Rotes Meer

"Da wir die Sprache der Fische nicht verstehen, können wir kein Sprichwort des Roten Meeres publizieren."

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Datum:

5. Oktober 2008 bis 11. Oktober 2008

Strecke:

 1'288 km

Diesel:

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Währung:

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Visum:

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Route:

Port Sudan (Hafen in Sudan) - entlang der sudanesischen und ägyptischen Küste - Al Aqabah (Hafen in Jordanien)
Klima:

Temperaturen:

Sonnentage:

Regentage:

Durchzogene Tage:

Ø 25° C  bis Ø 35° C

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Fotoalbum

Tagebuch

5. Oktober 2008

Der Platz auf der 40-jährigen "Khaled H." ist arg begrenzt, und uns stockt beinahe der Atem, wie der Kran unser temporäres Zuhause dreht und langsam absenkt. Wir beide befinden uns schon an Bord und beten nur noch, dass unser Auto heil an Bord gelangt. Mehrere Männer ziehen, drehen und stossen den Santi in die richtige Position und tatsächlich ohne einen einzige Beule auf dem Schiffsgang abgesetzt. Damit die Netze unter den Rädern hervorgeholt werden können, muss Markus zuerst wie ein Affe durch das offene Seitenfenster auf den Fahrersitz klettern. Mit Hilfe des Kapitäns Hassan Arnauot und Al Hadi Hassan steuert er den Santi zentimetergenau vorwärts und rückwärts, damit die Hafenarbeiter die Netze wegnehmen können. Wie der Kran die Netze emporhebt und sich abdreht, atmen wir auf. Jetzt gilt es nur noch, den Santi möglichst nahe an die Bordwand zu manövrieren, die Handbremse anzuziehen und das Auto von den Matrosen festzurren zu lassen. Zum Glück fotografiert und filmt Helen das gesamte Szenario.

Wie der Santi sicher an seinem Platz steht, werden wir von Hassan Arnauot und Al Hadi Hassan zum Essen in der Kapitänskabine eingeladen. Es gibt frischen, vom Bruder des Kapitäns heute Vormittag gefangenen Fisch - direkt vom Grill! Dazu einen feinen Salat und warmes Fladenbrot. Eine wahre Wohltat für unsere Gaumen! Bald darauf wird es dunkel, und - wie schon gestern - stellen die Hafenarbeiter ihre Arbeiten ein. Wir verbringen deshalb einen geruhsamen Abend auf dem Frachtschiff und geniessen die Abendstimmung.

6. bis 11. Oktober 2008

Während der Nacht hat direkt hinter uns ein grösseres Frachtschiff angelegt. Heute Vormittag breiten Hafenarbeiter direkt neben diesem Frachtschiff grosse Plachen auf dem Boden aus. Ein Arbeiter hat dann wohl die Aufgabe, die Plachen zu desinfizieren, aber seine Auffassung von Gründlichkeit ist nur schwer nachzuvollziehen. Er läuft kreuz und quer über die Plachen und desinfiziert rein nach Gutdünken. Zugegeben, ganz Unrecht hat er nicht, denn kurze Zeit später fahren Lastwagen mitten auf die Plachen, und die Hafenarbeiter laden dicke und schwere Baumwollballen ab. Die Szenerie erscheint uns etwas gespenstisch, denn die Kleidung der Arbeiter besteht - wie bei den meisten Sudanesen - nur aus einem weissen Nachthemd. Während die Baumwollballen abgeladen werden, verzurren die Matrosen der "Khaled H." die letzten Lastwagen. Wir beobachten die Szenerie gespannt und hoffen, dass wir bald auslaufen können.

Dann endlich kommt vom Customs-Officer die Startfreigabe. Rasch und herzlich verabschieden wir uns von Al Hadi Hassan, der uns dieses Abenteuer ermöglich hat, und schon zieht uns ein Schlepper vom Quai weg. Langsam tuckern wir aus dem Hafengelände, und bald schon befinden wir uns allein auf weiter Flur.

   Al Hadi Hassan in unserer Mitte

Die neunköpfige Mannschaft ist überaus freundlich und zuvorkommend. Alle bemühen sich sehr um uns und haben Freude, Gäste an Bord zu haben. Der Schiffskoch verwöhnt uns mit feinem, währschaftem und vitaminreichem Essen, der Kapitän mit Leckereien, und auch die anderen Matrosen sind sehr um unser Wohl bemüht. Wir dürfen überall hin und dürfen alles anschauen. Auch auf der Brücke sind wir immer willkommen, und der Kapitän wie auch der 1. Offizier erklären uns gerne die technischen Geräte und wissen manch interessantes über die Schiffahrt zu berichten. Es ist eine wahre Freude und Ehre, Gast auf diesem Frachtschiff zu sein! Wir sind glücklich, die Chance zu haben, auf diese Art von Sudan nach Jordanien zu fahren.

Auch wenn das Rote Meer nicht so offen ist wie der Atlantik oder der Pazifik, so weist er doch eine genügend grosse Fläche auf, um mit erheblichen Wellen aufzuwarten. Anfangs finden wir die Schaukelei noch recht amüsant, doch je weiter wir nördlich vordringen, desto intensiver wird das Stampfen und Schlingern des Frachtschiffes. In der Nähe von Râs Banas ankern wir fast einen ganzen Tag und warten ein Abflauen des starken Windes und des von ihm hervorgerufenen Wellenganges ab. Wie uns der Kapitän erklärt, fegt momentan ein Sturmtief über Europa hinweg, dessen Ausläufer sich bis zum Roten Meer bemerkbar machen. Die Wartezeit wird etwas verlängert, da sich der Anker irgendwo festgehakt hat, und die Mannschaft eine gute Stunde braucht, um ihn zu befreien. Der Wellengang nimmt im weiteren Verlauf unserer Reise entlang der ägyptischen Küste tatsächlich nicht ab. Unser Lieblingsplatz auf dem ersten Deck im überdachten Heckbereich müssen wir aufgeben, da die Stühle umzukippen drohen. Wir verziehen uns deshalb in unsere Kabine. Diese rund 5 m2 grosse Kabine wird normalerweise vom 1. Offizier bewohnt; er hat sie für uns geräumt. Der Platz ist eng begrenzt, und es fällt uns nicht sehr leicht, zu zweit in einem ein Meter breitem Bett zu schlafen. Aber man gewöhnt sich an vieles, und so fühlen wir uns auf der "Khaled H." zwar nicht wie zuhause, aber - abgesehen von der Schaukelei - dennoch sehr wohl. Nur ab und zu ärgern wir uns etwas über die unzähligen Kakerlaken, die uns bisweilen auch in der Nacht nicht in Ruhe lassen. Den ganzen Tag über müssen wir unsere Klimaanlage auf vollen Touren laufen lassen, da sich die beiden Luken nicht öffnen lassen, und die Sonne die Kabine sonst unbarmherzig wie einen Backofen erhitzen würde. Leider hat die Klimaanlage schon bessere Tage gesehen, denn das Kondenswasser tropft beinahe im Sekundentakt der Wand entlang auf den Boden. Um einer Überschwemmung der Kabine vorzubeugen, versuchen wir mehr oder weniger erfolgreich, das Kondenswasser mit einer Schüssel aufzufangen. Nachdem wir zudem die klappernden Schiebetüren eines Kästchens mit WC-Papier isoliert haben, stört lediglich noch das laute Brummen des Motors unseren Schlaf. Aber vielleicht macht dies gerade den Reiz eines Frachtschiffes aus.

Unbesehen von der Schaukelei erkunden wir das gesamte Frachtschiff. Ausser dem Maschinenraum bleibt uns nichts verborgen. Schon nach wenigen Spaziergängen kennen wir das Frachtschiff wie unsere Westentasche. Auch die Besatzung bleibt von uns nicht verschont - oftmals am Tag kreuzen sich unsere Wege. Von den aufmerksamen Männern erhalten wir zum Zeitvertreib DVDs, zum Essen Halwa, Thunfisch- und Sardinendosen, zum Trinken Mango- und andere Fruchtsäfte, und zum Waschen sogar Seife und Waschpulver. Da die "Khaled H." nur zu 6% beladen ist und somit nur wenig Tiefgang aufweist, bringen sie bereits kleine Wellen zum heftigen Schaukeln. Der starke Wind trägt das Seine dazu bei, und bereits nach zwei Tagen müssen der Santi und die Lastwagen fester verzurrt werden. Die Fahrzeuge haben es aber vergleichsweise gut, denn im Gegensatz zu uns müssen sie nicht mit dem Gleichgewicht kämpfen. Die Mannschaft schmunzelt oft über unsere unfreiwilligen Tanzeinlagen...

Die ganze Fahrt über hängen zwei Leinen vom Heck aus ins Wasser. Nicht nur Fischers Fritz fängt frische Fische, sondern auch die "Khaled H.". Und tatsächlich: Nach drei Tagen entdecken wir vom Oberdeck plötzlich einen zappelnden Fisch. Wir packen unsere Kamera und rennen los, um die Mannschaft zu informieren. Ruhig und gelassen macht sich der 1. Offizier auf den Weg von der Brücke zum Heck. Langsam und gemächlich zieht er die lange Leine an Deck. Mit der Zeit wird klar, dass wir ein über ein Meter grosser Fisch gefangen haben - uns läuft bereits das Wasser im Mund zusammen! Doch leider etwas zu früh, denn die Langsamkeit des 1. Offiziers macht sich nicht bezahlt. Der Fisch kann sich nur wenige Meter von der Reling entfernt vom Haken befreien und hüpft ins Meer zurück.Wir sind masslos enttäuscht, handelt es sich doch gemäss Aussage des Kapitäns um einen hervorragenden Speisefisch! Nun müssen wir uns halt weiterhin mit gegrilltem Fisch aus der Tiefkühltruhe zufrieden geben. Aber auch dieser schmeckt hervorragend - nicht zuletzt dank dem guten Schiffskoch.

Eines Morgens teilt uns der Kapitän mit, dass leider kein sauberes Wasser mehr vorhanden ist. Dabei erklärt er uns, dass er am frühen Morgen den Befehl gab, einen Ballasttank mit Seewasser aufzufüllen. Der damit beauftragte Matrose verwechselte aber leider den Salzwassertank mit dem Süsswassertank (unser Trinkwasser!) und bemerkte seinen Irrtum erst, als das unterste Deck unter Wasser stand. Wohl ist jetzt die "Khaled H." perfekt austariert, aber unseren Durst und Hunger mit Salzwasser zu stillen, macht wenig Spass. Zum Glück haben wir in unserem Santi volle Trinkwassertanks, so dass wir weiterhin gutes Wasser trinken können. Der Schiffskoch jedoch kann ab sofort nur noch ohne Wasser kochen. Es gibt deshalb nur noch Brot, Fisch, Salat, Bohnen und Pasten. Uns stört es wenig, da wir spätestens in zwei Tagen im Hafen von Al Aqabah einlaufen sollen. Der Matrose jedoch zahlt für seine Gedankenlosigkeit einen hohen Preis: Er wird in Al Aqabah nach Hause geschickt, sprich fristlos entlassen!

Wir nutzen die Zeit auf dem Schiff nicht nur mit dem Auskundschaften unseres temporären Zuhauses, sondern auch mit der Erledigung diverser Schreibarbeiten. Zudem relaxen wir und geniessen es, nicht selber kochen zu müssen.

Beim Einlaufen in den Golf von Aqabah verengt sich das Meer schlagartig. Die saudische und die ägyptische Küsten sind nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Auf beiden Seiten säumen Korallenriffe die Küstenlinien, und die Fahrrinne ist nur gerade 500 Meter breit, was eine hohe Konzentration des Kapitäns erfordert. Auf der saudischen Seite ankern nur ein paar wenige Jachten im türkisblauen Meer. Die Küste von Sharm es Sheik dagegen wird von unzähligen Motorbooten belagert. Diese Boote warten bei den Riffen, bis die Schorchler und Taucher sich wieder zum Hotel zurück fahren lassen wollen. Zum Teil warten bis zu zehn Motorboote auf engstem Raum - man kann sich ja vorstellen, wie es unter Wasser aussieht. Da sieht man wohl vor lauter Menschen die Fische nicht mehr... Wir sind froh, dieses Szenario vom Frachtschiff aus betrachten und kommentieren zu können!

Der Kapitän der "Khaled H." ist ein Unikum. Man trifft ihn kaum ohne Kaffeeglas und glimmender Zigarette. Er heisst uns aber zu jeder Zeit auf der Brücke willkommen und zeigt und erklärt uns geduldig die verschiedenen Instrumente und Anzeigen. Zum Teil sind die Anzeigen so alt, dass sie nicht mehr funktionieren. Mit der Zeit wurden diese Anzeigen durch neue Anzeigen ersetzt, die auf einem separaten Kasten montiert wurden. Nicht sehr bedienerfreundlich, aber Hauptsache, man weiss, wo was angezeigt wird!

Im Golf von Aqabah wird das Meer ruhiger, und die "Khaled H." kann Fahrt aufnehmen. Wie wir am Morgen erwachen, fällt uns auf, dass wir langsamer werden. Mit verschlafenen Augen gucken wir durch unser Bullauge und sind im Nu hellwach. Nur noch kurze Zeit, und wir laufen im Hafen von Aqabah ein! Das Meer verengt sich immer wie mehr, und insbesondere auf der saudiarabischen bzw. jordanischen Seite liegen riesige Frachtschiffe und Tanker vor Anker. Auf der gegenüberliegenden, israelischen Seite hingegen können wir nur wenige Schiffe ausmachen. Langsam tuckern wir zur Hafeneinfahrt, und nur wenige Minuten später werden wir von einem Schlepper in die richtige Position am Quai gedrückt. Die Kapitäne der Schlepper wie auch die Hafenarbeiter winken uns erfreut zurück, und begrüssen uns mit einem netten "Salaam!".


Kaum ist die "Khaled H." fest verzurrt, fährt ein sechsachsiger Kranwagen vor. Der Vorarbeiter fragt uns, ob unser Santi als erstes abgeladen werden soll, was wir natürlich bejahen. Dann bleibt uns nur noch, über das enorm hohe Arbeitstempo der jordanischen Hafenarbeiter zu staunen. Während Helen in der Kapitänskabine den Papierkram erledigt, überwacht Markus den Abladevorgang unseres Santis. Nur wenige Minuten werden benötigt, bis der Santi auf dem Quai steht. Die präzise und genaue Arbeitsweise der Hafenarbeiter kann nicht genügend gelobt werden! Nicht nur wir, sondern auch die Gäste des nur wenige Meter von der "Khaled H." entfernten Luxuskreuzers staunen über die raschen Abladevorgänge des Santis und der Lastwagen. Uns bleibt nur noch das rasche Packen unserer Effekten und das herzliche Verabschieden von der Mannschaft.

Für uns waren die vergangenen Tage auf dem Roten Meer ein spannendes, interessantes und einmaliges Abenteuer, welches wir trotz der hohen Kosten nicht missen möchten. Jetzt geht es nur noch darum, unseren Santi aus dem Hafen zu fahren.

 

 

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