem sich hier befindenden Elektrizitätswerk. Alles hat jedoch zwei Seiten: Der Wohlstand der Bewohner und die mangelnden Arbeitsplätze führt zu unzähligen „Alkoholleichen“, die bereits mitten am Vormittag neben der Bar betrunken vor sich hinleben. Beim Vorbeifahren werden wir von ein paar alkoholisierten Männern angehalten und nach unserem Reiseziel befragt. Wir geben keine Antwort, sondern fahren möglichst rasch weiter, da es uns hier sehr unangenehm ist.
Am Nachmittag stehen wir vor einem Fluss, der zu tief ist, um durchzufahren. Zum Glück gibt es eine Fähre, die uns hinüber bringt. Wobei „Fähre“ zuviel gesagt ist. Es handelt sich vielmehr um eine von zwei Männern per Muskelkraft angetriebene Plattform. Ein kurzes, aber einmaliges Erlebnis!
Die Nacht verbringen wir unentdeckt hinter einem riesigen Hügel.
16. Mai 2008
Heute besichtigen wir den Mita Hills-Staudamm, der den Lunsemfwa auf einer Länger von über 60 km staut. Arbeiter erklären uns, dass sich die Turbinen zur Erzeugung der Elektrizität nicht direkt unterhalb des Stausees, sondern im ca. 80 km entfernten Lunsemfwa befinden. Das Wasser wird in einem offenen Kanal dorthin geführt – für uns eine unerklärbare Verschwendung von „Gratis-Energie“. Immerhin gibt es zum Teil unheimlich viele Starkstromleitungen.
Da sich in unseren Wassertanks nur noch etwa 25 Liter Wasser befinden, möchten wir die Tanks mit Grundwasser auffüllen. Das Wasser vom Lunsemfwa ist trüb und stinkt – nicht gerade ideal. Der nächste Fluss führt klares Wasser. Markus ist Feuer und Flamme und möchte die Tanks auffüllen. Helen dagegen ist skeptisch und möchte zuerst noch den nächsten Fluss begutachten. Einige Kilometer weiter führt uns der Weg durch ein kleines Dorf, an dessen Ende sich der nächste Bach befindet. Das Wasser hat einen Nebengeschmack, dessen Definition uns anfänglich nicht leicht fällt. Nach einigem Überlegen und nochmaligem Degustieren kommen wir zum Schluss, dass es sich um thermisches Wasser handelt. Da sich nicht jedes Thermalwasser zum unbegrenzten Trinken eignet, fällt dieses Wasser ausser Betracht. Unweit von diesem Bach gilt der nächste Versuch einer neben der Piste gelegenen Wasserpumpe in einem kleinen Dörfchen. Etwas unsicher betreten wir das Dorf und suchen nach den Bewohnern, als aus dem letzen Häuschen eine ältere Dame mit einem kleinen Jungen erscheint. Mit Händen und Füssen versuchen wir ihr klar zu machen, dass wir gerne etwas Wasser hätten. Da sie uns trotz Gebärdensprache nicht ganz versteht, holt sie die Dorfälteste. Die beiden Frauen können es nicht fassen, dass zwei Weisse in ihrem Dorf sind, fassen sich immer wieder mit beiden Händen an den Kopf und rufen fassungslos „Musungu! Musungu!“ (= Weisse). Als wir dann alle zusammen zu fünft um die Wasserpumpe stehen, stösst ein junger Nachbar dazu und betätigt sich als Übersetzer. Er erklärt uns auf Englisch, dass die Benützung der Wasserpumpe kostenlos ist und jeden Monat ein Beamter der Regionalverwaltung das Wasser auf dessen Trinkqualität überprüfe und das Grundwasser mit einer Chemikalie behandle. Wir pumpen das Wasser in drei Flaschen und bemerken dabei dessen leicht bräunliche Verfärbung. Als Dank für das Wasser schenken wir dem Jungen drei Luftballone und den Damen ein Hemd und ein T-Shirt. Die ältere der beiden Damen sinkt zu unserer baren Überraschung vor uns auf die Knie, wirft die Hände über den Kopf und bedankt sich wort- und gestenreich immer wieder. Sie bedeutet uns, dass wir vom Himmel gesandt seien und kann es kaum fassen, dass wir sie tatsächlich so reich beschenken. Uns wird es in diesem Augenblick bewusst, wie arm diese Leute sind, und wie sehr sie sich über für uns fast wertlose Sachen von ganzem Herzen freuen können. Noch lange denken wir bei der Weiterfahrt über dieses spezielle Erlebnis nach und wünschten uns, dass auch wir Europäer uns wieder mehr über Kleinigkeiten freuen könnten. Uns geht dieses Erlebnis und die Freude der Beschenkten im wahrsten Sinne des Wortes durch Mark und Knochen.
Wir nähern uns Kabwe, und wieder einmal erweist sich die Suche nach einem unbeobachteten Schlafplatz als schwierig. Die Wege sind voller Menschen, und erst nach geduldigem Suchen stellen wir den Santi hinter einen Hügel. Um neun bzw. um zehn Uhr hören wir Männer- und Frauenstimmen, die mit harter Stimme laut „Hello! Hello! Hello!“ rufen. Wir verhalten uns ganz ruhig und antworten nicht. Nachdem die letzteren verschwunden sind, beschliessen wir, unseren Schlafplatz zu verlegen. Wir befürchten nämlich, dass sie nochmals mit ungewisser Absicht kommen könnten. Nach einer halben Stunde erreichen wir einen uns geeigneter erscheinenden Ort – ein Trugschluss, wie sich erweisen wird. Mitten in der Nacht torkelt ein laut vor sich hin johlender und total betrunkener Mann vorbei, und wenig später scheint es, als ob das Militär mit einer ganzen Kompanie mitten durch den Wald rennen würde. Abgesehen vom Lärm werden wir in Ruhe gelassen.
So sehen wir aus, wenn wir keinen Schlafplatz finden oder aus unserem wohlverdienten Schön-
heitsschlaf gerissen werden und heimatlos umherirren!
17. Mai 2008
Bei der Abfahrt stellen wir fest, dass wir unser Nachtlager nur wenige Meter neben der Bar in Tutushe aufgestellt haben. Na ja, wenigstens wären wir nicht verdurstet...
Wir machen uns auf die Suche nach der Quelle eines weiteren Baches. In Muconchi werden wir fündig, aber auch hier ist das Wasser stark verfärbt. Muconchi scheint uns einen Art Vorzeigestadt zu sein mit guten Strassen, Strassenbeleuchtung, schönen Häusern, vielen Läden mit grossem Warenangebot, gut gekleideten Bewohnern und vielen grünen Flächen. Hier sehen wir sogar die erste weisse Person seit Livingstone!
Auf der Weiterfahrt nach Kabwe wird uns plötzlich klar, weshalb das Grundwasser überall verfärbt und nur bedingt trinkbar ist. Unweit von den Stauseen und Ortschaften befinden sich mehrere Minen, in denen unter anderem Kupfer abgebaut wird. Uns erscheint es als sehr wahrscheinlich, dass die Minen das Grundwasser mit Wissen der Regierung verschmutzen, die Regierung aber nicht möchte, dass die Bevölkerung (und Weltöffentlichkeit) dies merkt. Deshalb kontrolliert die Regierung das Grundwasser der Region regelmässig und schüttet Chemikalien in das Grundwasser mit dem Ziel, das von den Minen vergiftete Wasser wieder einigermassen trinkbar zu machen. Wir sind heilfroh, dass Helen darauf bestanden hat, die Wassertanks nicht mit Flusswasser zu füllen, denn wir sind nicht sicher, ob unser Wasserfilter alle Chemikalien hätte neutralisieren können.
Am Mittag erreichen wir Kabwe, wo Auftanken und Einkaufen angesagt ist, was fast einen halben Tag in Anspruch nimmt. Dann fahren wir in Richtung „Landless Corner“ und übernachten ausserhalb des Geländes der Lodge „Chaplin’s Barbet“ – abgesehen vom leisen Säuseln der „Great North Road“ ein absolut ruhiger Übernachtungsplatz. Eigentlich hätten wir gerne in einer Lodge der Chaplin’s Barbet übernachtet, aber da es total ausgebucht ist, bleibt uns nichts anders übrig, als aus dem Feld zu übernachten. Zum Glück, denn hier ist es ruhig, friedlich, und sehr schön.
18. Mai 2008
Aufgrund des schlechten Wetters (bewölkt und kalter Wind) beschliessen wir, heute hier zu bleiben und diverse Kleinigkeiten zu erledigen. Während Helen das Tagebuch nachführt, kocht und putzt, befreit Markus die Kühler von Grassamen, Schmetterlingen, Faltern und sonstigem Dreck und ersetzt zwei durch die Hitze des Kühlwasserschlauches verschmorte Entlüftungsschläuche. Des weiteren entdecken wir, dass der vordere rechte Stossdämpfer sich nicht nur wieder aus der Halterung löste, sondern auch noch gebrochen ist. Wir entfernen ihn und entscheiden uns widerwillig, morgen in Lusaka neue Stossdämpfer zu kaufen.
Hände eines hart arbeitenden Mannes... Hände einer hart arbeitenden Frau...
Eigentlich möchten wir Lusaka (wie alle anderen Hauptstädte) meiden. Aber die Chance, in Kabwe oder in einem anderen Ort passende Stossdämpfer zu finden, erachten wir als sehr gering. Zum Glück beschreibt unser Reiseführer genau, an welcher Strasse Ersatzteilhändler zu finden sind (Freedom Way) und wo sich die Land Rover-Garage befindet (etwas ausserhalb der Stadt an der Leopards Hill Road). Eigentlich könnten wir den Stossdämpfer selber ersetzen und die anstehenden Wartungsarbeiten selber durchführen, aber zum einen gilt es, den Rücken von Markus zu schonen, und zum anderen gehören wir nicht zu denen, die den Ölwechsel selber vornehmen und das Altöl irgendwo entsorgen.
19. Mai 2008
Nachdem wir den Preis für die beiden Übernachtungen von irrwitzigen 200'000 Kwecha auf immer noch saftige 70'000 Kwecha drücken konnten (der „Manager“ von Chaplin’s Barbet ist irgendwie etwas geldgierig…), machen wir uns in Lusaka zuerst auf die Suche nach neuen Stossdämpfern und anschliessend nach der Land Rover-Garage. Letztere wird von einem ausgewanderten Luzerner geführt. Trotz der schweizer Führung richten sich Arbeitstempo und -moral nach afrikanischen Massstäben. Ganze vier Stunden werden benötigt, um die beiden Stossdämpfer sowie Öl- und Dieselfilter zu wechseln und ein Radlager nachzuziehen. Der Werklohn hingegen richtet sich nach schweizerischen Verhältnissen – rund CHF 430 müssen wir bezahlen! Während der Wartezeit entdecken wir auf dem Hof der Garage vier von der Schweizer Armee ausgemusterte Saurer 2DM – zum Teil in elendem Zustand. Uns tut es weh, zu sehen, wie wenig die schweizerische Entwicklungshilfe im Bestimmungsland geschätzt wird.
Nach einem kurzen Versorgungsstop im nahe gelegenen Supermarkt fahren wir durch den aufkommenden Stossverkehr aus Lusaka hinaus zum Campingplatz „Eureka“.
20. bis 28. Mai 2008
Auf dem Campingplatz waschen wir Kleider, duschen und geniessen (abgesehen von einer lärmigen Nacht) die Ruhe – wir sind nämlich fast die einzigen Gäste! Neben dem Campingplatzareal leben wir unseren Jagdtrieb aus und jagen am Tag und am Abend zu Fuss hinter Giraffen, Zebras, Kudus und Antilopen her. Die Büffel haben sich leider nicht blicken lassen, dafür findet Helen Überreste einer Giraffe... Wir durchstöbern den Wald mit so grosser Aufmerksamkeit, dass uns nicht einmal diese beiden wunderschönen Schmetterlinge entgehen.
Da sich die Diskushernie von Markus wieder verschlimmert, knetet Helen seinen Rücken durch und kann dadurch einige blockierte Wirbel wieder mobilisieren. Die restlichen blockierten Wirbel versuchen wir nach Rücksprache mit Dr. Raaflaub (Rückenspezialist von Markus) mit starken Medikamenten zu lösen. Es ist schade, dass wir nicht weiterreisen können, da wir gerne noch mehr von Sambia gesehen hätten, aber die Gesundheit hat undiskutabel Vorrang. Wir werden solange auf dem Campingplatz verbleiben, bis Markus wieder reisefähig ist.
Auf dem Campingplatz fällt uns ein grosser bunt bemalter Bus auf. Dieser "Book Bus" besucht seit zwei Wochen in Sambia diverse Spitäler, Schulen und Waisenhäuser und versucht mit Büchern, Mal- und Musikausrüstungen den Kindern die Freude an Büchern zu vermitteln. Dabei geht es nicht darum, dass die Kinder lesen lernen, sondern darum, dass die Kinder den Wert, den die Bücher in ihrem Leben haben können, kennen und schätzen lernen. Der Bus bleibt jeweils eine Woche an einem Ort und schenkt den Kindern vor der Weiterreise viele Bücher.
Da das Malariamedikament Lariam bei Helen in der letzten Zeit leider sehr starke Schlafstörungen hervorruft, möchte sie das Medikament absetzen. Dies hat zur Folge, dass wir nicht mehr genügend Malarone dabei haben. Deshalb beschliessen wir nach mehreren durchwachten Nächten, in Lusaka noch ein paar Packungen Malaronetabletten zu besorgen. Da wir aus Sicherheitsgründen nicht mit dem Santana nach Lusaka fahren möchten, quetschen wir uns gemeinsam mit 18 anderen Personen in ein blauweisses Sammeltaxi (ein kleiner VW-Bus) und lassen uns bei afrikanischer Musik nach Lusaka fahren. Es macht uns grossen Spass, auf einheimische Transportmittel zurückzugreifen.
In der grössten und bekanntesten Apotheke von Lusaka (Vikey Chemists) verkauft uns der nette und zuvorkommende Apotheker ein anderes Malariamedikament Malasone, welches Pyrimethamin und Dapson (Hauptanwendung bei Lepra) enthält. Er meint, dieses in Afrika weit verbreitete Medikament sei ebenso gut wie Malarone. Der Vorteil von Malasone, so der Apotheker, sei, dass man es im Gegensatz zu Malarone nur einmal pro Woche einnehmen müsse. Zum Glück ist Helen skeptisch, und in einem Internetcafé überprüfen wir die uns verkauften Tabletten. Es stellt sich heraus, dass Malasone gegen die in Afrika vorkommenden Malariaerreger praktisch nutzlos ist. Wohl nicht zuletzt deshalb kostet Malasone nur einen Bruchteil vom hochwirksamen Malarone. Eine neuere WHO-Studie hat zudem ergeben, dass in Gabun, Ghana, Kenia, Mali, Moçambique, Sudan und Simbabwe bis zu 90 % der im Handel angebotenen Malariamittel gefälscht oder verfälscht sind. Diese ge- oder verfälschten Medikamente können gemäss dieser Studie sogar potentiell tödlich sein! Nach diesem Bericht war für uns klar, wohin das Malasone gehört: in den nächsten Abfalleimer! Wir sind heilfroh, in einer anderen Apotheke ein paar Packungen Malarone zu finden.
Für den Fall weiterer Schlafstörungen gibt er uns milde Schlaftabletten (Piriton). Die Nachforschung bezüglich Piriton ergeben aber, dass es sich dabei nicht um ein Schlafpräparat, sondern vielmehr um Allergietabletten handelt. Demzufolge finden auch diese Tabletten den Weg in den Abfalleimer. Wieder einmal sind wir froh, Helens Skepsis nachgegangen zu sein.
Dank der Reisehinweise vom EDA und den Auswärtigen Ämtern von Deutschland und Österreich sind wir in der Cairo Road besonders vorsichtig. Zu Recht, denn es versuchen Trickdiebe, uns zu bestehlen. Während ein Mann Markus an beiden Händen festhält, versucht der andere Mann ihm von hinten in seine Hosentaschen zu greifen. Weil aber Markus seine Hände und Arme fest an den Körper presst, müssen sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dass man auch auf dem Campingplatz nicht sicher ist, erfahren wir bereits in der ersten Nacht, als jemand an allen Türen versucht, sie zu öffnen, und als Helen einmal das Shampoo in der Dusche einen Augenblick ausser Acht lässt, ist es sofort weg.
Die Rückfahrt ins Camp legen wir zum Teil in einem Sammeltaxi und zum Teil in einem privaten Taxi zurück, dessen beide Fahrer uns übers Ohr zu hauen versuchen. Aber auch wir haben bisher in Afrika erfahren, dass wir uns wie Einheimische für unser Recht einsetzen müssen. Somit gehen beide Fahrer ohne „Touristenzuschlag“ heim.
Der Campingplatz Eureka wird übrigens nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren besucht. Nicht schlecht staunen wir, als plötzlich eine Herde Zebras um den Santi schleicht, und Antilopen über die Wiesen hüpfen. Nachdem Panther die letzten Wochen vor allem mit Schlafen und Ausruhen verbracht hat, klettert er heute auch aus dem Auto heraus und bestaunt die gestreiften Tiere, welche auch an ihm grosses Interesse zeigen. Nach langen Verhandlungsgesprächen mit den Zebras beschliesst Panther glücklicherweise trotzdem, bei uns zu bleiben.
Die Nächte werden kühl, und die Verhandlungen mit den Zebras haben uns ermüdet. Wir verbringen deshalb den Abend im Auto und freuen uns, dass wir noch immer zu dritt sind. Der Rücken von Markus bessert sich langsam und wir planen die Weiterfahrt. Als wir am Planen sind, rollt plötzlich ein riesiger roter Lkw der Rotelgruppe heran. Auf dem Lkw lassen sich tagsüber 32 Touristen umherfahren, die Nächte verbringen diese Leute in kleinen und schmalen voneinander abgetrennten Kojen. Es handelt sich zumeist um ältere Menschen, welche für rund 3 Wochen zusammen durch Sambia, Botswana und Namibia reisen. Für uns ist es unvorstellbar, in drei Wochen mit so vielen Leuten mit so wenig Platz und Privatsphäre auf so kleinem Raum eine so grosse Distanz zurückzulegen.
Am 28. Mai marschieren wir frühmorgens zur Hauptstrasse, wo wir ein Sammeltaxi anhalten und bis nach Lusaka ins Zentrum fahren. Dort wechseln wir in ein Stadttaxi und lassen uns zur moçambikanischen Botschaft kutschieren. Nach 20 Minuten erreichen wir die Botschaft, in welcher eine Frau bereits seit 45 Minuten auf die Herausgabe ihres Passes bzw. auf den Visumsbeamten wartet – dies, obwohl die Botschaft offiziell um 8.00 Uhr öffnet…Während dem gemeinsamen Warten auf den Beamten erzählt die Frau, dass sie seit einer Woche auf das Visum für Moçambique warte. Mit nur rund einer Stunde Verspätung erscheint der Beamte und erklärt ihr, dass er ihr das Visum nicht ausstellen könne, weil er keine Sticker mehr habe. Er händigt ihr den Pass und das Antragsformular aus und meint, dass sie damit an der Grenze mit etwas Glück das Visum erhalte, wenn sie über Maputo einreisen würde. Uns dagegen erklärt er, dass ein Grenzübertritt beim von uns favorisierten Grenzposten „Cassacatiza“ mit dortiger Visumsausstellung nicht möglich sei. Dies deswegen, weil man für die Bearbeitung des Visumsantrages in jedem Fall 5 Arbeitstage warten müsse und das Visum auch dann nur ausgestellt werde, wenn die Sticker vorhanden seien. Er rät uns deshalb, lieber in Lusaka den Visumsantrag auszufüllen, die Pässe bei ihm zu lassen und uns nach einer Woche zu erkundigen, ob die Sticker eingetroffen seien. Irgendwie ist es uns zu dumm, nochmals eine Woche in Lusaka mit Warten zu verbringen und wir entscheiden uns, das Risiko einzugehen und zu versuchen, in Cassacatiza die Grenze nach Moçambique zu passieren.
29. Mai 2008
Bevor wir heute Richtung Osten losfahren, füllen wir unsere Vorräte im Shoprite auf. Während Helen das Auto bewacht und Markus den Grosseinkauf im Shoprite erledigt, wirft sich neben ihm plötzlich ein Mann mit Wehklagen auf den Boden. Dies wohl in der Hoffnung, dass Markus ihm aufhelfen würde und dieser Mann ihm dabei in die Taschen greifen würde… Weil Markus sich aber nichts anmerken lässt, steht der Mann doch tatsächlich kurz darauf wieder auf. Danach geht es auf der Great East Road zuerst quer durch Lusaka in Richtung Osten. Die Fahrt geht bei klarem blauem Himmel auf einer sehr guten Teerstrasse durch hügelige, unendliche Wälder. Eine wahre Wohltat für das Auge. In Kacholola besichtigen wir an einem herrlichen Aussichtspunkt auf die hohen Berge von Moçambique ein verfallenes Hotel. Wir können nicht verstehen, warum der Besitzer dieses Hotel aufgegeben hat. Einerseits liegt es ideal an einer wichtigen Fernstrasse, und andererseits liegt dieses Hotel in der Natur eingebettet mit einer wunderbaren Aussicht. In unseren Gedanken schmieden wir schon Übernahme- und Renovierungspläne… Ein Prachtshotel würde entstehen, wenn es in unseren Händen liegen würde.
Um fünf Uhr erreichen wir das Brigde Camp. Dieses begeistert uns aufgrund seiner herrlichen Lage am Sambesi und der interessanten Reception. Wir sind froh, dass wir die Nacht in unserem Auto verbringen – die Chalet machen keinen besondern vertrauenswürdigen Eindruck auf uns. Nach einem Picknick neben dem Sambesi verkriechen wir uns in unseren Schlafsäcken und hören während der ganzen Nacht unzählige Leute quer durch den Campingplatz marschieren. Uns ist nicht klar, wohin all diese Leute so spät unterwegs sind.
30. Mai 2008
Die morgendliche kurze Besichtigung des Bridge-Markets ist interessant. Auf der einen Strassenseite stehen Korbmacherbuden, auf der anderen Strassenseite werden geräucherte Fische verkauft. Man kann sich sicher gut vorstellen, wie sich der penetrante Fischgeruch im Laufe der Zeit in den Korbmaterialien festsetzt.
Wenig später erreichen wir die Hängebrücke über den Luangwa. Wir wechseln einige Worte mit dem Brückenwächter und fahren langsam darüber. Da das Fotografieren von öffentlichen Bauten verboten ist, spazieren wir über die Brücke zurück und fragen den Brückenwächter und die dort stationierten Soldaten um Erlaubnis, dieses schöne Bauwerk fotografieren zu dürfen. Wie selbstverständlich bejahen sie unser Vorhaben. Als wir von der Schönheit und Einzigartigkeit dieser Landschaft schwärmen, erklärt uns ein Soldat, dass die Landschaft zwar wundervoll sei, die Menschen hier aber das Wasser des schmutzigen Luangwa trinken müssen. Für uns ist es unvorstellbar, diese grünbraune Brühe in die Nähe unseres Körpers zu lassen, geschweige denn zu trinken. Beim Zurücklaufen über die Brücke bemerken wir gewisse Bau- und Planungsfehler der Brücke. Sie ist zu wenig stabil für die schweren Lkws und wird in einigen Jahren bestimmt in der Mitte einstürzen. Ein zufällig darüber fahrender Lkw beweist unsere Theorie: Die Brücke vibriert und schwankt – die Interferenzen werden irgendeinmal zuviel sein. Das Luangwa-Tal ist übrigens ein sehr heisser Ort: Heute z.B. kühle 35° C!
Weiter geht es durch hügelige Wald- und Buschlandschaften. Wir freuen uns über jeden Baobab, der unseren Weg kreuzt. Am Wegesrand stehen viele handgefertigte Holztüren zum Verkauf. Wer eine neue Haustüre braucht, sollte unbedingt diese Strecke wählen!
Unterwegs sehen wir von weitem ein komisches Gefährt mit zwei Weissen: ein Tandem! Nach einem Gespräch stellt sich heraus, dass Berward Elsel von Aachen (Deutschland) nach Kapstadt fährt und unterwegs Leute mitnimmt, die gerne etwas in die Pedalen treten möchten. Wir tauschen unsere Koordinaten aus und der Niederländer, der den Deutschen begleitet, macht uns darauf aufmerksam, dass die von uns geplante Strecke zur moçambikanischen Grenze (Cassacatize) äusserst schwierig zu befahren bzw. nur mit einem Allradfahrzeug zu befahren sei, und dass dort keine Visa ausgestellt würden.
Wir passieren viele kleine Ortschaften und halten bei Nymbia an, um die kaputten Glassicherungen zu ersetzen – es haben nämlich fast alle Glassicherungen den Geist aufgegeben. Leider gab es die Glassicherungen weder in Lusaka noch unterwegs noch in Nymbia. Die Ladenbesitzer erweisen sich als sehr hilfsbereit und bedauern, uns nicht weiterhelfen zu können. Dafür gibt es dort ein Cosmetic-Center, das uns zum Schmunzeln brachte. Nachdem wir an etlichen Bananenpalmen vorbeigefahren sind, entschliessen wir uns, eine Bananenstaude zu kaufen. Die Bananen sind ganz grün, und es stellt sich heraus, dass es sich um Kochbananen handelt, die zwischen fünf und zwanzig Minuten gekocht werden müssen. Obwohl der Geschmack der Kochbananen überhaupt nicht bananig ist, sondern jenem der Kartoffeln ähnelt, freut es uns, etwas Einheimisches probiert zu haben. Seit einiger Zeit fällt uns von weitem ein kleiner Hügel auf, der aus einer grossen Ebene herausragt. Wie wir anhalten, um ihn zu fotografieren, entdecken wir einen alten Mann, der einen riesigen Korb flechtet. Leider können wir uns trotz Zuhilfenahme der Hände und Füsse kaum verständigen, aber interessant ist die Begegnung trotzdem.
31. Mai 2008
Entgegen den Ratschlägen unseres Reiseführers, des moçambikanischen Botschafters in Lusaka und des Niederländers machen wir in Katete rechts kehrt und fahren südlich in Richtung Moçambique. Die Teerstrasse ist in einem sehr guten Zustand, und schon bald stehen wir am Schlagbaum. Sicherheitshalber erkundigen wir uns an der sambischen Grenze, ob wir am moçambikanischen Grenzposten ein Visum erhalten würden, worauf der Grenzbeamte etwas verwundert meint, selbstverständlich würden dort Visa ausgestellt. Der moçambikanische Grenzwächter fragt uns dann einige Meter später,...
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