Äthiopien

"Je kleiner die Eidechse, umso grösser ihre Hoffnung, ein Krokodil zu werden."

(Sprichwort aus Äthiopien)

Datum:

12. September 2008 bis 29. September 2008

Strecke:

1'738 km

Diesel:

6.90 Birr/Liter (Addis Abeba) bis 6.98 Birr/Liter (Gondar)

Währung:

1 Birr = 100 Cents; 1 US-$ = 9.6823 Birr

Visum:

US-$ 20; in der äthiopischen Botschaft in Nairobi ausgestellt

Route:

Moyale (Grenze zu Kenia) - Yabelo - Awasha - Sashamene - Addis Abeba - Entoto-Berge - Addis Abeba - Dejen - Bichena - Mota - Bahir Dar - Gondar - Azezo - Metemma (Grenze zu Sudan)

Klima:

Temperaturen:

Sonnentage:

Regentage:

Durchzogene Tage:

Ø 14° C  bis Ø 26° C

5

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7

Fotoalbum

Tagebuch

12. September 2008

Müde von der langen Fahrt queren wir den äthiopischen Schlagbaum in Moyale, und Markus begibt sich zum Immigrations Office. Ohne Bürokratie, dafür schleppend langsam, drückt ihm der Grenzbeamte den Einreisestempel in unsere Pässe. Weil er sich überhaupt nicht beeilt, ist es halb sechs Uhr, und der Grenzbeamte vom Customs Office ist bereits seit einer halben Stunde zu Hause. Während Markus sich von den Grenzbeamten auslachen lässt, bewacht Helen den Santi. Zum Glück, denn dank ihrer Bewachung macht sie Bekanntschaft mit einem Fremdenführer, der den Customs Officer telefonisch kontaktiert und ihn bittet, unsere Einreise ausserhalb der Öffnungszeiten abzuwickeln. Erstaunlicherweise taucht nur gerade zehn Minuten später der Customs Officer tatsächlich auf, und kurze Zeit später ist unser Carnet abgestempelt, und wir machen uns im Grenzort Moyale auf die Suche nach einer Campiermöglichkeit.

Während dem Suchen wird Markus von Helen darüber aufgeklärt, dass wir uns in einer anderen Zeit befinden. Es ist jetzt nämlich der 2. September 2001, und obwohl unsere Uhr 18 Uhr 15 zeigt, ist es 12 Uhr 15. Gestern hat in Äthiopien ein neues Jahr begonnen, und der äthiopische Tag hat zweimal zwölf Stunden – wobei jeweils um sechs Uhr abends und morgens einen neue „Tageseinheit“ beginnt. Ausserdem erklärt sie ihm, dass das Jahr hier nicht 12, sondern 13 Monate hat, und Neujahr am 1. September ist. Dies alles wurde Helen von sich um den Santi scharenden Fremdenführern erklärt, als sich Markus mit Grenzformalitäten beschäftigte. 

13. September 2008

Gerädert stehen wir frühmorgens auf und hoffen, dass die nächsten Nächte etwas ruhiger werden – wir haben nämlich im Hinterhof eines kleinen Hotels direkt neben dem die ganze Stadt mit Strom versorgenden Generator verbracht…

Auf einer mittelmässigen Teerstrasse fahren wir rasch in nördlicher Richtung. Noch immer befinden wir uns in einem von Räuberbanden unsicher gemachten Gebiet. Trotzdem bestaunen wir die von sehr hohen Termitenhügeln übersäte Landschaft mit ihrer roten Erde. Begleitet werden wir von einer Kaltluftfront, die nicht nur einen grossen Greifvogel, sondern ab und zu auch ein paar Regentropfen zu uns schickt. Immer wieder machen wir diverse Fotohalts und bewundern die Weite des Landes.

Wir durchqueren Dubduluk und sind froh, nach 190 Kilometer Fahrt kurz vor Yabelo auf einer Baustelle einen Übernachtungsplatz finden. Nicht etwa, dass wir bevorzugt auf Baustellen übernachten, aber das Hinweisschild am Strassenrand ("Borana Lodge - a Pleasure to treasure") reizt uns und wir folgen dem Wegweiser. Die holprige und ausgewaschene schmale Erdpiste endet aber nicht bei einer Lodge, sondern inmitten einer Baustelle.

Wie uns die drei anwesenden freundlichen Äthiopier mit ihren geringen Englischkenntnissen und mit Händen und Füssen erklären, wird hier eine grosszügige Lodgeanlage mit rund dreissig allein stehenden Bungalows errichtet. Mit Stolz zeigen uns die Männer auf der Baustelle, was sie bisher gebaut haben. Am Schluss werden wir auf einen sehr gepflegten Garten aufmerksam gemacht. In diesem sorgsam angelegten Garten werden nicht nur Gemüse und Kräuter, sondern auch Mangobäume, Bananenpalmen und Kaffee angepflanzt. Wie sich herausstellt, ist der eine der drei Männer der Gärtner, und die beiden anderen bewachen die Baustelle – und in der heutigen Nacht den Santi und uns. Bewaffnet mit einem Karabiner sind die beiden Wächter nicht nur wegen den Räuberbanden, sondern vor allem auch wegen den sich in den umliegenden Hügeln tummelnden Löwen.

14. September 2008

Nach einer wirklich vollkommen ruhigen Nacht werden wir beim Frühstück von einer vorbeischlendernden Kamelherde überrascht. Wir schmunzeln über die ruhige Gangart und das laute "Wiehern, Schnauben, und Grochzen". Nach einem kurzen Spaziergang verabschieden wir uns von den beiden sehr höflichen und zurückhaltenden Wächtern und fahren nordwärts.

Bald einmal wird die rote Erde von fruchtbarem und sattem Grün abgelöst. Gelegentlich fahren wir durch kilometerlange topfebene Grasflächen, auf denen unglaublich viel Vieh weidet. Kein Wunder, wenn wir statt Mann und Frau Stier und Kuh wären, würde es uns hier auch gefallen! Auf der Weiterfahrt fällt uns auf, dass die Behausungen in Äthiopien - wie in weiten Teilen Afrikas - einfach gebaut sind. Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern tragen die Frauen die von ihnen zu transportierenden Lasten jedoch nicht auf dem Kopf, sondern auf dem Rücken oder auf den Schultern.


Unterwegs bleibt unser treuer Santi wieder einmal stehen. Markus lokalisiert das Problem bald einmal und beginnt, zwei defekte Sicherungen auszutauschen und einen Teil des Sicherungskastens zu reinigen. Eines der Hauptstromkabel wurde vom Werk aus nicht genügend gegen Verunreinigungen geschützt, weshalb das Kabel und die Kontakte im Sicherungskasten zu korrodieren begonnen haben. Während sich immer mehr Menschen um den Santi scharen, reinigt Markus fein säuberlich alles und setzt es anschliessend wieder zusammen. Danach möchte er den Motor starten – leider erfolglos. Trotz einer langen Suche nach der Ursache findet er nichts. Ein zufälligerweise vorbei fahrender Einheimischer bietet uns an, in einem nahe gelegenen Dorf Hilfe zu holen. Während Markus das Auto bewacht bzw. weiter auf Fehlersuche geht, fährt Helen mit dem Einheimischen mit. Während Helen in dessen Auto sitzt, überkommt sie ein etwas komisches Gefühl. Zum einen weil sie zu einem wildfremden Mann ins Auto gestiegen ist, zum anderen, weil sie kein Natel bei sich hat und es zudem noch eindunkelt. Glücklicherweise erweist sich der Einheimische als ehrlich und aufrichtig, und nach rund zwei Stunden kehren die beiden zusammen mit einem Mechaniker zu Markus zurück. Es hat deshalb so lange gedauert, weil zum einen das „nahe gelegene Dorf“ doch nicht so nahe war (rund 35 Kilometer!), und zum anderen, weil heute Sonntag ist, und der Mechaniker natürlich nicht in der Garage, sondern irgendwo bei Freunden im Dorf war und zuerst noch gefunden werden musste. Kaum beim Santi und Markus angekommen, macht sich der Mechaniker auf Fehlersuche. Allerdings etwas anders als Markus, der den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Als erstes prüft der Mechaniker nämlich die Batterie und meint, es wäre nicht schlecht, wenn die entleerte Batterie geladen würde…Helen und ein netter Äthiopier sind damit beschäftigt, die ganze Menschenmasse vom Auto fern zu halten. Es ist nämlich unheimlich schwierig am Auto zu arbeiten, wenn eine Unmenge von Menschen beinahe auf der Motorhaube sitzt.

Kaum sind die Überbrückungskabel angeschlossen, schnurrt der Motor im Santi wieder wie eh und je. Mittlerweile ist es dunkle Nacht geworden, und der Mechaniker bietet uns an, in seiner Garage zu übernachten. Da sich die ganze Zeit mindestens fünfzig Personen um den Santi und uns scharten, nehmen wir sein Angebot dankend an und fahren mit dem Mechaniker 35 Kilometer zurück bis in dessen Garage. Müde und erschöpft nach den Strapazen liegen wir auch schon im Dachzelt und lauschen der Dorfmusik - die Garage ist nur durch einen Pfahlverhau von der Hauptstrasse abgetrennt...

15. September 2008

Wieder einmal stellen wir fest, wie die Kilometerangaben auf einer Strassenkarte täuschen können. Eigentlich wären wir heute gerne nach Addis Abeba gefahren, aber nach nur gerade rund 300 Kilometer neigt sich der Tag dem Ende zu. Wir fahren zwar auf einer nicht allzu schlechten Teerstrasse bis nach Shashemene, aber die unzähligen Dörfer unterwegs zwingen immer wieder zur Reduktion der Geschwindigkeit. Je mehr wir uns Shashemene nähern, umso besser werden die Häuser. Wir erfahren sogar auch, wie die Häuser im Rohbau aussehen.

 


In Shashemene, einem Ort mit 8'000 Einwohnern in der Provinz Shoa, versuchen wir erfolglos das Tauschen unserer tansanischen Shillings und finden in einem kleinen, schmalen Hinterhof eines einfachen Motels, direkt vor einem Billardraum, einen unruhigen Schlafplatz… Dafür freut sich der Besitzer über unseren Besuch in seinem Motel und zeigt uns mit Stolz seine gesamte kleine „Anlage“.

16. September 2008

Lautes Schreien und Lachen einiger Gäste lässt und früh erwachen. Hungrig liegen wir noch etwas im Dachzelt und diskutieren, was wir heute tun sollen. Wie man sich zu erinnern vermag, funktionieren seit Archer’s Post (Kenia) weder unser von der Schweiz mitgenommene noch der in Nairobi gekaufte Benzinkocher. Wir ernähren uns deshalb seither ausschliesslich von mitgenommenem Dörrgut, Haferflocken und Wasser. Infolgedessen machen wir uns auf die Suche nach frischem Brot und werden auch bald bei einigen Strassenverkäufern fündig. Nachdem wir auch noch Marmelade und Butter finden, machen wir uns mit grosser Freude auf den Rückweg zum Motel, wo wir gemütlich frühstücken. Wir diskutieren über unser Scharnier der Dachzeltbefestigung, dessen Nieten sich seit der schlechten Piste von Isiolo nach Moyale wieder teilweise gelöst haben. Dies hat zu Folge, dass unser Dachzelt lediglich mit vier Nieten an der Karosserie befestigt ist und bei der nächsten Rüttelpiste die Gefahr des Brechens weiterer Nieten droht. Damit würde unser Santi zum Cabriolet umgewandelt. Sicher wäre es ein spannendes Unterfangen, mit einem Cabrio heimzufahren, aber in der Regenzeit macht es weniger Spass… Leider ist das Fahren von Naturpisten mit einem solchen instabilen Dachzelt und der schweren Dachlast nicht mehr möglich, so dass wir beinahe keine andere Wahl haben, als es in Addis Abeba in einer grösseren Garage reparieren zu lassen. Der starke Regen mit Blitz und Donner ist für uns Grund genug, noch eine Nacht in Shashemene im Bekele Mola Hotel, einer Hotelkette des südlichen Äthiopiens, zu verbringen.

17. September 2008

Schweren Herzens fahren wir nach einer regenreichen Nacht um 8 Uhr nicht wie geplant auf der Naturpiste via Sodo und Hosaina, sondern auf der Hauptstrasse via Debre Zeyt nach Addis Abeba. Ab Negele, einem kleinen Ort nördlich von Shashemene, sind aufgrund der starken Niederschläge weite Landstriche überflutet.

Die Landschaft ist sehr fruchtbar und bis zum Horizont reichen riesige Felder. Aber auch moderne Treibhäuser säumen den Strassenrand. Und zwar in uns bisher unbekannten Ausmassen: Die grösste Treibhausanlage umfasst 1'000 unglaublich grosse Treibhäuser mit einer Gesamtfläche von rund 50 km2!

Äthiopien ist ein Land, in dem es viel zu entdecken gibt. So gibt es hier zum Beispiel nicht nur Taxis für Menschen, sondern auch für Tiere. Nur so können wir uns erklären, weshalb mehrere Dutzend Kamele sich auf der Ladefläche eines Lastwagens durch die Gegend kutschieren lassen! Sie scheinen die Fahrt zu geniessen - jedenfalls gucken sie interessiert über die Laderampe und lassen sich den Fahrtwind durch ihre langen Wimpern streichen. Die Strasse müssen wir uns aber nicht nur mit Kameltaxis teilen, sondern auch - wie in weiten Teilen Afrikas - mit Eselskarren.

In Debre Zeyt lassen wir das äthiopische Luftfahrtmuseum links liegen und fahren bald schon durch die ersten Vororte von Addis Abeba. Mitten in einem dieser Vororte treffen wir auf einen Verkehrskreisel, der sich zur Knacknuss erweist. Auf drei Seiten führen gute Teerstrassen zum Kreisel, und auf einer Seite eine ausgewaschene, von sehr tiefen Schlaglöchern versehene Piste. Laut GPS müssen wir auf dieser Piste weiterfahren, was Markus aber nicht glaubt. Helen erkundigt sich deshalb bei einem Taxifahrer nach dem Weg zur Stadtmitte, und erklärt alsdann ihrem staunenden Ehemann, dass diese Piste tatsächlich die südliche Einfallstrasse ist. Also rumpeln wir im schaukelnden Santi über die Piste – äh, Entschuldigung: Hauptverbindungsstrasse – dem Stadtzentrum entgegen. Bis dorthin wechseln sich Teerstrassen- und ausgewaschene Pistenabschnitte ab, und bei Kreuzungen ist nicht selten Spürsinn gefragt, denn Strassenschilder gibt es in Äthiopien keine.

Mit viel Glück erreichen wir das Stadtzentrum, ohne uns auch nur ein einziges Mal zu verfahren, und finden sogar das direkt an Armenviertel angrenzende Hotel Bel Air. Dieses Hotel erlaubt gemäss unserem Reiseführer als einziges Hotel der Stadt das Campieren auf dem Hotelgelände – sonst wären wir nie hierher gefahren. An Schlaf ist hier aber nicht wirklich zu denken. Ab ca. 22 Uhr werden wir von bellenden, kläffenden und jaulenden Hunden unterhalten. Offenbar halten die Hunde der umliegenden Quartiere eine Konferenz ab und können sich unglücklicherweise weder einigen noch kurz fassen…

18. September 2008

Nach der schlaflosen Nacht brechen wir frühmorgens auf, um eine Land Rover-Garage zu finden. Da wir nur die ungefähre Richtung kennen, ist es praktisch unmöglich, die Garage selber zu finden. Zum Glück treffen wir bald auf einen netten äthiopischen Autofahrer, der uns die letzten paar hundert Meter bis zur Garage durch enge Quartierstrassen vorfährt. In der Garage angekommen, wird uns mitgeteilt, dass man zwar sehr wohl in der Lage wäre, die Dachzeltbefestigung zu reparieren, aber aufgrund einer Inventur nicht über die erforderlichen Nieten verfüge. Der Manager schickt uns kurzerhand zu einer anderen Garage, wo wir die Nieten organisieren sollen.

Den Weg zur anderen Garage finden wir im Strassengewirr gut, denken aber nicht im Traum daran, zur ersten Garage zurückzukehren, da uns deren arrogante Art gar nicht gefällt. Der Chefmechaniker der zweiten Garage erklärt uns, nur über die weniger stabilen Aluminiumnieten zu verfügen, die stabileren Metallnieten für uns jedoch in der Stadt besorgen werde. Er lädt uns ein, morgen Vormittag zu erscheinen, und verspricht uns, die Reparatur dann umgehend vorzunehmen.

Wie wir uns auf dem Rückweg leicht verfahren, stehen wir plötzlich auf dem Parkplatz des Hotels Hilton. Flugs entscheiden wir uns, statt inmitten der kläffenden Hunde zu nächtigen, uns eine Nacht im Hotel Hilton zu gönnen.

19. September 2008

Bereits um halb acht stehen wir mit dem Santi in der Garageneinfahrt. Wir machen uns gleich daran, die ganze Dachlast vom Dach zu montieren, damit wir wie verabredet um halb neun mit der eigentlichen Reparatur beginnen können. Als dann immer noch kein Mechaniker zur Verfügung steht, beginnt Markus selber, den Dachzeltstoff von der Karosserie zu lösen. Nach einer Stunde erscheint der Chefmechaniker mit vier Arbeitern im Schlepptau, und schon beginnt das Schlamassel. Wenn Helen und Markus nicht derart intensiv intervenieren würden, müssten wir unsere Reise ohne Dachzelt fortsetzen. Wir beide verlieren beinahe die Nerven und können es kaum fassen, wie die Mechaniker es fertig bringen, um ein Haar unser Dachzelt zu zerstören. Dies deswegen, weil sie unseren Anweisungen nicht folgen und lieber alles mit Gewalt anstatt mit Sorgfalt und Geduld hinter sich bringen möchten. Mit Ach und Krach werden schlussendlich die Nieten ersetzt und der Zeltstoff wieder an der Karosserie befestigt. Aber leider hat die unsorgfältige Arbeit der Mechaniker zur Folge, dass der Schliessmechanismus der Dachzeltbefestigung nicht mehr funktioniert und sich infolgedessen das Dachzelt nicht mehr schliessen lässt. Nachdem die Mechaniker in die Mittagspause verschwunden sind, nimmt Markus selber die Werkzeuge in die Hand und repariert den Pfusch der Mechaniker. Helen dagegen verlässt die Garage, um für Markus und sich etwas zu Essen zu kaufen. Dabei entdeckt sie eine Bäckerei, in welcher sie zur Versüssung des ärgerlichen Morgens einige feine Kuchenstücke kauft. Nach der Mittagspause lässt sich das Dachzelt wieder normal schliessen.

Nach einer Stunde Arbeit haben die Mechaniker gemeinsam mit einem Elektriker dann sogar noch die von ihnen zerstörten Scheinwerferkabel repariert - wenn auch nur behelfsmässig: Mangels Reparatur- und Ersatzmaterial werden einfach ein paar schlecht isolierte Kupferdrähte aneinandergeknüpft! Markus überlegt sich bereits jetzt, wie er den Pfusch zu Hause wieder ausbessert... Der anschliessende Ölwechsel dauert dann noch eine gute halbe Stunde. Wir können nur noch staunen ob der miesen Arbeitsqualität und –moral dieser Mechaniker. In Dodoma (Tansania) hatten wir dieselbe Dachzeltreparatur gemeinsam mit nur gerade zwei Mechaniker in rund zwei Stunden erfolgreich hinter uns gebracht, und hier in Addis Abeba benötigen vier bzw. fünf Mechaniker rund zweimal länger!

Als Helen und Markus die Dachlast wieder befestigt und verzurrt haben, ist es bereits Feierabend. Dies beschleunigt wahrscheinlich die Diskussion um die Mehrwertsteuer, denn nach nur wenigen Minuten ist allen klar, dass wir keine Mehrwertsteuer zahlen müssen.

Glücklich, wieder über ein funktionierendes Dachzelt zu verfügen, steuern wir zum Hotel Hilton zurück und fallen müde in unsere Betten.

20. September 2008

Der heutige Tag begrüsst uns mit dicken Regentropfen. Um den Regentag möglichst gut auszunutzen, machen wir uns auf die Suche nach einem neuen Kocher – schliesslich haben wir keine Lust, uns auf der restlichen Reise nur noch von Dörrgut, Haferflocken, Brot und Bananen zu ernähren. Ein vom Hotel Hilton angeheuerter Taxichauffeur fährt uns durch die verwinkelten Strassen von Addis Abeba, und beim dritten Anlauf finden wir tatsächlich einen Kocher. Der Kocher sieht zwar sehr abenteuerlich und wenig zuverlässig aus, aber besser ein schlechter Kocher als gar keiner. Wenn wir Passanten unser Anliegen erklärten, meinten sie jeweils, wir bräuchten eine Frau als Köchin, und ein hilfreicher Äthiopier hat sogar umgehend eine Köchin zu uns geschleppt! Ob der komischen Situation können wir alle lachen (inkl. der zuerst etwas verwirrten Köchin).

In einem Hinterzimmer der Commercial Bank of Ethiopia möchten wir unsere tansanischen Shillings tauschen. Leider gelingt uns dies nicht, da in Äthiopien nur ganz wenige Währungen gegen Birr getauscht werden können. Der Geldtausch ist Privaten unter Strafe verboten, weshalb wir unsere tansanischen Shillings in einem anderen Land tauschen werden.

21. September 2008

Da wir Addis Abeba aus der Vogelperspektive bewundern und die vielen Eukalyptuswälder der umliegenden Berge betrachten möchten, machen wir uns am späteren Vormittag auf den Weg zum Bergzug Entoto. Die Anfahrt erfolgt über eine sehr steile Rampe, und schon eine halbe Stunde nach der Abfahrt überschreiten wir mit dem Santi zum ersten Mal die Marke von 3'000 m.ü.M. Auf der "Passhöhe" überlassen wir den Santi den Wächtern einer griechisch-orthodoxen Kirche und machen uns zu Fuss auf die Erkundung der Region. Die Entoto-Berge eignen sich nämlich hervorragend als Wander- und Spaziergebiet und gelten nicht zuletzt deshalb als ideales Naherholungsgebiet von Addis Abeba. Wenn man auf der einsamen Hochebene wandert, kann man sich kaum vorstellen, dass man sich nur einen knappen Kilometer Luftlinie von einer Stadt mit rund fünf Millionen Einwohnern und von Menschen überfüllten Strassen befindet!

Weitere Übernachtungen im Hotel Hilton wollen wir uns nicht gönnen. Wir erkundigen uns deshalb beim Manager, ob es möglich sei, eine Nacht auf dem Hotelparkplatz zu übernachten. Ohne grosse Diskussionen wird uns dies erlaubt, und wir suchen uns einen möglichst ruhigen Parkplatz aus. Leider befindet sich dieser Parkplatz ausgerechnet neben der Wohnung des Generalmanagers, und dieser ist über unsere Anwesenheit alles andere als erfreut. Wir werden deshalb von der Security zu einem anderen Parkplatz geleitet. Zum Glück ist es auch bei diesem Parkplatz ruhig, und wir verbringen eine angenehme Nacht.

22. September 2008

Heute gibt es zwischen Helen und Markus eine Arbeitsaufteilung. Helen zeichnet sich für die Beschaffung der Sudanvisa verantwortlich, und Markus ist dafür besorgt, dem Santi zu einem neuen Ventilator zu verhelfen. 

Um halb neun Uhr betritt Helen mit Fortunas Hilfe die sudanesische Botschaft - der Türsteher lässt nämlich Personen nur nach Gutdünken ein. Wer heute nicht eingelassen wird, muss es an einem anderen Tag versuchen. Was allerdings nicht ganz einfach ist, da die sudanesische Botschaft einerseits nur sehr beschränkt offen ist und in drei Tagen aufgrund des Ramadans für einen Monat geschlossen bleibt. Wäre Helen heute nicht hereingelassen worden, hätten wir unser äthiopisches Visum verlängern und sehr lange auf unser sudanesisches Visum warten müssen. Ob dies ein Vorgeschmack auf die sudanesische Willkür ist? Glücklich, im Innern der Botschaft zu sein, wird Helen mitgeteilt, dass die in der sudanesischen Botschaft von Dar es Salaam eingereichten Visaanträge vom dortigen Konsul weder bearbeitet noch nach Khartoum - geschweige denn nach Addis Abeba - geschickt wurden. Der hiesige Konsul schickt Helen zwecks Abklärung der Geschehnisse in Dar es Salaam zum Botschafts-Hauptsekretariat. Er kann nämlich nicht glauben, dass wir in Dar es Salaam diverse Originale einreichten, und der dortige Konsul tatsächlich keinen Finger krümmte. Da die sudanesische Botschaft in Tansania jedoch trotz der fortgeschrittenen Stunde noch nicht geöffnet hat, stossen die Abklärungsversuche ins Leere. Helen muss deshalb alle Formulare nochmals ausfüllen und alle Dokumente (inkl. je zwei Fotos) noch einmal einreichen. Aufgrund der Schlamperei des Konsuls von Dar es Salaam müssten wir rund einen Monat auf ein Touristenvisum warten. Da wir aber lediglich ein Transitvisum beantragen, sollte eine Visumsausstellung gemäss Angaben des Konsuls von Addis Abeba in nur zwei Tagen möglich sein. Um dies zu erfahren, die Anträge einzureichen und die Visagebühren zu bezahlen, verbringt Helen mit weiteren Äthiopiern "nur" siebeneinhalb Stunden in der sudanesischen Botschaft... Um vier Uhr kann Helen endlich das Botschaftsgelände verlassen und fährt per Taxi zu AMCE (Iveco-Garage).

Hierher ist Markus am Vormittag gefahren. Kaum trifft er bei dieser auf Iveco-Lastwagen spezialisierten Garage ein, stürzen sich zwei Mechaniker auf den Santi und entnehmen ihm dessen Eingeweide – oder anders ausgedrückt: Der defekte Ventilator wird durch einen neuen ersetzt. Wie sich während der Reparatur herausstellt, haben sich auf der Fahrt von Isiolo nach Moyale zwei Befestigungsschrauben des Alternators gelockert und gegen die Ventilatorabdeckung gedrückt, wodurch drei Blätter des Ventilators beschädigt wurden. Um einer Überhitzung des Motors vorzubeugen, ersetzen nämlich die beiden kompetenten und freundlichen Mechaniker den Ventilator. Ohne den im Santana eingebauten weit verbreiteten Iveco-Daily-Motor wäre das Suchen nach einem geeigneten Ventilator deutlich schwieriger gewesen! Der Betrieb dieser Garage ist professionell organisiert, und die motivierten Mechaniker sind zuvorkommend und arbeiten rasch. Kurz vor Feierabend ist der Santi wieder einsatzfähig.

Mit der von uns verlangten Mehrwertsteuer haben wir ja bereits Erfahrungen gesammelt. Heute stossen wir aber auch mit unseren besten Argumenten auf Granit. Schlussendlich werden wir auf morgen vertröstet - dann sollen wir unser Anliegen mit dem Finanzchef der Garage besprechen. Nach geschlagener, aber nicht gewonnener Schlacht campieren wir nochmals auf dem Parkplatz des Hotels Hilton.

23. September 2008

Die Mehrwertsteuerschlacht geht heute, nachdem wir alle Tanks mit Diesel aufgefüllt haben, in die zweite Runde. Unser heutiger Gegner ist der Finanzchef der Iveco-Garage. Nach einer halben Stunde gibt er klein bei, und uns wird die Mehrwertsteuer erlassen. Auch wenn es sich im Ergebnis um einen kleinen Betrag handelt, geht es uns ums Prinzip. Wir haben schlicht und einfach wenig Freude daran, Steuern zu zahlen, die wir nicht müssen.

Um halb zwei Uhr geht Helen mit dem sudanesischen Botschafter in die zweite Runde. Ihre Schlacht dauert etwas länger – die Visa werden ihr erst dreieinhalb Stunden später in unsere Pässe geklebt. Es dauert insbesondere deshalb so lange, weil die Sachbearbeiterin unsere Pässe "vergessen" hat, und erst auf Helen aufmerksam wird, als bis auf Helen alle Gesuchsteller das Botschaftsgelände verlassen haben. Markus füllt derweil unsere Wasser- und Lebensmittelvorräte auf. Wieder vereint, kaufen wir uns in der Nähe der sudanesischen Botschaft einen neuen Gaskocher - der kürzlich für umgerechnet CHF 10 erstandene Kerosinkocher erscheint uns als etwas gar abenteuerlich. Für den Fall, dass er nicht oder nicht gut funktionieren würde, wollen wir eine Notlösung in Form eines bewährten Gaskochers haben.

Heute schlafen wir nicht mehr auf dem Parkplatz des Hotel Hilton, sondern auf dem Hotelgelände des Hotels Bel Air. Eigentlich hätten wir gerne noch eine weitere Nacht auf dem Parkplatz des Hotels Hilton campiert, aber leider wird es uns nicht mehr erlaubt. Beim Hotel Bel Air treffen wir auf ein junges deutsches Paar, die mit ihrem Unimog und drei weiteren Fahrzeugen innert nur gerade zehn Wochen von Leipzig nach Cape Town fahren wollen – für uns ein wenig sinnvoller Stress.

24. September 2008

Endlich verlassen wir Addis Abeba. Wir wären gerne viel früher losgefahren, aber aufgrund der beiden „Garagentage“ und der Visabeschaffung bei der sudanesischen Botschaft sowie dem dazwischen liegenden Wochenende mussten wir unseren Aufenthalt ungewollt auf fast eine ganze Woche ausdehnen. Bald haben wir die äthiopische Hauptstadt verlassen und fahren auf einer Hochebene (2'300 m.ü.M. bis 3'050 m.ü.M.) durch eine ausserordentlich fruchtbare, uns an die schweizer Voralpen erinnernde Landschaft. Jedoch erinnern nur die Landschaft und die gute Strasse an die Schweiz. Die Unmengen von Holz und anderem Gepäck auf ihrem Rücken schleppenden Frauen und Esel lassen jeden Anflug von Zweifel über den Standort im Keim ersticken. Auch die Dörfer lassen erahnen, dass wir uns im ursprünglichen Afrika befinden.


In Äthiopien arbeiten die Bauern auf urtümliche Weise. Ihre Felder pflügen sie mit einem Ochsengespann, und als Pflug dient ein einfaches Holzgerüst mit einem spitzigen Stein als Scharte. Die Bauern tragen dieses Holzgerüst auf dem Rücken zu ihren Feldern und spannen dort das Ochsengespann ein. Alsdann geht es in sehr gemächlichem Tempo über die Felder. Wenn die Ochsen stehen bleiben, werden sie mit einer Peitsche zum Weiterpflügen motiviert. Diese Art von Pflügen bedarf viel Geduld und Zeit. Ebenfalls begegnen uns Bauern und Bäuerinnen, welche von Hand Reis ernten. Dabei bücken sie sich mit zum Teil fast gestreckten Beinen zum Boden - Frauen strecken dabei ihr Hinterteil wie tauchende Stockenten in die Höhe, was uns immer wieder zum Schmunzeln bringt. Jeder Rückenspezialist würde sich beim Zusehen im Grab umdrehen! Da nur die wenigsten Haushalte Äthiopiens an eine zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind, müssen die meisten Menschen das Wasser oft von weither zu ihren Behausungen transportieren. Während in weiten Teilen Afrikas das Wasser in Kanistern transportiert wird, schleppen hier die Frauen das Wasser in grossen Krügen auf dem Rücken nach Hause.

Die Mittagspause verbringen wir auf knapp 3'000 m.ü.M. etwas abseits der Strasse. Markus versucht, auf dem Kerosinkocher Wasser zum Kochen zu bringen, was ihm aber misslingt. Auch mit viel Mühe schafft er es nicht - der starke Wind verhindert jedes Anzünden. Wir sind heilfroh, auf einen Gaskocher zurückgreifen zu können - ohne ihn hätten wir heute an ungekochten Teigwaren knabbern müssen! Während Markus vergeblich mit dem Kerosinkocher kämpft, erscheint ein alter Mann und hält uns seinen vereiterten Finger hin. Er gibt uns zu verstehen, dass ihm ein Stein auf den Finger gefallen sei und bittet uns um Erste Hilfe. Helen verarztet ihn fachmännisch. Sie desinfiziert die Wunde mit Betadine und streicht Wundsalbe darauf. Anschliessend verbindet sie die Wunde. Danach gibt sie ihm noch Verbandsmaterial und Salbe mit, was ihn sichtlich erfreut. Dankbar geht er alsdann seines Weges. Während Helen verarztet und Markus kocht, wandert gemächlich eine Tierherde vorbei. Ein Esel findet so grossen Gefallen an uns und dem Santi, dass er unbedingt einsteigen möchte. Geduldig wartet er artig neben der Beifahrertür, bis wir unser Mittagessen beendet haben. Lange diskutieren Markus, Helen und Panther, wie sie die Einreise dieses armen Esels in die Schweiz organisieren können. Aber leider erteilt die Schweiz keine Visa für Esel, so dass wir uns schweren Herzens von ihm verabschieden müssen.

Am Nachmittag geht die Fahrt weiter durch eine bergige Landschaft. Die Strasse fällt plötzlich steil ab, und in engen Kurven schrauben wir uns in eine gut 1'000 m tiefe Schlucht hinunter. Die Strecke ist für Busse und Lastwagen eine wahre Tortur, denn sie ist so steil, dass diese Fahrzeuge nur noch im Schneckentempo vorwärts kommen. Die sich uns bietende Aussicht ist fantastisch. Von unzähligen gelben Blüten überzogene Steilhänge, Wasserfälle und senkrechte Abbruchkanten säumen die Strasse. Es handelt sich um den vom Blauen Nil gebildeten Abay Canyon. Der Fluss mit seiner dramatischen Schlucht wird von einer alten und einer im Bau befindlichen neuen Brücke überspannt. Auf der alten Brücke darf sich immer nur ein einziges Fahrzeug befinden - beim Darüberfahren wird rasch klar, warum: Irgendwann wird sie einstürzen. Und wie so oft in Afrika wird eine bald einstürzende Brücke nicht saniert, sondern bis zu deren Kollaps gebraucht, und anschliessend eine neue Brücke gebaut.

Rund fünf Kilometer nach Dejen biegen wir auf eine gute Schotterpiste ab. Die Piste führt uns durch dicht besiedeltes Weideland, und oft wird unsere Fahrt durch Schaf-, Rinder- oder Ziegenherden unterbrochen.

In Bichena finden wir im Hinterhof eines Hotels einen Schlafplatz. Eigentlich hätten wir heute gerne wild übernachtet, aber wir können einfach keinen Platz finden, wo wir zumindest einigermassen allein und ungestört schlafen könnten. Das Hauptmerkmal Äthiopiens ist seine immense Bevölkerungsdichte. Überall, aber auch wirklich überall befinden sich Menschen. Wenn wir irgendwo anhalten, wo wir denken, dass hier weit und breit kein Mensch ist, tauchen wenige Sekunden nach unserem Erscheinen Kinder und bald auch Erwachsene auf. Vor allem die Kinder schreien dann jeweils aus Leibeskräften "Jujujuju!!!". Während wir in Swahili sprechenden Regionen mit "Muzungu!" begrüsst wurden, werden wir im Amharisch sprechenden Äthiopien mit "Jujuju" willkommen geheissen. Dieses laute Rufen und Schreien amüsiert uns oft und dünkt uns sympathisch.

25. September 2008

Heute Morgen werden wir kurz nach fünf Uhr geweckt. Offenbar finden es Äthiopier als überaus amüsant, Touristen am Morgen in aller Frühe mit lautem Reden und Gelächter zu wecken. Sie hören erst auf, wie wir aus dem Auto steigen. Dafür stehen sie jetzt knapp einen Meter vom Santi entfernt und gaffen uns an. Sie haben nicht einmal genügend Anstand, uns allein zu lassen, damit wir uns in Ruhe anziehen können. Erst als sich Markus nackt auszieht, schauen sie kurz auf den Boden. Sie gönnen uns keine Minute Privatsphäre, und wir sind froh, dass wir diesen Ort bald verlassen können.

Auf der Piste geht es heute über Mota nach Bahir Dar. Wir hätten unglaublich gerne einen kleinen Umweg auf der Hochgebirgsstrasse über den Mount Choke (4'154 m.ü.M.) gewählt, aber aufgrund unklarer Wegverhältnisse kehren wir bald wieder um. Wir fahren stundenlang durch Ackerland, welches oft von Flüssen und Bächen mit tiefbraunem Wasser unterbrochen wird. Wir befinden uns mitten in der Regenzeit, und der Regen spült jeweils grosse Mengen von Erde in die Gewässer - ein Erosionsprozess, der zum Teil tiefe Spuren in der Landschaft hinterlässt. Trotzdem kann man sich beim Befahren dieser Hochebene kaum vorstellen, dass Äthiopien ein "Hungerland" sein soll. Wenn man der Statistik glaubt, wäre Äthiopien sehr wohl in der Lage, sich selber zu ernähren, aber wie so oft in Afrika verhindern zementierte Strukturen und Korruption eine faire und angemessene Verteilung der Lebensmittel.


Als wir am Pistenrand unser Mittagessen zubereiten, umringen uns mehrere Schulklassen. Sie bleiben stehen und starren uns an, als ob wir in einem Zoo wären. Irgendwie muss es doch sehr interessant sein, zwei Weissen beim Kochen zuzuschauen. In ganz Äthiopien stellen wir fest, wie schlecht die Kinder erzogen sind, und wie wenig Anstand zum Teil sogar Erwachsene haben. Wie uns Einheimische erklären, hängt dies eng mit der mangelnden Schulbildung zusammen. Äthiopische Familien haben oft zehn oder mehr Kinder. Leider fehlt es den Eltern an finanziellen Mitteln, um den Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, weshalb das Land unter einer enorm hohen Analphabetisierungsrate leidet. Die Eltern haben keine Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern - im Gegenteil, sie spannen ihre Kinder zur Mitarbeit im Haushalt und bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten ein. Tatsächlich sehen wir täglich unzählige Kinder, welche statt die Schule zu besuchen arbeiten müssen.

Die Schotterpiste von Bichena nach Bahir Dar ist nicht, wie auf der Strassenkarte angegeben, 184 km lang, sondern gut 60 Kilometer länger. Kurz vor Bahir Dar führt sie in einem ständigen Auf und Ab durch eine tiefgrüne, hügelige Landschaft, die uns herrliche Ausblicke bietet. Die Dörfer entlang der Piste bestehen oft aus nur wenigen Wellblechhütten. Die Bewohner tragen fast ausnahmslos ein grosses Kreuz auf der Brust - ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir uns dem religiösen Zentrum von Bahir Dar nähern.

Bevor wir die am Tanasee liegende Stadt erreichen, verdunkelt sich der Himmel, und ein riesiges Unwetter zieht auf. Zum Glück führt die Strasse um das Gewitter herum, so dass wir wenige Minuten vor Einbruch der Dämmerung mehr oder weniger trockenen Fusses in Bahir Dar eintreffen. Dort schlagen wir auf einer direkt am Tanasee liegenden, zum Hotel Ghion gehörenden Wiese unser Nachtlager auf. Einen grossen Aufsteller können wir für den heutigen Tag verzeichnen: Wie wir beim Hotel Ghion von der Reception zurück zum Santi laufen, treffen wir auf einen jungen deutschen Touristen, der gerade dabei ist, Fotos von unserem Santi zu machen. Dies freut uns natürlich sehr - erst recht, als er uns erklärt, dass eine solche Reise für ihn ein Traum sei, und er sich schon lange ein solch gut ausgebautes Auto wünsche.

26. September 2008

Der Tanasee ist übersät mit vielen Inseln. Aufgrund der religiösen Geschichte der Gegend rund um den Tanasee wurden auf fast allen Inseln Klöster gebaut, die zum Teil noch heute von Mönchen bewohnt werden. Ein paar der Inseln sind nur männlichen Wesen (Menschen und Tieren) zugänglich, und auf ein paar Inseln wohnen nur Frauen. Zudem sind nicht auf allen Inseln Touristen erlaubt.

Gleich nach dem Frühstück treffen wir auf der Uferpromenade auf einen Mann, der Schiffstouren zu diversen Inseln im Tanasee anbietet. Wir einigen uns darauf, dass er uns zur Insel Debre Maryam bringt, auf welcher ein den Touristen zugängliches Kloster steht. Auf dem Weg zur Insel passieren wir die „Quelle des blauen Nils“, oder anders ausgedrückt, die Stelle, wo das Wasser vom Tanasee in den Blauen Nil abfliesst.

Nach einer halben Stunde Bootsfahrt legen wir auf der Insel Debre Maryam an. Diese kleine Insel liegt inmitten von Papyrusdickichten nahe am Ursprung des Blauen Nils und wird von rund 200 Menschen bewohnt. Der Legende nach hatte sich das Wasser geteilt, als ein Heiliger Namens Tadewos um 1340 den Weg zur Insel nahm. Kaum betreten wir diese kleine Insel, stossen wir auf Papyrus- und Kaffeepflanzen.

Bald schon stehen wir vor der knapp 700 Jahre alten Klosterkirche. Der einzige auf dieser Insel lebende Mönch ist 89 Jahre alt und zeigt uns stolz die rund 650 Jahre alte Bibel sowie zwei rund 350 Jahre alte Bücher, in denen Teile der Bibel (Evangelien, Salomon) wunderschön bebildert und geschrieben sind. Der Bootsführer, der auf einer Tanaseeinsel aufwuchs und dessen Eltern noch immer dort leben, fungiert als Übersetzer, und so erfahren wir manch interessante Details, so z.B., dass sich das Innere der Kirche noch im Originalzustand befindet, die Dachverzierung beim Wind musikähnliche Geräusche macht, und im Vorgarten der Kirche zwei Klangsteine stehen, mit denen früher die Inselbewohner zur Messe eingeladen wurden. Diese Klangsteine geben nämlich glockenähnliche Töne von sich, wenn man mit einem anderen Stein darauf schlägt. Im Innern der Kirchekönnen wir zwei 600 Jahre alte, mit Naturfarben auf Baumwollstoff gemalte Bilder bewundern. Einerseits sind wir ergriffen vom Alter und guten Zustand der Kirche, der Bibelbücher und Bilder, finden es andererseits aber schade, dass diese wertvollen Schätze nicht besser geschützt werden. Luftfeuchtigkeit und Blitzlichter der Fotoapparate setzen den Kleinoden leider stark zu.


Zurück auf dem Festland beschliessen wir, den aufgrund der dort sich befindenden Felskirchen berühmten Ort Lalibela zu besuchen. Leider befindet sich die Piste ab Werota in einem derart schlechten Zustand, dass wir nach rund 20 Kilometern frustriert aufgeben. Wenn wir nämlich im gleich bleibenden Tempo bis Lalibela und zurück fahren würden, hätten wir zuwenig Zeit, um bis zur Grenze zu fahren. Dies hätte zur Folge, dass wir uns aufgrund des Ablaufs unseres Visums illegal in Äthiopien aufhalten würden – ein insbesondere für uns Juristen nicht gerade wünschenswertes Szenario. Wir kehren deshalb um, holpern die 20 Kilometer zurück und fahren auf einer guten Teerstrasse dem Ostufer des Tanasees entlang bis nach Gondar. Die letzten 50 Kilometer führen durch sehr hügeliges Gelände, und gelegentlich ragen hohe Felskegel beinahe senkrecht aus der Landschaft heraus. Dem Strassenrand entlang treffen wir oft auf Maisverkäufer, die Maiskolben auf dem Feuer braten und den Vorbeifahrenden verkaufen.


Kaum im Stadtzentrum von Gondar, einer Stadt mit knapp 150'000 Einwohnern, angelangt, werden wir von mehreren Burschen „überfallen“. Diese jungen Männer wollen uns unbedingt in ein Hotel lotsen (und wahrscheinlich von diesem Hotel eine Provision einsacken), indem sie uns vorgaukeln, in einem bestimmten Hotel zu arbeiten. Wir jedoch wollen uns beim Hotel Goha nach einer Campiermöglichkeit erkundigen. Die letzten paar Meter bis zum besten und bestgelegensten Hotel legen wir auf einer passähnlichen Strasse zurück, da sich das Hotel nördlich der Stadt auf einem Hügel befindet. Bald schon stellen wir unseren Santi mitten in der Natur fern vom Lärm der Stadt vor einem kleinen Wald auf dem Hotelparkplatz ab, und liegen nach diesem ereignisreichen Tag schon bald im Dachzelt.

27. September 2008

Am Morgen füllen wir unsere Wasser-, Diesel- und Lebensmittelvorräte auf und wundern uns über die mit Schafen verstopften Strassen.

Bald schon stellen wir den Grund all dieser Schafe fest: Heute feiert man in Gondar das Masqal-Fest. Mit Masqal meint man das Fest betreffend dem Auffinden des Kreuzes, das besonders in der ehemaligen Kaiserstadt Gondar intensiv gefeiert wird. In der ganzen Stadt werden am Nachmittag grosse Holz- und Strohhaufen, die zu einer Kreuzform aufgeschichtet bzw. zusammengebunden werden, angezündet. Es wird getrunken, gegessen und getanzt, und es führen etliche farbenfrohe Umzüge durch das Stadtzentrum.

Wir verzichten auf eine Besichtigung des historischen Palastbezirkes „Gemp“ und gönnen uns ein paar Stunden Ruhe auf der Aussichtsterrasse des Hotel Goha. Hier hat man eine wunderschöne Aussicht auf die gesamte Stadt Gondar, den Stausee und die umliegenden Hügel. Im hoteleigenen Park werden wir Zeuge, wie zwei Angestellte ein Schaf schlachten. Nachdem sie dem Tier die Eingeweide entnommen haben, ziehen sie ihm im wahrsten Sinne des Wortes das Fell über die Ohren. Anschliessend zerteilen sie das Tier in kleine Stücke. Auf unsere Nachfrage hin wird uns erklärt, dass man heute Abend im Hotel dieses Schaf als Festmahl serviere. Wir sind froh, über unsere eigene Küche zu verfügen, und krabbeln früh am Abend in unsere Schlafsäcke, da wir beabsichtigen, morgen möglichst früh die Grenze zum Sudan zu passieren.

28. September 2008

Ohne Probleme finden wir in der Morgendämmerung die in Azezo in Richtung Sudan abbiegende Piste. Gute und schlechte Pistenabschnitte wechseln sich ab, und gelegentlich fahren wir sogar auf einem neuen Teerbelag. In ein paar Jahren wird wahrscheinlich die gesamte Strecke bis zur Grenze asphaltiert sein. Ein Grossteil der Piste befindet sich momentan jedoch in einem sehr schlechten Zustand und zwingt uns oft zum Schritttempo. Dies stört uns jedoch kaum, denn für uns sind solche Pisten das "richtige und wahre Afrika"! Unterwegs treffen wir auf die Überreste eines Busses, dessen Fahrer offenbar zu schnell unterwegs war. In einer Kurve war dann Endstation... Die Landschaft ist grandios. Berge mit schroffen Abbruchkanten, grüne Hügel und weite Flusstäler wechseln sich laufend ab.


Nach rund sechs Stunden Fahren und Holpern müssen wir uns überlegen, wo wir schlafen wollen. Eigentlich wären wir heute gerne bis weit in den Sudan gefahren, aber der Pistenzustand zwang uns zu einer Planänderung. Wenn wir jetzt bis zur Grenze fahren, können wir im Sudan nur noch wenige Kilometer bis zum Einbruch der Dunkelheit zurücklegen. Jedermann weiss dann, dass wir irgendwo entlang der Strasse übernachten. Wenn wir hingegen in Äthiopien übernachten, weiss praktisch niemand, dass wir hier sind. Wir entscheiden uns deshalb, kurz vor der Grenze einen Schlafplatz zu suchen, und finden tatsächlich bald einen schmalen Feldweg, an dessen Rand wir den Santi parkieren können.

Laut Reiseführer befinden wir uns in einer Gegend von Äthiopien, die oft von Räubern heimgesucht wird, und viele einheimische Männer tragen nicht nur als Zeichen ihrer Männlichkeit, sondern auch als Selbstschutz Schusswaffen mit sich. Während Helen den Schlaf der Gerechten schläft, spielt Markus Wachhund und wartet auf Räuber, bis es Morgen wird. Allerdings hätte auch er schlafen können, denn wir verbringen hier eine der ruhigsten Nächte unseres Äthiopienaufenthaltes.

29. September 2008

Am frühen Vormittag legen wir die letzten Kilometer bis zur Grenze zurück. Die in Nairobi vom Betreiber des Campingplatzes Jungle Junction ausgesprochenen Warnungen und üblen Gerüchte, wonach in Äthiopien die Touristen angespuckt und mit Steinen, Tomaten und Eiern beworfen würden, haben sich bei uns überhaupt nicht bewahrheitet. Wir hatten keinen einzigen derartigen Vorfall zu verzeichnen. Im Gegenteil: Bis kurz vor dem Grenzort Metemma erwidern die Menschen unser freundliches Winken. Es ist ein schöner Abschluss unseres friedlichen Äthiopienaufenthaltes. Wie wir den Grenzort Metemma durchqueren, sind wir sicher, uns gestern Abend richtig entschieden zu haben. Bei Metemma handelt es sich um einen typischen afrikanischen Grenzort, an welchem ein geschäftiges, hektisches und für uns oft undurchsichtiges Treiben herrscht.

Die Ausreise aus Äthiopien ist eine reine Formsache - sofern man das Customs- und das Immigrationsoffice findet. In nur zehn Minuten haben wir die Formalitäten erledigt und überqueren den Grenzfluss.

 

 

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