Sudan

"Ein grosser Stuhl macht noch keinen König."

(Sprichwort aus Sudan)

Datum:

29. September 2008 bis 5. Oktober 2008

Strecke:

1'062 km

Diesel:

1.05 Pfund/Liter (Port Sudan)

Währung:

1 Sudanesische Pfund = 100 Piaster; 1 US-$ = 2,16 Pfund

Visum:

US-$ 100; in der sudanesischen Botschaft in Addis Abeba ausgestellt

Registrierung in Gallabat: US-$ 70

Route:

Gallabat (Grenze zu Äthiopien) - Gedaret - Kassala - Haya - Port Sudan (Hafen in Sudan)

Klima:

Temperaturen:

Sonnentage:

Regentage:

Durchzogene Tage:

Ø 28° C  bis Ø 38° C

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Fotoalbum

Tagebuch

29. September 2008

Im Immigration Office in Gallabat wird unser Visum zwar sehr rasch abgestempelt, aber zu unserem grossen Erstaunen müssen wir nochmals ein Formular ausfüllen und je ein Passfoto abgeben. Anschliessend werden wir zur Kasse gebeten, denn die nun anstehende Registrierung kostet je US-$ 70. Es ist schon erstaunlich, auf was für Ideen Länder kommen, wenn sie Devisen benötigen! Nach rund eineinhalb Stunden Wartezeit ist die Registrierung erledigt, und nach Bezahlen einer Strassenbenutzungsgebühr von US-$ 7 wird unser Carnet abgestempelt. Endlich können wir auf einer hervorragenden Teerstrasse in den Sudan aufbrechen. Während Markus in heissen Amtsstuben wartete, hat Helen bei sengender Hitze den Santi bewacht. Wir möchten uns vor der Abfahrt bei einem Grenzbeamten über die im Sudan geltenden Höchstgeschwindigkeiten informieren, erhalten aber nur zur Antwort, man dürfe so schnell fahren, wie man wolle bzw. könne. Vorbei an lang gezogenen Sonnenblumenfeldern geht es fast schnurgerade gen Westen, und erst in Gedaret müssen wir uns entscheiden, ob wir in Richtung Khartoum oder nach Port Sudan fahren wollen.

Wir haben im Vorfeld lange überlegt, wie wir Sudan durchqueren wollen. Für Touristen gibt es nur einen einzigen Grenzübergang zwischen Sudan und Ägypten, nämlich Wadi Halfa/Assuan. Den zwischen diesen beiden Orten liegenden Nassersee muss man mit einer Fähre längsweg überqueren, wobei es sich gemäss Schilderungen anderer Reisenden eher um eine momentan noch nicht gesunkene schiffsähnliche Konstruktion handeln soll. Die Fahrzeuge werden auf einem separaten Ponton übergesetzt, wobei dieser Ponton nicht gemeinsam mit der Passagierfähre unterwegs ist. Zudem dürfen keine Personen auf dem Ponton mitfahren, und die Fahrzeuge werden nicht von den Eigentümern, sondern von Mitarbeitern der Fährgesellschaft auf den Ponton gefahren. Dies alles spricht nicht gerade für die von Afrikaquerern üblicherweise gewählte Variante. Wir möchten aber auch nicht unbedingt diese "normale" Strecke fahren, sondern suchen nach einer Alternative. Die Strasse entlang dem Roten Meer wäre zwar fast neu und weist einen sehr guten Teerbelag auf, aber der Grenzposten darf nur von Sudanesen und Ägyptern passiert werden. Bleibt noch die Möglichkeit, sich in Port Sudan nach einem Schiff umzusehen. Uns gefällt der Gedanke, eine etwas ausgefallene Idee auszuleben und etwas Spezielles und Einmaliges zu erleben, weshalb wir uns auf den Weg zu dieser Hafenstadt machen.

Wir fahren also in Richtung Port Sudan und übernachten in Kassala, einer Stadt unmittelbar vor der Grenze zu Eritrea. Wild zu übernachten erscheint uns nicht ratsam, da die Landschaft bis zum Horizont topfeben ist, und unser Dachzelt kilometerweit sichtbar wäre. Zudem sind uns die Sudanesen nicht besondern freundlich gesinnt. An Strassensperren werden wir jeweils herausgewunken und sehr unfreundlich und grob nach einem Dokument gefragt, welches wir gar nicht haben können. Es handelt sich um das Registrierungsformular, welches früher in Khartoum innert dreier Tage seit der Einreise hat abgestempelt werden müssen. Heutzutage aber wird die Registrierung direkt an der Grenze vorgenommen, was die Polizisten an den Strassensperren aber nicht wissen oder wissen wollen. Man kann sich vorstellen, dass es nicht besonders einfach ist, einem nur arabisch sprechenden Polizisten klar zu machen, dass die Registrierung bereits vorgenommen wurde. Eigentlich wäre es kein Problem, da die Registrierung im Pass vermerkt und abgestempelt ist, aber offenbar können oder wollen die Polizisten nicht lesen...

Die von uns angetroffenen Sudanesen sind schwarz. Und zwar richtig schwarz. Aber leider befinden wir uns in einem islamischen Staat, so dass das Fotografieren von Menschen grundsätzlich verboten ist. Jemanden unbemerkt zu fotografieren ist sehr schwierig, da wir überall sofort auffallen wie ein bunter Hund. Offenbar wird die von uns gewählte Strecke sehr selten von weissen Touristen befahren. Nur mit Glück können wir unbemerkt ein paar Personen ablichten.

Kurz vor Kassala, einer grösseren Stadt, welche auf einer Seite von aus der Ebene spriessenden glatten und hohen Granithügeln umgeben ist, werden wir - wir schon oft - von einem Polizeiposten angehalten. Auch hier wird das Registrierungsformular verlangt und der Pass kontrolliert. Wir sind froh, bald in Kassala anzukommen, da uns diese Strassensperren langsam zu nerven beginnen.

Sogleich suchen wir uns ein Hotel, auf dessen Parkplatz wir übernachten können. Leider vorerst mit sehr wenig Erfolg, da wir einerseits kein arabisch sprechen, und die Einwohner von Kassala offenbar keine Fremdsprache beherrschen, und zum anderen, weil wir - aus welchen Gründen auch immer - nicht besonders willkommen sind. Erst als wir die Polizei zu Hilfe nehmen, gibt ein Hotelier klein bei, und wir dürfen zu einem massiv überhöhten Preis (viel höher als ein Zimmerpreis!) auf dem Hotelparkplatz übernachten. Unser Auto in dieser Stadt während der Nacht allein auf einem Parkplatz stehen zu lassen, das hätten wir uns nie getraut! Wenigstens wird uns die Schlafplatzsuche mit einem Sack voll Fladenbrot versüsst, den Helen für ein paar Rappen erstehen kann.

30. September 2008

Frühmorgens fahren wir durch die noch schlafende Stadt und kommen in nördlicher Richtung rasch voran - zumindest, wenn man das übliche Theater an den Strassensperren ausblendet. Die Landschaft nimmt bald einmal wüstenähnliche Formen an, und wir merken rasch, dass wir kurz nach der Regenzeit durch die Gegend brausen. Entlang der Strasse sehen wir mitten in der nubischen Wüste immer wieder Tümpel mit Restwasser, an denen oft Rinder- und Kamelherden getränkt werden. Die Temperaturen steigen langsam aber sicher immer wie mehr an, und bald schon wird die 45 Grad-Marke geknackt. Wir beginnen zu erahnen, was uns im Sudan temperaturmässig erwarten wird!


Fast die ganze Strecke bis nach Port Sudan windet es stark. Etwa 150 km lang haben wir sogar so starken Gegenwind, dass wir nicht mehr schneller als 75 km/h fahren können! In Haya, einer Ortschaft mitten im Nirgendwo, gabelt sich die Strasse, und man hat die Wahl, entweder nach Atbara oder nach Port Sudan zu fahren. Die Kreuzung ist als vierspuriger Kreisel gebaut worden - für uns nicht ganz nachvollziehbar, denn während des gesamten heutigen Tages treffen wir kaum mehr als 30 Fahrzeuge an!

Nur sehr selten wird die landschaftliche Monotonie durch herumstreunende Kamele oder kleine am Strassenrand verstreute Siedlungen unterbrochen. Erst kurz nach Haya erleben wir dank einer langen Umleitung einen Landschaftswechsel. Die Umleitung führt uns nämlich auf einer schmalen und sehr schlechten Teerstrasse durch eine bergige Gegend. Wie wir ein mitten auf der Strasse säugendes Kamel fotografieren, werden wir von einem vorbeifahrenden Automobilisten darauf aufmerksam, dass das Fotografieren hier verboten sei. Offenbar ist im Sudan nicht nur das Fotografieren von Menschen verboten, sondern auch das Fotografieren von Kamelen...


Endlich in Port Sudan angekommen, machen wir uns auf die Suche nach einem Hotel, wo wir den Santi sicher abstellen können. Leider eine sehr schwierige Angelegenheit, da Port Sudan nicht wirklich auf Touristen eingestellt ist. Die meisten Hotels befinden sich direkt an der Strasse und verfügen über keine eigene Parkmöglichkeit - geschweige denn über einen bewachten und abgesperrten Parkplatz. Den Versicherungen der Hoteliers, das Parkieren auf der Strasse sei absolut sicher, schenken wir keinen Glauben. Schlussendlich weist uns ein Einheimischer auf das Hotel Hilton hin, wo wir nach einigen Diskussionen gratis auf dem bewachten Hotelparkplatz übernachten dürfen.

1. Oktober 2008

Wir machen uns auf die Suche nach einem Schiff, welches uns nach Ägypten bringt. Mit der Zeit finden wir heraus, dass es in Port Sudan zwei Häfen gibt, nämlich den Containerhafen im Süden der Stadt, und den Cargohafen im Norden der Stadt. Einen Fährhafen gibt es nicht, und die einzige Möglichkeit, mit einer Fähre nach Ägypten zu gelangen, ist jene, mit einer Fähre nach Jeddah (Saudiarabien) überzusetzen, und sich dann dort nach einer anderen Fähre, welche von Jeddah nach Ägypten fährt, umzuschauen. Für uns keine brauchbare Möglichkeit, da wir für ein saudiarabisches Visum nach Khartoum fahren müssten, und bis wir wieder in Port Sudan eintreffen würden, unser sudanesisches Visum abgelaufen wäre. Dank der Hilfsbereitschaft eines Polizisten wird uns mitgeteilt, die Schifffahrtsgesellschaft Sobat könne uns eventuell weiterhelfen. Ein freundlicher Mitarbeiter von Sobat erklärt uns dann aber, dass keines seiner Schiffe mehr direkt nach Ägypten fahren könne - offenbar eine Folge der Grenzstreitigkeit zwischen Sudan und Ägypten. Schlussendlich landen wir beim Hauptquartier des World Food Program (WFP) der UNO. Dank der gütigen Mithilfe von Roberto de Oliveira, Chef des Hauptquartiers, werden wir mit Al Hadi Hassan zusammengeführt. Dieser teilt uns mit, dass er neben einem Syrier und einem Ägypter Miteigentümer des Frachtschiffes "Khaled H." sei, und dieses Frachtschiff morgen Port Sudan verlassen soll. Nach telefonischer Rückfrage mit dem Kapitän bietet er uns an, auf seinem Frachtschiff zusammen mit unserem Santi nach Al Aqabah in Jordanien zu fahren. Obwohl wir eigentlich lieber direkt nach Ägypten gefahren wären, nehmen wir sein Angebot dankend an, denn wir sind froh, überhaupt ein Schiff gefunden zu haben. Das Hauptproblem ist nämlich das Fest anlässlich des Endes vom Ramadan. Dieses Fest führt zu einem Stillstand fast des gesamten Lebens in Port Sudan (und wohl auch im restlichen Sudan) für fünf Tage.

Roberto de Oliveira organisiert uns mit Hilfe eines Mitarbeiters zudem eine Unterkunft, wo wir sicher übernachten können. Die Unterkunft entpuppt sich als geräumige Wohnung, die wir für US-$ 80 für einen Tag mieten können. Wir sagen zu, suchen aber am Nachmittag nach einem sicheren Ort, wo wir den Santi parkieren können. Nach einer langen Suche müssen wir einsehen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als das Auto vor der Wohnung abzustellen. Wenigstens meint ein netter Nachbar, er würde auf unser Auto aufpassen. Doch wie der Vermieter mit rund zwei Stunden Verspätung erscheint, um uns den Schlüssel zu übergeben, fordert er plötzlich zehn Dollar mehr und meint, er würde die Wohnung nur für vier Tage vermieten. Wir sind derart erbost, dass wir wieder abfahren. Wir hoffen, dass wir beim Hauptquartier des World Food Programs schlafen können, doch leider entspricht dies nicht deren Policy. Ein freundlicher Mitarbeiter zeigt uns aber den Weg zur katholischen Kirche, und wenige Minuten später können wir dank der momentanen Ramadan-Ferien unser Dachzelt mitten auf dem Pausenplatz der von der katholischen Kirche geführten Schule namens "Comboni" aufstellen.

2. Oktober 2008

Dass an Schlaf leider nicht wirklich zu denken war, zeigt die im Santi eingebaute Temperaturanzeige. Um halb acht Uhr schon dreissig Grad, und um zehn Uhr bereits über 42 Grad - im Schatten, wohlgemerkt! Zudem ist auch die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Aber offenbar haben wir Glück, denn zwei Wochen vor unserer Ankunft soll es um die 52 Grad gewesen sein! Da wir ein solches Klima nicht wirklich gewohnt sind und wir nicht wissen, wie wir dieser Hitze begegnen sollen, entscheidet Helen kurzerhand, heute ihre langen und luftigen Pyjamahosen nicht auszuziehen.

Am Vormittag erscheint Al Hadi Hassan und holt Kopien von unseren Pässen und des Carnets sowie das Original des sudanesischen Einfuhrverzollungsformulars ab, um die Konnossemente zu erstellen und die Verschiffung vorzubereiten. Nach seinem Besuch gehen wir einkaufen, damit wir auf dem Frachtschiff nicht verhungern müssen - schliesslich haben wir unter anderem mit dem Argument, unsere eigenen Lebensmittel zu brauchen, die Kosten gedrückt. Natürlich wird das Frachtschiff nicht nur mit uns über das Rote Meer fahren; es wird auch mit etlichen Lastwagen beladen sein. Da momentan aber auch im Hafen von Port Sudan Ferienstimmung herrscht, dauert das Beladen unheimlich lange. Al Hadi Hassan teilt uns am Abend mit, dass wir erst morgen auslaufen werden. Wenigstens scheint die Einreise in Jordanien zu klappen, denn er gibt uns die E-Mail-Adresse seines Agenten in Al Aqabah, an den wir Kopien unserer Pässe und des Carnets schicken sollen. Schliesslich wollen wir nach unserer Ankunft in Al Aqabah keine Schwierigkeiten mit dem Erhalt eines jordanischen Visums haben. Der Agent von Al Hadi Hassan soll uns bei allen Formalitäten, Fragen und organisatorischen Belangen behilflich sein. Insbesondere soll er dafür besorgt sein, dass wir schnellstmöglich eine Fähre nach Ägypten erwischen. Hoffentlich arbeitet er etwas schneller als die sudanesischen Hafenarbeiter!

Wir sind bereits zu müde, als dass wir noch heute ein Internetcafé suchen wollen, und gehen schlafen. Leider hat es nicht allzu sehr abgekühlt, und uns steht eine weitere heisse Nacht auf dem Schulgelände bevor. Wir schlafen nicht nur mit offenen Fenstern, sondern auch mit offenen Türen, damit möglichst viel Luft durch das Auto und das Dachzelt zirkulieren kann. Aber leider bewegt sich kein Lüftchen, so dass wir mit Schweissperlen übersät Schlaf zu finden versuchen.

3. Oktober 2008

Heute warten wir fast den ganzen Tag auf das Telefonat von Al Hadi Hassan, dass wir zum Hafen fahren sollen - leider vergebens. Statt den erwarteten und versprochenen Anruf von Al Hadi Hassan beantworten zu können verbringen wir die Zeit damit, einen langen Spaziergang zu machen und etwas mit dem Pfarrer zu plaudern. Als dann noch eine nette Nonne mit uns über Gott und das Leben philosophiert, sind wir froh, als es langsam Nachmittag wird. Endlich können wir das E-Mail nach Jordanien schicken. Wir haben Glück, wenigstens am Nachmittag ein geöffnetes Internetcafé zu finden, denn heute ist Freitag, und an einem Freitag haben prinzipiell alle Läden (inkl. Internetcafés) geschlossen.

Wie wir uns anschliessend bei Al Hadi Hassan nach dem Stand der Dinge erkundigen, erklärt er uns, bald vorbeizukommen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wir warten lange, bis er kommt, sehr lange. Die Warterei zermürbt uns, und irgendwann liegen wir auf dem Betonboden bzw. sitzen auf einer Holzbank und dämmern vor uns hin. Um zehn Uhr abends wird es uns zu blöd, und wir haken telefonisch nach. Er entschuldigt sein Nichterscheinen mit dem enormen administrativen Aufwand, mit dem er am Hafen zu kämpfen habe, verspricht jedoch, dass unser Santi morgen Vormittag verschifft werde.

4. Oktober 2008

Um halb elf Uhr ist es endlich soweit: Wir fahren zum Hafen. Dort werden wir von einem von Al Hadi Hassan organisierten Agenten erwartet. Er soll uns beim Ausreiseprozedere behilflich sein. Ohne seine Hilfe würden wir übrigens noch immer im Hafen von Port Sudan herumirren. Während Helen den Santi bewacht und das Mittagessen zubereitet, fährt Markus gemeinsam mit dem Agenten in die Stadt, um einen bestimmten Beamten zu finden - offenbar kennt sich nur dieser Beamte mit dem Carnet aus... Eigentlich ist dem Agenten die Anwesenheit von Markus zuwider, aber unsere Pässe und unser Carnet lassen wir nicht aus unseren Händen. Leider ist der Beamte weder zu Hause noch im Büro anzutreffen, sondern hält sich an einem unbekannten Ort auf. Also fahren sie zurück in den Hafen und suchen diverse Büros auf. Viele Beamte stempeln noch mehr Formulare ab, bis irgendeinmal der Prozess ins Stocken gerät. Offenbar haben die Beamten plötzlich keine Lust mehr, uns den Sudan verlassen zu lassen. Rund eineinhalb Stunden wartet Markus in einem Büro, bis endlich Al Hadi Hassan erscheint. Dank ihm arbeiten die Leute plötzlich wieder, und eine gute Stunde später (und nachdem der Agent zusammen mit Markus bei der Hafenpolizei und einem Kopierbüro im Stadtzentrum war) dürfen wir endlich mit dem Santi in das Hafengelände einfahren und neben dem Frachtschiff "Khaled H." parkieren.

Der Kapitän der "Khaled H." Namens Hassan Arnauot lädt uns in seine Kabine ein und offeriert uns als Erfrischung gekühlte Getränke und einen kleinen Snack. Dabei erzählt er uns, dass er und seine Angehörigen ursprünglich aus Albanien stammen und vor etlichen Jahren nach Syrien ausgewandert sind. Voller Stolz zeigt er uns umgehend ein Video seiner Familie, wie sie mit ihm einige Tage auf der "Khaled H." verbringt. Er erklärt uns, wie er das Frachtschiff vor fünf Jahren übernommen hat, und dass er mit dem Frachtschiff üblicherweise Häfen in Sudan, Jordanien, Ägypten und Syrien anfährt.

Danach heisst es wieder einmal warten. Und zwar lange. So lange, bis die Hafenarbeiter genug haben vom Arbeiten. Denn pünktlich um halb acht Uhr abends gehen sie nach Hause und lassen unseren Santi zusammen mit ein paar Lastwagen auf dem Quai stehen. Wir stehen vor dem Frachtschiff und fragen uns, wo wir die Nacht verbringen sollen. Von einem Mitarbeiter des Immigration Offices wird uns mitgeteilt, dass es uns nicht erlaubt sei, an Bord der "Khaled H." zu gehen. Da wir unsere Pässe eben diesem Mitarbeiter abgeben müssen, können wir das Hafengelände nicht verlassen. Also müssen wir im Santi schlafen, was uns nicht weiter stört. Rund eine Stunde später erscheint der Immigration-Mitarbeiter wieder und teilt uns mit, dass die sudanesische Behörde unsere Pässe nicht akzeptiere. Markus packt Helen am Kragen, damit sie dem Mitarbeiter nicht gleich den Hals umdreht. Zum Glück erkennt Al Hadi Hassan sofort unser Problem und nimmt die Angelegenheit in seine Hände - und plötzlich sind unsere Pässe wieder in Ordnung. Dank seiner Unterstützung und der raschen Hilfe klappt es dann doch noch, und wir erhalten den sudanesischen Ausreisestempel in unsere Pässe gedrückt.

Wir wechseln noch ein paar Worte mit dem Kapitän der "Khaled H.". Er erklärt uns mit einem schalkigen Lächeln, dass die sudanesischen Hafenarbeiter sehr genau arbeiten. Zumindest betreffend ihren Pausenzeiten. Pünktlich um zehn Uhr geht es in die Frühstückspause, um halb ein Uhr in die Mittagspause, um halb acht Uhr nach Hause, und die Gebetszeiten werden selbstverständlich auch nie vergessen... Offenbar wird im Hafen von Port Sudan weltweit am langsamsten gearbeitet - ein trauriger Rekord!

Wir parkieren unser Auto etwas abseits des Quais und liegen um halb zehn Uhr im Dachzelt. Leider ist an Schlafen nicht zu denken, denn bald einmal werden wir von Al Hadi Hassan geweckt. Er erscheint in Begleitung eines hohen Polizeioffiziers. Sie teilen uns mit, dass wir nicht auf dem Hafengelände schlafen dürfen. Zivilisten müssen den Hafen des Nachts verlassen. Da unsere Pässe noch immer im Immigrations Office sind (und es bis morgen sein werden), dürfen wir den Hafen aber nicht verlassen. Also einigen sich die beiden, dass wir auf der "Khaled H." schlafen sollen. Wir siedeln deshalb auf das Frachtschiff über, wo wir die Nacht verbringen.

5. Oktober 2008

Nach einer kurzen und nicht sehr schlafreichen Nacht gehen wir von Bord, um die wichtigsten Utensilien zusammenzupacken, die wir für unsere Fahrt nach Jordanien auf dem Frachtschiff benötigen werden. Wie wir warten, werden wir Zeuge von der Arbeitseinstellung der sudanesischen Hafenarbeiter. Sie haben es überhaupt nicht eilig, sondern zeigen sehr deutlich, dass sie unheimlich viel Zeit haben. Nicht nur wir ärgern uns darüber, sondern auch Al Hadi Hassan und der Kapitän der "Khaled H." nerven sich gewaltig. Bloss, was nützt es? Wenigstens sind sich die beiden das formalistische Prozedere und das lange Warten gewohnt und nehmen es mit Galgenhumor. Wir kochen auf dem Quai gemütlich unser Mittagessen und sind froh, am späteren Nachmittag endlich das Zeichen zu erhalten, zur "Khaled H." zu fahren. Unter der Anleitung von Al Hadi Hassan und dem Kapitän der "Khaled H." werden dem Santi Netze unter die Räder gelegt, und bald schon hebt der Kran, dessen Einsatz pro Stunde US-$ 800 kostet, den Santi langsam an. Im Zeitlupentempo schwebt unser Santi zehn Meter über dem Boden in Richtung der "Khaled H.".

  

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